Ein Kernkraftwerk hat die genannten Naturkatastrophen schadlos überstanden. Es ist der sogenannte Schnelle Brüter "Monju", der sich dadurch auszeichnet, dass er sein Uran im Reaktorkern viel effizienter ausnützt als die gängigen, Leichtwasserkernkraftwerke. Monju ist in der japanischen Religion und Mythologie ein (Neben-) Buddha, der stets auf einen Löwen reitend dargestellt wird. Auf diesen Reaqktortyp waren die Hoffnungen der Japaner gerichtet, welche praktisch keine Uranvorräte im eigenen Land besitzen. Dass die Regierung in Tokio nun vor kurzem beschlossen hat, auch den Monju dauerhaft abzuschalten, überraschte und bedeutet einen Schwenk in der japanischen nuklearen Reaktorstrategie. Die Gründe dafür sollen in diesem Blog dargelegt werden.
Ein außergewöhnlicher Standort
Die genannten Vorzüge des Schnellen Brüters werden u. a. dadurch erkauft, dass man als Kühlmittel nicht Wasserdampf, sondern flüssiges Natrium verwendet. Das Metall Natrium hat den Vorteil der niedrigen Neutronenabsorption, des höheren Siedepunkts und der besseren Wärmeleitung, reagiert aber leider sehr heftig mit Luft und Wasser, wie man es noch aus dem Chemieunterricht kennt. Das KKW Monju ist hinsichtlich seiner elektrischen Leistung von ca. 300 Megawatt vergleichbar mit seinem deutschen Pendant SNR 300 Kalkar. Als 1985 mit dem Bau des Monju begonnen wurde, war das Brüterkraftwerk in Kalkar allerdings bereits fertiggestellt. Angesichts dieser Terminsituation ist es nicht verwunderlich, dass beide Reaktoren in der technischen Auslegung ziemlich ähnlich sind. Dies gilt besonders für das natriumdurchflossene Primär- und Sekundärsystem.
Völlig verschieden ist die Standortgeografie beider Kraftwerke. Der SNR 300 liegt auf ebenem Gebiet direkt am Niederrhein, für den Monju haben die Japaner bewusst die nahezu unzugängliche Gegend um Tsuruga im Westen Japans und 300 Kilometer südlich von Tokio ausgesucht. Das eigentliche Kraftwerksgelände musste buchstäblich aus einem Gebirge herausgehauen werden. Um dorthin zu gelangen war der Bau einer speziellen Straße sowie zweier Tunnels erforderlich. Trotzdem konnten die Großkomponenten, wie der Reaktortank und die Natriumhauptpumpen, nur über das Meer antransportiert werden. Keine Kosten scheuend, bauten die Japaner dafür einen eigenen Hafen am Fuße des Kraftwerks. Trotz all dieser Schwierigkeiten verlief der Bau des Monju ziemlich zügig; im Jahr 1991 konnte man bereits probehalber mit der Inbetriebnahme beginnen. Das war zu jenem Zeitpunkt, als in Deutschland der fertig errichtete Schnellbrüter in Kalkar - aus politischen Gründen - gestoppt wurde.
Der Schnelle Brüter "Monju";
im Hintergrund das Gebirge, im Vordergrund ein Teil des Hafens.
Ein folgenreicher StörfallNach der rasanten Bauphase kam es bei der betrieblichen Erprobung des Monju zu einem jähen Halt. Am 8. Dezember 1995, einem Freitag Abend vor dem Wochenende, ertönte in der Schaltwarte des Kernkraftwerks ein Alarm, der eine Leckage in den sekundären Rohrleitungen - und damit den Austritt von 480 Grad heissem flüssigem Natrium - anzeigte. Ausgesandte Meldegänger berichteten von "weißem Rauch" in diesem Teil des Reaktorkühlkreislaufs. Das Kraftwerk wurde nach gut einer Stunde herunter gefahren und bei der genauen Besichtigung am nächsten Tag zeigte sich am Boden der betreffenden Rohrleitung eine Lache aus (inzwischen verfestigtem) Natrium, dessen Menge auf ca. 700 Kilogramm abgeschätzt wurde. Die Leckstelle befand sich in unmittelbarer Nähe eines Temperatursensors. Offensichtlich war dieses Instrument gebrochen und hatte so einen Spalt zum Austritt des flüssigen Natriums freigegeben.
