Mancher geht deshalb reumütig wieder zum Münzgeld zurück, wo man mit Rohlingen aus Kupferblech, handziseliertem Prägestempel sowie Hammer und Amboss - also einer gewöhnlichen "Bauhaus"-Ausstattung - Falschmünzerei im eigenen Schuppen betreiben kann. Aber diese Arbeit ist kaum lohnenswert, denn der Geldwert der Pfennige beziehungsweise Cents ist eben niedrig und an 2-Euro-Münzen traut sich kaum einer heran.
Doch in dieser Denkweise liegt ein Fehler verborgen. Vor gut 40 Jahren ist es drei Karlsruhern gelungen, durch Prägen weniger Münzen an ein kleines Vermögen zu kommen. Unter anderem deshalb, weil sie das Problem von der "Quelle" aus angegangen haben. Natürlich sind auch sie letztlich gescheitert. Aber die Geschichte ihres schlitzohrigen Vorgehens ist wert nacherzählt zu werden. Wobei auf das Nachmachen aber tunlichst verzichtet werden sollte.
"An der Quelle saß der Knabe..."
In unserer Geschichte ist die Quelle die altehrwürdige Karlsruher Münzstätte und der Knabe ist der Herr Direktor O.. Die Staatliche Münze Karlsruhe ist ein ansehnlicher Bau des bekannten Architekten Friedrich Weinbrenner und wurde vom Badischen Großherzog im Jahr 1827 mit der Prägung der ersten Zehnguldenmünze ihrer Bestimmung übergeben. Seitdem werden dort jährlich bis zu 250 Millionen Münzen aller Art hergestellt.
Die Karlsruher Münze
Die beiden anderen Darsteller in unserem 3-Personen-Stück sind der Stellvertretende Direktor H. und, der zwar untergeordnete, aber dennoch sehr wichtige Prägevorarbeiter F. Von den dreien war nur der Direktor O. ein "Karrierebeamter", der es vom Fachschulingenieur schnell zum Leiter der Staatlichen Münze brachte. Die beiden anderen hatten eine eher gebrochene Berufslaufbahn, wie es in der Nachkriegszeit nicht unüblich war. So war der Stellvertreter H. in der Slowakei Aushilfslehrer und diente danach eine Zeitlang als Koch bei der US-Army, bevor er in der Münze vom einfachen Arbeiter bis zum Regierungsamtmann hochstieg. Der Facharbeiter F. war gelernter Zimmermann und kletterte in der Münze rasch vom Hilfsarbeiter zum Vorarbeiter der Medaillenabteilung empor.
Das Delikt
Die Falschmünzerei in der Staatlichen Münze Karlsruhe nahm ihren Anfang in den 1970er Jahren und ging vom Chef, also dem Direktor O. aus. Dieser hatte gerüchteweise gehört, dass die Politiker sich mit dem Gedanken trugen, die beiden Münzstätten Karlsruhe und Stuttgart zusammenzulegen. Direktor O. fiel darob in panische Angst, denn bei dieser Fusion mit der größeren Münze in der Landeshauptstadt drohte ihm der Verlust seiner schönen Karlsruher Position. Schließlich kam ihm ein Gedanke, wie er das Unheil wenden konnte: er plante die jährliche "Tagung der deutschen Münzstättenleiter" zu besuchen, um dort (auf seine Art) Lobbyarbeit für das Weiterbestehen der Karlsruher Münze zu betreiben. Die Konferenz wurde üblicherweise auch von wichtigen Beamten des Bundesfinanzministerium und der Bundesbank besucht, an welche sich Direktor O. wandte, indem er den Referatsleitern und Abteilungsleitern dieser Oberbehörden ein "kleines Präsent" zusteckte. Dies war in der Regel ein Satz seltener Münzen aus seiner eigenen Prägeanstalt.
