Dienstag, 11. Dezember 2018

Darwins Evolutionstheorie in der Kritik

Einsteins Relativitätstheorie und Darwins Evolutionstheorie sind die weitreichendsten Denkmodelle der Menschheit. Während die Relativitätstheorie das Universum beschreibt sowie die Relation zwischen Masse und Energie, soll die Evolutionstheorie von Charles Darwin die Entwicklung ("Evolution") der Lebewesen auf unserer Erde nachvollziehen, von den Einzellern bis zum Menschen.

Kein Wunder, dass beide Gedankengebäude unter ständiger kritischer Beobachtung stehen, denn sie sind so revolutionär und so konsequenzenreich, dass man ihre Gültigkeit nicht oft genug nachprüfen kann. Bei der Relativitätstheorie ist dies in den vergangenen hundert Jahren oftmals geschehen und bis dato gibt es keinen Grund an ihrer "Richtigkeit" zu zweifeln. Anders ist dies bei der Evolutionstheorie. Seit sie vor knapp 160 Jahren unter dem Titel "The origin of species" von (dem Theologen) Charles Darwin veröffentlicht wurde, war sie - praktisch vom Anbeginn - ständig böswilligen Anfeindungen, aber auch substantieller Kritik ausgesetzt. Slogans wie "der Mensch stammt vom Affen ab", haben das ihre dazu beigetragen.


Charles Darwin (1809–1882)


Darwins Theorie besteht aus folgenden Annahmen:
Reproduktion: Die Individuen einer Population erzeugen immer mehr Nachkommen, als zu ihrer Arterhaltung eigentlich notwendig wäre.
Variation/Mutation: Die einzelnen Individuen einer Population sind nie gleich. Sie unterscheiden sich in mehreren Merkmalen.
Selektion: Diejenigen Individuen, die zufällig für die vorhandenen Umweltbedingungen besser angepasst sind als andere, haben einen Selektionsvorteil und überleben häufiger.
Vererbung: Die Variationen in den Merkmalen sind zu einem gewissen Teil vererbbar.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es durch die Selektion langfristig zu einer natürlichen Auslese der Individuen einer Art kommt, die durch Zufall besser angepasst sind als ihre Artgenossen.



Das Problem der unterschiedlichen Zeitspannen

Ein Problem, das die Kritiker der Darwinschen Lehre immer wieder vorbringen, ist das Phänomen der krass unterschiedlichen Zeitspannen. Es gibt in der Erdgeschichte Phasen, in denen lange Zeit - oberflächlich betrachtet - (fast) nichts geschah und dann wiederum kurze Zeitperioden in denen sich außerordentlich viele Veränderungen zeigten. Drei solcher Phasen seien stellvertretend kurz skizziert.

Im Kambrium, einem erdgeschichtlichen Zeitalter, das vor ca. 500 Millionen Jahren ablief und etwa 50 Millionen Jahre andauerte, geschah die sogenannte kambrische Artenexplosion. Innerhalb der geologisch kurzen Zeitspanne von 5 bis 10 Millionen Jahren tauchten, wie aus dem Nichts, die Vertreter fast aller heutigen Tierstämme auf. Die grundlegenden Körperbaupläne vieler mehrzelliger Tierstämme, die seitdem die Erde bevölkern, sind in den Gesteinen dieser Epoche erstmals eindeutig überliefert. Auch Tiere mit harter Schale, ja sogar Skeletten befinden sich darunter. Dies durch Zufall oder Selektion zu erklären, greift nach Ansicht kritischer Biologen zu kurz.

Die Dinosaurier, gewaltige Echsen und Wirbeltiere, , dominierten die Landschaft im Mesozoikum (Erdmittelalter) vor 235 Millionen Jahre bis zur Kreidezeit vor etwa 65 Millionen. Es wird angenommen, dass sie damals durch einen Asteroideneinschlag (bis auf die Vögel) ausgerottet wurden. Über 170 Millionen Jahre waren sie auf allen heutigen Kontinenten präsent - einschließlich der Antarktis, da damals alles Festland noch im Superkontinent Pangäa vereinigt war. 170 Millionen Jahre sind eine sehr lange Zeit, sodass immer wieder die Frage auftaucht, weshalb diese Tiere nicht in der Lage waren eine höhere Intelligenz, sprich ein größeres Gehirn, auszubilden. Aber vielleicht konnten sie schon Werkzeuge herstellen, die man aber nach so langer Zeit nicht mehr auffinden kann, da sie im Sand verrottet sind. (Sicherlich waren sie nicht auf dem Mond; dort wäre ihre Hinterlassenschaft - mangels Atmosphäre - heute noch sichtbar, wie die US-Flagge von Armstrong für noch sehr lange Zeit.)

Demgegenüber erstaunt, ja fasziniert das Tempo, mit dem sich der moderne Mensch, der sogenannte homo sapiens, entwickelt hat. Von einer Schimpansenart abstammend, stieg unser Vorfahr von den Bäumen herab, begab sich in die grasbewachsenen Savanne und erlernte dort den aufrechten Gang. Vom homo erectus bis zum homo sapiens vergingen dann nur noch ein bis zwei Millionen Jahre. Das hochkomplizierte Gehirn muss sich mit rasenden Schnelligkeit entwickelt haben. Wie das in einer solch kurzen Zeitspanne möglich war, ist heute noch für viele ein Rätsel. Die spärlichen Fossilienfunde werden immer intensiver mit genetischen Methoden untersucht, aber die rasante Entwicklung zum Menschen und die schnelle Ausbildung des Zentralcomputers, sprich Gehirn, sind von den Paläontologen noch nicht überzeugend dargelegt.


Alles nur Zufall?

Die Amerikaner Stanley Miller und Harold Urey simulierten 1953 in einem Gasgemisch, das der Uratmosphäre entsprechen sollte, mit elektrischen Entladungen die künstliche Entstehung von Aminosäuren. Diese gehören zu den elementaren Substanzen der Evolution, sind aber beileibe nicht die einzigen. Heute weiß man, dass eine Zelle nur dann lebensfähig ist, wenn mindestens drei verschiedene Arten komplexer Moleküle zusammen arbeiten: DNA ( eine Nukleinsäure), RNA (Ribonukleinsäure) und Proteine (Eiweißstoffe). Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese hochkomplexen Substanzen "von sich aus" gebildet haben konnten und damit die Entstehung einer Zelle bewirkten? Die Antwort ist: verschwindend gering, denn ein Protein allein enthält zwischen 50 und mehreren tausend Aminosäuren, die in einer sehr komplizierten Anordnung miteinander verbunden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf der Erde nur ein einziges Protein mit gerade Mal hundert Aminosäuren von selbst zusammen setzen  könnte, berechnen Statistiker auf 1 zu einer Billiarde!

Deshalb kam der Gedanke auf, dass sich diese Ursubstanzen "irgendwo im Universum" gebildet haben könnten und per Asteroiden zu unserer Erde gekommen sind. Aber dieser Transport könnte Tausende bis Millionen Jahre in Anspruch genommen haben, währenddessen die aggressive Weltraumstrahlung die Proteine längst zerstört hätte. Darüber hinaus: für die Bildung der Proteine ist RNA nötig und umgekehrt entsteht RNA nur unter Mitwirkung von Proteinen. Dass RNA und Proteine zur gleichen Zeit am gleichen Ort entstehen ist - siehe oben - aber sehr, sehr unwahrscheinlich.


Die Frage nach dem Schöpfer

In religiösen Kreisen stieß Darwins Evolutionstheorie von Anbeginn auf heftigen Widerstand. Man verwies auf die Bibel, die (in Mose 1:11,21,24) ausdrücklich sagt, dass das Leben von Gott sei und, dass alle Lebewesen "nach ihren Arten" geschaffen seien. Insbesondere in den USA bildeten sich zahlreiche Gemeinden heraus, die sich als "Kreationisten" bezeichneten und vor allem in Privatschulen diesem Glauben huldigten.

Als quasi wissenschaftliche Abart des Kreationismus bildete sich der "Intelligent Design" (ID)  heraus, der behauptete, dass sich das Leben auf der Erde nur durch einen "intelligenten Urheber" erklären lasse, also nicht durch Mutation und Selektion, wie von Darwin dargestellt. Die Theorie des "intelligenten Entwurfs" war die Folge eines Urteils des amerikanischen Supreme Court im Jahr 1987, bei dem es um die Trennung von Staat und Kirche ging. Bald darauf erschien ein Biologieschulbuch, in dem die kreationistische Lehre als wissenschaftliche Theorie und nicht mehr als bloßer Glaube dargestellt wurde. Seitdem tobt - vor allem in den Süd- und Midwest-Staaten - ein heftiger Glaubenskrieg, wobei sich besonders die Gymnasien nach den zumeist erzkonservativen Schulkuratorien ausrichten.

Die Astrobiologen und Astrophysiker beteiligen sich an diesem Streit nur selten. Eine Ausnahme bildete der kürzlich verstorbene englische Physiker Stephen Hawking. Er behauptete steif und fest, dass es -aus physikalischen Gründen - "keinen Gott" geben könne und bringt dafür folgenden "Beweis" vor:
Reisen wir in der Zeit bis zum Augenblicks des Urknalls rückwärts, so wird das Universum immer kleiner, bis es schließlich zu einem hochdichten Schwarzen Loch wird. An diesem Ort ist unsere Reise aber auch schon zu Ende, da es jenseits des Urknalls keine Zeit mehr gibt, in der eine Ursache (zur Schöpfung) hätte existieren können. Somit, so schließt Hawking messerscharf, kann es dort auch keinen Gott geben, weil es keine Zeit für die Existenz eines Schöpfers gibt.

Bleibt nur noch die Frage zu beantworten:

Und wie ist all der Krempel in uns und um uns herum eigentlich entstanden?

Postskriptum: Nach 32 Blogs im Jahr 2018 bin ich rechtschaffen müde
und wünsche meinen treuen Lesern frohe Festtage und Gesundheit in 2019!



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Sonntag, 2. Dezember 2018

Eine historische Fehlentscheidung des Islam

Zu den fünf großen Weltreligionen  zählt man üblicherweise: das Christentum, den Islam, den Hinduismus, den Buddhismus sowie das Judentum. Gemessen an der Zahl der Anhänger gibt es (nach Wikipedia) weltweit 2,3 Milliarden Christen und 1,6 Milliarden Muslime; eine Mittelposition nehmen die Hindus (940 Millionen) und Buddhisten (460 Mio) ein, gefolgt von den Juden mit 15 Millionen Anhängern. Diese Zahlen sind jedoch stark abhängig von der Zählweise. Am klarsten ist dies bei den Christen: dort wird man Christ nicht durch die Geburt, sondern durch die Taufe und die Mitgliedschaft in einer Kirche. Und man kann nach 14 Jahren jederzeit aus dieser Kirchengemeinschaft wieder austreten, womit man aufhört Christ im Sinne der Statistik zu sein.

Anders ist dies beim Islam. Muslim (bzw. Muslima) wird man qua Geburt; es gibt keine Verpflichtung irgend einer religiösen Gemeinschaft beizutreten. Hingegen erwartet man von einem Muslim das fünfmalige Praktizieren des täglichen Pflichtgebets, das zu den "fünf Säulen des Islams" gehört. Die wenigsten Muslims tun dies; der Religionswissenschaftler Michael Blume schätzt sie auf bloße 20 Prozent. Das bedeutet, dass von den ca. fünf Millionen Muslims in Deutschland nur etwa eine Million regelmäßig eine Moschee besuchen. Viele essen, übrigens, mit Genuss Schweinefleisch
und Leberwürste - insbesondere wenn sie von ihren (numerischen) Glaubensgenossen nicht gesehen werden.

Im Zuge der Jahrtausende langen Geschichte hat sich das Zahlenverhältnis zwischen Christen und Muslims immer wieder verändert. Ursächlich waren zumeist die häufigen Kriege, bei denen der Eroberer dem Unterlegenen seine Religion aufzwang - gemäß dem Wahlspruch: "Cuius regio, eius et religio". Aber es gibt auch ein technisches Phänomen, welches die Entwicklung der beiden Hauptreligionen maßgeblich beeinflusste: die Erfindung des Buchdrucks. Dieses Ereignis wurde von Christen und Muslims in unterschiedlicher Intensität genutzt und hat damit zum Abstieg des Islams beigetragen, wie in diesem Blog dargestellt werden soll.


Eine Jahrtausend-Erfindung und ihre Konsequenzen

Im 15. Jahrhundert nach Chr. erreichte der türkisch-osmanische Islam seine größte Ausdehnung und stärkste politische Bedeutung.  Am 29. Mai 1453 eroberten die Osmanen gar Konstantinopel, die einst so mächtige Hauptstadt des oströmischen Reiches. Der regierende Sultan Mehmet II (1432 - 1481) nahm mit der Hagia Sophia eine der größten und ältesten Kirchen der Christenheit für die Muslime in Besitz. --- Demgegenüber waren die deutschen Provinzen zersplittert, politisch nahezu machtlos und standen unter den römischen und vatikanischen Kuratel. Die Machtkämpfe zwischen den Katholiken und den protestantischen Reformern trugen darüber hinaus zur Lähmung des öffentlichen Lebens bei.

