In den letzten Jahren ist es vergleichsweise still geworden um das Forschungszentrum CERN bei Genf. Die letzte , weltweit registrierte Hurra-Meldung, ist schon sieben Jahre her, als 2012 der experimentelle Nachweis für das sogenannte Higgs-Teilchen gelang. Die beiden Theoretiker Peter Higgs (Schottland) und Francois Englert (Belgien) hatten dieses Kernteilchen schon Jahrzehnte vorher postuliert, aber erst mit dem damals weltweit leistungsfähigsten Beschleuniger LHC (= Large Hadron Collider) konnte es nachgewiesen werden, was den beiden Forschern 2013 den Nobelpreis für Physik einbrachte. Seitdem gab es keinen Anlass mehr für Champagnerparties mit der Marke Veuve Cliquot.
Fragt man die Experten in Genf, so ist die Ursache für diese forscherische Flaute die zu geringe Leistung des Kreisbeschleunigers LHC. Kein Wunder, dass man bei Cern inzwischen an einem noch größeren Protonenbeschleuniger plant. Der LHC soll - samt einem upgrade - zwar noch 20 Jahre im Betrieb bleiben, aber inzwischen soll an seiner Seite die Riesenmaschine FCC (= Future Circular Collider) entstehen. Im französisch-schweizerischen Grenzgebiet soll ein 100 Kilometer langer Tunnel mit entsprechend starken Magneten ausgestattet werden. Zum Vergleich: der bestehende Teilchenbeschleuniger LHC besitzt "nur" einen 27 km langen Tunnel. Ersten Planungen zufolge wäre der FCC bis zu 100.000 mal leistungsfähiger als bisherige Anlagen am Cern. Der geringe Krümmungsradius des FCC hat den Vorteil, dass viel höhere Strahlgeschwindigkeiten erreicht werden - ohne befürchten zu müssen, dass die Kernteilchen zur Seite davonfliegen. Der Beschleuniger FCC soll in den fünfziger Jahren in Betrieb gehen und (voraussichtlich) 25 Milliarden kosten. Deutschland wäre mit ca. 20 Prozent unter den Financiers.
Ziele und Konkurrenten
Das Ziel der Experimente am FCC ist - ganz allgemein gesprochen - Licht in das Dunkle Universum zu bringen. Etwa 95 Prozent des Kosmos bestehen aus Dunkler Materie (zu ca 25 %) und Dunkler Energie (ca. 70 %). Zahlreiche Forscherteams haben nach Teilchen und Feldern gesucht, aus denen sie bestehen könnten - ohne Erfolg. Die Dunkle Materie (DM) bewirkt den Zusammenhalt der Galaxien, die Dunkle Energie (DE) sorgt für die Expansion des Kosmos.
Ein wichtiges Modellkonzept der Theoretischen Physik ist die Supersymmetrie (SUSY). Dabei werden Teilchen mit ganzzahligen Spin (Bosonen) und solche mit halbzahligen (Fermionen) ineinander umgewandelt. Allerdings konnte bislang nicht der Nachweis erbracht werden, dass diese Supersymmetrie in der Natur tatsächlich existiert. Insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet. Seit fast 50 Jahren wird diese Theorie sowie die mit ihr verwandte Stringtheorie von klugen theoretischen Physikern beackert - ohne Erfolg. Auch hier soll der FCC experimentelle Ergebnisse - womöglich neue Kernteilchen - liefern.
Das Projekt FCC hat Konkurrenz in China und Japan. Chinas Super-Mathematiker Yau, der im Land großen Einfluss besitzt. steht an der Spitze der Promotoren. "Von der Großen Mauer zum Großen Beschleuniger" lautet der Titel des Buches, in dem er seine Visionen der Öffentlichkeit präsentiert. Die Politiker, welche in China allein die Entscheidungen treffen, halten sich bisher noch bedeckt. ---
Auch in Japan gibt es Pläne für einen (linearen) Teilchenbeschleuniger, der unter dem Namen CLIC bekannt ist. Als Standortland müsste Japan den Großteil der Baukosten selbst übernehmen, was seine Nutzung für Ausländer billiger macht. Deutschland hat bereits sein Interesse bekundet und somit den FCC an die zweite Stelle gerückt. Ist es nur Poker oder eine wirkliche Strategie, das vermag derzeit niemand zu sagen.
Kritik: Erst Higgs, dann nix?
