Enorm sind die Anforderungen an die Projektleitung. Die am Bau beteiligten Länder China, Indien, Japan, Korea, Russland und USA, sowie die Europäische Union (EU), worin Deutschland eingebunden ist, tragen sowohl mit Sachmitteln als auch mit Geld zum Projekt bei. Die Spezifizierung aller Komponenten, sodass daraus ein funktionsfähiges Gesamtwerk entsteht, ist eine Riesenaufgabe. In der Vergangenheit war das Top-Management mit der Bewältigung der vielen Probleme offenbar überfordert, sodass es innerhalb von zehn Jahren zu drei Umbesetzungen an der Spitze - dem Amt des Generaldirektors (GD) - gekommen ist. Im Nachgang kann man von zwei Epochen, einer japanischen und einer französischen, sprechen, die nun kurz beschrieben seien.
Die japanische Epoche
Die Position des ITER-Generaldirektors war von Beginn an einem Japaner zugedacht, da die japanische Regierung bei der Endverhandlung des Liefervertrags auf Japan als Standort des Projekts verzichtet hatte. Dementsprechend trat der Japaner Kaname Ikeda im Jahr 2005 sein Amt als Chef in Cadarache an. Ikeda war von seiner Ausbildung her kein Fusionswissenschaftler, sondern ein Karriere-Diplomat; vorher hatte er sein Land als Botschafter in Kroatien vertreten. Die englische Sprache beherrschte er nur rudimentär. Seine holprigen, in "broken-english" vorgetragenen Projektpräsentationen, verursachten beim Fachpublikum regelmäßig Bauchgrimmen. Nicht zuletzt deshalb wurde ihm bald der Deutsche Norbert Holtkamp als Vertreter zur Seite gestellt, was die französische Zeitung La Provence zu der kecken Phrase veranlasste: "Nun ist der wahre Chef gekommen".
Im Jahr 2010, also schon nach fünf Jahren, war die Phase Ikeda zu Ende. Die Japaner schlugen als Nachfolger für den offensichtlich überforderten Ikeda den Professor Osamu Motojima vor. Er war zeitweise in einem Fusionslabor seines Landes tätig, hatte also gewisse technische Kenntnisse. Die erste Amtshandlung des neuen Generals war, dass er seinen Vertreter Holtkamp feuerte, für den man in Kalifornien einen neuen Job fand. Aber auch Motojima bekam das Projekt ITER nicht in den Griff. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens Vorlesungen an verschiedenen Universitäten des Landes gehalten, dafür reihenweise Ehrendoktorate erhalten, indes, die Managementerfahrungen für Großprojekte fehlte ihm. Nach nur einer Periode gab er im Jahr 2015 sein Amt auf. Die Japaner, erkennbar gefrustet, erklärten anschließend, dass sie in Zukunft auf Besetzung des GD-Postens verzichten würden.
Während dieser japanischen Epoche waren die Baukosten des ITER von 5 Milliarden Euro (bei Vertragsabschluss) auf 15 Milliarden angestiegen.
Der Inbetriebnahmezeitpunkt war von 2015 auf 2026, also um 11 Jahre nach hinten gerückt.
Der Inbetriebnahmezeitpunkt war von 2015 auf 2026, also um 11 Jahre nach hinten gerückt.
Die französische Epoche
Nach dem Abgang der beiden Japaner Ikeda und Motojima einigte sich das internationale ITER-Konsortium auf einen Franzosen als nächsten Generaldirektor. Er war schwer zu finden. Schließlich gelang es, den 65-jährigen Monsieur Bernard Bigot vom Ruhestand zurückzuhalten und für die Spitzenposition beim ITER zu gewinnen. Bigot ist Physikochemiker und war über viele Jahre für die französische Atombehörde CEA auf dem Gebiet der Alternativen Energien tätig. Von da her ist er mit den staatlichen und ministeriellen Stellen in Frankreich gut vernetzt.
Inzwischen hat sich Bigot in sein neues Feld gut eingearbeitet, sodass er vor einigen Wochen eine neue Kosten- und Terminschätzung vorlegen konnte.
Demnach werden weitere 5 Milliarden Euro an Kosten für den Bau des ITER anfallen, sodass die Gesamtkosten nunmehr auf 20 Milliarden klettern.
Der Volllastbetrieb des ITER wird um weitere 10 Jahre auf 2036 aufgeschoben.
Das Vakuumgefäß, vergeben an ein italienisches Dreierkonsortium, scheint auf dem kritischen Pfad zu liegen.
(Da Deutschland mit 10 Prozent der Gesamtkosten am ITER beteiligt ist, entfallen auf die Bundesrepublik somit ca. 2 Milliarden Euro an Baukosten).
Der Volllastbetrieb des ITER wird um weitere 10 Jahre auf 2036 aufgeschoben.
Das Vakuumgefäß, vergeben an ein italienisches Dreierkonsortium, scheint auf dem kritischen Pfad zu liegen.
(Da Deutschland mit 10 Prozent der Gesamtkosten am ITER beteiligt ist, entfallen auf die Bundesrepublik somit ca. 2 Milliarden Euro an Baukosten).
Ausblick
Entgegen landläufiger Meinung wird der ITER, sollte er einmal betriebstüchtig sein, keinen elektrischen Strom liefern, sondern allenfalls Wasserdampf von 150 Grad Celsius. Um die Baukosten "niedrig" zu halten, hat man schon in der Frühphase des Projekts das Brutblanket weitgehend weggelassen. In seiner jetzigen Konzeption ist der ITER im wesentlichen eine (notwendige) Experimentiermaschine für Physiker und Ingenieure.
Sofern die Experimente des ITER erfolgreich verlaufen, kann man sich danach an die Planung eines stromerzeugenden Demonstrationskraftwerks - genannt DEMO - heranwagen. Das soll ein wirklicher Fusionsreaktor mit einer Leistung von 1.000 Megawatt sein, also einem mittelgroßen Kernkraftwerk, bzw. einem großen Kohlekraftwerk entsprechen. Dieses Projekt wird von dem bisherigen 7er-Staatenbund nicht mehr zu stemmen sein - aus finanziellen und politischen Gründen. Spätestens dann benötigt man die Partizipation der europäischen Stromkonzerne, der sogenannten EVU. Ein organisatorisches Vorbild könnte der European Fast Breeder (EFR) sein, wo in den neunziger Jahren eine Reihe deutscher, französischer und britischer EVU kooperierten und die Planungskosten trugen. Das begleitende Forschungs-und Entwicklungsprogramm wurde von den F+E-Organisationen der genannten Staaten geschultert.
Setzt man ab 2036 (dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des ITER) je 10 Jahre für Planung, Bau und Inbetriebnahme des DEMO an, so befinden wir uns nach diesen 30 Jahren im Jahr 2066.
Das sind 50 Jahre von heute.
Voilà,
die berühmte Prophezeihung,
wonach die Fusion in 50 Jahren kommen wird,
ist nach wie vor gültig!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen