Sonntag, 30. Oktober 2016

Was KIT von RWE und E.ON lernen kann.

Am KIT rumort es.

Die Mitarbeiter sind unzufrieden mit der Führung des Unternehmens. Seit Wochen berichtet die örtliche Presse BNN in großen Schlagzeilen darüber. Vor kurzem kam es deshalb zu einer einzigartigen Demonstration: etwa zwei Dutzend Mitarbeiter, unter der Führung des Personalrats, stürmte in eine Sitzung des Präsidiums und verlas dort eine geharnischte Erklärung über die angebliche Verletzung der Mitbestimmungsrechte bei der geplanten Umorganisation der Dienstleistungseinheiten. Gleichzeitig wurde eine Klage vor dem Arbeitsgericht angekündigt.

Das zeigt deutlich, dass die vor mehr als zehn Jahren vollzogene Verschmelzung des ehemaligen Forschungszentrums (FZK) mit der Technischen Universität (TU) zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nicht gelungen ist. Der Grund liegt darin, dass die beiden Fusionspartner von der Struktur und der Aufgabenstellung her fundamental unterschiedlich sind, sodass die im April 2006 von den damaligen Chefs Popp und Hippler weitgehend erzwungene Vereinigung nicht gelingen konnte. Mit KIT ist kein unternehmerischer Mehrwert sondern nur eine permanente Belastung der Mitarbeiter durch eine mehr und mehr überbordende Bürokratie entstanden.

Man sollte deshalb - so schrecklich es für manchen klingen mag - die beiden ungleichen Partner wieder trennen und verselbstständigen. Die vertrauensvolle Kooperation zwischen FZK und TU sollte beibehalten werden, wie sie vorher schon fünfzig Jahre lang bestanden und gut funktioniert hat.

Das Separieren der Fusionspartner mag als eine gigantische Aufgabe erscheinen. Das ist aber nicht der Fall. Am Beispiel der beiden DAX-Unternehmen RWE und E.ON, die kürzlich ( in viel höherem Maßstab) eine Aufspaltung ihrer Firmen - erfolgreich(!) - vollzogen haben, soll dies dargestellt werden.


RWE und E.ON spalten sich auf

Für die beiden größten deutschen Energie- und Stromversorger, nämlich RWE und E.ON sah es noch vor einem Jahr düster aus. Das altehrwürdige RWE stand vor dem finanziellen Abgrund: der Aktienkurs war seit der Energiewende im Jahr 2011 von 55 auf 10 abgestürzt. Die Essener konnten nicht mehr als "Witwen- und Waisen-Papier" empfohlen werden. -- Ähnlich erging es E.ON. Deutschlands größter Energiekonzern hatte im gleichen Zeitraum 60 Prozent seines Börsenwerts verloren. Der Aktienkurs war von 25 auf 7 gefallen. Beiden Unternehmen drohte die Insolvenz.

In dieser höchsten Gefahr beschlossen die beiden Konzernchefs Johannes Teyssen (E.ON) und Peter Terium (RWE) ihre Unternehmen für die Investoren, also die potentiellen Aktienkäufer, transparent und attraktiv zu machen - und zwar durch geschickte Aufspaltung der Altfirmen. E.ON gliederte das Geschäft mit dem fossilen Kraftwerken in die neue Firma Uniper aus und beließ in der Mutterfirma den Ökostrom, den Netzbetrieb und die Atomkraftwerke. Der Konkurrent RWE gründete die Tochtergesellschaft Innogy, welche u. a. die Neuen Energien betreute.

Die Aufteilung der Unternehmen war ein voller Erfolg. Die "grüne" RWE-Tochter Innogy reüssierte glänzend an der Börse und ist inzwischen 20 Milliarden Euro wert - natürlich vor allem, weil sie den sicher subventionierten Sonnen-und Windstrom vertreibt. ( Zum Vergleich: RWE-alt kommt nur auf einen Börsenwert von 8,5 Milliarden). Ähnlich ist es bei E.ON, wo die teuren Erneuerbaren Energien bei der Alt-Firma verbleiben. Aber auch die abgespaltene Tochter Uniper profitiert davon, da sie zukünftig bei herbstlicher Sonnen- und Windflaute sogenannte "Engpasspreise" verlangen darf.


