Freitag, 27. Januar 2017

Daten zur deutschen Stromversorgung 2016

Nach Ablauf des Jahres 2016 erscheint es mir opportun, einige aktuelle Daten zur deutschen Stromversorgung (nebst knapper Kommentierung) vorzulegen, nachdem in dieser Blogreihe zumeist technische und politische Probleme der Stromwirtschaft den Vorrang hatten.

Zur Übersicht: die Nettostromerzeugung im Jahr 2016 betrug in Deutschland ca. 550 Terawattstunden (TWh). Das ist der Strommix, welcher tatsächlich aus der Steckdose kommt. Bei der Bruttostromerzeugung - ca. 650 TWh - berücksichtigt man auch die Eigenerzeugung der Industrie, beispielsweise im Bergbau und in der Chemie; diese hat in den folgenden grafischen Darstellungen keinen Eingang gefunden. Bei den Daten stütze ich mich vor allem auf Erhebungen des Fraunhoferinstituts ISE in Freiburg, auf die Plattform Agora Energiewende in Berlin sowie auf Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

In Europa ist Deutschland der größte Stromerzeuger. Die jetzt verfügbaren Zahlen der Nettoproduktionen für das Jahr 2014 ergibt folgende Reihung: Deutschland (592 TWh), Frankreich (539), Großbritannien (322),  Italien (269), Spanien (268), Schweden (150), Polen (145). Die in diesem Blog zitierten Zahlen der verschiedenen Quellen sind (im niedrigen Prozentbereich) leicht different, ohne dass dafür ein Grund angegeben werden kann.

Merke:  1 TWh =1 Terawattstunde
                          =1000 Gigawattstunden (GWh)
                          =1 Million Megawattstunden (MWh)
                          =1 Milliarde Kilowattstunden (KWh)

Einige Grafiken zur Stromwirtschaft



Abb.1: Verteilung der Nettostromerzeugung auf die verschiedenen Energieträger (ISE)
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Die Grafik zeigt die acht wichtigsten deutschen Energieträger. Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Gas werden den konventionellen Energien zugerechnet und liefern insbesondere Konstantstrom im Bereich der Mittel-und Grundlast. Wasserkraft, Biomasse, Wind und Solar gehören zu den erneuerbaren Energien; ihr Beitrag zur gesamten Stromversorgung ist unstetig und u. a. abhängig von Wetter und Standort.


Abb. 2: Veränderung der Nettostromerzeugung 2016 gegenüber Vorjahr 2015 (ISE)
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Die Stromproduktion aus Kernkraft ging 2016 - im Vergleich zu 2015 - um 7,8 % zurück; ursächlich war die Abschaltung des KKW Grafenrheinfeld im Juni 2015.
Die Gaskraftwerke haben 2016  ca. 44 TWh netto für die öffentliche Stromversorgung produziert. Dieser markante Aufwärtstrend von 46 % resultiert hauptsächlich aus den niedrigen Gaspreisen. Die Energieeinspeisung aus Braunkohle. Steinkohle, Wind und Solar ging entsprechend zurück.


Abb. 3: Anteile der verschiedenen Stromerzeuger im Jahr 2016 (ISE)
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Die wichtigsten Energieträger in Kreisdarstellung.
Merke: im Jahr 2016 haben die erneuerbaren Energien mit ca. einem Drittel zur deutschen Stromversorgung beigetragen.



Abb. 4: Stromexportsaldo 2010 bis 2016 (ISE)
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Im Jahr 2016 wurde bei Strom ein Exportüberschuss von ca. 50 TWh erzielt. Dieser Wert stellt nach den alten Rekordjahren 2012 bis 2015 wieder einen neuen Spitzenwert dar und liegt um etwa 2 TWh bzw. 4% über dem Niveau von 2015. Der Großteil der Exporte floss in die Niederlande, die einen Teil nach Belgien und Großbritannien weiter leiteten. Auf Rang zwei folgt die Schweiz, die hauptsächlich als Transitland nach Italien dient. An dritter Stelle liegt Frankreich, wo einige Kernkraftwerke aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden mussten. Rang vier belegt Polen, das einen Teil des Stroms aus den neuen Bundesländern über Tschechien nach Süddeutschland transportiert.
Eingeführter Strom kostet durchschnittlich 37, ausgeführter 35 Euro/MWh. Der durchschnittliche (day-ahead) Börsenstrompreis ist auf 28 Euro/MWh gefallen und liegt inflationsbereinigt ungefähr auf dem Niveau von 2002.