Da trat um 1450 n. Chr. der Mainzer Handwerker Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, auf die Bühne. Seine Erfindung des modernen Buchdrucks mit beweglichen Lettern und der Druckerpresse revolutionierte die herkömmliche Buchproduktion des Abschreibens per Hand und löste eine Medienrevolution aus. Noch 1997 wurde Gutenbergs Buchdruck vom US-Magazin Time-Life zur bedeutendsten Erfindung des zweiten Jahrtausends gewählt.


Johannes Gutenberg (1400–1468)

Kein Wunder, dass die deutschen Kaufleute die Mainzer Druckerpresse auch den reichen Osmanen in Istanbul verkaufen wollten. Dort regierte inzwischen ein Sohn des Eroberers, der Sultan Bayasid II.(1447 - 1512). Aber die mächtigen Schriftgelehrten ("Ulama") brachten gewichtige Einwände gegen diese seltsame Maschine vor. Seit der Niederschrift des Korans galt das sorgfältige Abschreiben und die lesende Rezitation arabischer Texte nämlich als geheiligte Tätigkeit, welche eine jahrelange Ausbildung voraussetzte. Die massenhafte Vervielfältigung gedruckter Texte hätte nach Auffassung der Schriftgelehrten ihre traditionelle Tätigkeit entwertet und sie letztlich brotlos gemacht. So kam es 1485 n. Chr. zu einer der verhängnisvollsten Fehlentscheidungen der Weltgeschichte: 
Sultan Bayasid II. (und seine späteren Nachfolger) verboten - bei Todesstrafe! - den mechanischen Druck arabischer Lettern.

Im westlichen Europa löste der Buchdruck eine Bildungsoffensive aus. Ausgehend von Martin Luther entstanden Bibelversionen in der jeweiligen Landessprache, was dazu führte, dass viel mehr Menschen das Bedürfnis empfanden, lesen und schreiben zu lernen. Der "Dialekt" um Hannover wurde zur deutschen Hochsprache, deren sich später auch die Dichterfürsten Goethe und Schiller bedienten. Der Konfessionsstreit katholisch/protestantisch in der Reformation führte zwar zum 30-jährigen Krieg, wurde aber im westfälischen Vertrag zum dauerhaften Frieden umgemünzt.

Demgegenüber fielen die Muslime zurück. Erstaunlicherweise sogar im Kriegshandwerk: zwei Belagerungen von Wien  durch die Osmanen (1529 und 1683 n. Chr.) blieben erfolglos. In der Folge driftete auch die arabische Sprache auseinander. So sprechen die Muslime heute in Marokko ein ganz anderes Arabisch als im Irak. Und das Hocharabisch im Koran können aktuell nur noch ganz wenige sehr gebildete Menschen lesen, mit der Folge, dass koranisches Wissen - also Bibelwissen - dem Normalaraber verborgen bleibt. In den sogenannten Koranschulen wird praktisch nur noch auswendig gelernt - wobei Wortsinn und Auslegung der Suren verloren gehen.


Große Lücken in Bildung und Wissenschaft

Als im Jahr 1727 in Istanbul der Druck auch arabischer (nichtreligiöser!) Bücher erlaubt wurde, war es bereits zu spät. Die Tabus hatten sich tief eingeprägt und es gab kaum eine lesekundige Öffentlichkeit. Nach nur 24 Büchern musste diese erste Druckerei schon wieder schließen. Um 1800 waren erst zwei Prozent der osmanischen Bevölkerung lesekundig, zumeist bestehend aus Armeniern und Juden. In Deutschland beherrschte damals schon die Hälfte der Bevölkerung Lesen und Schreiben. Nach Äußerungen des tunesischen Predigers Abdelfattal Mourou 2016 in New York liest ein Araber durchschnittlich 0,79 Bücher pro Jahr - ein Japaner hingegen 40!

Die mangelhafte Beschäftigung mit gedruckten Texten hat auch einen unheilvollen Einfluss auf Technik und Naturwissenschaft. Ägypten, die größte arabische Nation, verzeichnete im Jahr 2013 bloße 129 Patentanmeldungen; Deutschland, zum Vergleich, 82.000. Immerhin hat der arabische Raum einen Nobelpreisträger auf dem so exotischen Gebiet der Quantenphysik hervorgebracht. Es ist Abdus Salam (1926 - 1996), der in früher Jugend von seiner Heimat Pakistan nach England kam und dort die Gelegenheit hatte, seine physikalische Begabung einzubringen. In Oxford befasste er sich Elementarteilchenphysik und Quantenfeldtheorie, womit er ein Pionier des sogenannten Standardmodells der Kernphysik wurde. Dafür erhielt er 1979 (zusammen mit Steven Weinberg und Lee Glashow) den Nobelpreis der Physik.

Nach dem Tod wurde Salam in seine arabische Heimat überführt und bestattet. Dort ließ die pakistanische Regierung auf der Inschrift seines Grabsteins das Wort "muslimisch" übermalen, sodass heute anstelle "erster muslimischer Nobelpreisträger" nur noch "erster Nobelpreisträger" zu lesen ist.

Samstag, 17. November 2018

Ausgetrickst ?

Unter Jogi Löw als Trainer begann die Talfahrt des Karlsruher Sportclubs (KSC). In seiner kurzen Ägide vom Oktober 1999 bis zum März 2000 konnte er von 18 Spielen nur ein einziges gewinnen, worauf der Verein unrettbar der 3. Liga entgegen trudelte. Allerdings muss man dem späteren National-Coach zugute halten, dass der KSC zur damaligen Zeit nur noch über einen Rumpfcader verfügte. Folgende Auswahlspieler hatte das Präsidium in den vorausgehenden erfolgreichen Jahren bereits (zum Teil viel zu billig) verkauft: Thomas Häßler, Michael Tarnat, Dirk Schuster, Sean Dundee, Thorsten Fink, Oliver Kahn, Oliver Kreuzer, Jens Nowotny, Mehmet Scholl, Michael Sternkopf, Guido Buchwald und Bruno Labbadia.

Die meisten Spieler entstammten der "Goldenen Ära" des KSC unter dem Trainer Winfried Schäfer (1986 - 1998) und dem Präsidenten Roland Schmider (1974 - 2000). In diesem Zeitraum war der KSC über 11 Jahre lang ohne Unterbrechung in der obersten Spielklasse, also der Bundesliga und gewann unter anderem sensationell ein UEFA-Pokal-Spiel gegen den FC Valencia mit 7:0 auf dessen Platz.

Das alte Stadion taugt nicht mehr

Keine Klasse, kein Geld

Nach der Jahrtausendwende fing das Elend beim KSC an. Bis heute, also fast über zwei Jahrzehnte hinweg, war der KSC nur noch in zwei Spielzeiten (2007/08 und 2008/09) in der 1. Liga, als der unvergessliche "Ede" Becker Betreuer der Mannschaft war. Die längste Zeit (13 Saisons) torkelte der Club im Mittelfeld der 2. Bundesliga herum und vier Mal (wie derzeit) musste er sich sogar mit der 3. Liga bescheiden. --- Der Verbrauch an Trainern war entsprechend: von der Jahrtausendwende bis heute versuchten 20 Spielleiter ihr Glück im Wildparkstadion, durchschnittlich also nur jeweils ein halbes Jahr lang. Den absoluten, heute noch gültigen Ligarekord, stellte der Coach Reinhold Fanz auf. Er durfte nur sieben Tage bleiben, weil Utz Claassen, der Chef des damaligen Hauptsponsors EnBW mit ihm nicht einverstanden war. --- Entsprechend kurz waren auch die Amtszeiten der damaligen Vereinspräsidenten. Von 2000 bis 2010 agierten Detlef Dietrich, Hubert H. Raase und Paul Metzger. Gerhard Seiler, der frühere Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, musste 2002 sogar für nur neun Monate als "Notpräsident" einspringen und konnte damit den Verein vor der Insolvenz retten. Ab 2010 kam etwas Ruhe in die Vorstandschaft. Seitdem agiert Ingo Wellenreuther, ehemals Richter am Landgericht und seit vier Legislaturperioden CDU-Bundestagsabgeordneter für Karlsruhe.

Wo keine spielerische Klasse ist, da ist bald auch die Geldkasse leer. Für den Spielercader stehen derzeit kaum mehr als 5 bis 6 Millionen Euro pro Saison zur Verfügung, die TV-Gelder liegen bei bescheidenen 1, 2 Mio Euro. Seit Jahren muss der Verein durch Zuwendungen privater Gönner ( Kölmel, Pilarsky) über Wasser gehalten werden. Trotzdem plagen ihn Altschulden in der ungefähren Höhe von 20 Mio Euro. In der vergangenen Saison hat der KSC ein "negatives Ergebnis" von 86.000 Euro erwirtschaftet.--- Auch beim Einwerben von Drittmitteln hat der KSC kein glückliches Händchen. Das Trikot zierte früher den Schriftzug der großen Karlsruher Lebensversicherung AG (Karlsruher Leben), später war der Stromkonzern EnBW der Hauptsponsor. Beide sind ausgestiegen, nun wurde ein Vertrag mit der Firma Klaiber gemacht, einem mäßig bekannten Markisenhersteller aus dem Karlsruhe Umland. Als Ausrüster der KSC-Mannschaften figuriert das regionale Unternehmen JAKO. Seine Autos (Marke: Volvo) bezieht der Verein von der dem Karlsruher Autohaus Geisser.


"Ein neues Stadion muss her"

Die Spielstätte des KSC ist das Wildparkstadion, mit ca. 35.000 Plätzen idyllisch im stadtnahen Hardwald gelegen. Die Stadt Karlsruhe als Eigentümerin hat diese Immobilie immer wieder den Erfordernissen angepasst, etwa durch den Einbau von Flutlichtanlagen, Videowänden und einer imposanten Zuschauertribüne. Die geringen Mietzahlungen hielten das KSC-Präsidiums und seine verschiedenen Fan-Clubs nicht davon ab, immer wieder aufs Neue weitere Modernisierungen zu verlangen. Eine solche Kampagne lief um das Jahr 2007, als durch einen massiven Umbau ein Großteil der Zuschauerplätze überdacht werden sollte. Der damalige Oberbürgermeister Reinhard Fenrich ließ sich auf diese Umbauwünsche ein und kalkulierte einen Investitionsbedarf von 60 Millionen Euro, woran sich der Club mit 10 bis 20 Prozent beteiligen sollte. Der KSC winkte jedoch ab und verwies auf seine angeblich desolate Finanzlage. Damit war das Gemeinschaftsprojekt zunächst gestorben.

Ein neues "Spiel" ergab sich ab 2013 mit neuem Spitzenpersonal, nämlich dem SPD-Oberbürgermeister Frank Mentrup und dem damaligen KSC-Präsidenten Ingo Wellenreuther. Obwohl sich die Finanzlage des Vereins kaum nennenswert gebessert hatte, ging Wellenreuther aufs Ganze und forderte den Neubau eines Stadions - entweder an der gleichen Stelle oder an alternativen Standorten. Ein halbes Dutzend solcher Bauplätze wurden im Stadtrat diskutiert und kalkuliert; sie beliefen sich allesamt auf über hundert Millionen Euro und schienen damit unfinanzierbar zu sein.

In dieser verfahrenen Situation kam dem KSC und seinen Anhängern ein anderes öffentliches Projekt zur Hilfe: das Staatstheater. Es meldete einen Sanierungsbedarf in der gigantischen Höhe von 350 Millionen Euro an und war damit drei Mal so teuer wie das Fußballstadion. In der Folge entwickelte sich eine muntere mediale Debatte in Leserbriefen und Internetblogs. Sie führte zu dem Ergebnis, dass die Öffentlichkeit bald davon überzeugt war, dass für das sportliche Image der Stadt mindestens genau so viel getan werden müsse, wie für das kulturelle - auch wenn die Finanzierung aus verschiedenen Quellen erfolgt. Aus dieser argumentativen Zwickmühle konnten sich die Stadtoberen in der Folge nicht mehr befreien, sodass am 18. November 2016 die Verträge für das neue Stadion am Wildpark unterzeichnet wurden: von der Stadt Karlsruhe als Bauherrin und dem KSC als zukünftigen Mieter. Die Stadtverwaltung war ausgetrickst.


Endlich! Das neue Stadion

Mittlerweile wurde Ende Oktober 2018 der Nutzervertrag für das neue Stadion zwischen der Stadt Karlsruhe und dem KSC notariell abgesegnet. Nach dem anschließenden "ersten Baggerbiss" durften die Fans die Plastikschale ihres geliebten Sitzes abmontieren und kostenlos nach Hause abschleppen. Durch ausladende Business- und Logenplätze auf der Haupttribüne versucht der KSC künftig viel Geld "nebenher" zu verdienen. Das ist auch notwendig, denn das neue Stadion kostet insgesamt satte 123 Mio Euro.  Während der vertraglich vereinbarten Pachtdauer von 35 Jahren will der KSC davon der Stadt 74,5 Mio zurückzahlen. Dieser Kalkulation liegt zugrunde, dass der Club in einem Betrachtungszeitraum von 10 Jahren ein Jahr in der 3. Liga spielt, sieben Jahre in der 2. Liga und zwei Jahre in der 1. Bundesliga. Na, ja!