Die Möglichkeiten des KIT-Gesetzes

Die Aufspaltung von RWE und E.ON in vier, nun erfolgreiche, Firmen innerhalb von weniger als zwei Jahren ist eine Meisterleistung der daran beteiligten Manager und Juristen. Immerhin handelte es sich um riesige Unternehmen mit je ca. hundert Milliarden Euro Jahresumsatz, die geschickt aufgeteilt werden mussten, sodass daraus profitable Entitäten entstehen konnten. Bei den Vermögensteilen, die neuen Eigentümern anzugliedern waren, handelte es sich unter anderem um milliardenteure Kernkraftwerke und jeweils ca. 50.000 Mitarbeiter mussten mit neuen Anstellungsverträgen ausgestattet werden.

Damit verglichen wäre die oben angesprochene Trennung des KIT in die ursprünglichen Partner Forschungszentrum (FZK) und Technische Universität (TU) fast nur ein Klacks, der innerhalb eines Jahres zu bewerkstelligen wäre - sofern die beteiligten Politiker zustimmen würden. Dafür müsste lediglich das sogenannte KIT-Gesetz geändert bzw. aufgehoben werden, ein Gesetz des Landes Baden-Württemberg, welches seit 25. Juli 2009 gültig ist. Es regelt die Zusammenarbeit der TU Karlsruhe mit der Großforschungseinrichtung FZK. Beide Organisationen wären dann - wie früher - wieder selbstständig, dürften jedoch punktuell im Forschungsbereich kooperieren.



Das ehemalige Forschungszentrum Karlsruhe
(Der Hardtwald kommt bedrohlich näher)

Von einer Auftrennung könnte man erwarten, dass FZK und TU wieder in "ruhiges Fahrwasser" gelangen würden. Das war während der vergangenen zehn Jahre KIT nicht der Fall. Allein schon die lange Strecke der amtierenden KIT-Chefs während einer einzigen Dekade - Popp, Hippler, Maschuw, Umbach, Hanselka - ist dafür Beweis genug. Und, dass kürzlich der Präsident Hanselka sogar in einem persönlichen Rundschreiben (Nr. 23/2016) am Schwarzen Brett von internen gegensätzlichen Diskussionen bei der Vertragsverlängerung eines Vizepräsidenten (Dr. Breuer) berichten musste, lässt tief blicken.


Was macht das KIT mit seinem vielen Geld?

Das KIT erscheint finanziell opulent ausgestattet. Jedes Jahr fließt fast eine Milliarde Euro in diese Institution, gespeist aus Mitteln des Bundes, des Landes und aus Drittmitteln. Im Jahr 2015 waren es, präzise zitiert, insgesamt 860,8 Millionen Euro, wovon 428,4 Mio an den Universitätsbereich und 432,4 Mio an den Großforschungsbereich gingen. Was macht das KIT mit dem vielen Geld? Einigermaßen transparent ist, von außen gesehen, nur der Bereich der Uni. Dort werden ca. 25.000 Studenten ausgebildet, die von etwa 400 Professoren betreut werden.

