Nun zündet der Diesel plötzlich nicht mehr. Die Verkaufszahlen gehen drastisch zurück, sodass sich mancher bange Fragen stellt, wie: Hat es sich "ausgedieselt"? Wenn ja, warum? Krieg ich mein altes Dieselfahrzeug noch los? Wer hat denn da gepennt?
Das verflixte Stickoxid
Die Euphorie um den "clean Diesel" hat eine Delle bekommen, seit bekannt wurde, dass er zwar wenig CO2 ausstößt, aber umso mehr von einem anderen Schadstoff, dem Stickoxid - chemisch meist als NOx bezeichnet. Das Umweltbundesamt behauptet sogar, dass die Emissionen des Diesels im Jahr 2015 in Deutschland (exakt) 1.836 Tode verursacht habe. Das mag man glauben oder nicht; die 1.271 Menschen, welche im gleichen Zeitraum durch Treppenstürze ums Leben gekommen sind, kann man jedenfalls sicherer nachweisen.
Dass sich der NOx-Gehalt in den letzten Jahren, insbesondere in den Städten, erhöht hat, darüber besteht kein Zweifel. 40 Mikrogramm pro Kubikmeter sollten es maximal sein; am Stuttgarter Neckartor misst man - im Jahresdurchschnitt - die doppelte Menge. Da die ersten besorgten Bürger bereits Klage einreichen, wird in Stuttgart, Berlin, München (und weiteren 15 Städten) darüber nachgedacht, ältere Dieselfahrzeuge von den Innenstädten fern zu halten.
Reichlich spät, möchte man dazu sagen. Denn schon um 2008, also vor neun Jahren, hat die EU-Kommission in Brüssel den oben genannten Grenzwert für NOx vorgeschrieben. Er wurde wohl in Deutschland weitgehend ignoriert und auch im Land Baden-Württemberg,wo ein Umweltminister und ein Verkehrsminister regieren, welche beide der Partei der Grünen angehören. Auch der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn, seit 2013 am Ruder, hat sich nicht veranlasst gesehen, durch bessere Ampelschaltungen, Tempo-30-Zonen und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs die Luftreinheit an den neuralgischen Punkten seiner Stadt zu verbessern. Nein, jetzt schwören alle drei genannten Politiker auf die Brutalomethode Fahrverbot.
Nur für Diesel Euro 6
Technische Nachrüstungen und Verkaufsüberlegungen
Die rund 15 Millionen Dieselfahrzeuge, welche derzeit auf Deutschlands Straßen bewegt werden, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Abgasemissionen sehr deutlich. Glücklich kann sich schätzen, wer ein Auto der sogenannten Euro-6-Norm besitzt; er ist nicht von Fahrverboten betroffen. Erkenntlich ist dies im Fahrzeugschein, wo im Feld 14.1 die Buchstaben NO bis YO eingetragen sind. Ab September 2017 kommt die Norm 6d hinzu, welche noch etwas höherwertig sein soll. Rund 40 Prozent aller Diesel, also ca. 5 Millionen Fahrzeuge, erfüllen nur die Norm 5, stoßen also mehr Abgase aus und sind nachrüstungsbedürftig. Ca. 4,5 Prozent erfüllen lediglich die Norm 4; hier wird die Nachrüstung teurer als bei der Norm 5.
Die deutschen Automobilhersteller wollen Diesel-Fahrzeuge mit der Norm 5 mit hohem NOx-Ausstoß nachrüsten, um generelle Fahrverbote in den Städten zu vermeiden. Beim Upgrade eines solchen Diesels soll zukünftig eine neue Software aufgespielt werden. Dies müsste eigentlich kostenlos geschehen. Sind die Hersteller oder Werkstätten dazu aber nicht bereit, so sollten die Kosten für eine solche Nachrüstung nicht mehr als 100 Euro betragen, wodurch sich die Emissionen bereits um 25 Prozent absenken. Bei der Kategorie 4 können beim Upgrade für Filter und Katalysator dagegen schon Beträge bis zu 2.500 Euro auflaufen. Für noch ältere Fahrzeuge lohnt sich die noch kostspieligere Nachrüstung meist gar nicht mehr, da in diesen Fällen wohl auch die Werksgarantie schon abgelaufen ist. (Derzeit ist die Rede von einem Finanzierungsfonds für Nachrüstarbeiten, in den Bund und Hersteller je eine halbe Milliarde einzahlen sollen. Experten sehen in der neuen Software ein langfristiges Risiko für den Motor!)