Eigentlich hätte er diese Münzen ohne den speziellen Auftrag des Bonner Finanzministerium gar nicht herstellen dürfen, aber Direktor O. erteilte sich diesen Auftrag quasi selbst. Seinem Stellvertreter H. kam die Aufgabe zu, den Tresor, wo die alten Prägestempel lagerten, zu öffnen und der Vorarbeiter F. erledigte schließlich die Stanzarbeit. Die Auswahl der Nachprägungungen war wohl überlegt. In der Regel stanzten sie die unter Sammlern sehr begehrte 50-Pfennig-Münze mit der Aufschrift "Bank Deutscher Länder" und die 2-Pfennig-Münze von 1967 mit dem Eisenkern. Der Sammlerpreis für diese Objekte lag damals bereits bei 1.000 bis 2.000 DM. Direktor O. ließ auch großzügig seine beiden Gehilfen an dem "Geschäft" teilhaben. Sein Vertreter H. finanzierte mit diesen Einkünften die standesgemäße Heirat seiner Tochter und der Vorarbeiter F. den Bau seines Hauses in Karlsruhe-Spöck. Später fand man heraus, dass die drei Falschmünzer in drei Jahren etwa 6.000 bis 10.000 50-Pfennig-Münzen und ca. 1.000 2-Pfennig-Münzen hergestellt und in den Sammlerkreislauf gebracht hatten.
Das plötzliche vermehrte Auftreten wertvoller Münzen aus der Nachkriegszeit wurde von den Sammlern sehr wohl registriert. Es war der Münzexperte K., Herausgeber der Fachzeitschrift "Der Münzensammler und der Münzmarkt", welcher aktiv wurde. Im November 1974 sandte er einen Satz Münzen des Jahrgangs 1967 (G) zur Echtheitsprüfung an die zuständige Bundesbank in Frankfurt. Bereits zwei Wochen später bestätigten ihm die Fachleute der Bank, das es sich um "echte Münzen" handelt, die jedoch "nachträglich hergestellt" wurden, u. zw. mit einer "Werkzeugkombination", wie sie 1967 noch nicht verfügbar war. (Der Karlsruher Prägevorarbeiter F. hatte da wohl nicht sorgfältig genug gearbeitet). Anfang 1975 nahmen die staatsanwaltlichen Ermittlungen ihren Lauf.
Der Prozess
Die "Drei von der Münze" waren durchaus geständig, insbesondere nachdem man sie einige Wochen im Untersuchungsgefängnis hatte schmoren lassen. Für die Strafkammer des Karlsruher Landgerichts schien der Prozess eine einfache Sache zu sein. Sie konnte sich bei der Anklage direkt auf einen Paragraphen des Strafgesetzbuches beziehen, den §146 StGB. Sein Wortlaut stand früher noch auf jedem Geldschein, nämlich: "Wer Geld nachmacht, oder nachgemachtes Geld in den Verkehr bringt, wird...bestraft". Die Staatsanwaltschaft plädierte also auf Falschmünzerei und in den Verkehr bringen von Falschgeld.
Zur großen Überraschung fiel sie jedoch mit beiden Anschuldigungen durch. Die gewitzten Verteidiger argumentierten nämlich, dass in einer Staatlichen Münze niemals Falschgeld geprägt werden könne - selbst wenn es keinen Auftrag des Bundesfinanzministerium gäbe. Außerdem seien die dort geprägten Münzen (wegen ihres hohen Sammlerwertes) nicht in den öffentlichen Geldverkehr gebracht worden, sondern nur in den Sammlerkreislauf, wo sie gewissermaßen gehortet wurden. Im Übrigen, behaupteten die Angeklagten, hätten sie für jede nachgeprägte Münze eine andere (neue, also praktisch wertlose) Münze "verwalzt", und somit unbrauchbar gemacht. Letzteres konnte ihnen nicht widerlegt werden.
Die Anklage fiel vollends in sich zusammen, als der angerufene Bundesgerichtshof (BGH) diese Rechtsauffassung bestätigte. Plötzlich stand die Strafkammer ohne anwendbares Gesetz da und nach dem alten römischen Rechtsgrundsatz "nulla poena sine lege" (keine Strafe ohne Gesetz), hätte sie die drei Übeltäter freisprechen müssen. Aber das wäre gegen die Ehre der Karlsruher Elitejuristen (mit oder ohne doctor iuris utriusque) gegangen. Über zwei Jahre hinweg wurde die Causa zwischen drei Kammern des Landgerichts und zwei Mal zur Revision an den BGH geschickt. Schließlich fand man doch noch einige Paragraphen um die Drei zu verurteilen. Direktor O. wurde wegen Unterschlagung belangt, sein Vertreter H. wegen Diebstahls, Betrugs und Beihilfe zur Unterschlagung und Vorarbeiter F. wegen Diebstahls und versuchten Betrugs in zwei Fällen. Schadensersatzklagen wurden vom Gericht immer mal wieder ins Gespräch gebracht, aber dagegen wehrten sich die Sammler mit allen Kräften. Sie fanden sich nicht geschädigt; kein Wunder war der Sammlerwert ihrer Münzen doch inzwischen auf 10.000 DM gestiegen und die Sammler wollten ihre Objekte auf keinen Fall mehr herausgeben.
