Mittwoch, 31. Juli 2019

Die deutschen Elite-Universitäten: armer Adel

Im Grunde kann man an den 104 deutschen Universitäten ganz passabel studieren. Die Lehrpläne der einzelnen Fächer unterscheiden sich nicht dramatisch. Das gilt sogar für die mehr technisch ausgerichteten "Technischen Universitäten" (TU), früher allgemein als "Technische Hochschulen" (TH) bezeichnet. Ich kann das selbst für das Fach Physik bezeugen, welches ich (nacheinander) an der Uni München und der (damaligen) Technischen Hochschule München absolviert habe. An der Uni waren die Vorlesungen mehr abstrakt, an der TH mehr anwendungsbezogen. Das hatte unter anderem die Auswirkungen, dass bei den Klausuren an der TH die Lösungen der Differentialgleichungen streng numerisch verlangt wurden, während der Uni-Prof  Maak sich mit dem Existenzbeweis einer Lösung begnügte.

Es war in der Endphase der Schröder-Regierung, als die Ministerialen im Berliner Forschungsministerium im Jahr 2006 die Idee de "Exzellenzinitiative" kreierten. In einem Wettbewerb mit parallel ausgelobtem finanziellen Förderprogramm, sollte mehr Struktur in die deutsche Universitätslandschaft gebracht werden. In einer Art nationaler Wissenschaftsolympiade sollten die besten Universitäten von den nur guten geschieden werden. Die "Highflyer" sollten das Recht erhalten (auf begrenzte Zeit) sich "Elite-Universität" nennen zu dürfen. Ohne es direkt auszusprechen, dachte man an die amerikanischen, englischen und schweizer Hochschulen Stanford, Yale, MIT, und Harvard, ebenso wie an die englischen Oxford, Cambridge und Imperial College, sowie an die schweizer ETH in Zürich.


Der Exzellenzwettbewerb 2019 - Sieger und Verlierer

Inzwischen sind zwei Exzellenzwettbewerbe - in den Jahren 2006 und 2012 - Geschichte. Die Ergebnisse der dritten Wettbewerbs wurden am 19. Juli 2019 bekanntgegeben. Das Verfahren bestand aus zwei Stufen. Zunächst konnten sich die Universitäten im Jahr 2016 für Forschungskooperationen - sogenannte "Exzellenzcluster" - bewerben. Aus den eingereichten 195 Projektanträgen waren Ende 2018 lediglich 57 ausgewählt worden. Um ausgezeichnet zu werden mussten die Universitätsverbünde mindestens drei Cluster vorweisen, Einzeluniversitäten mindestens zwei. Darüber hinaus war eine schlüssige Gesamtstrategie zu präsentieren, die Internationalisierung, forschungsbasierte Lehre etc. erkennen ließ.

Zu den Siegern in 2019 zählen die Universitäten Aachen, Bonn, Dresden, LMU München, TU München, Tübingen, Konstanz, Hamburg, Heidelberg, der Verbund der drei Berliner Unis (Humboldt, Freie, TU), sowie das KIT in Karlsruhe. Die zwei Münchener Unis sind, im Gegensatz zu den drei Berlinern, getrennt angetreten, weil sich die Rektorate "eine Kooperation nicht verstellen können" Selbstbewusstsein pur! Wer Exzellenzuniversität wird, bleibt es für sieben Jahre und bei erfolgreicher Verteidigung zweier Exzellenzcluster auf Dauer. Als Preisgeld stellen Bund und Land den Siegern insgesamt 148 Millionen Euro zur Verfügung.

Leer ausgegangen sind die Universitäten Freiburg, Kiel, Braunschweig, Stuttgart, Bochum, Köln, Münster und der Verbund der Universität Hannover mit der dortigen Medizinischen Hochschule. Die Uni Kiel hat bereits angekündigt, dass sie beim nächsten Wettbewerb im Jahr 2026 wieder am Start sein werde.


