Sonntag, 10. September 2017

Eine kleine Bierologie

Hallo Freunde, die herbstlichen Bierfeste beginnen wieder. Den Anfang macht das Münchener Oktoberfest vom 16. September bis zum 3. Oktober. Um den Bierpreis wurde, wie üblich, im Rat der Landeshauptstadt heftig gestritten. Einige (Sozis) wollten sogar eine Bierpreisbremse bis zum Jahr 2019 beschließen lassen. Durchgesetzt haben sich, in guter Tradition, die beleibten Bierbrauer. Sie werden die diesjährige Maß für den Niedrigpreis von 10,95 Euro verkaufen, worüber sich die Bedienungen wohl am wenigsten freuen. Im Geiste hoffen diese schon auf nächstes Jahr, wenn der Literkrug zu 11,25 Euro kalkuliert sein wird, der Gast 12 Euro hinlegt und großzügig sagt: "Passt scho, Zenzi".


Die traditionellen Biere

 Bier ist das weltweit am meisten verbreitete alkoholische Getränk. Das älteste überlieferte Bierrezept ist ca. 5.000 Jahre alt und stammt aus China. Frühe Nachweise für Bier gibt es auch aus dem mesopotamischen Raum. Die Ägypter ließen halbfertig gebackenes Brot mit Wasser vergären und erhielten dadurch eine Art Bier. Im deutschen Mittelalter oblag das Brauwesen vor allen den Klöstern. Nicht immer gelang es den Mönchen, ein bekömmliches Produkt herzustellen. So musste manches Sauerbier durch die nachträgliche Zugabe von Zucker oder Honig "geschönt" werden. Den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X. missfiel diese Pantscherei, sodass sie 1516, also vor fast genau 500 Jahren, gemeinsam das sogenannte "Reinheitsgebot" erließen: Bier durfte nur noch aus den vier Grundsubstanzen Malz, Hopfen, Wasser und Hefe hergestellt werden. Hopfen und Malz, Gott erhalts, so schallte es fortan durch die Lande.

Im Prinzip ist Bierbrauen keine große Kunst. Die geröstete Malzgerste wird gemahlen und kommt in warmes Wasser. Nach Abtrennen der Gerstenrückstände, des sog. Trebers, wird die süße Malzflüssigkeit mit Hopfen versetzt, der für die Haltbarkeit und den typisch bitteren Biergeschmack sorgt. Schließlich wird die Hefe zugegeben, wodurch Kohlensäure und Alkohol entsteht. Der anschließende Reifeprozess dauert mindestens einen Monat. In Deutschland gibt es ca. 1.400 Brauereien, die meisten in Bayern (mit 625 Braustätten), Baden-Württemberg (190) und Nordrhein-Westfalen (125). Der Bierkonsum pro Kopf und Jahr ist nach dem 2. Weltkrieg stark zurück gegangen, u. zw. von 250 Liter (1960) auf heute 110 Liter.

Das leicht herbe Pils trifft den Geschmack der Biertrinker am ehesten. Mehr als die Hälfte der verkauften Biere sind von der Pilsener Brauart. Mit großem Abstand folgen Export- und Weizenbiere. Die größten Steigerungsraten verzeichneten zuletzt vor allem das in Bayern sehr verbreitete Helle sowie die alkoholfreien Sorten. Letztere gewinnt man entweder durch Unterbrechung der Gärung oder durch Extraktion des Alkohols. Auf regelmäßig veranstalteten Bierbörsen kann man Biere aus aller Welt genießen. Etwa: Tigerbier (aus Singapur), Nofretete (Ägypten), Chingis (Mongolei) und Longboard  (Hawai). Entgegen der Behauptung von "Paulchen" Kuhn, gibt es  also doch Bier auf Hawai.