Schwierig ist der Durchblick  beim sogenannten Großforschungsbereich, dem ehemaligen Forschungszentrum. Dort soll nach dem KIT-Gesetz Großforschung betrieben werden, wobei unter § 2 deutlich der Aufbau von Forschungsanlagen gefordert wird. Aber wo sind diese? Sicherlich, es existieren im FZK die Großprojekte "Katrin" und "bioliq" sowie "Anka"- aber diese wurden längst vor der Gründung des KIT aufgebaut. Inzwischen sind die beiden Erstgenannten zeitlich um ein Jahrzehnt verzögert und die Strahlenquelle Anka wurde (angeblich aus Budgetgründen) im vorigen Jahr drastisch dezimiert. Neue, auch äußerlich sichtbare Großprojekte scheinen nicht hinzugekommen zu sein. Jedenfalls nicht von jenem Kaliber, welche kürzlich im Mitarbeitermagazin "Dialog 3. 2016" auf gruselige Weise abgebildet wurden. (Hat VP Breuer bereits die Photoredaktion wegrationalisiert?). Die dort gezeigten fünf großen Forschungsanlagen waren weltweit bekannt. Von den Mitarbeitern des früheren Kernforschungszentrum wurden sie für weniger als 900 Millionen DM errichtet. Das ist - fiktiv gerechnet - ziemlich genau ein Jahresetat des gegenwärtigen Großforschungsbereich.
Wo bleiben die äquivalenten KIT - "Leuchttürme"? 
Where is the beef, Professor Hanselka?

Ungeachtet der Gesamtverantwortung des KIT-Chefs H., gibt es aber noch zwei Vizepräsidenten, in deren Ressort der Aufbau von neuen Forschungsanlagen direkt fällt. Dies sind die Professoren Oliver Kraft und Thomas Hirth, einschließlich der ihnen zugeordneten Bereichsleiter. Gewiss, die Erstgenannten sind erst seit Jahresbeginn im Amt, aber die 100-Tage-Frist ist längst abgelaufen. Bis dato hört man aus ihrem Umfeld nichts zur Planung neuer Großprojekte.

Stattdessen wird in den Regionalzeitungen großräumig über die künftige Einsparung etlicher Dienstleistungseinheiten berichtet, was auch zu dem eingangs beschriebenen "Go-in"  im Stil der 70er Jahre geführt hat. Doch schon eine überschlägige Finanzabschätzung lässt erkennen, dass selbst die vollständige Eliminierung dieser Kleingruppen dem KIT allenfalls eine (Sachmittel-) Einsparung von wenigen hunderttausend Euro pro Jahr erbringen würde. Bei einem Jahresetat von 860 Mio wären das "pea nuts" - um im Jargon des ehemaligen Deutsche Bank Manager Hilmar Kopper zu sprechen.

Im Jahresbericht 2015 des KIT kann man viele der oben geschilderten Sachverhalte nachlesen. Der Bericht ist im letzten Teil (Zahlen und Fakten) durchaus informativ, ansonsten (im Bildbereich) recht "kopflastig". Was den Hauptteil (Lehre und Forschung) angeht, erscheint er mir zu "soft" -  um nicht zu sagen: technophob.
Wurde er von einem Germanisten geschrieben?


Fazit

Bilanziert man die zehnjährige Geschichte des KIT, so muss man leider feststellen, dass das Forschungszentrum (jetzt KIT Campus Nord) immer mehr zu einem bloßen Anhängsel der Universität (Campus Süd) geworden ist. Manche sprechen sogar von einer "verlängerten Werkbank".

Metaphorisch gesprochen: früher ähnelten die Partner FZK und TU wendigen Schnellbooten, die sich in ihrem Forschungsambiente sicher bewegten und eine weltweite Identität besaßen. Daraus ist ein träger Dampfer geworden, der auf dem Weltmeeren umher irrt und sich nicht mehr schnell genug auf die forscherischen Erfordernisse einstellen kann.

KIT ist eine monströse Super-Struktur, die leider auch eine lähmende Bürokratie zur Folge hat.

Die Absicht der Gründerväter des KIT, eine Forschungseinrichtung wie die 80-fache amerikanische  Nobelpreisuniversität MIT zu schaffen, wird nicht gelingen. Die Wahl des Namens KIT wirkt aus dieser Sicht eher anmaßend, ja geradezu peinlich.

Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe hat auch für diese Situation einen Spruch parat:

Getretener Quark wird breit, nicht stark.

Sonntag, 23. Oktober 2016

Klaus Traube verstorben

Dr. Klaus Traube, der ehemalige Atommanager, ist am 4. September 2016 im Alter von 88 Jahren verstorben.


"Alles wandelt sich.
Neu beginnen kannst du mit dem letzten Atemzug.
Aber was geschehen ist, ist geschehen.
Und das Wasser, das du in den Wein gossest,
kannst du nicht mehr herausschütten.

Was geschehen ist, ist geschehen.
Das Wasser, das du in den Wein gossest,
kannst du nicht mehr herausschütten,
aber alles wandelt sich."

                                 Bertold Brecht


(Vorspruch auf der Todesanzeige seiner Familie)



Klaus Traube (1928 - 2016)


De mortuis nil nisi bene

Dienstag, 11. Oktober 2016

David und Goliath

Den freien Austausch von Waren und Dienstleistungen - kurz gesagt: den Freihandel zwischen verschiedenen Ländern - gibt es erst seit knapp hundert Jahren. Der Wegfall der Zölle an den Landesgrenzen und die Vereinheitlichung der Produktstandards wird im allgemeinen positiv gesehen. Aber diese "Globalisierung" birgt auch unübersehbar ihre Risiken. Sind die Geschäftspartner unterschiedlich groß, dann kann der Mächtigere dem Unterlegenen sehr leicht seine Bedingungen diktieren und ihn, unter fadenscheinigem Vorwand, sogar zum Kadi zwingen. Dies geschieht derzeit zwischen US-amerikanischen und deutschen bzw. europäischen Firmen und ist deshalb so bedeutungsvoll, weil eine weitere Ausbaustufe des Freihandels - das sogenannte TTIP-Abkommen - unmittelbar vor der Ratifizierung steht.


Schwache deutsche Unternehmen

Wie riskant das unternehmerische Agieren auf dem internationalen Parkett sein kann, wird am Beispiel von drei deutschen Unternehmen beschrieben, nämlich den Firmen Volkswagen, Deutsche Bank und der ehemaligen Baufirma Bilfinger. Ein viertes Unternehmen, Vattenfall, ist in Schweden beheimatet und nutzt die US-amerikanische Gerichtsbarkeit, um die Bundesrepublik Deutschland auf eine Milliardensumme zu verklagen.

Das Unternehmen Volkswagen AG hat jahrelang Dieselautos so manipuliert, dass sie nur auf dem Prüfstand die Abgasgrenzwerte einhalten, auf der Straße aber erheblich mehr Schadstoffe ausstoßen. Der Betrug flog im September 2015 in den USA auf und Volkswagen gestand die Manipulation ein. Weltweit sind 11 Millionen Fahrzeuge betroffen, die meisten davon in Europa. Seit Bekanntwerden dieses Fehlverhaltens ist der Börsenwert von VW um zehn Prozent abgesunken. Die Behörden in den USA verlangten von VW die exorbitante Summe von 13 Milliarden Euro als Wiedergutmachung, insbesondere wegen zu erwartender Umweltschäden.  Die US-Großkanzlei Jones Day durchleuchtet derzeit das Unternehmen minutiös und befragt zahlreiche VW-Mitarbeiter. Die Verdächtigungen reichen bereits bis zu Audi und Porsche, ja, sogar Bosch wurde seit kurzem in das Verfahren einbezogen. Vieles spricht dafür, dass man von US-Seite die Gelegenheit nutzen möchte, die gesamte deutsche Autoindustrie über massive Schadensersatzforderungen klein zu halten.
Uncle Sam: "I shall get you"