Abb. 5: Stromerzeugung im ersten Quartal 2016 (Agora)
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Die Stromerzeugung im ersten Quartal 2016:
hohe Last und Winterstürme zu Beginn des Jahres.


Abb. 6: Stromerzeugung im dritten Quartal 2016 (Agora)
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Die Stromerzeugung im dritten Quartal 2016:
ein sonniger Sommer mit wenig Wind


Abb. 7: Haushaltsstrompreise 2007 bis 2017 (Agora)
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Die Haushaltsstrompreise werden im Jahr 2017 erstmals die 30-Cent-Marke überschreiten.
Die Ursachen sind gestiegene Netzentgelte, gestiegene EEG-Umlage und hohe Vertriebsmargen.

Ausblick

Die Zukunft der deutschen Stromwirtschaft - für die kommenden 10 bis 15 Jahre - ist schwer einzuschätzen. Relativ gesichert ist die Abschaltung der noch laufenden 8 Kernkraftwerke bis 2022; dafür wurde im Sommer 2011 eigens ein Bundesgesetz erlassen. Demnach wird noch in diesem Jahr  das Kernkraftwerk Gundremmingen B vom Netz genommen werden. Ob man es wagen wird  (im Jahr 2022!) auf einem Schlag die drei leistungsstarken  KKW Isar 2, Emsland und Neckarwestheim II abzuschalten, hängt vom Ausbau der großen Nord-Süd-Gleichstromleitungen ab. Die Inbetriebnahme dieser Trassenprojekte hat sich von 2019 auf 2021/22 verzögert. Außerdem werden sie, wegen des Übergangs auf Erdverkabelung, um den Faktor 5 bis 10 teurer. Damit steigen auch weiterhin die Stromkosten für die Privathaushalte.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien (EE), insbesondere für Wind und Solar wird sich wohl verlangsamen, weil künftige Genehmigungen dem Wettbewerb via Auktionen unterliegen. Die gesteckten Ziele - 2030:50 %,  2040:65 % und 2050: 80 % - sind sehr ambitioniert; man darf zweifeln, ob sie erreicht werden. Die Klimaziele, wie in Paris vereinbart, werden sicherlich verfehlt werden, da die Grundversorgung mit Strom (in Abwesenheit von Kernkraftwerken und Großspeichern) und die Stabilhaltung der Netze nur über die CO2-haltigen Energieträger Braunkohle, Steinkohle und Erdgas geschehen kann. Wobei das Zertifikatesystem der Europäischen Union keinen Beitrag zum Klimaschutz liefert, weil es die CO2-Freisetzungen nur räumlich verlagert.

Entscheidend für den Fortgang der Energiewende sind unter anderem die hohen, sich abzeichnenden Kosten. Bei der Einführung des EEG im Jahr 1990 versprach der damalige Umweltminister Jürgen Trittin "Mehrkosten von gerade mal  1 Euro pro Familie und Monat, etwa so viel wie eine Kugel Eis". Heute beträgt die EEG-Umlage für eine Durchschnittsfamilie allein das 20fache, nämlich ca. 20 Euro pro Monat. Die jährlichen Kosten für die Einspeisevergütung liegen bei 25 Milliarden Euro - die 2 Milliarden für die eingesparten Brennstoffkosten bereits gegen gerechnet. Tendenz: stark steigend! Die Gesamtkosten der Energiewende bezifferte der heutige Kanzleramtsminister Peter Altmeier in seiner früheren Funktion als Umweltminister auf 1 Billion Euro.

Fazit: Eines fernen Tages könnten die Menschen vielleicht nicht mehr bereit (oder in der Lage) sein, diese hohen Kosten zu tragen.
Die deutsche Energiewende würde auf halbem Wege stecken bleiben.

Sonntag, 22. Januar 2017

Marsreise gefällig? - one way oder retour?

Es ist schon mehr als ein halbes Jahrhundert her, dass der junge US-Präsident John F. Kennedy die Wissenschaftler und Techniker seines Landes zur Erkundung des Mondes aufrief. Und nur neun Jahre später, am 21. Juli 1969, war es geschafft: Neil Armstrong setzte als erster Mensch seinen Fuß auf unseren Erdtrabanten. Danach ist die amerikanische Weltraumagentur NASA in eine Art verlängerten Winterschlaf gefallen. Außer den Rundreisen der ISS-Raumfähre um die Erde hat sich raumfahrerisch wenig getan. Geradezu eine Lethargie breitete sich während der eben zu Ende gegangenen 8-jährigen Präsidentschaft von Barack Obama aus. Er war für Weltraumabenteuer nicht zu haben und sein NASA-Chef Charles Bolden (obschon selbst ehemaliger Astronaut) unterstützte ihn dabei nach Kräften.

Es war der Präsident George W. Bush, welcher es Kennedy gleich tun wollte und im Jahr 2004 das sogenannte Constellation Programm auflegte. Mit Ares-Raketen wollte die NASA unter ihrem Chef Sean O´Keefe den Mars ansteuern. Aber der unsinnige Krieg im Irak verbrauchte alle Ressourcen des Landes und die ehrgeizigen Pläne konnten nicht realisiert werden. Bemannte Flüge zum Mars waren zu teuer, stattdessen ließ man einige Sonden auf diesen Planeten landen und untersuchte seine Oberfläche mit den autoähnlichen Rover-Fahrzeugen.

One way:  Harakiri!

Die zeitliche Lücke, welche sich nun durch das "Nichtstun" der staatlichen Weltraumorganisationen NASA (und der europäischen) ESA auftut, wollen zwei geschäftstüchtige Holländer für ihre eigenen Unternehmungen nutzen. Im Rahmen der Privatstiftung "Mars one" beabsichtigen Bas Lansdorp und Arno Wilders eine Serie von kommerziellen Flügen zum Mars durchzuführen, um dort eine Kolonie für die Menschheit einzurichten. Die ersten vier "Siedler" sollen im Jahr 2024 zum Mars aufbrechen und 2025 dort landen. Sechs unbemannte Vorläufermissionen werden vorher auf dem Mars Lebensmittel und Bauteile abwerfen, woraus die Siedler bei ihrer Landung Treibhäuser etc. zusammen sollen. Durch den Anbau von Pflanzen hofft man genügend Nahrung und Sauerstoff für die "Astronauten" erzeugen zu können, sodass diese dort oben existieren können. Eine Rückreise ist vor der Hand nicht geplant. Sie würde die Mission nämlich um den Faktor drei verteuern.

Wer glauben sollte, dass sich keine Kandidaten für einen "einfachen" Flug zum Mars finden lassen, der irrt gewaltig. Fakt ist, dass sich jetzt bereits 200.000 Personen beworben haben, wovon 700 ausgewählt wurden. Inzwischen hat man diese Zahl auf 40 reduziert, woraus sich die 24 Mars-Siedler rekrutieren sollen. Der ehemalige deutsche Raumfahren Ulrich Walter hat mit einigen dieser Mars-one-Bewerber gesprochen. Dabei gewann er den Eindruck, dass diese Abenteurer nicht einen Funken Ahnung davon haben, was sie dort oben an Problemen erwarten wird. Stattdessen waren die Allermeisten geradezu besessen von dem Wahn, als erste Kolonisten auf dem Mars ins Guiness-Buch der Rekorde einzugehen. Die vielfältigen technischen Risiken dieser Höllenfahrt werden total ausgeblendet.

Die Kosten für die Mars-one-Mission liegen bei 400 Millionen Dollar pro Jahr. Die Finanzierung soll durch Übertragungsrechte und Werbeeinnahmen von Fernsehstationen geschehen. Für die holländischen Unternehmer könnte dies durchaus zu einem lukrativen Geschäft werden. Viele TV-Stationen weltweit würden daraus ein Show-Format ähnlich wie "Dschungel-Camp" oder "Big Brother" machen. Und wenn den ersten Siedlern die "Luft ausgehen" würde, dann erst recht. Gerade der Moment, da die Menschen auf dem Mars mit dem Tode ringen, würde vermutlich zu gigantischen Einschaltquoten und damit zu riesigen Gewinnen führen. Die Gladiatorenkämpfe im römischen Kolosseum wären, damit verglichen, nur ein matter Abglanz.

Retour: schwierig und teuer!

Die NASA plant seriöser und veranschlagt für ihre erste Fahrt zum Mars eine Reisezeit von 200 Tagen. Anschließend müssen die Astronauten 520 Tage auf diesem Planeten verbringen, bis Mars und Erde wieder in der richtigen planetarischen Konstellation stehen und die Rückreise möglich ist, welche ebenfalls 200 Tage dauern wird. Eine Marsfahrt - hin und retour - erstreckt sich also über ca. 920 Tage, entsprechend 2,5 Jahre. Der heikelste Teil einer bemannten Marsmission ist sicherlich der Abstieg auf die Marsoberfläche. Der kürzliche Absturz der ESA-Sonde "Schiaparelli" auf Grund eines Programmierfehlers hat dies wiederum vor Augen geführt. Die Flugbahn zum Mars und zurück entspricht einer sogenannten "Hohmann-Kurve", die hinsichtlich Energieverbrauch optimiert ist.



Grafische Darstellung der Hohmann-Kurve für Reisen zum Mars und zurück

Unproblematisch sind hingegen die (in Hollywoodfilmen oft als gefährlich dargestellten) Sandstürme. Sie lassen höchstens ein Blatt Papier leicht flattern, denn der atmosphärische Druck auf dem Mars beträgt weniger als ein Hundertstel des irdischen Luftdrucks. Wahrscheinlich würde ein Astronaut auf dem Mars den Druck eines Sandsturms gerade mal leicht spüren. Sorge bereitet allerdings der überall vorhandene Mars-Staub. Er gilt als einer der Hauptfeinde auf Mars und Mond. Fein wie Schmirgelpapier scheuert er selbst Raumanzüge langsam durch.

Zu den gefährlichsten Momenten bei einer Marsexkursion gehört die Rückkehr zur Mutter Erde. Die Raumkapsel hat bei der Annäherung an die Erdatmosphäre eine Geschwindigkeit von ca. 50.000 Stundenkilometern. Der Winkel beim Eintritt in den oberen Luftbereich sollte nahe bei 6,5 Grad liegen. Ist er größer, dann verglüht die Kapsel infolge der starken Reibung; bei einem kleineren Eintrittswinkel wird die Fähre - ähnlich wie ein flacher Stein beim Wurf über eine Wasseroberfläche - wieder in den Raum geschleudert, möglicherweise bis zum Mond. Beim sogenannten Re-entry-Akt brauchen die Astronauten also starke Nerven und der Pilot großes Geschick.

Wann findet nun die erste Raumexpedition statt? Dafür müssen Erde und Mars in einer bestimmten planetarischen Konstellation stehen, damit die Reise über 200 Tage optimal kurz ist. Der nächste, theoretisch mögliche, Zeitpunkt wäre bereits der 18. Mai 2018, der natürlich viel zu früh kommt. Es folgt der 30. April 2033; aber auch dieser Termin wird, wegen der vielen noch nötigen Voruntersuchungen bei der NASA nicht zu halten sein.
Meine jüngeren Blogleser sollten in ihrem Terminkalender den 11. April 2048 ankreuzen.
Da könnte es klappen.
Bon voyage!

Sonntag, 15. Januar 2017

Intelligente Wesen in der Milchstraße?

Wenn man, bei sternklarer Nacht, zum Himmel empor blickt, dann kann man, mit bloßem Auge, etwa 3.000 Sterne erkennen. Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, an derem Rand sich die Erde befindet, besitzt etwa 100 Milliarden Sterne (also leuchtende Sonnen) und zumindest gleich viele "kalte" Planeten. Da drängt sich wohl jedem Menschen gelegentlich die Frage auf:
"Gibt es - neben uns - weitere menschenähnliche Wesen in der Milchstraße? Und wenn ja, wie viele könnten es sein? Hunderte, Tausende oder gar Millionen?"
Bei einer EMNID-Umfrage im Jahr 2002 waren 50 Prozent der Befragten der Überzeugung, dass es solche "Außerirdische" in reicher Zahl gäbe. Als Grund gaben sie zumeist an, dass dies bei der Anzahl der Planeten schon der "gesunde Menschenverstand" gebiete.

Seit einem guten halben Jahrhundert beschäftigen sich auch Astrophysiker und Astrobiologen ernsthaft mit dieser Frage. Im Jahr 1961 stellte der amerikanische Physiker Frank Drake sogar eine mathematische Formel vor, mit der man die Anzahl der ETI-Zivilisationen angeblich berechnen konnte, wobei ETI für Extra-Terrestrical-Intelligence steht. Zum Leidwesen sind die meisten Faktoren dieser relativ einfachen Formel aber unbekannt - wie etwa der Anteil der Planeten mit Leben oder die durchschnittliche Lebensdauer einer technischen Zivilisation. Infolgedessen schwanken die Rechenergebnisse aus der Drake-Formel sehr heftig zwischen einer (Erde!) und vier Millionen intelligenter Zivilisationen in unserer Milchstraße geben. Da ist für jedem etwas drin.


Das Fermi-Paradoxon

Das Problem der extraterrestrischen Zivilisation wurde auf eine andere Ebene gehoben durch eine Aussage des Physikers Enrico Fermi. Dieser in Italien geborene und in die USA ausgewanderte Wissenschaftler (Nobelpreis 1938) war berühmt für seine Fähigkeit Probleme abzuschätzen, für die eigentlich gar keine Daten vorhanden waren. Beispielsweise warf er beim ersten Atombombentest 1945 ("Trinity") Papierschnipsel in die Luft und beobachtete, wie weit diese durch die Druckwelle fortgeblasen wurden. Daraus konnte er mit erstaunlicher Genauigkeit die Sprengkraft der Bombe abschätzen, lange bevor die Sensormessungen ausgewertet waren.

Ein weiteres Problem, dessen sich Fermi angenommen hat, ist als "Fermi-Paradoxon" in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Im US-Forschungszentrum Los Alamos, auf dem Weg zur Kantine, wurde er von seinem Physiker-Freund Edward Teller darüber befragt, was er von den Außerirdischen und den UFOs hielte, über die damals in allen Zeitungen der Welt spekuliert wurde. Fermi antwortete mit der berühmt gewordenen kurzen Gegenfrage:
"Wenn es Außerirdische gibt, wo sind sie?"
In Langfassung wollte Fermi damit folgendes ausdrücken: Wenn es Außerirdische intelligente Wesen in der Milchstraße gäbe, dann würden sie in großer Zahl existieren und hätten sich längst auf der Erde durch einen Besuch oder durch Funkverkehr bemerkbar gemacht. Da dies aber nicht der Fall ist, stimmt diese Voraussetzung nicht. Das heißt, seines Erachtens gibt es -außer auf der Erde - entweder keine weiteren intelligenten Zivilisationen in unserer Galaxie, oder wenn ja, dann nur in ganz kleiner Anzahl (etwa 3 bis 5). Dieser Widerspruch ist der Kern des Fermi-Paradoxons.