Neben dem Geschmack, der vor allen durch viele verschiedene Hopfendolden beeinflusst wird, unterscheiden sich die Biere auch im Alkoholgehalt. "Alkoholfreies" Bier hat einen Alkoholgehalt von 0,3 - 0,5 Prozent; es folgen: Pils (4,5 - 5,4), Oktoberfestbier (5,9 - 6,3) und Bockbier (5,5 - 11,7). Die Stammwürze ist eine weitere entscheidende Messgröße beim Bierbrauen. Sie bezeichnet den Anteil von Malz und Hopfen im Wasser nach der Gärung. Die Würze hat bei der Bierherstellung eine ähnliche Bedeutung wie der Most für den Wein. Das Mostgewicht misst man in Oechsle Graden, die Stammwürze - nach dem deutschen Chemiker Plato - in Plato Graden. Typische Werte beim Bier sind 7 °P (bei Einfachbieren) und 16 °P bei Starkbieren.


Die Craft Biere

Unter Craft Bier werden Biere verstanden, die handwerklich von zumeist nur regional tätigen kleineren Brauereien erzeugt werden. Ihren Ursprung hat die Craft-Bewegung in den USA, wo die (vorwiegend jüngeren) Biertrinker mit den industriell gefertigten  "Einheitsbieren" von Budweiser, Miller und Anheuser-Bush nicht mehr zufrieden waren. Kleine Brauereien mit schrulligen Namen, wie Stupid Wild, Arrogant Bastard oder Raging Bitch tauchten auf und brauten Biere, welche sich geschmacklich positiv vom "Mainstream" abhoben. Zu nennen ist auch das Wiederaufleben des India Pale Ale (IPA), bei deren Verkaufsstellen sich häufig lange Menschenschlangen bilden.

Die Craft-Welle schwappte bald auch auf Deutschland über, wo ein junger Kundenkreis auch nicht mehr die Bierriesen, wie Warsteiner, goutierte, welche zeitweise einen Jahresaustoß von 6 Millionen Hektolitern hatten. Der schlimme Begriff "Einheitsplörre" machte die Runde. In echt deutscher Manier wurde ein Verband der Kreativbrauer gegründet, der alle Gasthof-und Hausbrauereien bündelte, welche weniger als 200.000 Hektoliter pro Jahr verkauften. In Karlsruhe wurde der sogenannte Vogelbräu gegründet, der mit einer speziellen Filtriermethode arbeitete. In Bamberg verkauft man schon länger das sogenannte Rauchbier, bei dem schwelender Rauch das Malz durchströmt, ehe sich dieses mit dem Hopfen im Sud vermischt. Die Bundesregierung trug zum Erfolg der Kleinbrauereien bei, indem sie diese steuerlich begünstigte.

Das deutsche Reinheitsgebot, nämlich Bier nur aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe zu brauen, war dabei kein Hindernis. Im Gegenteil: die Kleinbrauer können inzwischen auf 40 Malzsorten, 250 Hopfensorten und 200 Hefesorten samt unterschiedlicher Wasserqualität zurückgreifen, was (rein rechnerisch) Millionen von Möglichkeiten zulässt. Tatsächlich können in einem so gebrauten Bier an die 8.000 Aromen stecken, sechs Mal mehr als in einem Wein. Weltweit gibt es, geschätzt, 150 Bierstile, die nicht selten von ausgebildeten Bier-Sommeliers erklärt werden.

Nicht gehemmt durch das deutsche Reinheitsgebot, gingen die Amerikaner bald noch einen Schritt weiter und mischten allerlei artfremde Zutaten in ihre Craftbiere. Das waren Erdbeeren, Mango, Kaffee, ja selbst Fichtenzweige. Damit verloren sie aber eine wesentliche Eigenschaft ihres Biers: die Drinkability. Das lässst sich am besten mit Süffigkeit übersetzen und ist das wahre Geheimnis vieler traditioneller Biere. Diese können, wegen ihrer Schlichtheit, schnell runtergekippt werden, sie "zischen" und machen Lust auf mehr. Beispiele: das "Kölsch" oder die Festbiere der großen bayerischen Brauereien. Bei den fruchtigen und gehaltvollen Craftbieren muss man sich beim Trinken Zeit lassen, ähnlich wie bei einem guten Glass Bordeaux-Wein. Das erzeugt aber eine ganz andere Stimmung und weniger Absatz beim Wirt.

Kein Wunder, dass der Ausstoß dieser angereicherten Craftbiere zurück ging und heute unter einem Prozent liegt. Beim Oktoberfest gilt weiterhin:
O´zapft is!
Oans, zwoa, dra - gsuffa!
Und das in möglichst kurzen Abständen.






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de