Die Bauarbeiten sollen im Frühjahr 2022 abgeschlossen sein. Währenddessen wird der Spielbetrieb stets aufrecht erhalten. Zwei Hilfstribünen hinter den Toren sollen dies gewährleisten und 15. 000 Plätze zur Verfügung stellen.

Hip, hip, hurra!

Sonntag, 11. November 2018

Ausgemerzt?

Friedrich Merz wird nicht begeistert gewesen sein, als am Dienstag vergangener Woche zahlreiche Staatsanwälte und Finanzbeamte in seiner feudalen Münchener Residenz Lenbachplatz 1 anrückten um eine Razzia durchzuführen. Für den Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers der weltweit größten Fondsgesellschaft BlackRock war die Durchsuchung und Beschlagnahme vieler Akten und Computer sicherlich mehr als peinlich, obwohl die veranlassende Justizbehörde Köln gleichzeitig kund tat, dass gegen Merz selbst "kein Verdacht einer Straftat" vorläge. Stattdessen stünde die Aktion im Zusammenhang mit illegaler Finanztransaktionen der Jahre 2007 bis 2011, die Experten unter den Kürzeln Cum-Cum und Cum-Ex bekannt seien. Merz konnte zu seiner Entlastung immerhin vorbringen, dass er erst seit 2016 den Posten eines Aufsichtsratschef bei BlackRock inne habe.

Aber die Vorwürfe gegen seine Firma wiegen schwer: der Vermögenverwalter BlackRock soll viele Jahre lang dubiose Aktiengeschäfte betrieben haben, wodurch der deutsche Fiskus um Milliardenbeträge geschädigt wurde. Was dieser Durchsuchung ihre besondere Publizität verleiht, ist die Tatsache, dass Friedrich Merz, erst wenige Tage vorher seine Kandidatur als Nachfolger von Angela Merkel bekannt gegeben hat. Mithin muss er nun seine "Unschuld" nicht nur gegenüber der Justiz, sondern auch gegenüber den tausend Delegierten beweisen, welche ihm in vier Wochen zum CDU-Chef wählen sollen.



Betrügereien bei Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften

Die Betrügereien im Wertpapierhandel entstehen dadurch, dass große Aktienpakete im Wert von über hundert Millionen Euro von Finanzinvestoren über Banken erworben werden und (an gewissen Stichtagen) oftmals über "Strohmänner" zwischen Deutschland und beispielsweise Panama verliehen und hin und her transferiert werden. Dabei verlieren die deutschen Finanzämter nicht selten den Überblick und erstatten die Körperschaftssteuer nicht nur einmal - was legitim ist - sondern zweimal, ja sogar oftmals - was zum Betrug im deutschen Steuersystem in Milliardenhöhe führte. Skrupellose Geschäftemacher schicken ihre Aktienpakete wie wild über den Globus, einmal mit Dividendenberechtigung ("cum"), einmal ohne ("ex), tricksen dabei die simplen Computer des Fiskus aus und machen fette Rendite auf Kosten der deutschen Steuergemeinschaft. Die wichtigsten Betrugsmaschen laufen unter den Bezeichnungen Cum-Cum und Cum-Ex, aber in der Zwischenzeit gibt es schon eine Vielfalt von Modellen dazwischen.

Bei den Cum-Cum-Geschäften wollen Ausländer den Abzug der Kapitalertragssteuer vermeiden und sich - gegenüber den Finanzbehörden - wie (deutsche) Inländer gerieren. Dazu wird die Aktie des Ausländers an einen Inländer (zumeist eine Bank) mit Dividendenanspruch (lateinisch: cum) verkauft. Der Inländer vereinnahmt die Dividende, holt sich die Kapitalertragssteuer vom Finanzamt ab und gibt die Aktie samt Dividende (abzüglich einer Provision) zurück an den Ausländer.

Bei den Cum-Ex-Geschäften wird eine Lücke im Abwicklungssystem der Deutschen Wertpapiersammelbank ausgenutzt, um eine einmal abgeführte Kapitalertragssteuer mehrfach erstattet zu bekommen. Die daran beteiligten Banken behaupten einfach, sie könnten nicht erkennen, wer bei solchen Vielfachtransaktionen dividendenberechtigt ist und somit Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragssteuer habe. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein komplettes Aktienpaket gleichzeitig mehrere Eigentümer haben kann, was natürlich Unsinn ist.

Zu den Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften gibt es viele juristische Gutachten hinsichtlich ihrer Legalität. Aber am Ende gilt jedoch der einfache gesunde Menschenverstand, nämlich, dass es nicht legal sein kann, sich eine Steuer, die man nur einmal gezahlt hat, vom Fiskus mehrfach zurückerstatten zu lassen.--- Zum Schluss noch ein Hinweis: die oben beschriebenen "Geschäfte" können nur von sehr, sehr reichen Finanzleuten getätigt werden. Der normale Privatmann, der unter Aufbietung all seiner finanziellen Ressourcen gelegentlich fünf Daimler-Aktien kauft, ist aus diesem elitären Kreis ausgeschlossen. Dieser kleine Mann bekommt vom zuständigen Finanzamt auch seinen 25-prozentigen Dividendenabschlag nicht zurückerstattet!


BlackRock und Friedrich Merz

Die Firma "BlackRock Incorporated" (deutsch: schwarzer Fels) ist die größte Vermögensgesellschaft der Welt. Sie verwaltet Aktien im Wert von 6.000 Milliarden Euro, darunter auch 5 Prozent aller DAX-Papiere. Mehr als jedes Konkurrenzunternehmen ist BlackRock in der Lage, große Mengen  Wertpapiere an Dritte, also Finanzinvestoren, auszuleihen. Im Prospekt ihrer Indexfirma Ishares ist deshalb auch folgendes nachzulesen: Der gesamte Bestand des Fonds an Wertpapieren kann auf unbestimmte Zeit als Wertpapier-Darlehen an Dritte übertragen werden. Im Gegenzug streicht Ishares Gebühren ein; vom Juli bis September 2018 waren das immerhin 160 Millionen Euro.

Was die Investoren mit den geliehenen Papieren tun, bleibt weitgehend im Dunkeln. Nicht selten werden sie für Geschäfte verwendet, die in der Öffentlichkeit als "Schmuddelkram" gelten. So nutzen die "Heuschrecken" Hedgefonds sie beispielsweise für Leerverkäufe, wo auf fallende Kurse gewettet wird. Sollte sich zeigen, dass mit den entliehenen Aktien im großen Stil auch Cum-Ex-Geschäfte gemacht wurden, dann könnte BlackRock/Ishares - und mit ihnen auch Friedrich Merz - in Erklärungsnot geraten, denn man könnte ihnen vorwerfen, dass sie ihren Geschäftspartnern nicht genau genug auf die Finger gesehen haben.

Fraglich ist aber, ob Merz als Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers von BlackRock überhaupt die "Macht" hat, an jahrelang eingelaufenen und lukrativen Geschäftsvorgängen etwas zu ändern. Denn der wirkliche Chef von BlackRock sitzt in New York und heißt Larry Fink. Er hat die Firma 1988 gegründet und gilt als beinharter "Kapitalist". Von ihm ist nicht bekannt, dass er übermäßig "moralische Maßstäbe" an sein Tun anlegt. Vielleicht hatte Merz in seinem täglichen Wirken in der Münchener Lenbachstraße 1 also gar nicht den operativen Spielraum, den man hinter dem imposanten Titel "Aufsichtsratsvorsitzender" vermuten könnte.

Egal, wie es wirklich ist: Friedrich Merz trägt bei BlackRock jedoch formal eine hohe Verantwortung und wird seine Tätigkeiten auf den kommenden acht Regionalkonferenzen erklären müssen, bevor er sich in vier Wochen als Merkel-Nachfolger zur Wahl stellt. Die wahlberechtigten Delegierten werden genau hinhören, denn eines darf keinesfalls passieren: dass sich einige Monate später herausstellt, dass Friedrich Merz tatsächlich in betrügerische Finanztransaktionen verwickelt war.

Es wäre der politische Super-Gau für die CDU.


Montag, 5. November 2018

Ausgemerkelt

Es geschehen noch Zeichen und Wunder!
Am Tag nach der (für die CDU) ziemlich vergeigten Hessen-Wahl, erklärte die Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie für die Wahl zur Parteivorsitzenden anfangs Dezember nicht mehr antreten werde. Also kein "Weiter so", wie praktisch allseits erwartet, stattdessen ein "Danke, das war´s". In Bezug auf die Kanzlerschaft tat sie kund, dass sie "bereit" sei, die Regierungsgeschäfte bis zum Jahr 2021 fortzuführen. Dass sie darum "kämpfen" würde, hat sie nicht gesagt. Ihre Rede klang wie der große Einstieg zum großen Ausstieg: die Ära Merkel kommt zum Ende. Aber es ist ein Rücktritt in Raten. Angela ist noch nicht weg, aber sie hat sich schon mal verabschiedet. Und ihr Wahlvolk staunt, denn (fast) nach Hermann Hesse gilt:
Jedem Ende wohnt ein Zauber inne!




Das Ende von Merkels Kanzlerschaft könnte schon am 26. Mai 2019 kommen, am Doppelwahltag mit der Europawahl und der Bürgerschaftswahl in Bremen. Oder, noch wahrscheinlicher, im zeitlichen Umfeld des 1. September 2019. Das ist der Doppelwahltag mit Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Die Augen richten sich besonders auf Sachsen, wo die AfD die CDU als stärkste Partei überholen könnte. Und am 27. Oktober 2019 sind noch dazu die Landtagswahlen in Thüringen, ebenfalls ein Bundesland mit starker AfD.

Die prominenten Kandidaten, welche sich beim Delegierten-Parteitag im Dezember um das "Fell der Bärin" streiten werden, haben sich schon gezeigt. Es sind die lange schon vermuteten "Verdächtigen": Annegret Kramp-Karrenbauer (kurz: AKK); Jens Spahn und Friedrich Merz. Die Jüngeren unter uns werden sich kaum erinnern können, dass Merkel  dem Letztgenannten im Jahr 2002 das Amt des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU verweigerte, was Merz sichtlich übel nahm. Ein gutes Dutzend weiterer Kandidaten - deren Namen insbesondere ihnen selbst bekannt ist - werden wohl demnächst auftauchen.

Jeder dieser Kandidaten sollte dazu bereit und fähig sein, Frau Merkel gegebenenfalls in der Kanzlerschaft auch vorzeitig abzulösen. Dafür sollte er bzw. sie das geeignete thematische Profil besitzen - zum Beispiel bei der zukünftigen Handhabung der Energiewende. Dort werden große Entscheidungen fällig werden, sofern man bis zum Jahr 2022 tatsächlich alle restliche Kernkraftwerke abschalten möchte:
10 Gigawatt an konstanter Grundlast müssen in kurzer Zeit zu ersetzt werden.
Frage: Wodurch?

Samstag, 27. Oktober 2018

Die schlimmsten Fehler und Irrtümer bei der Energiewende

Die sogenannte Energiewende ist das mit Abstand teuerste deutsche Projekt seit der Wiedervereinigung. Die Kosten der Eingliederung der ehemaligen DDR-Gebiete betrugen ca. 1.500 Milliarden Euro; für die Energiewende veranschlagt man rund das Doppelte. Inzwischen sind ca. 40 Prozent der vorgesehenen Investitionen und Desinvestitionen (Kernkraftwerke!) erledigt; die kostenträchtigen Nord-Süd-Gleichstromleitungen sind stark in Verzug.

In einer Zwischenbilanz lassen sich die schlimmsten Fehler und Irrtümer dieses Großprojekts bereits jetzt benennen. Dies soll im Folgenden für die Vergangenheit, die Gegenwart und die (absehbare) Zukunft geschehen. Es muss befürchtet werden, dass die Energiewende im kommenden Jahrzehnt - insbesondere aus technischen und energiewirtschaftlichen Gründen - vor die Wand läuft. Unter Hinterlassung gigantischer nichtrentierlicher Kosten!


Die Vergangenheit

Im Folgenden werden die wichtigsten  politischen und gesetzgeberischen Entscheidungen bei der Energiewende benannt und kurz analysiert.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG):

An diesem grundlegenden Gesetz, das - kein Aprilscherz! - am 1. April 2000 von der Regierung Schröder/Trittin beschlossen wurde, ist bereits der Name falsch. Der Öko-Begriff "erneuerbare Energien" ist physikalisch schlicht unsinnig, denn nach dem Energieerhaltungssatz  kann man Energie weder erschaffen noch vernichten, sondern lediglich in verschiedene Formen umwandeln. Ein weiterer beliebter Öko-Spruch "Wind und Sonne schicken keine Rechnung" stimmt zwar formal, aber diese Naturphänomene schicken auch keinen Strom.