Edward Teller und Enrico Fermi

Einige Überlegungen und Zahlen sollen andeuten, dass es auf erstem Blick durchaus gute Gründe für eine gewisse Anzahl von intelligenten Wesen in der Milchstraße gibt und entsprechendem Reise-und Funkverkehr zwischen den bewohnten Planeten. Etwa nach folgender Logik:
Unsere Erde besteht seit 4.500 Millionen Jahre, der Mensch hat sich (aus dem Schimpansen) seit etwa 7 Millionen Jahren herausgebildet. Erhebliche Teile der Milchstraße sind aber 5.000 Millionen Jahre älter. In diesem langen Zeitraum könnten sich durchaus intelligente Wesen ausgebildet haben. Apropos Raumfahrt: die menschlichen Raumfahrer werden unseren Nachbarplaneten Mars sicherlich noch in diesem Jahrhundert besuchen; die Erkundung der äußeren Planten unseres Sonnensystem könnte noch in diesem Jahrtausend technisch möglich sein. Unterstellt man ähnliche Fähigkeiten den fremden Zivilisationen, so ist die - nur 100.000 Lichtjahre ausgedehnte - Milchstraße im Laufe von ca. 100 Millionen Jahre durchaus in Gänze "befahrbar", also innerhalb des oben genannten Zeitbereichs von 5 Milliarden Jahren. Ein konkreter Anlass für solchen "Tourismus" könnte zum Beispiel das allmähliche Verlöschen des Heimatsternes und das damit einhergehende kalte Klima sein.
Von da her gesehen ist Fermis Annahme der Singularität des Menschen also erstaunlich. Aber sie stützt sich, wie oben ausgeführt, darauf, dass wir solche Aliens auf der Erde bisher weder gesehen haben, noch, dass wir ihren Funkverkehr abhören konnten - obwohl die Agentur SETI seit mehr als 50 Jahren in den Weltraum hinein horcht.

Die großen Filter

Warum gibt es also so wenige - oder überhaupt keine - intelligenten Kulturen in unserer Milchstraße? Nun, die Erzeugung intelligenter Wesen von den Aminosäuren bis zu ETI-Kulturen, die in der Lage sind, die Milchstraße zu durchqueren, ist eine langwierige und hochkomplexe Angelegenheit. Da muss vieles zusammenpassen; die Evolutionsbiologen stimmen mit den Astrophysikern überein, dass dies nur in den allerseltensten Fällen glückt. Der Grund dafür ist, dass es auf diesem langen Weg vom Einzeller zu außerirdischen Kulturen etwa ein Dutzend "Filter", sprich Hürden gibt, die ungemein schwer zu überwinden sind. Bereits der Anfang, der Weg von der anorganischen Materie zum Einzeller, ist extrem komplex. Es muss eine Zellhülle existieren, in der zufälligerweise bestimmte Proteine (Ribosome) am Werke sind, die wiederum von einem sehr komplizierten Genom gesagt bekommen, wie sie andere Zellproteine produzieren, abbauen und umformen (Enzyme) - um nur wenige Komponenten des zellulären Lebens zu benennen. Wie kann dieses so orchestrierte, aber extrem komplexe Zusammenspiel "aus dem Nichts" entstehen? Bereits diesen ersten kritischen Schritt der Evolution haben die Biologen bis heute nicht verstanden.

Einen weiteren Filter stellt der Darwin´sche Selektionsprozess dar. Es gibt keine zielgerichtete Selektion, beispielsweise vom Langhaardackel zum Menschen. Jedes Wesen kann sich auf erratischem Wege auch zurück entwickeln. Selbst ein größeres Gehirn könnte bei der Evolution ein Nachteil sein, weil dieses Organ - im Vergleich zur Körpermasse - sehr viel Energie verbraucht. Diese kann im Ernstfall fehlen, etwa wenn ein Urmensch vor einem Raubtier fliehen muss.

Schließlich, um noch einen dritten Filter herauszugreifen: die außerirdische Zivilisation muss auch lange genug leben und sich fortentwickeln, bis sie zu Raumfahrten fähig ist. Bei der Menschenrasse ist das erst seit dem Jahr 1969 mit der Mondfahrt der Fall. Ob wir, angesichts unseres Zerstörungspotentials (Atombomben, Kriege, Terror etc.) noch weitere tausend oder gar Millionen Jahre leben werden - und uns ständig so fortentwickeln, dass wir größere innerplanetarische Raumfahrten unternehmen können  - darauf möchten die Soziologen heute keine Wette abschließen.
Im Wesentlichen hängt das Bestehen von ETI-Kulturen in unserer Galaxie von den beiden Fragen ab:
Wie wahrscheinlich entsteht intelligentes Leben aus einfachen organischen Molekülen und wie lange existieren die intelligenten Zivilisationen.


