Kein Diskussionsthema bei Laien - dafür umso heftiger unter Fachleuten - ist die Vermüllung des Weltraums, insbesondere oberhalb unserer Atmosphäre. Hier deutet sich, bei weiterem Zusehen, eine Katastrophe an, welche das Abwürgen der erdnahen Raumfahrt zur Folge haben könnte.
Als am 4. Oktober 1957 von der Sowjetunion der erste Satellit "Sputnik 1" in eine Erdumlaufbahn (sprich: Orbit) geschossen wurde, war dies ein Schockereignis für den Westen, besonders die USA. Aber schon nach drei Monaten tauchte Sputnik wieder in die Erdatmosphäre ein und verglühte dort restlos. Der Weltraum war wieder so rein und jungfräulich wie zuvor. Das ist heute nicht mehr der Fall. Seit beginn des Raumfahrtzeitalters gelangten 7.500 Satelliten bei 5.250 Raketenstarts in ihren Orbit. Davon sind nur noch 1.200 in Betrieb. Der Rest ist abgeschaltet oder energielos und kreist zur Gänze oder in Trümmern um die Erde.
Müll im Weltraum
(nicht maßstabsgerecht)
Gefährliche "Leichen" im Weltraum
Die Trümmer entstehen vorzugsweise durch Fragmentation von Raketenoberstufen oder durch die Explosion von übrig gebliebenen Brennstoff. Nicht selten werden (Spionage-) Satelliten auch gezielt zerstört, um keinen Einblick in deren Konstruktion zu gewähren. Derzeit kreisen rund 750.000 Objekte ab einer Größe von 1 Zentimeter und darüber auf verschiedenen Bahnhöhen zwischen 300 und 36.000 Kilometer um die Erde. Davon erreichen ca. 30.000 eine geometrische Größe von über zehn Zentimetern. 75 Prozent dieser Trümmer befinden sich auf Orbits zwischen 400 und 2.000 km, welche für Satelliten aller Art sehr frequentiert sind. Dort ist die Atmosphäre leider noch so dünn, dass sie bei ihrem Flug kaum abgebremst werden und deshalb viele Jahre lang wichtige Orbits "vermüllen". Ab 300 km und darunter werden die Trümmerteile durch die Luft so schnell abgebremst, dass sie in kurzer Zeit verglühen und nur noch selten die Erdoberfläche erreichen.
Diese Raketentrümmer stellen eine echte Gefahr für die Raumfahrt dar. Als Daumenregel gilt, dass ein erbsengroßes Trümmerstück die Durchschlagskraft einer Handgranate besitzt. Der Grund dafür liegt in der hohen Kollisionsgeschwindigkeit von 10 Kilometern pro Sekunde, was der 15-fachen Fluggeschwindigkeit einer Gewehrkugel entspricht. Ein Objekt von 1 Zentimeter Größe kann wegen seiner Wucht unter Umständen einen Satelliten zerstören oder einen Astronauten bei Außenarbeiten an der Internationalen Raumstation ISS in Gefahr bringen. Die Hülle der ISS ist allerdings auf solche Kollisionen ausgelegt und kann im Falle eines Lecks rechtzeitig wieder abgedichtet werden.
Das Kessler-Syndrom
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich kleine Müllteilchen im All treffen, ist relativ gering. Aber die Kollision zweier großer, intakter Satelliten kann zu einer "Trümmerwolke" führen, wenn sich diese leichtgebauten Himmelskörper gegenseitig zerstören. Dieser Effekt wurde schon 1978 von dem amerikanischen Astronomen Donald J. Kessler vorhergesagt, verbunden mit der Warnung, dass dies zum Ende der Raumfahrt führen könnte. Tatsächlich sind zwei Zusammenstöße dieser Art mit heftigen Auswirkungen bekannt geworden. Im Jahr 2007 hat China den eigenen Wettersatelliten Fengyun-1C im Rahmen eines Antiraketentests absichtlich abgeschossen. Als Folge erhöhte sich die Anzahl der katalogisierten Trümmerobjekte von 3.400 auf 12.000. Eine weitere Kollision der beiden Satelliten Iridium-33 mit Kosmos 2251 steigerte dies Zahl nochmals um 17 Prozent.
Seitdem werden die Bahnen aller Trümmerteilchen, welche größer als 5 Zentimeter sind, von der Erde aus mit großen Radarteleskopen der US-Agentur "Space Surveillance Networks" überwacht und in Katalogen gespeichert. Dabei sind auch deren Flugbahnen 72 Stunden im Voraus zu berechnen. Sind zwei Objekte auf Kollisionskurs so wird der Betreiber des fraglichen Satelliten rechtzeitig gewarnt. Durch Ingangsetzen von Lenkdüsen lässt sich so in der Regel ein Zusammenstoß vermeiden. Die Internationale Raumstation ISS muss (im Schnitt) zwei Mal im Jahr durch geeignete Manöver einer Kollision ausweichen.
Schmetterlinge fangen
Inzwischen gibt es bei der Europäischen Weltraumbehörde ESA sogar eine eigene Abteilung für die Schrottentfernung im Weltraum. Mit speziellen "Servicer-Satelliten" werden nicht mehr funktionstüchtige Satelliten angeflogen und ihre Bahnen so weit abgelenkt, dass sie in tiefere Atmosphärenschichten gelangen und dort verglühen. Diese Verfolgersatelliten werden durch Roboter gesteuert und fangen nach hinreichender Annäherung die kaputten Satelliten mittels Harpunen ein. Ja, sogar Netze sind im Gebrauch, welche - ähnlich wie beim Fangen von Schmetterlingen - den Schrottteilen übergestülpt werden, um sie dann durch Ablenkdüsen in niedrigere Bahnen zu zwingen.
Fragmente, die nur wenige Dezimeter groß oder noch kleiner sind, lassen sich auf diese Weise ökonomisch nicht entfernen. Ihnen begegnet man durch Beschuss mit Hochleistungslasern von der Erde aus. Damit kann u. U. eine Impulsdruck erzeugt werden, welcher solche Miniteile in niedrigere Bahnen zwingt. Die großen Raumfahrtnationen haben sich inzwischen verpflichtet, Weltraumschrott nach Möglichkeit zu vermeiden. Bereits bei der Planung neuer Missionen spielt dieser Gesichtspunkt eine große Rolle. In Zukunft sollen - nach den Vorstellungen des "Space Debris Committee" - alle neue Satelliten spätestens 25 Jahre nach Missionsende in niedere Orbits abtauchen und dort verglühen.
Der alte Lateinerspruch: "Per Aspera ad Astra"
(=durch das Raue zu den Sternen)
gewinnnt da eine ganz neue Bedeutung.
Der alte Lateinerspruch: "Per Aspera ad Astra"
(=durch das Raue zu den Sternen)
gewinnnt da eine ganz neue Bedeutung.