Samstag, 7. April 2018

Fukushima: der löcherige Eiswall

In diesem Monat März jährt sich die Katastrophe von Fukushima zum siebten Mal. Am 11. März 2011, um 14 Uhr 46 Ortszeit, wurde ein Erdbeben der Stärke 9 registriert, das bislang stärkste Beben auf der japanischen Insel. Die Folge war ein großflächiger Stromausfall in der Präfektur Fukushima und das Anlaufen eines 14 Meter hohen Tsunamis. Diese Wasserwelle tötete 19.000 Einwohner der Region, viele wurden durch die Rückflut in das Meer gezogen und werden bis heute vermisst.

Drei der vier Kernkraftwerke (KKW) der Anlage "Daichi" schalteten unmittelbar nach dem Erdbeben sicherheitsgemäß ab; das vierte KKW war wegen Wartung außer Betrieb. Der anrollende Tsunami überspülte den Schutzdeich, welcher (fahrlässigerweise) nur 5 Meter hoch war. Die Notstromdiesel funktionierten kurzzeitig bestimmungsgemäß, "soffen" dann aber ab, weil sie (ebenfalls fahrlässigerweise) im tiefen Keller platziert waren. Die Kapazität der Akkus reichte zur Kühlung der Reaktorkerne nur wenige Stunden. In der gesamten Reaktoranlage kamen (wegen Wassereinbruch und Stürze) vier Menschen aus dem Betriebspersonal ums Leben, davon niemand aus reaktortechnischer Ursache.


Probleme mit radioaktivem Abwasser

Da in der Anfangsphase des Unfalls keine Kühlung zur Verfügung stand, heizte die Nachwärme der Reaktoren die Brennelemente übermäßig auf und es kam zum Austritt von elementaren Wasserstoff und radioaktiven Nukliden. Zusammen mit Sauerstoff bildete sich ein Knallgasgemisch, dessen Explosion die Betriebsgebäude weitgehend zerstörte. Dadurch kam es zur Freisetzung der leichtflüchtigen Spaltprodukte, wie Jod, Cäsium, Strontium und Tritium aus den geplatzten Brennstäben.

Nach intensiver Kühlung mit Meerwasser aus Feuerwehrschläuchen fiel die Temperatur in den Reaktorkernen nach einiger Zeit auf unter hundert Grad Celsius. Problematisch war allerdings die Vermischung des Kühlwassers mit den genannten Spaltnukliden. Sie kontaminierten das abfließende Wasser, sodass es radioaktiv wurde und unterhalb der Reaktoranlage aufgefangen werden musste, damit es nicht ins Meer gelangte und dort die Fische verseuchte. Die Zwischenlagerung dieses Abwassers geschah in großen Containern, von denen zeitweise 750.000 Stück auf den angrenzende Gelände sichtbar herumstanden. Die verfahrenstechnische Abtrennung der radioaktiven Nuklide wurde zwar versucht, gelang aber nur unzureichend. Insbesondere der superschwere Wasserstoff Tritium, mit einer Halbwertszeit von 12 Jahren, ist nicht zu separieren. Neben der aktiven Kühlung aus Feuerwehrschläuchen ist vor allem das Grundwasser ein großes Problem, da es in die Reaktoren einsickert und dabei selbst radioaktiv kontaminiert wird. Des weiteren trägt das (regenbedingte) Oberflächenwasser zur radioaktiven Fracht bei, weshalb die Anzahl der Lagercontainer ständig vergrößert werden muss.


Die Idee mit dem Eiswall

Eine Lösung musste her - und zwar rasch. Es war die Idee mit dem Eiswall, welche um das Jahr 2014 geboren wurde. Ein Wall aus gefrorenem Wasser und Erdreich, rings um die vier beschädigten Kernkraftwerke, sollte den Zulauf des Grundwassers und Oberflächenwassers stoppen, sodass diese Ströme nicht mehr in Berührung mit den geborstenen Brennelementen kommen konnten. Die japanische Firma Kajima Corp. wurde damit beauftragt, 1.550 mit einem Kühlmittel gefüllte Rohre 30 Meter in die Erde zu treiben und zwar auf der gesamten Umfangslänge von 1,5 Kilometern. Ähnliche Anlagen wurden bereits im Tunnelbau verwendet - allerdings nicht in dieser Größenordnung. Die untenstehende Skizze (von Tepco/Spiegel) vermittelt einen Eindruck von der Größe dieses Unternehmens, welches schließlich 400 Millionen Euro kostete und zwei Jahre Bauzeit zur Realisierung brauchte.



 Schematische Skizze des Eiswalls in Fukushima (Tepco/Spiegel)


Kein voller Erfolg

Inzwischen wird der Eiswall seit ca. zwei Jahren betrieben. Die Temperatur des Kühlmittels beträgt im allgemeinen (-) 30 Grad C, die Rohre haben einen Abstand von ca. einem Meter und das Volumen des gefrorenen Bodens wird auf 70.000 Kubikmeter abgeschätzt. Zweifelslos hat der Eiswall die Menge des entstehenden radioaktiven Wassers reduziert, an manchen Tagen von 400 cbm auf 50 cbm. Zur saisonalen Regenzeit während des Taifuns ist die angewandte Kryotechnik mit der schieren Menge des anflutenden Wassers jedoch überfordert. Stellenweise kommt es zu Temperaturanstiegen über die Nullgradgrenze hinaus. Dies bedeutet, dass der Wall löcherig wird und dort das Wasser hindurch lässt.

Die Betreiberfirma Tepco wird also weiterhin Gelände für zusätzliche Abwassercontainer zur Verfügung stellen müssen. Das Abwasserproblem ist nicht wirklich gelöst. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de