Dienstag, 14. Mai 2019

Die EnBW: arm, aber grün

Die "Energie Baden Württemberg AG" - abgekürzt: EnBW - gehört zu den fünf größten deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU), nach den traditionellen Riesen RWE und Eon, sowie den Newcomern Uniper und Innogy. Die genaue Reihenfolge ist schwer festzulegen, da die thematische Auslegung dieser Unternehmen häufig wechselt. Was die EnBW von ihren Konkurrenten jedoch klar unterscheidet ist, dass dieses EVU praktisch in Gänze dem Land Baden-Württemberg und seinen Kommunen gehört - ausgenommen die 0,39 Prozent "freier Aktionäre", wozu sich der Schreiber dieses Blogs rechnen darf. Dies ist eine kleine und elitäre Schar, welche auf die Geschäftspolitik der AG indes nur marginalen Einfluss hat.

Denn die EnBW geriert sich gern als "grünes EVU", seit der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann als Ministerpräsident im "Ländle" das Sagen hat. Das sind immerhin (seit Mai 2011) schon acht Jahre, die sich bei der nächsten Landeswahl nochmals verlängern könnten. Kretschmann und seine Mannen (wie der Vorstandsvorsitzende Frank Mastiaux) sorgen schon dafür, dass nichts anbrennt und der eingeschlagene grüne Energiekurs beibehalten bleibt. Dies gilt insbesondere für die Fokussierung der Stromerzeugung auf Wind und Sonne - egal zu welchem Preis!


Dr. Frank Mastiaux (55), CEO bei EnBW seit 2012


Fragile Finanzsituation

Die Finanzzahlen, welche im EnBW-Geschäftsbericht 2018 und bei der kürzlichen Hauptversammlung präsentiert wurden, waren nicht berauschend. Der Außenumsatz des Konzerns  ging zwischen 2018 und dem Vorjahr um 6,2 Prozent zurück. Das beeinträchtigte den betrieblichen Rohgewinn EBIT (englisch: Earnings bevor Interest and Taxes), der um satte 65 Prozent im Berichtsjahr 2018 absackte. Auch der Cashflow, die Geldmenge, welche dem Unternehmen für Dividenden und zur Tilgung von Fremdkapital zur Verfügung steht, schrumpfte in Jahresfrist um 67 Prozent. Entsprechend erhöhten sich die Nettoschulden um 28 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro. Der Konzernüberschuss ging um 83 Prozent auf 334 Millionen Euro zurück;  daraus wurde noch eine Mager- Dividende von 65 Cent bezahlt.

Kein Wunder, dass der Finanzchef Thomas Kusterer (pardon, heißt bei EnBW: Chief Financial Officer) frisches Geld beschaffen musste. Dank der guten Finanzlage des Großaktionärs Baden-Württemberg war dies kein großes Problem. Kusterer platzierte die Anleihe als sogenannte "Grüne Anleihe" und versprach, sie fast ausschließlich zur Finanzierung von Projekten im Bereich der Erneuerbaren Energien zu verwenden. Der Landesvater war (vermutlich) zufrieden.

Kritischer wird die Situation wohl werden, wenn alle Kernkraftwerke der EnBW aus (politischen Gründen) abgeschaltet sein werden. Für KWO, KKP 1 und GKN I ist dies bereits der Fall; die großen "Gelddruckmaschinen" KKP 2 und GKN II mit einer Gesamtleistung von fast 3.000 Megawatt müssen Ende 2019 beziehungsweise 2022 stillgelegt werden. Das wird den Stromerzeugungsmix der EnBW stark negativ beeinflussen, insbesondere, weil dann auch noch die Braunkohle und Steinkohle (mit 4.366 MW) partiell zur Abschaltung anstehen. Denn: Wind und Sonne trägt bislang erst mit knapp 1.200 MW zum Erzeugungsportfolio bei.


Ladestationen für Elektroautos

Die EnBW beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit dem Bau von Ladestationen für die E-Mobile. Im Berichtsjahr 2018 beschleunigte sich diese Tätigkeit, weil das Unternehmen zum Konsortialführer für das Landesförderprogramm SAFE ausgewählt wurde. SAFE ist ein Verbund von 74 Stadtwerken und drei Kommunen, die dem Elektroauto durch Verbesserung der Infrastruktur zum Durchbruch verhelfen soll. Bis September 2019 sollen "flächendeckend" 154 moderne Ladestationen entstehen, wobei in einem Raster von 10 mal 10 Kilometer mindestens eine Tankstelle mit einer Leistung von 22 Kilowatt zu finden sein soll. Und in einem Raster von 20 mal 20 Kilometern soll mindestens eine "Schnelladesäule" gebaut werden. Das Nachladen für 100 Kilometer soll dort nur sieben Minuten dauern. Gleichzeitig will man das immer noch chaotische Steckersystem vereinfachen, welches derzeit unter so eingängigen Namen wie Combo (CCS), Menekes (Typ 2) oder CHAdeMO anzutreffen ist. Schließlich will man sich um die Vereinheitlichung der Bezahlungssysteme bemühen, von denen fast jeder Ladesäulenbetreiber sein eigenes hat.