Die Sanktionen
Die Strafen waren maßvoll. Die drei Übeltäter wurden zu Gefängnisstrafen von unter einem Jahr verurteilt. Da sie nicht vorbestraft waren, wurde diese sogar zur Bewährung erlassen. Den schönen Job in der Münze waren sie allerdings los. Einige hohe Beamte im Bundesfinanzministerium und bei der Bundesbank wurden zwar wegen Mithilfe angezeigt, aber es fand kein Verfahren und damit auch keine Verurteilung statt. Wer denkt da nicht an George Orwells Fabel von der "Farm der Tiere": Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher. Der Paragraph 146 im Strafgesetzbuch wurde verschärft. In Zukunft müssen "Innentäter" für ähnliche Delikte mit Gefängnisstrafen von fünf bis zehn Jahren rechnen.
Bei der Münzstätte geht es jetzt viel rigider zu. Neu entwickelte Geldzählmaschinen erlauben nicht nur die Münzen sondern auch die Rohlinge zu zählen, welche früher nur (ungenau) gewogen wurden. Die Tresore dürfen nur von zwei Mitarbeitern gleichzeitig geöffnet und geschlossen werden. Beim Ein- und Ausgang werden alle Beschäftigte mit Spezialdetektoren kontrolliert. Außerdem wurde für die Mitarbeiter Plastikgeld eingeführt. Dies ist die betriebseigene "Währung" für die Angestellten zum Zahlen in der Kantine. Echtgeld darf nicht mitgeführt werden.
Schließlich wurde 1998, im Vorfeld der Euro-Einführung, auch die frühe Befürchtung des ex-Direktor O. zur bitteren Realität:
die beiden Münzstätten Karlsruhe und Stuttgart wurden zur baden-württembergischen Münze zusammengelegt.
Betroffene Münzen
(oben: 50-Pfennig-Stück; unten: 2-Pfennig-Stück)
Das plötzliche vermehrte Auftreten wertvoller Münzen aus der Nachkriegszeit wurde von den Sammlern sehr wohl registriert. Es war der Münzexperte K., Herausgeber der Fachzeitschrift "Der Münzensammler und der Münzmarkt", welcher aktiv wurde. Im November 1974 sandte er einen Satz Münzen des Jahrgangs 1967 (G) zur Echtheitsprüfung an die zuständige Bundesbank in Frankfurt. Bereits zwei Wochen später bestätigten ihm die Fachleute der Bank, das es sich um "echte Münzen" handelt, die jedoch "nachträglich hergestellt" wurden, u. zw. mit einer "Werkzeugkombination", wie sie 1967 noch nicht verfügbar war. (Der Karlsruher Prägevorarbeiter F. hatte da wohl nicht sorgfältig genug gearbeitet). Anfang 1975 nahmen die staatsanwaltlichen Ermittlungen ihren Lauf.
Der Prozess
Die "Drei von der Münze" waren durchaus geständig, insbesondere nachdem man sie einige Wochen im Untersuchungsgefängnis hatte schmoren lassen. Für die Strafkammer des Karlsruher Landgerichts schien der Prozess eine einfache Sache zu sein. Sie konnte sich bei der Anklage direkt auf einen Paragraphen des Strafgesetzbuches beziehen, den §146 StGB. Sein Wortlaut stand früher noch auf jedem Geldschein, nämlich: "Wer Geld nachmacht, oder nachgemachtes Geld in den Verkehr bringt, wird...bestraft". Die Staatsanwaltschaft plädierte also auf Falschmünzerei und in den Verkehr bringen von Falschgeld.