Eine strukturelle Schwäche des EEG beruht darin, dass es bestimmte Energietechniken, wie Wind- und Solarstrom vorgibt und finanziell exzessiv fördert. Sinnvoller wäre es gewesen, die Stromeinsparziele vorzugeben und die Wahl der dafür notwendigen Techniken dem Wettbewerb zu überlassen. Außerdem zielt das EEG praktisch nur auf die Stromwirtschaft, die übrigen Sektoren Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft kommen darin praktisch nicht vor.

Auch die Vorrang-Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom in das Netz widerspricht den elementaren Regeln des Wettbewerbs. Bei diesem System spielen die Fixkosten der erneuerbaren Energien quasi keine Rolle. Stattdessen werden die variablen Kosten zu Null eingesetzt, eben "weil Wind und Sonne keine Rechnung stellen". Auch die betrieblichen Wartungskosten fallen bei dieser seltsamen Kalkulation unter den Tisch. So war es kein Wunder, dass die Betreiber von Photovoltaik- und Windkraftanlagen immer bevorzugt ins Netz einspeisen durften, denn sie waren politisch praktisch "gesetzt".

Auch die EEG-Umlage, die garantierte Vergütung nach den Fördersätzen des EEG, stieg rasant an. Zu Beginn, im Jahr 2003, waren es noch bescheidene 0,41 Cent pro Kilowattstunde, zehn Jahre später war die Umlage auf satte 6,28 Cent/kWh gestiegen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin prognoszierte im Jahr 2004, dass die Umlage in einem privaten Haushalt "nicht mehr als eine Kugel Eis pro Monat" kosten sollte; inzwischen kann man damit locker die Eiskarte rauf und runter essen. Parallel dazu stiegen die Zahlungsverpflichtungen inzwischen auf 20 bis 30 Milliarden Euro pro Jahr an. Kein Wunder, dass die Strompreis in Deutschland damit von 15 auf 30 Cent/kWh gestiegen ist, womit wir internationaler Spitzenreiter geworden sind.

Die hohen Subventionen bei Sonnen- und Windstrom hat in der Folge die internationale Konkurrenz angelockt und die deutsche Komponentenindustrie wirtschaftlich zerstört. Ein Beispiel dafür sind die Solarkollektoren. Ab 2010 drängte die chinesische Firma Suntec Power auf den Markt und trieb auch die prominenten deutschen Solarunternehmen in den Ruin. Die Firma Bosch musste im Frühjahr 2013 seine Kollektorwerke in Ostdeutschland schließen und alle 3.000 Mitarbeiter entlassen - inklusive Chef Franz Fehrenbach. Ähnliches geschah wenige Monate später bei Siemens. Der Konzern gab seine gesamte Solarbranche auf und setzte den Oberpfälzer Joe Kaeser (anstelle von Peter Löscher) an die Spitze.


Die Stilllegung der Kernkraftwerke

Den ersten Schlag gegen die deutschen Kernkraftwerke (KKW) führte im Dezember 2001 der Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Mit seinem "Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung" reduzierte er die Gesamtlaufzeit der KKW auf 30 bis 35 Volllastjahre (VLJ). (International waren damals bereits 40 bis 50 VLJ üblich.) Außerdem zwang Trittin die Energieversorgungsunternehmen (EVU) die kleineren KKW Stade und Obrigheim sofort stillzulegen.

Die EVU leisteten damals nur geringen Widerstand. Offensichtlich hofften sie auf eine zukünftige konservative Regierung, welche die Laufzeitlimitierung in ihrem Sinne wieder aufheben würde. Dies geschah tatsächlich im Herbst 2009, als die Christdemokraten und Liberalen eine schwarz-gelbe Koalitionsregierung bilden konnten. Trittins Laufzeitlimit wurde für die noch betriebenen 17 KKW auf 40 Jahre angehoben. In den USA wurden inzwischen atomrechtliche Genehmigungen für eine Laufzeit von 40 Jahren erteilt - mit ein zusätzlichen Option für weitere 20 Jahre. In Schweden hob der Reichstag im Juni 2010 ein früheres Gesetz zum Ausstieg aus der Kernenergie komplett auf..

Das änderte sich radikal, als es am 11. März 2011 in der japanischen Region Fukushima zu einem Monstererdbeben mit einem nachfolgenden Tsunami kam. An den vier dortigen zerstörten Kernkraftwerken gab es zwar keine strahlenbedingte Todesfälle, aber die anschließende Wasserwelle forderte 20.000 Tote. In Deutschland war Angela Merkel, die frühere Befürworterin der Kernenergie zu einer strikten Gegnerin geworden. Als Bundeskanzlerin ordnete sie die sofortige Stilllegung der acht Kernkraftwerke Biblis A+B, Neckarwestheim I, Brunsbüttel, Isar I, Krümmel, Philippsburg 1 und Unterweser an. Die restlichen neun KKW sollten nach Stufenplan bis zum Jahr 2022 ebenfalls abgeschaltet werden. Am 30. Juli 2011 wurden die sogenannten Ausstiegsgesetze im Bundestag - mit nur wenigen Gegenstimmen - beschlossen.

Es nützte wenig, dass die hundert Experten der Reaktorsicherheitskommission (RSK) nach zweimonatiger Beratung im April 2011 einen 115-seitigen Bericht zu den Vorgängen in Fukushima vorlegten. Darin kamen sie zu der Feststellung, dass ein ähnlich schwerer Unfall an deutschen Reaktoren nicht möglich sei. Zum einen, weil die geologischen Verhältnisse dies nicht zulassen würden, zum anderen, weil die deutschen KKW gegen Störfälle viel besser ausgelegt seien. Diese Prüfergebnisse wurden von den politischen Entscheidungsträgern und den Medien jedoch weitgehend ignoriert.

Stattdessen setzte die Bundeskanzlerin eine sogenannte "Ethikkommission" ein, um ihren Ausstiegsplänen eine argumentative Basis zu verleihen. Dieser Kommission gehörten keine Fachleute der Kernkraftwerksbetreiber an, wohl aber hohe Würdenträger aus der katholischen und evangelischen Kirche. Der Münchener Kardinal Reinhard Marx gab den Ton vor, indem er schlicht die Kernkraft zum "Teufelszeug" erklärte. Im Mai 2011 legte die Ethikkommission ihren Abschlussbericht vor und die Bundeskanzlerin konnte zufrieden sein. Darin stand zu lesen: "Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Kernenergie ist ethisch gut begründet; im besten Fall kann der Zeitraum für den Ausstieg sogar noch verkürzt werden."

Die Energieerzeuger hätten es in der Hand gehabt, den politisch gewollten Ausstieg aus der Kernenergie zu verhindern, oder zumindest zu verzögern. Dafür hätte eine einfache Klage gegen die Stilllegungsanordnung der Länder genügt. Juristisch wäre es den EVU dann gestattet gewesen, ihre Anlagen weiter zu betreiben. Um dies zu verhindern, hätten die Behörden ihre Stilllegungsverfügungen mit Sofortvollzug ausstatten müssen. Dafür hätten sie aber eine saubere sicherheitstechnische Begründung beilegen müssen. Angesichts des seriösen RSK-Gutachtens (siehe oben) wäre ihnen das aber kaum gelungen. Nun, die EVU wagten in dieser turbulenten Zeit nicht die Konfrontation mit den Ministerien, vermutlich auch mit Rücksicht auf die kerntechnikfeindliche Stimmungslage in der Bevölkerung.


Die Gegenwart

Massiver Verzug bei den Stromleitungen

Das derzeit drängendste Problem bei der Energiewende ist der Ausbau der Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland. Vier Trassen sind dafür vorgesehen; von West nach Ost sind dies: der Korridor A von Emden nach Philippsburg, der Südlink von Brunsbüttel nach Stuttgart (bestehend aus zwei parallelen Leitungen) sowie der Südostlink von Magdeburg nach Landshut. Von diesen insgesamt 7.700 Kilometern Neubau oder Netzverstärkung sind aktuell 1.750 km genehmigt, aber erst 750 km wirklich gebaut. Nicht ganz schuldlos an dieser Misere  sind die vier Netzbetreiber Amprion, TransnetBW, Tennet und 50Hertz. Sie arbeiten - vertragsgemäß! - auf der Basis cost plus fee und machen immer ihren Gewinn, egal wie lange das Projekt sich hinzieht. Deswegen werden sie demnächst bei schuldhaften Verzögerungen mit einem Strafgeld bis zu 10 Millionen Euro belegt; bislang waren es nur schlappe 100.000 Euro.

Die Kosten für die genannten Stromautobahnen werden auf 20 Milliarden abgeschätzt. Mit ihrer Fertigstellung rechnet man frühestens im Jahr 2025. Inzwischen legen sich die (zumeist betroffenen) Landwirte nicht nur bei den Freileitungen, sondern auch bei der Erdkabelverlegung quer, welche 5- bis 10-fach höhere Kosten verursacht. Die Bauern sind mit der üblichen einmaligen Entschädigung für die Nutzung ihrer Grundstücke nicht mehr einverstanden, sondern verlangen eine jährliche Summe auf ihr Konto. Bei den Netzbetreibern hat man dafür den schönen Namen "Bauernmaut" erfunden.


Der Streit um die Braunkohle

Seit Monaten tobt ein Streit um den Hambacher Forst. REW möchte dort ein Wäldchen roden, wurde aber - quasi in letzter Minute - vom Verwaltungsgericht gestoppt. In der Essener Zentrale ist man trotzdem zuversichtlich, dass der Konzern schließlich obsiegen wird. Denn die Argumente der Baumschützer sind dünn. Wo waren sie, als in den deutschen Mittelgebirgen (Schwarzwald, Fichtelgebirge) ein vielfach größerer Baumbestand geschlagen wurde, um Zufahrtstraßen und Standorte für die dort geplanten Windmühlen bereit zu stellen?

Eine vom Bundesumweltminister Peter Altmaier eingerichtete "Kohlekommission" soll den Streit nun schlichten. Innerhalb von nur sechs Monaten soll dies Gremium bis Weihnachten einen Endbericht vorlegen, aus dem unter anderem hervorgeht, wie lange man in Deutschland noch Braunkohle baggern will und welche Nachfolge-Beschäftigung es für die 10 bis 20.000 freigesetzten Kumpels gibt. Bereits jetzt werden Jahreszahlen für die Beendigung der deutschen Kohleförderung durchgestochen. Die Grünen und Greenpeace wollen dies bereits 2030 erreichen, der Co-Vorstand der Kohlekommission, Ronald Pofalla, tendiert eher zu 2040. Die RWE hält das alles für Zahlenspielerei, so lange keine belastbaren Ergebnisse der Energiewende (Netz, Grundlast) vorliegen. Der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis unkt sogar, dass südlich der Main-Linie noch viele Jahre lang kein Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden kann. ---
Und das in Kretschmann´s own country!


Die Zukunft

Die Stilllegung der restlichen Kernkraftwerke

Man braucht kein Prophet zu sein, um die nahe Zukunft der deutschen Stromversorgung vorherzusagen. Die kommenden 5 bis 7 Jahre sind durch frühere (Fehl-) Entscheidungen bereits "eingetütet". Zum Beispiel die endgültige Stilllegung der restlichen neun Kernkraftwerke durch die von Merkel veranlassten Ausstiegsgesetze im Sommer 2011. Dies sind die KKW: Grafenrheinfeld (1.354 Megawatt - endgültige Abschaltung 2015), Gundremmingen B (1.344 MW - 2017), Philippsburg 2 (1.468 MW - 2019), Gundremmingen C (1.344 MW - 2021), Grohnde (1.430 MW - 2021), Brockdorf (1.480 MW - 2021), Isar 2 (1.485 MW - 2022), Emsland (1.400 MW - 2022), und Neckarwestheim II (1.400 MW - 2022).

In den kommenden vier Jahren bis 2022 werden also weitere rd. 10.000 MW Grundlast - politisch gewollt - vom Netz gehen. Wo ist der Ersatz? Sicherlich nicht bei Photovoltaik und Windkraft, denn diese liefern nur Zappelstrom und das noch nicht einmal zu planbaren Zeiten. Außerdem stehen die großen Nord-Süd-Gleichstromtrassen frühestens im Jahr 2025 zur Verfügung. Bleibt nur die Kohle. Aber sie soll im Moment durch die Kohlekommission "frühestmöglich" aus dem Netz genommen werden. Und die 10 bis 15 Kohlekraftwerke, welche man zur Produktion von 10 Gigawatt benötigen würde, sind längst nicht mehr vorhanden, sondern stillgelegt und abgerissen.

Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass die Bundesregierung - ähnlich wie vor zehn Jahren die Schweden - zurückrudert und ihren Ausstiegsbeschluss für die noch produzierenden sieben KKW kassieren muss. Dafür wäre Eile geboten, denn für den Weiterbetrieb dieser KKW über 2022 hinaus benötigen die EVU einen zeitlichen Vorlauf von mindestens zwei Jahren. In diesem Zeitraum müssten die Lieferverträge für den Urankauf, die Anreicherung und die Brennelementfertigung abgeschlossen und exekutiert werden. Das begleitende Geschrei der Kernenergiegegner könnte man sich leicht vorstellen.


Fazit

Die Planung der deutschen Energiewende wurde von der Politik nicht seriös vorbedacht. Zu vieles wurde "aus dem Bauch heraus" entschieden, um einem gewissen, lautstarken Klientel zu gefallen. Dabei hatte man die sichere Stromversorgung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu wenig im Auge. In allernächster Zeit wird man korrigierend eingreifen müssen, um black-outs zu verhindern.














Sonntag, 7. Oktober 2018

Exzellenz - made in Germany

Oktober ist die Zeit der Ernte. Im Allgemeinen  - und auch bei den Nobelpreisen, die in diesem Monat verkündet werden. Entsprechend meiner Ausbildung interessieren mich vor allem jene im Fachgebiet Physik. Leider wurde ich dieses Jahr (wiederum) enttäuscht, denn kein Deutscher war unter den Nominierten. Ausgezeichnet wurden zwei Physiker und eine Physikerin:  Donna Strickland aus Kanada, sowie der US-Amerikaner Arthur Ashkin und der Franzose Gérard Mourou. Für ihre Arbeiten auf de Lasergebiet, wo Deutschland durchaus Chancen zuzubilligen waren.


Eine lange Zeit der "Dürre"

Deutschland galt (vor der NS-Zeit und dem 2. Weltkrieg) als das Spitzenland der physikalischen Forschung. Seither wurden wir meilenweit überholt von den USA und seit vollen 11 Jahren fiel kein einziger Physikpreis mehr an Wissenschaftler unseres Landes. Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich war mit seiner Entdeckung des "Riesenmagnetowiderstandes" im Jahr 2007 der letzte Laureat. In dieser Zeitspanne von 2008 bis 2018, also in 11 Jahren, wurden 30 Physiknobelpreise vergeben,  wobei drei Preise pro Jahr nach den Statuten möglich sind. Sie gingen an:  USA (14 Mal), Großbritannien (5), Japan (5), Belgien (1), Frankreich (2), Kanada (2) und Russland (1). Kein Preis ging nach Deutschland; die physikalische Welt ist an uns vorbei gezogen.

Die heiss begehrte Nobelpreis-Medaille


Wie keine andere wissenschaftliche Dekoration genießen die Nobelpreise höchstes Ansehen und sind damit ein Marker für den wissenschaftlichen und kulturellen Status eines Landes. Dass auch zwischen 1933 bis 1953 kein einziger Physikpreis an deutsche Forscher vergeben wurde, hängt damit zusammen, dass von 1933 an die Quantenphysik und die Relativitätstheorie als "jüdische Physik" verdammt wurde. Stattdessen versuchte man die "deutsche Physik" zu etablieren, die weniger mathematisch war und mehr auf "Intuition" beruhte. Später stellte sich das als ziemlicher Humbug heraus und die Forschungsergebnisse der Deutschphysiker wurden vom Stockholmer Kommittee nicht als preiswürdig anerkannt.


Exzellenzinitiative, Cluster und Elite-Universitäten

Aber man kann Exzellenz - die einem durch nicht verliehene Nobelpreise entgeht - auch durch einen staatlich bzw. behördlichen Akt künstlich erzeugen. Das geschieht in Deutschland seit ca. 15 Jahren durch die sogenannte "Exzellenz-Initiative". Die etwa hundert deutschen Universitäten werden durch die Bundes- und Landesforschungsminister aufgefordert, bis zu einem gewissen Zeitpunkt Forschungsthemen (sog. "Cluster") vorzuschlagen und im Verlaufe von ca. fünf Jahren abzuarbeiten. Dafür erhalten die Unis im Falle des Zuschlags pro Jahr und Cluster ca. 6 Millionen zusätzliches Geld. Und, wenn sie besonders gut sind, den Titel "Elite-Universität" oben drauf. Insgesamt kommen etwa 50 Unis für Cluster infrage und ca. 10 für den Titel Elite-Uni.

Derzeit ist die dritte Exzellenzinitiative, beziehungsweise nach neuer Bezeichnung: Exzellenzstrategie, im Gange. Etwa 80 Cluster-Vorschläge wurden vor einem Jahr eingereicht, wovon die Gutachter ca. 60 zur weiteren Bearbeitung angenommen haben. Die endgültige Entscheidung ergeht im kommenden Sommer. Auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist mit zwei Clustern dabei, die sie allerdings nicht allein, sondern in kooperativer Hilfe mit den Unis in Heidelberg und Ulm abarbeiten wollen. (Eigentlich sind es also nur vier "halbe" Cluster). Die baden-württembergischen Unis in Tübingen (3 Cluster), Konstanz (2), Stuttgart (2) und Freiburg haben ihre Etappensiege übrigens aus eigener Kraft geschafft.

Ob es dem KIT gelingen wird, den Elite-Titel (nach 2006) zum zweiten Mal zu holen, ist bei dieser Konkurrenz also höchst fraglich. Im übrigen ist dieser Titel wissenschaftlich nur von marginaler Bedeutung. (Im Ausland zählt er rein gar nichts). Der schöne Titel "Elite" wärmt vorzugsweise die Herzen der Uni-Präsidenten und der Stadtoberen. Für die Forscher ist das Ansehen ihrer eigenen Arbeitsgruppe der einzig wichtige Gradmesser.


Fazit

Der Exzellenz-Wettbewerb mit 71 Juroren  (darunter 32 Bundes- und Landesminister) und einer mehrjährigen Vorlaufzeit ist ein hochkomplexes, bürokratisches Verfahren, das so nur in Deutschland zur Anwendung kommt. In den USA ergibt sich die Exzellenz der Elite-Universitäten, wie Harvard, MIT, Stanford und Caltech etc. schlicht aus der Anzahl ihrer Nobelpreisträger. Das MIT - Namensgeber des KIT - hat deren stolze 80!

Betrachtet man das bescheidene Abschneiden des KIT mit vier halben Clustern, dann stellt sich die Frage, ob sich der ganze Aufwand bei seiner Gründung im Jahr 2006 gelohnt hat. Damals wurde (insbesondere durch den Geschäftsführer Popp) ein ungeheurer publizistischer Hype erzeugt bei der Fusionierung der traditionsreichen Forschungsunternehmen KfK und TH zu KIT. Nun stellt sich heraus, dass dieser Riesenbetrieb von 9.000 wissenschaftlich-technischen Mitarbeiter bei der Exzellenzinitiative sogar von der kleinen, aber feinen Uni Tübingen überrundet wird.

Wie hat doch schon Goethe gesagt:
"Getretener Quark wird breit, nicht stark".








Sonntag, 30. September 2018

Gerhard Heusener +

Dr. Gerhard (Gerd) Heusener ist am 9. September 2018 im Alter von 78 Jahren nach längerer, schwerer Krankheit verstorben.

Gerd wurde 1940 in Bochum geboren und studierte an der Technischen Hochschule Aachen Maschinenbau und Reaktortechnik. 1964 trat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) bei, wo er bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn im Jahr 2002 verblieb.

Zu seinen ersten anspruchsvollen Aufgaben im KfK gehörte die erfolgreiche Analyse des Kernschmelzenstörfalls beim Brutreaktor SNR 300, wodurch 1973 dessen atomrechtliche Baugenehmigung erlangt werden konnte. Des weiteren leitete er die Blockadeexperimente an natriumgekühlten Brennelementen (Mol 7C) sowie als Projektführer die Transientenversuche an der französischen Reaktoranlage CABRI. Im Zuge dieser und weiterer komplexer Experimente und theoretischer Analysen stieg Dr. Heusener zum Projektbevollmächtigten und zum stellvertretenden Leiter des Großprojekts PSB auf. Auf dem Gebiet der Reaktorsicherheit war Gerd ein international bekannter  und angesehener Wissenschaftler.

Am 20. September 2018 wurde Dr. Gerhard Heusener auf dem Friedhof Untergrombach im Kreise seiner Angehörigen und Bekannten verabschiedet und dort seine Urne beigesetzt.


Gerd Heusener (1940 – 2018)

Freitag, 14. September 2018

"Bankgeschäfte sind notwendig, Banken nicht"

Die beiden größten deutschen Geschäftsbanken - die Deutsche Bank und die Commerzbank - befinden sich weiterhin im Abstiegstrudel. Charakteristisch dafür ist das Ausscheiden der Deutschen Bank (DB) aus dem Eurozonen-Leitindex "Euro Stoxx 50". Die DB gehört damit nicht mehr zu den 50 wertvollsten Aktiengesellschaften der Eurozone. Allein seit Jahresbeginn hat der Börsenkurs der Bank um fast 40 Prozent nachgegeben. Wegen der hohen Bedeutung der Indexfonds (ETF) werden nun auch viele Fondswerte der DB aussortiert werden.

Fast zeitgleich ist die zweitgrößte deutsche Geschäftsbank, die Commerzbank, aus dem Register des Deutschen Aktienindex (DAX) geflogen. Die Kriterien für diesen Leitindex sind Börsenumsatz und Börsenwert. Daran hapert es bei der Commerzbank seit sie vor ca. zehn Jahren die Dresdner Bank einverleibte und sich ganz offensichtlich daran verschluckte.

International gesehen sind aus den einstigen zwei deutschen Großbanken inzwischen Zwerge geworden. An der Börse ist die Deutsche Bank mittlerweile nur noch 20 Milliarden Euro wert, die Commerzbank gar nur noch 10 Milliarden. Damit werden sie von ihren europäischen Konkurrenten, der französischen BNP Paribas (65 Milliarden) oder der spanischen Santander (71 Mrd) weit überholt. In geradezu kosmischer Entfernung befinden sich die amerikanischen Großbanken, wie JB Morgan, deren Wert auf 334 Milliarden veranschlagt wird. Vor der Währungskrise 2008 stand die Deutsche Bank noch auf Platz 10 weltweit! Der Grund für den dramatischen Abstieg der einstigen deutschen Großbanken: jahrelanges miserables Management - auch unter dem weit überschätzten DB-CEO Ackermann.


Die Aufsplitterung der Bankgeschäfte

Nun gibt es immer deutlicher unüberhörbare Stimmen, welche besagen, das in der zukünftigen Wirtschaft die Geschäftsbanken vom alten Zuschnitt gar nicht mehr so wichtig seien. Auf den Punkt brachte diese These der Begründer Microsoft, Bill Gates, der schon 1994 verkündet hat:"Banking is necessary, banks are not". Mit anderen Worten: die Bankgeschäfte der Zukunft kann man auch ohne die traditionelle Organisationsstruktur einer klassischen Großbank erledigen. Diese Sentenz ist nun schon ein Vierteljahrhundert alt, aber die großen Banken gibt es immer noch. Manches spricht also dafür, das sich Bill Gates - als Bankendilettant - mit dieser Prophezeihung geirrt haben könnte.  Doch gemach: Bill hat mit seinem weiten Blick in eine ferne Zukunft etwas ganz Wichtiges vorher gesagt, das in der Gegenwart - peu à peu - immer mehr zur Realität wird.


Bill Gates, Gründer von Microsoft und Prophet


Betrachten wir die typischen Geschäfte einer Bank, so ranken sich diese um wenige Bereiche: Einlagen, Kredit, Wertpapiere, sowie Zahlungsverkehr. Hinzu kommt bei den Investmentbanken noch die Unterstützung der Unternehmen bei Fusionen und Börsengängen. Die erstgenannten vier Geschäftsarten lassen sich durch Computer und entsprechende Rechenprogramme relativ leicht bewältigen. Hinzu kommt, dass durch diese "Digitalisierung" modernen Zuschnitts der Personalstand der Unternehmen drastisch reduziert werden kann. Die genannten deutschen Institute Deutsche Bank und Commerzbank wollen in den kommenden Jahren ihre Beschäftigten um 10 bis 20 Prozent, also je 10.000 Mann abbauen - allein auf Grund der Digitalisierung, also Verschlankung qua Computer.

Ein klassisches Beispiel für die Rationalisierung im Privatkundengeschäft ist die Abwicklung einer Überweisung. Sie wurde noch vor wenigen Jahren auf einem Papierformular eingereicht. Inzwischen läuft der ganze Prozess von der Eingabe bis zur Abwicklung voll digital ab, ohne, dass sich ein Mensch um den Vorgang kümmern muss. Mittlerweile gibt es auch einen neuen Bereich der Finanzindustrie, die sogenannten FinTech, welche angetrieben durch die Informationstechnologie viele innovative Finanzierungsprodukte anbieten und - insbesondere als Startups - große Teile des Zahlungsverkehr abwickeln.