Das KIT:  adabei

Das KIT hatte bei dem Exzellenzwettbewerb 2019 Glück. Ob es das Glück des Tüchtigen war, bleibt offen. Jedenfalls griff die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek höchstpersönlich ein und erhöhte  sozusagen per "Ordre de Mufti", die Anzahl der finalberechtigten Cluster von 46 auf 57. Ohne diese beachtliche Aufweitung wäre das KIT (ebenso wie die Uni Heidelberg) nicht in den Endwettbewerb gekommen. Ob das Wiedergutmachung für die Nichtberücksichtigung des Südwestens beim vorlaufenden Batteriewettbewerb war, wo die Uni Münster siegte, bleibt Spekulation.


Präsident Holger Hanselka (vorne links) feiert mit seiner Entourage 
den Sieg des KIT           Foto:Breig/KIT

Die Geschichte des KIT bei den früheren beiden Exzellenzwettbewerben ist gescheckt. Beim ersten Wettbewerb 2006 siegte das KIT (zusammen mit den beiden Münchener Unis) überraschend als dritte Universität - und musste dafür einen hohen Preis bezahlen. Das benachbarte Großforschungszentrum KfK in Leopoldshafen wurde auf Betreiben des damaligen Geschäftsführers Popp - ohne sonderliche Mitarbeiterbefragung - schlicht per Quasifusion zum KIT eingemeindet, was der Hauptgrund für die elitäre Wahl war. Auch heute noch sind viele ehemalige Mitarbeiter des KfK der Ansicht, dass der Verlust der Selbstständigkeit dafür ein viel zu hoher Preis war. Egal, im unkontrollierten Überschwang ließ Popp in ganz Karlsruhe Plakate mit der Aufschrift "Wir sind Elite" anbringen. Kurze Zeit darauf ging er, aus sicherlich triftigen Gründen, in den Ruhestand. Beim zweiten Wettbewerb 2012 fiel das KIT durch, obwohl Präsident Hippler vorher lauthals verkündet hatte: "An uns kommt keiner vorbei".


Einige kritische Anmerkungen

International betrachtet, hat die Exzellenzinitiative nur wenig Aufsehen erregt. Sie wird als eine rein deutsche "Turnübung" katalogisiert. Nach wie vor sind in den allermeisten internationalen Rankinglisten nur zwei bis drei deutsche Universitäten auf den ersten 50 Plätzen zu finden - zumeist die beiden Münchener Unis und Heidelberg. Unter den TOP 10 wurde m. W. noch nie eine deutsche Universität registriert. Der (insgeheime) Wunsch manch deutscher Politiker, einen deutschen akademischen Leuchtturm à la Harvard aufzubauen, hat sich also bislang nicht erfüllt.

Apropos Harvard: das Standing dieser Universität und die Konditionen, unter denen sie betrieben wird, unterscheiden sich um Lichtjahre von den deutschen Unis. Harvard verfügt über ein Stiftungsvermögen von 50 Milliarden Dollar, über das die Hochschule frei verfügen kann. Dieses vermehrt sich jährlich um die Einschreibegebühren ("Tuition") der 21.000 Studenten, welche bis zu 50.000 Dollar erreichen können. Demgegenüber wird den deutschen Unis jährlich über Bund und Land die sogenannte Grundfinanzierung in der Höhe von einigen hundert Millionen Euros zugewiesen, zuweilen vermehrt um selbst eingeworbene Drittmittel. Die Studiengebühren sind praktisch abgeschafft.

Die jährlichen Preisgelder aus der Exzellenzinitiative belaufen sich (je nach Anzahl der Cluster) auf rd. 5 bis 15 Millionen Euro und machen in der Regel nicht mehr als ein Prozent der Grundfinanzierung aus, und spielen damit kaum die Abwicklungskosten ein Der Titel "Elite" streichelt also mehr die Seele der Präsidenten und Stadtoberen. Die allermeisten Studenten lässt er kalt, ausgenommen jene, die in den Instituten arbeiten, in denen an den Clustern geforscht wird.

Unterschiedlich ist auch die wissenschaftliche Qualität der Studienanfänger. Harvard darf sich seine Erstsemester selbst aussuchen und nimmt im Schnitt nicht mehr als fünf Prozent der Applikanten. Den deutschen Unis werden die Abiturienten zumeist "zugewiesen". Oft müssen sie in Förderkursen nachgeschult werden, weil ihr präsentes Gymnasialwissen eigentlich nicht zum Studium ausreicht. So darf es kaum verwundern, wenn die Liste der Nobelpreisträger an deutschen Unis kurz ist. Harvard verfügt derzeit über 39 Nobelpreisträger, das Massachussetts Institute of Technology (MIT) - insgeheim der Namensgeber des KIT - über deren 20.