Auch allein im Universum?

Wenn wir schon - mutmaßlich - nur mutterseelenallein in unserer Galaxie existieren, so lasst uns noch einen Blick ins Universum, also jenseits der Milchstraße, werfen. Dort gibt es noch jede Menge Galaxien, ungefähr 100 Milliarden, wie man vor zwei Jahrzehnten angenommen hat. Es ist die feste Überzeugung der Wissenschaftler (oder sollte man nicht besser sagen: ihre derzeitige Hypothese), dass es im Weltall auch Milliarden von Planeten gibt, die - ähnlich wie die Erde - von "Aliens" auf verschieden hohen Evolutionsstufen bevölkert sind.

Ja, es muss sie geben, denn im April des Jahres 2000 haben die Kosmologen herausgefunden, dass unser Universum nicht begrenzt, sondern stattdessen unendlich groß ist. Und das Weltraumteleskop "Planck" bestätigte diese Annahme, als es im März 2016 ein flaches Universum beobachtet hat. Flach bedeutet in der Sprache der Astrophysiker nicht gekrümmt und dieser topologische Sachverhalt führt zu der Konsequenz, dass der uns umgebende Raum unendlich ausgedehnt sein muss. Und wo es somit unendliche viele Planeten gibt, da muss es - nach der Logik der Kosmologen - auch unendlich viele intelligente Wesen geben.

Aber nicht nur das! Es muss auch unendlich viele "Klone" geben, das heißt genetisch identische Kopien von allen Lebewesen. Also viele Willy Marths und viele Angela Merkels. Hier höre ich mit diesen Science-Spekulationen auf, um mir nicht die Gunst meiner Blogleser zu verscherzen.

Derzeitiger wissenschaftlicher "Fakt" - unter den genannten Voraussetzungen - ist, dass wir in unserer Milchstraße als intelligente Zivilisation vermutlich (praktisch) allein existieren, aber, dass es draußen im Weltall, noch unendlich viele weitere Kulturen geben muss, mit denen wir aber niemals  in Kontakt kommen können. Der Grund dafür sind die gigantischen Entfernungen zwischen diesen Galaxien.

Glücklicherweise.
(Sollte aber doch jemals ein Raumschiff mit Aliens auf der Erde landen, dann ist Reißaus geboten. Denn: Kolonisten kommen selten als Freunde.)




Freitag, 13. Januar 2017

Professor Peter Komarek ✝

Professor Dr. Peter Komarek ist am 23. November 2016 im Alter von 75 Jahren nach langer, schwerer Krankheit verstorben.

Peter Komarek war von 1985 bis 2006 Leiter des Instituts für Technische Physik im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe. Das ITEP erreichte unter ihm eine weltweit führende Stellung auf dem Gebiet der Supraleitung und der NMR Spektrometrie. Der Test der Toroidalfeldspulen war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Fusionsprojekt ITER.

Komarek war Honorarprofessor an den Universitäten Karlsruhe und Graz sowie außerdem Mitglied in vielen nationalen und internationalen Vereinigungen. Für seine Leistungen erhielt er u. a. den Mendelson Award der Kryogenic Konferenz.


Professor Peter Komarek
(bei seiner Verabschiedung 2006)

Innerhalb des Forschungszentrums war Komarek viele Jahre lang Vorsitzender des Wissenschaftlich-Technischen Rats (WTR). Dieses Gremium (in etwa vergleichbar mit dem Senat des KIT) hatte Organfunktion in der Leitung des Forschungszentrums. Das F+E-Programm sowie die Bestellung des Vorstands, der Instituts- und Projektleiter bedurften der Zustimmung des WTR. Professor Komarek leitete den Rat, der stets im Spannungsfeld von Vorstand, Zuwendungsgeber und Delegierten stand, mit Bravour.

RIP, lieber Peter
von Deinem Freund und Kollegen
Willy Marth
(ehemals Stellvertretender Vorstand des WTR)