Zur großen Überraschung fiel sie jedoch mit beiden Anschuldigungen durch. Die gewitzten Verteidiger argumentierten nämlich, dass in einer Staatlichen Münze niemals Falschgeld geprägt werden könne - selbst wenn es keinen Auftrag des Bundesfinanzministerium gäbe. Außerdem seien die dort geprägten Münzen (wegen ihres hohen Sammlerwertes) nicht in den öffentlichen Geldverkehr gebracht worden, sondern nur in den Sammlerkreislauf, wo sie gewissermaßen gehortet wurden. Im Übrigen, behaupteten die Angeklagten, hätten sie für jede nachgeprägte Münze eine andere (neue, also praktisch wertlose) Münze "verwalzt", und somit unbrauchbar gemacht. Letzteres konnte ihnen nicht widerlegt werden.
Die Anklage fiel vollends in sich zusammen, als der angerufene Bundesgerichtshof (BGH) diese Rechtsauffassung bestätigte. Plötzlich stand die Strafkammer ohne anwendbares Gesetz da und nach dem alten römischen Rechtsgrundsatz "nulla poena sine lege" (keine Strafe ohne Gesetz), hätte sie die drei Übeltäter freisprechen müssen. Aber das wäre gegen die Ehre der Karlsruher Elitejuristen (mit oder ohne doctor iuris utriusque) gegangen. Über zwei Jahre hinweg wurde die Causa zwischen drei Kammern des Landgerichts und zwei Mal zur Revision an den BGH geschickt. Schließlich fand man doch noch einige Paragraphen um die Drei zu verurteilen. Direktor O. wurde wegen Unterschlagung belangt, sein Vertreter H. wegen Diebstahls, Betrugs und Beihilfe zur Unterschlagung und Vorarbeiter F. wegen Diebstahls und versuchten Betrugs in zwei Fällen. Schadensersatzklagen wurden vom Gericht immer mal wieder ins Gespräch gebracht, aber dagegen wehrten sich die Sammler mit allen Kräften. Sie fanden sich nicht geschädigt; kein Wunder war der Sammlerwert ihrer Münzen doch inzwischen auf 10.000 DM gestiegen und die Sammler wollten ihre Objekte auf keinen Fall mehr herausgeben.
Die Sanktionen
Die Strafen waren maßvoll. Die drei Übeltäter wurden zu Gefängnisstrafen von unter einem Jahr verurteilt. Da sie nicht vorbestraft waren, wurde diese sogar zur Bewährung erlassen. Den schönen Job in der Münze waren sie allerdings los. Einige hohe Beamte im Bundesfinanzministerium und bei der Bundesbank wurden zwar wegen Mithilfe angezeigt, aber es fand kein Verfahren und damit auch keine Verurteilung statt. Wer denkt da nicht an George Orwells Fabel von der "Farm der Tiere": Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher. Der Paragraph 146 im Strafgesetzbuch wurde verschärft. In Zukunft müssen "Innentäter" für ähnliche Delikte mit Gefängnisstrafen von fünf bis zehn Jahren rechnen.
Bei der Münzstätte geht es jetzt viel rigider zu. Neu entwickelte Geldzählmaschinen erlauben nicht nur die Münzen sondern auch die Rohlinge zu zählen, welche früher nur (ungenau) gewogen wurden. Die Tresore dürfen nur von zwei Mitarbeitern gleichzeitig geöffnet und geschlossen werden. Beim Ein- und Ausgang werden alle Beschäftigte mit Spezialdetektoren kontrolliert. Außerdem wurde für die Mitarbeiter Plastikgeld eingeführt. Dies ist die betriebseigene "Währung" für die Angestellten zum Zahlen in der Kantine. Echtgeld darf nicht mitgeführt werden.
Schließlich wurde 1998, im Vorfeld der Euro-Einführung, auch die frühe Befürchtung des ex-Direktor O. zur bitteren Realität:
die beiden Münzstätten Karlsruhe und Stuttgart wurden zur baden-württembergischen Münze zusammengelegt.
Ein schöner Artikel mit geringsten Fehler. Münzen werden grundsätzlich geprägt und nicht gedruckt. Jährlich gibt es ca. 600.000 falsche 2€ Stücken.
AntwortenLöschenMit freundlichen Grüssen
Guy M.Y.Ph. Franquinet
von der IHK Heilbronn – Franken
vereidigter und öffentlich bestellter
Sachverständiger für Deutsche Münzen
ab 1871 und Euro - Umlaufmünzen