Raketenartiger Aufstieg:  "Wirecard"

Man glaubt es kaum:  aber in diesem volatilen Markt - dem Zahlungsverkehr - ist ein deutsches Unternehmen zu einer ganz großen Nummer geworden. Das deutsche Finanzgenie Markus Braun hat es geschafft, die anfangs kleine Klitsche "Wirecard" innerhalb von 20 Jahren zu einen riesigen Finanzunternehmen aufzubauen. In Kürze wird es im imageträchtigen DAX registriert sein - an Stelle der altehrwürdigen Commerzbank. Damit gehört Wirecard zu den 30 größten Unternehmen der Industrienation Deutschland. Und ist der drittgrößte Finanzkonzern hinter Allianz und Munich Re. Im Münchener Vorort Aschau hat Brauns Dax-Aufsteiger seine Firmenzentrale - in einem unscheinbaren Betonbau. Dabei ist Wirecard mit seinen 4.500 Mitarbeitern an der Börse schon mehr als 23 Milliarden Euro wert. Mehr als die Deutsche Bank und mehr als doppelt so viel wie die Commerzbank, die zehn Mal so viel Personal beschäftigt!

Die Aschheimer sind vom Geschäftsmodell her ein klassischer Dienstleister, der nur Zahlungen abwickelt. Wirecard garantiert, dass das Geld im schnellsten Tempo von A nach B gelangt und es dem Händler umgehend wieder zur Verfügung steht. Dafür kassiert es eine Risikoprämie um die 1,5 Prozent. Das Unternehmen bietet kein neues und revolutionäres Produkt an, im Gegenteil, es  nutzt bewährte Technik unter Einschluss der Digitalisierung. Die Konkurrenz kann man offensichtlich auch überflügeln, indem man Bekanntes perfektioniert. Ausdrücklich verzichtet Braun auch auf das volle Spektrum der Bankleistungen - obwohl er eine Banklizenz besitzt. Er möchte nur eine preisgünstige Plattform für den Zahlungsverkehr bereitstellen. Nichts weiter. Man wird erinnert an Airbnb, ein Unternehmen, das selbst keine einzige Wohnung besitzt und trotzdem zum weltgrößten Wohnungsvermittler wurde.

Aber die Konkurrenz schläft nicht. Die Autofirma Daimler, beispielsweise, betreibt die App "mytaxi", über die sich Taxis leicht ordern lassen. Typisch für Daimler und Wirecard ist das sogenannte "Whitelabelling": man bietet einen Service an, aber nicht unbedingt unter eigenem Namen. Deshalb ist auch Wirecard in der breiten Öffentlichkeit so relativ wenig bekannt. Dafür ist es im Online-Handel allgegenwärtig u. zw. ohne, dass es den Verbrauchern auffällt. Wirecard liefert die Schnittstellen und die Infrastruktur vom Glücksspiel bis zum Flugticket. Es kooperiert mit IT-Riesen wie Google und Apple, sowie dem chinesischen Großkonzern Alibaba.

Der Markt rund um die Digitalisierung von Zahlungsvorgängen ist ein klassischer Wachstumsmarkt. Nur 2 Prozent aller Transaktionen weltweit sind heute erst digitalisiert. In naher Zukunft wird sich dieser Wert verzehnfachen - vielleicht sogar verdreissigfachen.

Grandiose Aussichten für das noch junge Unternehmen Wirecard!

Freitag, 7. September 2018

Die Tristesse der Physiker

Die Astrophysik, sprich Kosmologie, befindet sich in der Krise. Und mit ihr die Teilchenphysik. Seit Jahrzehnten gibt es kaum nennenswerte Fortschritte. Und selbst das sogenannte Higgsteilchen - vor wenigen Jahren erst am Beschleuniger des CERN entdeckt - wird von manchem Kernphysiker mit Skepsis beäugt: wegen seiner unerwartet großen Masse passt es so gar nicht in das wohlproportionierte Tableau der 25 Kernteilchen und Kräfte in der Standardtheorie.

Das war von einem guten Jahrhundert noch ganz anders. Zu jener Zeit gab es am Berner Patentamt in der Schweiz noch einen hierarchisch ganz tief angesiedelten "Experten 3. Klasse", der - neben seiner Haupttätigkeit, der Prüfung eingereichter Patentanträge - in dem einzigen Jahr 1905 gleich zwei Entdeckungen (nebenher) machte, die man heute noch als "weltbewegend" bezeichnen darf. Albert Einstein hieß der 25-Jährige, welcher in diesem Wunderjahr der Physik den "Photoeffekt" entdeckte und noch dazu die "Spezielle Relativitätstheorie" (SRT) aufstellte. Für den erstgenannten Effekt erhielt er 1921 den Nobelpreis der Physik; die spezielle Relativitätstheorie postulierte richtig, dass die Insassen einer abfliegenden Rakete weniger schnell altern als die Zurückgebliebenen.

Aber damit hatte der junge Mann sein Pulver noch nicht verschossen. Nur zehn Jahre später, nun Professor (ohne Lehrverpflichtung) an der Universität Berlin, veröffentlichte Einstein dort sein Hauptwerk, die "Allgemeine Relativitätstheorie" (ART). Sie deutet die Schwerkraft als geometrische Eigenschaft des gekrümmten vierdimensionalen Raums und beschreibt das Wechselspiel zwischen Materie sowie Raum und Zeit. Beide Relativitätstheorien wurden bis heute mehr als hundert Mal experimentell bestätigt und bilden die Säulen der modernen Physik. Bemerkenswert ist, dass Einstein jede Unterstützung durch Doktoranden oder Assistenten ablehnte. Seine Theorien erarbeitete er selbstverständlich ohne Mithilfe von Computern, sondern nur durch Bleistift, Papier - und eigenem Grips.


Beispiel: Dunkle Materie

Diese Blütezeit der Physik hat nun ein Ende gefunden. Seit mehr als vierzig Jahren forschen tausende von Astrophysikern daran, beispielsweise die Struktur der Dunklen Materie aufzudecken. Ohne Erfolg. Dabei gibt es von dieser Art der Materie sechs Mal so viel wie von der uns bekannten sichtbaren Materie. Und sie muss existieren, denn sonst würden die Galaxien - wie unsere Milchstraße - infolge der Fliehkräfte auseinander gerissen werden. Schöne Theorien, wie die Supersymmetrie (wonach jedes bekannte Teilchen einen spiegelbildlichen Partner besitzt) haben sich bislang als nicht ergiebig erwiesen. Ebenso wie die Postulation der sogenannten "WIMP"-Teilchen, welche die beträchtliche Masse eines Goldatoms besitzen, aber beim Durchfliegen unseres Planeten Erde kaum einen einzigen Zusammenstoß erleiden sollen.

Die schiere Anzahl der Astrophysiker lässt jedes Jahr hunderte von Artikeln in den Zeitschriften Science, Nature und Physical Review entstehen. Jeder kleine Ausschlag in irgendwelchen Messdaten wird beäugt - und erweist sich bald darauf doch nur als Schwankung in der Statistik. Immer schneller wird publiziert und doch stellt sich alles später als "ambulance chasing" heraus: die konkurrierenden Kollegen jagen hinter dem "Rettungswagen" her wie Anwälte, die hoffen, dass es am "Unfallort" jemanden zu verklagen gibt. Publish or perish!


Stringtheoretiker unter sich

Die unterhaltsamsten (und billigsten) unter den theoretischen Kosmologen sind die "String"-Physiker. Nach ihren Vorstellung besteht das Universum nur aus winzigen schwingenden Fädchen. Ihren Rechnungen zufolge haben diese aber nicht nur drei Dimensionen, sondern neun oder zehn. Da unsere sichtbare Welt aber nun mal nur drei Raumdimensionen hat, haben die String- Rechenkünstler damit ein Problem. Um aus dem Dilemma herauszukommen,  behaupten sie kühn, dass die überschüssigen Dimensionen "eingerollt" seien, ähnlich wie bei den japanischen Papierfiguren Origami.--- Besonders beeindruckend für Laien ist ihr Weltmodell "Multiversum". Die Stringleute postulieren nicht nur ein einziges Universum- nämlich das Unsrige - sondern deren viele. Mehr als unser Weltall Atome besitzt. Wow! Mit solchen Theorien kann man den physikalischen Amateuren besonders imponieren; leider lassen sie sich experimentell nicht verifizieren. Aber: man kann damit Preise gewinnen, wie den "Breakthrough"-Preis, den ein reicher Sponsor gestiftet hat. In der Höhe von drei Millionen Dollar, also etwa dem Dreifachen des Physik-Nobelpreises.


Beispiel: KATRIN

Auch am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erlitt man schmerzhafte Erfahrungen beim Einstieg in die (experimentelle) Astrophysik. Der damalige Geschäftsführer Dr. Popp (nach einer verlorenen Hessenwahl als ehemaliger Ministerialbeamter ins Kernforschungszentrum Karlsruhe entsandt) machte dort eine Reihe erfolgreicher kerntechnischer Projekte (wie KNK II) platt und betrieb den Programmwechsel auf Nanotechnik und Astrophysik. Mit dem Experiment KATRIN wollte man die Ruhemasse des elektronischen Neutrinos messen. Der Experimentablauf wurde schon um das Jahr 2000 konzipiert und in einem "letter of intent" war der Sachaufwand auf 17 Millionen Euro beziffert. Die Bauphase sollte 2005 beendet sein; die Inbetriebnahme und erste Messungen waren für 2006 angesetzt. Just in diesem Jahr verließ der Initiator des Vorhabens, der genannte Dr. Popp, das Forschungszentrum und begab sich in den Ruhestand. Der abrupte Abgang überraschte einige Beobachter, nicht aber die Kenner der Situation.

Der Bau des 75 Meter langen Experiments erwies sich als komplizierter und zeitaufwendiger als vorbedacht. Er besteht aus einer hochintensiven und fensterlosen Tritiumquelle, einer Tritiumpumpstrecke sowie zwei Spektrometern. Eine wesentliche technische Herausforderung war das hohe Vakuum von 10 hoch minus11 Millibar. Im Jahr 2009 musste der Industriehersteller für den Kryostaten das Handtuch werfen und den Auftrag zurückgeben. Mit "Bordmitteln" d. h. einer Vielzahl von Diplom- und Doktorarbeiten wurde diese Klippe schließlich in Eigenregie überwunden. Logischerweise hatte sich die Inbetriebnahme des Experiments, die für 2012 angesetzt war, wieder mal entsprechend verzögert.

Nun ist der Beginn der Messungen für 2019 anberaumt; das Ende ist für 2023 geplant. Voraussetzung ist, dass der beschriebene 4-stufige Versuchsaufbau über diesen langen Zeitraum auch fehlerfrei funktioniert. Zur Energieanalyse werden in dem kleinen Spektrometer zunächst alle langsamen Elektronen aussortiert; im Hauptspektrometer wird dann die Energie nahe am Endpunkt präzise bestimmt. Dafür ist das genannte Ultrahochvakuum erforderlich und die Stabilität der Gegenspannung von 18,6 kV darf nur um weniger als ein Millionstel schwanken. Hohe Anforderungen!


Tiefe Skepsis beim Physiker-Nachwuchs

Vier Jahrzehnte permanenter Misserfolge hinterlassen ihre Spuren auch beim Physikernachwuchs. Die jungen Physikerinnen und Physiker, welche lange Zeit vom Gebiet der Astrophysik fasziniert waren (gemäß "Faust": Sehen was die Welt im Innersten zusammenhält) sind tief verunsichert. Für sie stellt sich die Frage, ob sie auf diesem nebulösem Gebiet promovieren oder eine Postdoc-Tätigkeit aufnehmen sollen. Oder ob sie gar ihr ganzes Leben auf der Uni damit zubringen wollen - um schließlich im schlecht bezahlten akademischen "Mittelbau" zu enden.

Mehr und mehr nehmen davon Abstand, insbesondere seit vor wenigen Monaten der negative Ausgang des "Xenon Dark Matter Projekt" bekannt wurde. Dort wollte man mit 1.300 Kilogramm flüssigem Xenon die Wechselwirkung der WIMPs bestimmen - und fand nichts. Mittlerweile gibt es gewichtige Stimmen, welche die Dunkle Materie (und die Dunkle Energie) für ein Phantom halten, das in Wirklichkeit gar nicht existiert. Diese Annahme würde jedoch ein alternatives kosmologisches Modell erzwingen, das bereits unter dem Namen MOND (=Modifizierte Newtonsche Mechanik) heftig diskutiert wird. Darin wäre der Gravitationswert ortsabhängig und auch Teile der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie würden ihr zum Opfer fallen. Für viele Physiker ein grauenhafter Gedanke, weshalb sie sich bislang scheuen, den "Reset"-Knopf zu drücken.

Auch die schiere Länge einzelner astrophysikalischer Experimente lässt die jungen Physiker nachdenklich werden. Beispiel: KATRIN.  Falls dieses Vorhaben, optimistisch gerechnet, in fünf Jahren mit der Messphase zu Ende gehen sollte, dann hat es sich fast über ein Vierteljahrhundert hingezogen.Und dem Projektleiter Professor Guido Drexlin muss man das Beste wünschen, damit er das Ergebnis seiner langen Bemühungen noch in der Berufsphase erleben darf.