In der Folge wurden der Betriebsmannschaft eine Reihe von Bedienungsfehler nachgewiesen, insbesondere die nicht rechtzeitige Abschaltung des Reaktors und die verzögerte Drainage der lecken Rohrleitung. Beim Thermoelement wurde ein Ermüdungsbruch festgestellt, hervorgerufen durch starke Schwingungen in der Umgebung. Die staatliche Reaktoraufsichtsbehörde in Tokio ordnete die sofortige Stilllegung der Kernkraftwerks an und eine umfangreiche technische Überprüfung. Zusätzlich wurde der Betreiber PNC veranlasst, den Betriebsdirektor und seinen Stellvertreter auszuwechseln. In dieser Phase geriet auch ein Hauptabteilungsleiter ins Visier, der - obwohl nachweisbar unschuldig - vom Dach eines Hochhauses in den Tod sprang. Offenbar war er in einen Loyalitätskonflikt mit seinem Arbeitgeber geraten und in dieser Situation mental überfordert.
Hektischer Stillstand
Der technische Schaden infolge dieser Natriumleckage war marginal; er wurde auf wenige Hunderttausend Euro abgeschätzt. Personen innerhalb der Betriebsmannschaft wurden dabei nicht verletzt. Trotzdem wurde das Genehmigungsverfahren nochmals vom Anfang bis zum Ende aufgerollt. Insbesondere der hypothetische Bethe-Tait-Unfall (eine Sonderkategorie des Kernschmelzens) spielte dabei eine große Rolle. Darüber hinaus erpresste die Standortgemeinde Tsuruga ungeniert die Regierung in Tokio zum Bau einiger Regionaltrassen und -tunnels. Sogar der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen musste zukünftig in dem Provinzkaff einen Stopp einlegen.
Als Dutzende von Anlageräumen umgeplant und mit feuerfestem Blech ausgestattet waren, um eventuell wieder austretendes Natrium zurück halten zu können, schien die Wiederinbetriebnahme des Monju in greifbarer Nähe zu sein. Doch dann, im Januar 2011, passierte die Katastrophe von Fukushima. Obschon - technisch gesehen - der Monju, wegen seiner total anderen Bauart, nicht davon betroffen zu sein schien, wurde das Thema "Verantwortung des Betreibers" nochmals verschärft aufgegriffen und diskutiert. Auf einmal misstraute die Aufsichtsbehörde in Tokio dem Betriebspersonal in Tsuruga und verlangte einen Wechsel des Betreibers. Ein neuer Betreiber (mit vertieften Kenntnissen im Betrieb von Natriumreaktoren) konnte jedoch nicht gefunden werden. Deshalb verfügte die japanische Regierung kurz vor Weihnachten 2016 die dauerhafte Abschaltung des Brüters Monju.
Ausgebrütet? - Noch nicht!
Das Abenteuer Monju hat Tokio (umgerechnet) 8 Milliarden Euro gekostet, den Rückbau noch nicht eingerechnet. Auch die Kosten des SNR 300 Kalkar waren nicht gering, lagen aber mit 2 Milliarden für den Steuerzahler weit darunter. Trotzdem will die japanische Regierung die Schnellbrüterforschung, und insbesondere den Brennstoffkreislauf, nicht aufgeben. Sie hat Verträge mit Frankreich unterzeichnet, um dort gemeinsam ein Kernkraftwerk vom Typ eines Schnellen Brüters zu bauen. Kostenpunkt ca. 3,7 Milliarden Euro!
Eine Renaissance der Brütertechnologie?
Wait and see.
Hier vor Ort werden teilweise gerade erst 30 Jahre alte Wohngebäude abgerissen, weil sich Geschmack und Gebäudetechnik im Rahmen des allgemeinen Fortschritts stark verändert bzw. verbessert haben.
AntwortenLöschenInsofern ist es völlig irreal, mit einem wohl vor 40 Jahren im Rahmen der damaligen technischen Möglichkeiten geplanten Kraftwerk heute noch Strom erzeugen zu wollen.
Unabhängig davon, wie man die Kühlleitungen vom durch Notabschaltungen verfestigten Natrium frei bekommt (Komplettaustausch ?). Das ist wohl ähnlich aufwändig und kostenintensiv wie bei einem angehaltenen Stahlwerk oder einem Bahnabriß in der Papierindustrie.
Im Grunde ist es in fast allen Lebens- und Technikbereichen so, daß man mit 30 bis 40 Jahre alten Industrieanlagen oder Investitionsgütern nicht mehr sinnvoll Geld verdienen kann - unabhängig von den Kosten von deren Errichtung.
Ausnahme gibt es vielleicht bei Sammler- und Liebhaberobjekten, beispielsweise aus dem Kfz-Bereich, oder in seit 40 Jahren unveränderten Restaurants, die man aus Gründen der Nostalgie besucht.