Bei Cern sonnen sich immer noch viele im Erfolg der Higgs-Versuche vor sieben Jahren, als man mit dem umgebauten Beschleuniger LHC eine Punktlandung erzielte: Erst identifizierte man das Higgs-Boson und bereits ein Jahr später kam der Nobelpreis aus Stockholm. Aber nicht wenige altgediente Physiker warnen vor solcher Euphorie in der jetzigen Situation, indem sie sagen: "Wir können nicht erwarten, dass die Natur uns solche Schätze, wie das Higgs, wie reife Äpfel in den Schoß legt. Trotz der viel höheren Kollisionsenergie beim FCC könnte in den avisierten Energiebereich nichts zu finden sein, weil die Versuchsparameter möglicherweise nicht genügend angepasst sind". Dann hieße es also: "Erst Higgs, dann nix" und eine Generation von Astrophysikern würde vergeblich auf den nächsten Nobelpreis warten.
Die Situation beim Higgs-Teilchen und den gegenwärtig gesuchten SUSY-Teilchen in der DM unterscheiden sich nämlich dramatisch. Higgs war gewissermaßen eine "win-win-Situation". Das Boson war seit 50 Jahren bekannt und durch die theoretischen Physiker Higgs und Englert hinreichend spezifiziert. Der Beschleuniger LHC konnte auf die Eigenschaften des Higgs-Teilchen optimiert werden. Wäre das Teilchen nicht gefunden worden, dann hätte das Standardmodell zur Diskussion gestanden und damit für neue, interessante Aufgaben gesorgt. Ein solches "no-lose-theorem" gibt es bei SUSY nicht. Es kann dort durchaus die Situation eintreten, dass man an der vollkommen falschen Stelle sucht und nichts findet, vielleicht weil Beschleuniger und Detektoren dies verhindern.
Es gibt schon ExpertInnen, die in der Investition für den FCC ein "25-Milliarden-Euro-Grab" sehen. Eine solche Wissenschaftlerin ist die theoretische Physikern Sabine Hossenfelder am Frankfurter Institute for Advanced Studies. Sie wirft die Frage auf, ob es nicht sinnvoller wäre, das Projekt FCC in Gänze aufzugeben und das Geld in andere Forschungsgeräte zu investieren, die mehr Erkenntnisse erwarten lassen und billiger sind. Sabine hat sogar ein Buch darüber geschrieben mit dem provokanten Titel "Das hässliche Universum", worin sie zu der apodiktischen Feststellung gelangt: "Der FCC ist die 25 Milliarden Euro nicht wert". Kein Wunder, dass solche Empfehlungen in Genf nicht gut ankommen, wo die Nerven blank liegen. Jemand schrieb ihr (anonym) einen derben Brief zurück, der mit der Aufforderung endete:
"Fuck you"
Fragt man die Experten in Genf, so ist die Ursache für diese forscherische Flaute die zu geringe Leistung des Kreisbeschleunigers LHC. Kein Wunder, dass man bei Cern inzwischen an einem noch größeren Protonenbeschleuniger plant. Der LHC soll - samt einem upgrade - zwar noch 20 Jahre im Betrieb bleiben, aber inzwischen soll an seiner Seite die Riesenmaschine FCC (= Future Circular Collider) entstehen. Im französisch-schweizerischen Grenzgebiet soll ein 100 Kilometer langer Tunnel mit entsprechend starken Magneten ausgestattet werden. Zum Vergleich: der bestehende Teilchenbeschleuniger LHC besitzt "nur" einen 27 km langen Tunnel. Ersten Planungen zufolge wäre der FCC bis zu 100.000 mal leistungsfähiger als bisherige Anlagen am Cern. Der geringe Krümmungsradius des FCC hat den Vorteil, dass viel höhere Strahlgeschwindigkeiten erreicht werden - ohne befürchten zu müssen, dass die Kernteilchen zur Seite davonfliegen. Der Beschleuniger FCC soll in den fünfziger Jahren in Betrieb gehen und (voraussichtlich) 25 Milliarden kosten. Deutschland wäre mit ca. 20 Prozent unter den Financiers.
Ziele und Konkurrenten
Das Ziel der Experimente am FCC ist - ganz allgemein gesprochen - Licht in das Dunkle Universum zu bringen. Etwa 95 Prozent des Kosmos bestehen aus Dunkler Materie (zu ca 25 %) und Dunkler Energie (ca. 70 %). Zahlreiche Forscherteams haben nach Teilchen und Feldern gesucht, aus denen sie bestehen könnten - ohne Erfolg. Die Dunkle Materie (DM) bewirkt den Zusammenhalt der Galaxien, die Dunkle Energie (DE) sorgt für die Expansion des Kosmos.