Denn:  im Jahr 2023 geht der Professor in den Ruhestand.

Sonntag, 26. August 2018

Diese Inschenöre! Bei VW und den Nibelungen

"Eltern haften für ihre Kinder", so heißt es gemeinhin. Und man könnte hinzufügen: "Manager für ihre Ingenieure".So war es jedenfalls im Zuge des sogenannten "Diesel-Skandals". Die "Inschenöre" bei VW - und den anderen Premiummarken - hatten sich ein schlaues Computerprogramm ausgedacht. Es täuschte auf den Prüfständen des TÜV eine niedrige Abgasrate vor, war ansonsten im Straßenbetrieb aber völlig wirkungslos. Dort wurde die volle Menge an NOx rausgepustet. 

Die Folgen sind bekannt. Der VW-Chef Martin Winterkorn, der (nach eigenen Aussagen) absolut nichts von diesen Vorgängen wusste, verlor seinen Job und musste gehen. Dabei hatte er sich während des größten Teils seiner Arbeitszeit bei VW nur mit den Spaltmassen seiner Autokarossen beschäftigt. Die Sauereien der hierarchisch tief unten in der Motorenabteilung angesiedelten Inschenöre - welche für diese wundersame Reduktion der Abgase verantwortlich waren - konnte er nicht ahnen. Gleichwohl musste seine Firma in den USA milliardenhohe Strafzahlungen leisten.

Noch sind die Folgen des Dieselskandals nicht aufgearbeitet. Viele Vorstandsvorsitzende (CEO) der beteiligten Autofirmen (der Zulieferer Bosch eingeschlossen) getrauen sich seit Jahren keine Dienstreise mehr in die USA zu unternehmen - aus Furcht, sie könnten dort eingelocht werden. Glücklicherweise sind sie wenigstens in Deutschland einigermaßen sicher, was allerdings nicht für den Audi-Chef Rupert Stadler gilt, denn er sitzt bereits seit einigen Monaten in Untersuchungshaft. Fairerweise hat man dem ranghöchsten Auto-CEO, nämlich Martin Winterkorn, davon ausgenommen und ihm eine finanzielle Abfindung von 30 Millionen Euro zugebilligt. Das sollte dem 71-jährigen  eine Zeitlang von der Armut fernhalten.


Schlechtes Vorbild: die Nibelungen

Die Kaste der Inschenöre hat schon in fernen mythologischen Zeiten eine zuweilen unheilvolle Rolle gespielt. Der Komponist und Textdichter Richard Wagner nahm dies zum Anlass, um dazu ein Opus Magnum, bestehend aus vier Opern, zu verfassen. Es wird jedes Jahr unter dem Titel "Der Ring der Nibelungen" in Bayreuth, meiner oberfränkischen Heimat, aufgeführt. Auf angemessenen Plätzen - fünf Reihen hinter Angela M. - und zum Preis von 800 Euro kann man die 18-stündige Aufführung im nichtklimatisierten Festspielhaus an vier Wochentagen bei Augusttemperaturen genießen.

Die Story spielt zu jener Zeit, da Göttervater Wotan noch Herrscher der Welt war - nicht zuletzt deshalb, weil er sich ein großes Waffenarsenal leisten konnte. Dafür zuständig war das Zwergengeschlecht der Nibelungen. In geologischen Tiefen waren sie für die Beschaffung der Erze und Materialien sowie die Waffenherstellung verantwortlich. Der Chef-Inschenör dieser Truppe war der Gnom Alberich, seinem Bruder Mime oblag das Schmieden der Schwerter und Lanzen. Leider waren diese Gesellen keine sonderlich vertrauenswürdigen Personen, sondern machten nebenbei und zu eigenem Nutzen noch allerhand Privatgeschäfte, die vom Göttervater zwar nicht genehmigt waren, ihm aber letztlich doch (über Loge, seinem Geheimdienstchef) zugetragen wurden.


Die vier Opern

In der ersten Oper, "Das Rheingold", erleben wir, wie der Zwerg und Chef-Inschenör Alberich versucht, mit den Rheintöchtern zu flirten - weitergehende Avancen nicht ausgeschlossen. Aber er wird von den schmucken Wassergeschöpfen nur ausgelacht und zurückgewiesen. Aus Rache raubt Alberich das Gold am Grunde des Rheinstroms. Sein Bruder Mime fertigt daraus einen Tarnhelm sowie einen Ring, welcher die Eigenschaft hatte, dass man durch ihn zu unbeschränkter Macht kommen konnte. --- In etwa zur gleichen Zeit ließ sich Göttervater Wotan seine neue Burg Walhall bauen. Die beiden hochgewachsenen Architekten, namens Fafner und Fasolt, standen vor der Tür und erwarteten ihren Lohn. Leider war der Weltenherrscher damals wieder einmal ziemlich klamm. Zur Hilfe kam ihm sein enger Berater Loge, ein gewitzter Halbgott, der vorschlug, die Baumeister mit dem Ring und dem Tarnhelm des Nibelungen Alberich zu bezahlen. Dies geschah denn auch, allerdings unter heftigen Sträuben des Chef-Inschenörs. Zum Schluss ließ dieser noch einen folgenreichen Fluch los: "Tod dem, der ihn trägt". Und tatsächlich wechselte der Ring in der Folge noch acht mal seinen Besitzer und allen Trägern brachte er den Tod. Der erste war Fasolt, den sein Kompagnon Fafner -aus Gier - schon bei der Ringübergabe erschlug.

Die zweite Oper, Die Walküre,  ist für viele die Lieblingsoper in Wagners Quartett. Vor allem wegen des Walkürenritts im dritten Aufzug, wo Wotans Tochter Brünhilde unter "Hojotoho"-Rufen mit ihren Amazonen einen bemerkenswerten Pferdegalopp hinlegt. Der Ring wechselt in dieser Oper seinen Träger nicht, sondern verbleibt beim Totschläger Fafner.--- Ansonsten kommt es in den ersten beiden Aufzügen zu einigen, weniger appetitlichen, inzestuösen Szenen. Aber was sein muss, muss sein: der Held Siegfried wird dabei gezeugt. Und dazu noch der Ritter Hagen von Tronje, welcher in der Schlussoper eine sehr bedeutsame und tragische Rolle spielt. Sein Vater ist, kaum zu glauben: der Zwerg Alberich. Die Glückliche ist nicht bekannt.

In der dritten Oper, Siegfried, lernen wir den jungen Helden kennen, wie er in der Schmiede (seines Ziehvaters) Mime das Wunderschwert Notung fertigt. Um diese Waffe zu testen, zertrümmert der ungestüme Jüngling den Amboss  mit einem Streich. Nun schlägt Alberich vor, damit der Drachen Fafner zu töten. Siegfried tritt dem Untier tapfer entgegen, erledigt es durch einen gezielten Stich in das Herz und badet in dessen Blut. Ring und Tarnhelm entnimmt er aus der Höhle. Als Mime seinen Pflegesohn durch einen Gifttrunk aus dem Weg räumen will um an diese wertvollen Requisiten zu gelangen, muss der illoyale Nibelung dies mit seinem Leben bezahlen. Ein Inschenör weniger! --- Frohgemut tritt Siegfried in die Welt hinaus und begegnet (inkognito) Göttervater Wotan, der als Wanderer umherstreift. Gelangweilt von Wotans lästigem Gerede zerbricht er dessen Speer. Damit ist der Weltenherrscher machtlos geworden, da mit dem Speer auch die darauf verzeichneten Verträge und Wotans überlegenes Wissen vernichtet wurden. --- Schließlich gelangt Siegfried zum Walkürenfelsen, durchschreitet furchtlos das Feuer, welches Brünhilde schützen soll und weckt die Tochter Wotans durch einen langen Kuss. Dadurch lernt Siegfried ein neues Gefühl kennen: die Liebe. "Leuchtende Liebe, lachender Tod", erklingt als finales Leitmotiv in Wagners Komposition.



In der vierten Oper, Götterdämmerung, wechselt der Ring mehrfach zwischen  Brünhilde und Siegfried hin und her. Für Verwirrung sorgt ein Vergessenheitstrunk, mit dem Gutrune an Siegfried und Brünhilde an Gunter gebunden werden soll. Vergeblich! Ritter Hagen von Tronje will den Ring für sich gewinnen und stößt Siegfried den Speer in den Rücken. Brünhilde verbrennt sich mit der Leiche von Siegfried. Die Götterwelt und die Burg Walhall gehen in Flammen auf. Hagen ertrinkt in den Fluten des nahen Strom; Alberich taucht ab in die geologischen Unterwelt, sein Fluch ist wirkungslos geworden. --- Die Rheintöchter holen den Ring und das Gold aus der Asche zurück.


Zurück in die Gegenwart

Auch heute noch sind - bei einigem Glück - die Restbestände göttlicher und irdischer Allmacht zuweilen noch zu besichtigen. Der Schwarzwald ist angefüllt mit Wanderern, von denen mancher mit einem geknickten Stab umhergeht. Es könnte der rastlose, aber machtlose Wotan sein. Man sollte es wagen, ihn darauf anzusprechen. Er könnte darüber sogar erfreut sein.

Und der irdische Allvater Martin Winterkorn wird in einer seiner Immobilien sitzen und über die Vermehrung seiner doch recht bescheidenen Abfindung nachdenken. Nur so kann man verstehen, dass er (wie den Medien zu entnehmen) ernsthaft versuchte, 500.000 Euro  - an der Steuer vorbei - nach Zürich zur renommierten Bank Vontobel zu leiten. Sein Duzfreund Uli Hoeneß war da mutiger.
Dieser probierte es gleich mit 28,5 Millionen und reservierte sich dadurch eine mehrjährige Staatslogis.

Sonntag, 29. Juli 2018

Japan: Wohin mit dem Plutonium?

Japan:  Wohin mit dem Plutonium?

Japan besitzt 47 Tonnen Plutonium.
Nach herkömmlicher Rechnung reicht dieser Bestand aus für den Bau von 6. 000 Atombomben. Japan will jedoch nicht dem derzeitigen Club von (vermutlich?) 12 Bombenstaaten beitreten. Dafür lässt es sich von der Wiener Atombehörde IAEO peinlichst genau und in kurzen Zeitabschnitten kontrollieren. Bislang wurde noch kein Fehlverhalten – auch nicht im Ansatz – nachgewiesen. 

Da mit dem Reaktorunfall von Fukushima im Jahr 2011 die meisten japanischen Kernkraftwerke stillgelegt sind, stellt sich um so dringender die Frage:  Was will Japan eigentlich mit dieser riesigen Menge an Plutonium anstellen? Wie war seine ursprüngliche Strategie im Umgang mit diesem Nuklearbrennstoff und was hat sich seit Fukushima daran geändert? Im Folgenden soll dies in seinem historischen Ablauf dargestellt werden.


Ein wohlgeplanter Plutonium-Kreislauf

Das chemische Element Plutonium (abgekürzt: Pu) kommt in der Natur praktisch nicht vor, es kann aber in Kernreaktoren künstlich erzeugt werden. Einige seiner Isotopen (=Atomsorten) sind spaltbar, sodass dieses Pu – ähnlich wie das Uranisotop 235 – zur Kernspaltung geeignet ist. Gängige Kernkraftwerke (KKW) erzeugen pro Jahr etwa 200 Kilogramm Pu in ihren Brennelementen. In Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) wird dieses Pu abgetrennt und zum Bau neuer Mischoxid-Brennelemente (MOX) wiederverwendet. Dieser sogenannte Brennstoffkreislauf ist besonders effizient, wenn man als Reaktoren Schnelle Brüter zugrunde legt. 

Japan hat mit dem Bau von Leichtwasserkernkraftwerken (LWR) in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen und besitzt inzwischen eine stattliche Flotte von 55 Kernkraftwerken. Mitte der siebziger Jahre kam die Entwicklung der Schnellen Brüter hinzu. Aus sämtlichen LWR-Brennelementen wurde das generierte Pu abgetrennt, zumeist in europäischen Aufarbeitungsanlagen. Von den genannten 47 Tonnen Plutonium befinden sich derzeit 17 Tonnen in England und 20 Tonnen in Frankreich – jeweils an den dortigen WAA Sellafield und La Hague. Weitere 10 Tonnen wurden an kleineren Anlagen in Japan selbst rezykliert. 

Das strategische Ziel der japanischen Regierung war, dieses abgetrennte Pu zum größten Teil in Schnellen Brütern zu verwenden. Solche natriumgekühlte Kernkraftwerke nutzen das „Abfallprodukt“ Pu besonders wirkungsvoll, benötigen aber für die Erstbeladung und den äußeren Brennstoffkreislauf erhebliche Mengen an Pu. Ein Schneller Forschungsreaktor „Joyo“ ist für diesem Zweck seit ca. 20. Jahren in Betrieb; ein 300 Megawatt Brüterkraftwerk (vergleichbar mit dem SNR 300 in Kalkar) wurde unter dem Namen „Monju“ in den neunziger Jahren mit erheblichen Schwierigkeiten angefahren. 