Das größte Problem ist die Standortsuche für die geplanten Schnellladesäulen. Momentan bevorzugt man zentrale Orte, die man ohnehin ein Mal pro Woche aufsucht. Das sind unter anderem Fitnesstudios und Supermärkte. Wegen der großen Zahl der Bauaufträge kommt es immer wieder zu Engpässen bei den Tiefbauunternehmen und den Handwerkern. Ein weiteres Problem stellen die Miethäuser dar, welche nicht auf hohe Stromentnahmen eingerichtet sind. Derzeit gibt es in ganz Deutschland 17.400 E-Tankstellen aller Art, davon befinden sich 2.560 in Baden-Württemberg. Fast zu viele für die 83.000 Elektroautos in Deutschland und den 16.400 im Land B-W. Befragungen ergaben allerdings immer wieder, dass die "Angst liegen zu bleiben", also die sogenannte "Reichweitenangst"das Hauptargument der Menschen gegen den Kauf von E.Mobilen ist. Nicht problematisch wäre der von der Bundesregierung geplante Betrieb von einer Million Elektroautos im Jahr 2022. Der zusätzliche Strombedarf läge nur bei 0,5 Prozent und wäre von den EVU locker zu bewerkstelligen.


Die Beschaffung der Kohle.

Die Kohle für ihre Steinkohlekraftwerke (insgesamt ca. 4,5 Millionen Tonnen) bezog die EnBW im wesentlichen aus Russland (2,7 Mio t), USA (0,76) und Kolumbien (0,92). Im vergangenen Jahr 2018 verzichtete die EnBW auf den Lieferanten Kolumbien. Damit gab es auch keinen Anlass mehr zum Auftritt von farbenfroh gekleideten Angehörigen der indigenen Völker ("Südamerika-Indianer"), die in den Vorjahren oft bewegte Klage über die miserablen Arbeitsbedingungen in den Bergbauminen führten. Allerdings hörte man bei der Hauptversammlung in den Gängen, dass diese Bergleute nun zum Teil ihren Job verloren haben, weil die Minenbesitzer ihre schmutzige Kohle jetzt zu den Chinesen liefern, die bezüglich Umweltschutz viel weniger nerven als die Deutschen.

Die US-amerikanische Kohle stammt fast ausschließlich aus Untertagebauen im Illinois Basin und den nördlichen Appelachen. "Mountaintop Removal Mining" heißt diese brutalste Technik zum Kohleabbau. In den Appelachen roden die Grubenbesitzer ganze Berggipfel. Dabei sprengen sie die Kuppen ab, bis sie an die darunter liegenden Flöze gelangen. Diese Methode ist billiger, als der aufwendigere Abbau unter Tage; 500 Berggipfel sind in den Appelachen bereits weggesprengt. Dafür werden intakte Ökosysteme in Mondlandschaften verwandelt.

Die meiste Kohle, die russische Bergbauunternehmen nach Deutschland liefern, hat einen sehr weiten Weg hinter sich. Sie stammt zumeist aus dem sibirischen Kusnezkow Becken und wird mit Güterzügen mehr als 4.000 Kilometer weit bis in die Nähe von Sankt Petersburg gefahren. Von dort gelangt sie per Schiff in den Hamburger Hafen. Berücksichtigt man die langen Transportwege von Sibirien zu den deutschen Kohlekraftwerken, so ist die (integrierte) CO2-Emission für die Russenkohle wohl kaum geringer als bei einem deutschen Braunkohlekraftwerk dessen Tagebau direkt in der Nähe liegt.


Die Managergehälter

Die Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder werden bei der EnBW zwar nicht direkt zu Millionären, müssen aber auch nicht hungern. So löhnt der Vorsitzende des elitären Aufsichtsgremiums, der Unternehmensberater Lutz Feldmann, für seine Teilzeitbetätigung immerhin noch 110.750 Euro pro anno; seine ihm zuarbeitende Rätin Gunda Röstel 64.000. Für Frau Röstel aus Flöhe ist dies gewissermaßen ein Zubrot, denn in ihrem Hauptberuf ist sie noch Kaufmännische Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden GmbH und Prokuristin der Gelsenwasser AG. Außerdem versieht Gunda noch vier weitere Aufsichtsmandate, hoffentlich nicht gratis. Das alles schafft ein gewisses Grundeinkommen für die frühere Vorsitzende der Partei der Grünen, als sie sich für die Segnungen des Kapitalismus kaum erkennbar eingesetzt hat.