Das Arsenal der Beschleuniger am CERN
Ein wichtiges Modellkonzept der Theoretischen Physik ist die Supersymmetrie (SUSY). Dabei werden Teilchen mit ganzzahligen Spin (Bosonen) und solche mit halbzahligen (Fermionen) ineinander umgewandelt. Allerdings konnte bislang nicht der Nachweis erbracht werden, dass diese Supersymmetrie in der Natur tatsächlich existiert. Insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet. Seit fast 50 Jahren wird diese Theorie sowie die mit ihr verwandte Stringtheorie von klugen theoretischen Physikern beackert - ohne Erfolg. Auch hier soll der FCC experimentelle Ergebnisse - womöglich neue Kernteilchen - liefern.
Das Projekt FCC hat Konkurrenz in China und Japan. Chinas Super-Mathematiker Yau, der im Land großen Einfluss besitzt. steht an der Spitze der Promotoren. "Von der Großen Mauer zum Großen Beschleuniger" lautet der Titel des Buches, in dem er seine Visionen der Öffentlichkeit präsentiert. Die Politiker, welche in China allein die Entscheidungen treffen, halten sich bisher noch bedeckt. ---
Auch in Japan gibt es Pläne für einen (linearen) Teilchenbeschleuniger, der unter dem Namen CLIC bekannt ist. Als Standortland müsste Japan den Großteil der Baukosten selbst übernehmen, was seine Nutzung für Ausländer billiger macht. Deutschland hat bereits sein Interesse bekundet und somit den FCC an die zweite Stelle gerückt. Ist es nur Poker oder eine wirkliche Strategie, das vermag derzeit niemand zu sagen.
Kritik: Erst Higgs, dann nix?
Bei Cern sonnen sich immer noch viele im Erfolg der Higgs-Versuche vor sieben Jahren, als man mit dem umgebauten Beschleuniger LHC eine Punktlandung erzielte: Erst identifizierte man das Higgs-Boson und bereits ein Jahr später kam der Nobelpreis aus Stockholm. Aber nicht wenige altgediente Physiker warnen vor solcher Euphorie in der jetzigen Situation, indem sie sagen: "Wir können nicht erwarten, dass die Natur uns solche Schätze, wie das Higgs, wie reife Äpfel in den Schoß legt. Trotz der viel höheren Kollisionsenergie beim FCC könnte in den avisierten Energiebereich nichts zu finden sein, weil die Versuchsparameter möglicherweise nicht genügend angepasst sind". Dann hieße es also: "Erst Higgs, dann nix" und eine Generation von Astrophysikern würde vergeblich auf den nächsten Nobelpreis warten.
Die Situation beim Higgs-Teilchen und den gegenwärtig gesuchten SUSY-Teilchen in der DM unterscheiden sich nämlich dramatisch. Higgs war gewissermaßen eine "win-win-Situation". Das Boson war seit 50 Jahren bekannt und durch die theoretischen Physiker Higgs und Englert hinreichend spezifiziert. Der Beschleuniger LHC konnte auf die Eigenschaften des Higgs-Teilchen optimiert werden. Wäre das Teilchen nicht gefunden worden, dann hätte das Standardmodell zur Diskussion gestanden und damit für neue, interessante Aufgaben gesorgt. Ein solches "no-lose-theorem" gibt es bei SUSY nicht. Es kann dort durchaus die Situation eintreten, dass man an der vollkommen falschen Stelle sucht und nichts findet, vielleicht weil Beschleuniger und Detektoren dies verhindern.
Es gibt schon ExpertInnen, die in der Investition für den FCC ein "25-Milliarden-Euro-Grab" sehen. Eine solche Wissenschaftlerin ist die theoretische Physikern Sabine Hossenfelder am Frankfurter Institute for Advanced Studies. Sie wirft die Frage auf, ob es nicht sinnvoller wäre, das Projekt FCC in Gänze aufzugeben und das Geld in andere Forschungsgeräte zu investieren, die mehr Erkenntnisse erwarten lassen und billiger sind. Sabine hat sogar ein Buch darüber geschrieben mit dem provokanten Titel "Das hässliche Universum", worin sie zu der apodiktischen Feststellung gelangt: "Der FCC ist die 25 Milliarden Euro nicht wert". Kein Wunder, dass solche Empfehlungen in Genf nicht gut ankommen, wo die Nerven blank liegen. Jemand schrieb ihr (anonym) einen derben Brief zurück, der mit der Aufforderung endete:
"Fuck you"
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