Nach Fukushima ist alles anders

Freitag, der 11. März 2011, war für die japanische Kernenergiepolitik eine Zeitenwende. Durch ein Erdbeben der Stärke 9 sowie einem nachfolgenden Tsunami kam es in der Präfektur Fukushima bei drei älteren Kernkraftwerken zu einer Kernschmelze. Die Regierung unter Premierminister Naoto Kan ließ alle Atomreaktoren abfahren und beschloss bis zum Jahr 2040 zur Ganze aus der Kernreaktortechnologie auszusteigen. Unter dem nachfolgenden Premier Yoshihiko Noda wurden bereits wieder zwei Blöcke wegen regionaler Stromknappheit hochgefahren. Die nächste Regierung unter Shinzo Abe beschloss 2012 die Wiederinbetriebnahme der stillgelegten Kernkraftwerke nach einer technischen Überprüfung. Seither wurden 15 ältere Kernkraftwerke endgültig stillgelegt, aber 8 wieder in Betrieb genommen.  Davon sind 4 in der Lage MOX, also Plutonium zu verbrennen, was den Bestand von 47 Tonnen allerdings kaum nennenswert mindert. 



Luftbildaufnahme des Brüterkraftwerks „Monju“

Dies gilt vor allem deswegen, weil die drei genannten Regierungen beschlossen haben, aus dem Schnellen Brüter auszusteigen. Der Forschungsreaktor Joyo und das Brüterkraftwerk Monju wurden bereits stillgelegt und werden derzeit rückgebaut. Sie waren die eigentlichen Nutzer der hohen Pu-Bestände. Aus dieser Sicht wäre es logisch, auch den Bau der großen japanischen WAA Rokkasho in der Nordprovinz Amori zu beenden, welche allerdings (nach vielen Verzögerungen) in zwei Jahren den Betrieb aufnehmen soll. Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Anlage in der armen Präfektur ist die Regierung Abe jedoch nicht mutig genug, diese Entscheidung zu treffen. So tritt eine offensichtliche Unlogik in der japanischen Pu-Strategie zutage: durch die Beendigung der Brüterprogramme und dem baldigen Betrieb der WAA Rokkasho werden sich die japanischen Pu-Bestände auch in der Zukunft weiter erhöhen. 


Trump macht Druck

Dies fiel auch in Washington auf, wo ganze Heerscharen von Politikern und Wissenschaftlern die Transporte und Bestände von Pu und angereichertem Uran beobachten und registrieren. Praktischerweise endete vor wenigen Wochen ein vor 30 Jahren zwischen Japan und den USA abgeschlossenes Kooperationsabkommen , wonach dem Inselstaat das Recht zur Pu-Erzeugung wegen seiner Brüterprogramme ausdrücklich eingeräumt  wurde. Einen ähnlichen Vertrag gibt es übrigens auch mit der Europäischen Union, wobei die Brütertechnologie in Deutschland ausschlaggebend war. Die Vereinigten Staaten nutzen jetzt die Gunst der Stunde und üben Druck auf Japan aus, um deren Pu-Bestände zu verringern, womit sie gleichzeitig die Denuklearisierung von Nordkorea im Blick haben. 

Im Laufe der jüngsten Verhandlungen einigten sich Japan und die USA darauf, in Nippon die Erzeugung der Pu-Bestände zu „deckeln“, um damit den weiteren Zuwachs zu verhindern. Zusätzlich sollen die Waffenstaaten Frankreich und Großbritannien die dort lagernden 37 Tonnen Pu übernehmen, also Japan abkaufen. Zur allgemeinen Überraschung beschlossen die USA und Japan das ausgelaufene Kooperationsabkommen zu verlängern. Allerdings unter einer wesentlichen Prämisse: jede Seite kann den Vertragstermin innerhalb von nur sechs Monaten kündigen. Aus dieser relativ kurzen Zeitspanne wird von mancher Seite auf die technologische Nähe der japanischen Seite zu nichtzivilen Anwendungen geschlossen. Aber das sind bisher nur Vermutungen, die nicht durch Fakten gedeckt sind.

Sonntag, 22. Juli 2018

Klimaschutz: Deutschland rettet (wieder einmal) die Welt

Im Klimaschutz glauben die Deutschen - anders als bei der WM-Fußball 2018 - ganz vorn zu sein. Mit Stolz verweist man auf die 30.000 Windräder, welche viele Gegenden, sogar die windstillen, in unübersehbarer Weise zieren und verunstalten. Und auf die, ach so schrecklichen, Kernkraftwerke, welche, Gottseidank, nunmehr zu 90 Prozent stillgelegt sind. So war man denn auch hoch erfreut, als die "Klimapäpste" der UN die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn als Ausrichtungsort ihrer nächsten Klimakonferenz, der COP 23, auswählten. Etwa 25.000 Teilnehmer aus 197 Ländern reisten an, dazu 500 Nichtregierungsorganisationen, sowie der Experte Arnold Schwarzenegger. Deutschland fungierte brav als "technischer Gastgeber", die Bundesregierung steuerte 115 Millionen bei und die Bonner Hoteliers waren zufrieden. Die "Hohe Präsidentschaft" dieser Weltkonferenz übte der mächtige Inselstaat Fidschi aus.

Der Ablauf der COP 23 entsprach allerdings nicht den Erwartungen der deutschen Delegation: man war auf Lob eingestellt, aber statt Liebe gab es Hiebe für den Gastgeber. Kritisiert wurde vor allem die Kohlepolitik der Bundesrepublik und die daraus erwachsenden viel zu hohen CO2-Emissionen. Das früher verabredete Ziel der 40 prozentigen Minderung dieser Abgase war offensichtlich nicht einzuhalten. Das mussten die Bonner Gastgeber kleinlaut zugeben.


Blick zurück im Zorn

Wie konnte es zu dieser blamablen Situation bei den CO2-Emissionen kommen? Nun, der (erste) Fehler wurde bereits 2007, also vor gut zwanzig Jahren, bei der Klimakonferenz COP 13 im exotischen Bali gemacht. Dort wurde als internationales Ziel die 25-prozentige Reduktion der emittierten Klimagase bis zum Jahr 2020 beschlossen - bezogen auf das Ausgangsjahr 1990. Die deutschen Unterhändler boten, im nationalen Überschwang, nicht 25 sondern gleich 40 Prozent an, wobei sie auf die Schließung der unwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland hofften.

Der zweite Fehler war die sofortige Abschaltung von acht deutschen Kernkraftwerken im Nachgang zu Fukushima; bis heute sind zwei weitere Großkraftwerke dazu gekommen. Das führte dazu, dass der Treibhausgasausstoß in Deutschland seit 2011 bei ca. 900 Millionen Tonnen stagniert. Der flatterhafte Wind- und Sonnenstrom konnte da nichts Gegenteiliges bewirken. Im übrigen wurden die Reduktionen praktisch nur von der Energiewirtschaft erbracht, die anderen Sektoren, insbesondere der Verkehr, haben praktisch Null beigetragen. Der dritte Fehler war die terminliche Abkopplung der KKW-Stilllegung von der Inbetriebnahme der leistungsstarken Nord-Süd-Transportnetze. Letztere werden wohl erst ab 2025 operativ, die letzten, derzeit noch laufenden Kernkraftwerke werden hingegen bereits 2022 abgeschaltet.

Kaum thematisiert wird, dass die deutschen CO"-Emissionen nur 160 Millionen Tonnen über dem 40 Prozent-Zielwert liegen. Die globalen Emissionen betragen demgegenüber 36.000 Millionen Tonnen. Der deutsche "Fehlbetrag" liegt also nur bei mickrigen 0,5 Prozent dieser riesigen Abgasmenge. Und dafür wurden wir von den großmäuligen Klimaschützern der Bonner Konferenz beschimpft - welche im übrigen fast alle per Flugzeug anreisten. Und dafür haben unsere Vertreter öffentlich Reue und Buße gelobt, nach dem Motto:
"Deutschland muss die Welt retten".
Und in China wird jede Woche ein neues, großes Kohlekraftwerk in Betrieb genommen!


Die Kohle-Kommission soll´s richten

Es  ist offenkundig, dass die vermehrten CO2-Emissionen in Deutschland mit der Verbrennung der Steinkohle und insbesondere der Braunkohle zusammen hängen. Beide werden gebraucht, um die Regelenergie bereitzustellen und die herbstliche Dunkelflaute zu überwinden. Indes, die deutschen Abgasziele (gegenüber 1990) sind bekannt und praktisch schon festgeschrieben: 60 Prozent bis zum Jahr 2030 sowie unglaubliche 95 Prozent bis 2050. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sah sich in der Klemme und in solchen Situationen bilden Politiker gerne eine Kommission - in diesem Fall die Kohlekommission. Damit das Ziel - nämlich die Reduktion des Kohleabbaus und damit der Arbeitsplätze - aber dem Publikum nicht sofort sauer aufstößt, wurde ein umfänglicher und unauffälliger Name gewählt: Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Im Kern geht es jedoch um die Reduktion des Abbaus in den deutschen Kohleregionen: die rheinische, die mitteldeutschen sowie die Lausitz.

Die wichtigsten deutschen Kohlevorkommen 


Anfangs wollte Altmaier einen effizienten Kader von 10 Kommissionsmitgliedern zusammenstellen. Dies gelang ihm jedoch nicht; möglicherweise weil er sich auch nach mehr als 100 Tagen nach Regierungsantritt immer noch nicht auf einen Staatssekretär für Energiefragen abstützen kann. (Der bisherige, Rainer Baake, hat gekündigt, was man auch durchaus positiv sehen kann). Nun hat die Kohlekommission 24 Mitglieder, 4 Vorsitzende, 3 Bundestagsabgeordnete ohne Stimmrecht sowie eine Steuerungsgruppe mit 8 Staatssekretären aus 8 beteiligten Bundesministerien. Ein Gremienmonster! In der Rekordzeit von einem halben Jahr soll der Pfad ins kohlenstoffdioxidfreie Energiezeitalter festgelegt werden.--- Ein Mitglied der Kommission ist die flamboyante Marie-Luise Wolff, Leiterin eines kommunalen Mini-EVU und ehemalige Studentin der Anglistik und Musikwissenschaften. Sie soll sie gut Geige und Klavier spielen können. Und die Energiewende samt Atomausstieg hält sie auch für richtig. Man fühlt sich an die legendäre Ethikkommission erinnert mit Kardinal Marx als Experten. ("Die Atomenergie ist des Teufels")

Die Kommission begann ihr Beratungen im vorigen Juni und hat sich einen strammen Zeitplan auferlegt. Die Eröffnungssitzung leitete der Bahn-Vorstand und frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, wobei er einen Bericht des Essener RWI- Instituts entgegen nahm. Diese Experten hatten ermittelt, dass in Deutschland rd. 56.000 Beschäftigte direkt oder indirekt von der Braunkohle abhängig sind und deren Anteil an der Stromerzeugung 22,6 Prozent beträgt (Steinkohle 14,4 Prozent). Anfang Oktober 2018 wird das Gremium das Lausitzer Braunkohlebecken in Augenschein nehmen und schon zum Ende dieses Monats soll ihr schriftlicher Zwischenbericht vorliegen. Rechtzeitig zum Start des nächsten Weltklimagipfels COP 24 in Kattowitz! Am 11. Dezember soll die Kommission in einer siebten und letzten Vollsitzung ihre Arbeit beenden. Das gesetzte Ziel: "Wir wollen niemand zurücklassen auf dem Weg des Umbaus der deutschen Energieindustrie". Great!


Ausblick

Der geplante Ausstieg aus der Kohle ist der zweite energiepolitische Ausstieg, den die Bundeskanzlerin Angela Merkel einläutet: 2011 war es der Ausstieg aus der Atomkraft, 2018 ist es jener aus der Kohle. Der Terminplan für die Kohlekommission ist so eng, dass man bezweifeln muss, ob sie belastbare Ergebnisse zutage fördern kann. Es sollen - auf die Schnelle - Lösungen gefunden werden, an denen sich Fachleute und Politiker seit Jahren die Zähne ausgebissen haben. Nur ein Faktum sei stellvertretend dafür genannt.:
Um gegen die Dunkelflaute gewappnet zu sein, braucht Deutschland einen Kraftwerkspark, der (permanent) etwa 70 Gigawatt Leistung liefern kann oder rund 30 Terawattstunden Speicherkapazität. Die gesamten vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke liefern aber nur 40 Gigawattstunden Speicherkapazität. Wie soll so die Stromversorgung in einem Industrieland, wie Deutschland, unterbrechungslos funktionieren?

Unter dem gegenwärtigen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier werden diese Probleme nicht mehr gelöst werden. Altmaier wird glaubhaft nachgesagt, dass er (Ende 2019) in Brüssel einen Kommissarposten anstrebt.