Der Hauptverdiener im Vorstand ist - wie es richtigerweise sein soll - der Vorsitzende Frank Mastiaux. Er verdiente im Jahr 2018 insgesamt 3.008.608 Euro,  seine (derzeit noch) vier Vorstandsmitglieder Beck, Kusterer und Zimmer zwischen ca. 1,6 und 1,8 Mio Euro. Es fällt auf, dass dem CEO Mastiaux im Vergleich zu 2017 das Gehalt um fast 300.000 Euro gekürzt wurde, während die genannten Kollegen im Schnitt einen Zuschlag von 200.000 Euro erhielten. Da stellt sich doch die Frage, was der Chef im vergangenen Jahr "verbockt" hat. Aus dem Geschäftsbericht ist dies für den Laien nicht erkennbar. Es gibt dort zwar eine Grafik für die Zielvergütung der Vorstände, aber diese ist hochkomplex, da sie aus nicht weniger als 11 Parametern besteht. Welche Einflussgrößen dem Chef zum Verhängnis wurde, ist nicht erkennbar.

Nun, Dr. Frank Mastiaux wird, bei einiger Einschränkung, auch mit 3 Millionen auskommen. Er steht damit in einer Reihe mit seinem Kollegen , dem RWE-Vorstandsvorsitzenden Rolf Martin Schmitz, den die Gesellschafter (vermutlich) für das ungeschickte Management um die Tumulte beim Hambacher Forst abstraften.

Da hat es der Chef-Kollege von E.ON, Johannes Teyssen, schon besser getroffen. Er dirigierte 2018  sein Unternehmen sorgsam durch alle Untiefen und wurde dafür mit einem Salär von 6,7 Millionen Euro belohnt.

Montag, 13. Mai 2019

Das Ende der Kaderschmiede ENA

Wer in Frankreich eine Karriere anstrebt, die ihm eine ranghohe Position in Politik, Verwaltung oder Wirtschaft (nahezu) garantiert, für den (oder: die) gibt es einen Ausbildungskanon. Idealerweise besucht man die Gymnasien Louis le Grand oder Henri IV in Paris, studiert anschließend Sciences Po oder an der Ecole Polytechnique und qualifiziert sich dann im Wettbewerb für die Aufnahme an der Verwaltungshochschule École National d´Administration, bekannt unter dem Akronym ENA. Zwar schaffen nur zwei Prozent der ENA-Absolventen eine politische Karriere, aber:
darunter ist die Hälfte der französischen Präsidenten der V. Republik.


Die ENA - ein Fahrstuhl nach oben

Die École National d´Administration (deutsch: Nationale Hochschule für Verwaltung) ist eine Grande École, die traditionell die Elite der französischen Verwaltungsbeamten ausbildet. Sie wurde am 9. Oktober 1945 von Charles de Gaulle ins Leben gerufen, um den Aufbau einer von der Vichy-Vergangenheit unbelasteten Verwaltung zu ermöglichen. Der Standort der Hochschule war zunächst Paris; 1992 wurde sie teilweise, 2005 in Gänze nach Straßburg in das ehemalige Kloster Sainte Marguerite verlegt. In einem strengen Auswahlverfahren werden jährlich ca. 100 bis 120 Kandidaten zum zweijährigen Studium an der ENA zugelassen, wovon allerdings nur 6 Prozent der Arbeiterklasse entstammen. Im Verlaufe des gut 70-jährigen Bestehens der Schule hat die ENA ca. 7.000 Absolventen hervorgebracht. Das Curriculum sieht unter anderem Vorlesungen in Recht und Wirtschaft vor, sowie die Vermittlung von Verwaltungs- und Verhandlungstechniken.


Prominente ENA-Absolventen

Die besten ENA-Absolventen werden anschließend Inspecteur des Finances bevor sie in Spitzenpositionen der Wirtschaft oder der öffentlichen Verwaltung wechseln. An der Spitze der großen französischen Wirtschaftsunternehmen stehen fast ausschließlich ENA-Absolventen. Das unterscheidet sie von deutschen Unternehmen, wo die Unterschiede zwischen dem Vorstandssprecher meist ähnlich gering sind, wie die zur nächsten oder übernächsten Führungsebene. Der wesentliche Auswahlprozess findet bei diesem "Fahrstuhl in die oberste Führungsetage" schon bei der oben genannten Zulassung statt. Wer einmal diesen Numerus Clausus geschafft hat und innerhalb seines Jahrgangs nicht allzu schlecht abschneidet, dessen berufliche Zukunft ist für die nächsten Jahrzehnte gesichert.