Der Verkauf von Dieselneuwagen ist im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent zurück gegangen und ist weiterhin im Fallen. Der Eigentümer eines Fahrzeugs der Kategorie 5 oder 4 oder gar darunter sollte sich deshalb gut überlegen, ob er sein Auto zum Verkauf anbietet. "Greife nicht in ein fallendes Messer", ist eine erprobte Regel aus dem Aktienmarkt, wenn die Kurse fallen. Das gilt derzeit auch für den Diesel-Gebrauchsmarkt. Man sollte stattdessen in Erwägung ziehen, den alten Wagen nicht zu verkaufen, sondern ihn noch etwas länger zu fahren, als ursprünglich vorgesehen. An sich ist der Diesel ja ein technisch erprobtes und zuverlässiges Fahrzeug; daran hat auch die gegenwärtige leidige Diskussion nicht viel geändert. Ohne den Diesel würde sich Deutschland noch viel weiter von den Klimaschutzzielen entfernen, egal wie sinnvoll diese sein mögen. Im übrigen wird in einigen Jahren 50 Prozent der gesamten Diesel-PKW-Flotte aus modernen Euro-6-Dieseln bestehen. Das heißt: In absehbarer Zeit wird die Stickoxidfrage aller Voraussicht so "gelöst" sein, dass Fahrverbote in Städten nicht mehr nötig sind.
Versagen der Elite
VW und Audi haben den Diesel in Verruf gebracht. Die Ingenieure dieser Unternehmen haben jene illegale Abschalteinrichtung in die Motorensteuerung eingebaut, um die amerikanischen Abgasnormen zu umgehen und offensichtlich auch die Prüfer in Deutschland auszutricksen. Die Folge sind Strafzahlungen im zweistelligen Milliardenbereich. Die deutsche Automobilbranche, auf die man (angeblich) so stolz sein konnte, ist damit ins Abseits geraden. Diese industrielle Schande, ermöglicht durch das Versagen eine Manager-Elite, wird auf immer in die Geschichtsbücher eingehen.
Versagt haben auch die Aufsichtsorgane bei VW und Audi, sowie vermutlich weitere Firmen, wie eventuell Bosch. Martin Winterkorn, der VW-Chef, wurde zwar geschasst, aber der Vertrag für Rupert Stadler, dem Audi-Chef, wurde unverständlicherweise um weitere fünf Jahre verlängert.
Und geradezu unfassbar sind die Bonuszahlungen an die gescheiterten Manager. Das gesamte Vorstandsteam bei VW bekam in dem Jahr mit dem Rekordverlust satte 35 Millionen Euro an Boni überwiesen. Die Vorstandsfrau Christine Hohmann-Dennhardt erhielt für 13 Monate im Amt eine Abfindung von 12,5 Millionen Euro samt einer Rente von 8.000 Euro monatlich. Demgegenüber muss sich der Hauptverantwortliche Martin Winterkorn mit einer Rente von bloß 3.100 Euro zufrieden geben. Pro Tag!
"Dass sich der NOx-Gehalt in den letzten Jahren, insbesondere in den Städten, erhöht hat, darüber besteht kein Zweifel. 40 Mikrogramm pro Kubikmeter sollten es maximal sein."
AntwortenLöschenDas ist so nicht richtig. Siehe:
https://www.umweltbundesamt.de/daten/luftbelastung/luftschadstoff-emissionen-in-deutschland/stickstoffoxid-emissionen#textpart-1
"Entwicklung seit 1990
Emissionsangaben von Stickstoffoxiden (NOx) werden als NO2 berechnet. Diese übliche Umrechnung erfolgt, weil Stickstoffoxide zwar überwiegend als Stickstoffmonoxid (NO) emittiert werden, anschließend aber atmosphärisch zu Stickstoffdioxid (NO2) oxidieren. Von 1990 bis 2015 ist ein Rückgang der NOx-Emissionen um über 1,7 Millionen Tonnen (Mio. t) oder 59 Prozent (%) zu verzeichnen (siehe Abb. „Stickstoffoxid-Emissionen nach Quellkategorien“). Dieser Rückgang erfolgte in allen Quellkategorien – mit einem Minus von rund 1 Mio. t am deutlichsten im Verkehr. Trotz dieser Minderung ist der Verkehrsbereich mit einem Emissionsanteil von 38 % weiterhin mit Abstand der größte Verursacher von NOx-Emissionen, davon überwiegend aus dem Lkw-Verkehr (siehe Tab. „Emissionen ausgewählter Luftschadstoffe nach Quellkategorien“).
Obwohl die Stickstoffoxid-Emissionen im Verkehrssektor insgesamt sinken, nimmt der Anteil des giftigen Stickstoffdioxids an den gesamten Stickstoffoxid-Emissionen zu. Als Grund hierfür wird neben der natürlichen Umwandlung von NO zu NO2 der höhere Anteil von NO2 im Abgas von mit Oxidationskatalysatoren ausgestatteten Dieselfahrzeugen diskutiert. Das in diesen Katalysatoren gebildete NO2 wird direkt emittiert und führt zum Beispiel in verdichteten Innenstädten zu erhöhten Stickstoffdioxid-Konzentrationen."
Sehr geehrter Herr Marth,
AntwortenLöschenzu den 'Toten' durch NOx eine kleine Bemerkung: Solche Zahlen werden werden begierig durch die Medien gejagt, und es liest sich spektakulär. Möglicherweise werden auch Gerichtsurteile damit begründet.
Es gibt aber keine derart festgestellte Todesursachen, sondern es sind aus epidemiologischen Studien hochgerechnete Tote. Und es ist irreführend. Daher ein Hinweis auf eine Arbeit eines der prominentesten Wissenschaftlers in Deutschland zu diesen Themen, Prof. D. Dr. H.-Erich Wichmann, hier zum Thema Rußfilter und Feinstaub. Er 'spielt' ebenfalls mit Todeszahlen, vermutlich, um die Medien zu füttern, stellt dann aber fest, dass die sinnvollere Aussage die Verkürzung der Lebenserwartung ist. Aus 10000 bis 19000 Todesfällen pro Jahr wird so eine mittlere Verkürzung der Lebenszeit von 1-3 Monaten. Übertragen auf Ihre NOx-Toten wäre das dann eine Verkürzung der Lebenserwartung um 1-2 Wochen.Eigentlich müsste dies im Rauschen der statistischen Ungenauigkeiten untergehen.
Die andere Sache ist die Politik: Wir diskutieren von der EU vorgegebene Grenzwerte von 40ug/m3, gemessen an der Straße, worst case. Der Grenzwert für Arbeitsplätze liegt für NO2 bei 950 ug/m3 https://www.arbeitssicherheit.de/de/html/library/document/163371%2C4.
Das ist eine große Diskrepanz bei der Beurteilung der Risiken. Auch sagt die Tatsache, dass die EU einen gewissen Zeitvorlauf bis zum Erreichen der Grenzwerte zugestanden hat, dass die EU die statistische Lebenszeitverkürzung von ein paar Tagen billigend in Kauf genommen hat, sie hat lediglich durch Androhung von Strafzahlungen Druck gemacht. Deshalb argumentieren manche städtische Angestellte nicht mit der Gesundheit, sondern mit den möglichen Kosten.
Wie aber kann eine EU Zeitvorgaben festlegen, ohne ein Konzept für die Umsetzung zu haben? Sie könnte ja auch festlegen, dass die Sonne ab nächstes Jahr eine Stunde länger scheint.
Oder war ein Konzept der Umsetzung die sukzessive Verschärfung der Abgasgrenzwerte? Dann hat sie sich möglicherweise schlicht verkalkuliert, hätte die Fristen also länger ansetzen müssen. Der Fall müsste an die EU zurück verwiesen werden.
Außerdem würde dies heißen, dass die Diesel bis Euro 5 ohne zweifelhafte Abschalteinrichtungen die Zielvorgabe der EU in Sachen Abgasen erfüllen. Sie (und auch die Städte) hat dann rechtlich gar keine Handhabe, zugelassene Fahrzeuge einzuschränken. Es wäre also der Euro 6 Diesel, der, wenn überhaupt, nachgerüstet werden müsste. Es soll ja Euro 6 Diesel geben, die im Realbetrieb mehr NOx produzieren als ihre Euro 5 Vorgänger.
Wie Sie sehen, kann ich den öffentlichen Argumentationslinien nicht folgen. Den in manchen Städten gefällten Gerichtsurteilen noch weniger. Was für Gutachter laufen da herum?
1997 begann die Hexenjagd mit "Strafsteuern" auf katlose "Stinker", zur Freude der davon profitierenden Autoexporteure.
AntwortenLöschenDiese verbrachten die angeblich so gefährlichen Fahrzeuge in einen anderen Teil der Welt, wo sie bis heute ihren Dienst tun und noch weiterhin hohe Preise erzielen, wie man im arabischen Kleinanzeigeportal olx.com an Gebrauchtwageninseraten mit Beschränkung des Baujahrs auf 1990 und älter einfach feststellen kann.
Persönlich bin ich sogar der Meinung, für meinen im Jahr 2014 angeschafften Diesel des Baujahres 1999 heute einen höheren als den damals von mir gezahlten Preis erlösen zu können - von deutschen Liebhabern oder Fahrzeugexporteuren.