Viele deutsche Universitäten sind sogenannte Massenuniversitäten mit 50.000 Studierende oder gar darüber. Die Uni Köln ist dafür ein Beispiel. Ihre 800 Millionen Grundfinanzierung gehen zum großen Teil in die Lehre, für die Forschung bleibt da wenig übrig. So erklärt sich auch das sang- und klanglose Ausscheiden dieser Universität aus der diesjährigen Exzellenzinitiative. Nix mit "Elite" für die Großstadt Köln. Auf mittlere Sicht wird sich daran wohl wenig ändern.
Denn die deutsche Exzellenzinitiative wird noch auf lange Zeit ein Fest bleiben für:

große Gefühle und geringe Erträge.


Donnerstag, 11. Juli 2019

Zetsches Erbe

Seinen Abgang von Daimler hat sich der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche sicherlich anders vorgestellt. Dem Nachfolger, den Schweden  Ola Källenius muss er ein schweres Erbe hinterlassen. Dieser ist seit 22. Mai 2019 neuer Vorstandschef und muss nun ein schlimmes Problem verwalten: Daimler steht (wieder einmal) knietief im Dieselskandal. Das Unternehmen soll die Abgasreinigung von Dieselautos widerrechtlich manipuliert haben, damit die Behörden getäuscht und die Autokäufer betrogen haben.


Der berühmte Stern

Immer wieder Rückrufe


Die aktuellen Rückrufe, welches das Kraftfahrtbundesamt (KBA) vor ca. einem Monat angeordnet hat, beziehen sich auf 60.000 Geländewagen vom Typ Mercedes-Benz GLK 220. Manche Autoanalysten schwadronieren bereits von noch viel größeren Stückzahlen für andere Typen. Denn schon im Sommer 2018 wurde von den Behörden ein Rückruf in Europa von 690.000 Dieselautos des Unternehmens angeordnet. Betroffen waren Varianten der C-, E-, und S-Klasse, sowie verschiedene SUVs. Daimler wies bislang jedoch alle Vorwürfe zurück.


Schummeleien bei der Software?

Das KBA will herausgefunden haben, dass in den Autos eine illegale Abschalteinrichtung zur Abgas- Manipulation verbaut wurde. Diese Software soll den Ausstoß von Stickoxiden auf dem Prüfstand künstlich niedrig gehalten haben. Im täglichen Verkehr hätten die Autos jedoch erheblich mehr Stickoxide ausgestoßen. Eine spezielle Software hielt die Temperatur des Kühlmittelkreislaufes entsprechend niedriger. Allerdings stellte das KBA fest, dass die vorher entdeckte Funktion bei späteren Softwareupdates entfernt worden war. Auf die Frage, welche Verantwortung der heutige Daimler-Vorstandschef für diese Situation habe, sagte ein Werkssprecher: "Herr Källenius gibt persönlich keine Software frei". Trotzdem stellt sich die Frage, wer die ganzen Schummeleien veranlasst hat, als Källenius vorher jahrelang Entwicklungschef bei Daimler war?


Effizienzprogramme sind notwendig

Die Anwürfe auf der technischen Seite haben auch finanzielle Auswirkungen. Daimler musste in diesem Jahr bereits die dritte Gewinnwarnung herausgeben, was die Aktionäre an der Börse sicherlich nicht freut. Auch das von Zetsche noch initiierte Effizienzprogramm "Move" muss nun beschleunigt umgesetzt werden. Für die 60.000 Beschäftigten in der Verwaltung und der Entwicklung gibt es bis 2021 noch keine Kündigungen; danach ist alles offen.

Es ist fast tragisch, dass der charismatische Daimler-Chef Zetsche nach 13 Jahren so einen schwachen Abgang hat. Aber vielleicht werden ihn die 42 Millionen Euro Pensionszusage (deutscher Rekord!) versöhnlich stimmen.