Unter den Enarchen, (ein Spottwort für die ENA-Absolventen im Anklang an die Monarchen früherer Zeiten)) ist "Netzwerken", also das gegenseitige Hochhieven in Führungspositionen, angesagt und wird auch mit Inbrunst betrieben. Ein gutes Beispiel dafür ist der aktuelle französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Er war ENA-Absolvent des Jahrgangs 2004, nach der ENA-Klassifikation in der "Promotion Léopold Senghor". Nach seiner Ernennung hat er umgehend die beiden Enarchen Éduard Philippe und Bruno le Maire zum Premierminister bzw. zum Finanzminister befördert.  Weitere einflussreiche Enarchen im Umfeld von Macron sind der Gouverneur der Banque de France, die Direktorin des Radiosenders Radio France, der Präsident des Verfassungsrats und der Chef der Großbank Société Generale. In keinem anderen europäischen Land lässt sich die Führungselite in Politik, Wirtschaft und Verwaltung so einfach mit drei Buchstaben beschreiben.

Historisch interessant ist, dass fast zeitgleich mit der Gründung  der ENA in Paris, im Sommer 1946 die französische Militärregierung in ihren Besatzungsgebiet die Entscheidung zu Gründung einer "École Supérieure d ´Administration" in Speyer traf. Die Besatzungsmacht betrachteten dies als Teil eines "Umerziehungsprozesses", der vor allem gegen das Land "Preußen" gerichtet war. Ostelbische Beamte, besonders die Juristen, galten als Hauptstützen von Hitlers Nationalsozialismus. Die 1:1-Übernahme der ENA-Kriterien gestaltete sich jedoch schwierig bis unmöglich, sodass es erst am 11. Januar 1947 zur offiziellen Gründung die Hochschule kam - unter der (jetzigen) Bezeichnung "Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer". Auch im Lehrplan gingen die Speyerer ihren eigenen Weg. Sie wollten keine "kleine ENA" sein, sondern in der Tradition der deutschen Universitäten stehen. Typisch dafür waren Vorlesungen im öffentlichen Rechnungswesen, wo der spätere Rektor Klaus Lüder innovative Wege zu ihrer Reform auf kommunaler Ebene aufzeigte.


Die Abschaffung der "Enarchie"

Die ENA sollte ehedem den Filz und die Seilschaften in der Staatselite beenden. Denn zuvor entschied jedes Ministerium selbst, wen es einstellen wollte. Das führte dazu, dass Franzosen ohne "Beziehungen" fast chancenlos waren, einen hohen Verwaltungsposten zu besetzen. Mit dem - formal - allen zugänglichen Auswahlverfahren der ENA sollte eine Art demokratisch legitimierter "Staatsadel" herangebildet werden. Damit war man in den Wirtschaftswunderjahren nach dem Krieg ziemlich erfolgreich. Später jedoch degenerierte die ENA zur Brutstätte einer abgehobenen politischen Führungskaste. Ihre Vertreter mussten Schmähungen wie "Mandarine der Republik" hinnehmen.

Und das keineswegs zu Unrecht. Denn die Enarchen benahmen sich - insbesondere in der Provinz - oftmals wie kleine Könige, um nicht zu sagen wie "Sonnenkönige". So stand nicht selten schon beim offiziellen Besuch eines bloßen Staatssekretärs der Präfekt der Region in Uniform am Flughafen oder Bahnhof stramm zur Abholung des "hohen Gastes" bereit und begleitete diesen mit einer laut lärmenden Motorradkavalkade zur Provinzkapitale. Alle Straßenkreuzungen waren gesperrt und die "Normalsterblichen" mussten in ihren Autos warten.

Es war deshalb kein Wunder, dass man in den "Beschwerdebüchern", die Macron zur Vorbereitung seiner Rede an die Nation in allen Rathäusern auslegen ließ,  überall die Forderung "ENA abschaffen" lesen konnte. Insbesondere die "Gelbwesten" hatten sich auf dieses Thema kapriziert und der Präsident konnte nicht umhin, eine harte Entscheidung zu treffen. In dieser Zwangslage entschloss er sich, die Elitehochschule in Straßburg zu schließen - gegen den heftigen Widerstand fast aller Betroffenen.
Ob die Abschaffung der ENA die französische Verwaltung und Wirtschaft stärken oder schwächen wird, bleibt abzuwarten. Verändern wird sie sie auf jedem Fall.