In einer noch schlimmeren Situation befindet sich die Deutsche Bank, einstmals die Bank Nr. 1 in Deutschland und eine der größten Banken weltweit. Sie hat seit der "Blütezeit" unter Josef Ackermann 90 Prozent ihres Aktienwertes verloren und ist praktisch ein Übernahmekandidat für ausländische Institute - sofern diese überhaupt wollen. Ein Großteil ihres Vermögens wurde durch hochriskante Investmentgeschäfte verloren, zumeist an der Wall Street und in London. In letzter Zeit wird die Deutsche Bank von den US-Behörden beschuldigt, illegale Hypothekengeschäfte ausgeführt zu haben, wodurch es angeblich vor knapp zehn Jahren zur Weltfinanzkrise gekommen ist. Darüber hinaus wird ihr die Mitwirkung an Geldwäschegeschäften vorgeworfen. Dafür hat die US-Justiz eine Strafe von 14 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Wie und ob die Bank diese horrende Summe aufbringen kann, ist derzeit in der Diskussion. Es ginge wohl nicht ohne den Verkauf des "Tafelsilbers", worunter die Postbank und die DWS Fondsgesellschaft verstanden wird. Auch eine Insolvenz wird nicht zur Gänze ausgeschlossen, was die gesamte deutsche Wirtschaft hart treffen könnte. "Die deutsche Industrie als Exportweltmeister braucht die Deutsche Bank, die uns bei unseren Geschäften in die Welt hinaus begleitet", sagte kürzlich der BASF-Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Hambrecht.

 Die frühere Baufirma Bilfinger, welche einst ganze Stadtviertel in der katarischen Hauptstadt Doha errichtet hat, kam schon unter dem einstigen Vorstandvorsitzenden Roland Koch ins Visier der US-Behörden. Im afrikanischen Ölland Nigeria soll dieses Unternehmen beim Bau von Pipe-Lines nigerianische Regierungsvertreter bestochen haben. Seither hat Bilfinger Abgesandte des FBI und Anwälte von verschiedenen US-Kanzleien in seinen Büros - zum Stundensatz von bis zu tausend Dollar. Zur bereits gezahlten Strafe von 32 Millionen Dollar sollen weitere 50 Millionen kommen. Noch zusätzliche zwei Jahre wollen die US-Kontrolleure in den Dokumenten der Mannheimer Zentrale herumwühlen. Tom Blades, der nunmehrige Bilfinger-Chef tat kürzlich den bezeichnenden Ausspruch: "Das ist wie Hygiene in einem Krankenhaus; man kann das Thema nie zu den Akten legen".

Ein besonderer Coup ist dem schwedischen Energieversorger Vattenfall gelungen, der eine Zeitlang in Deutschland die beiden Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel betrieben hat. Als die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2011 - im Nachgang zu Fukushima - die vorzeitige Stilllegung dieser Atomkraftwerke anordnete, reichte Vattenfall eine Schadensersatzklage bei einem Schiedsgericht in Washington, USA, ein. Die Anspruchsgrundlage für die Kläger ist die sogenannte "Energie-Charta", welche einstmals von der Bundesrepublik unterzeichnet wurde und welche "stets eine faire und gerechte Behandlung von Investoren" vorsieht. Die Klage erfolgte vor einem US-Gericht, weil Vattenfall dort wesentlich höhere Entschädigungszahlungen erwartet.


Starke amerikanische Unternehmen

Fehlverhalten bei großen Unternehmen gibt es auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans. Nachstehend werden einige US-Konzerne herausgegriffen, gegen die Sanktionen der EU-Kommission unternommen oder in Erwägung gezogen wurden.

Apple, dem größten Wirtschaftsunternehmen der Welt wird von der EU vorgeworfen, dass es seine Gewinne in den europäischen Staaten von Anbeginn nach Irland transferiert hat, dort aber keine Steuern bezahlt. Inzwischen soll, einschließlich Zinsen, eine Steuerschuld von 20 Milliarden EURO aufgelaufen sein. Das vergleichsweise arme Irland verzichtet gezwungenermaßen auf die Eintreibung dieser Schuld, weil nur unter dieser Bedingung Apple weiterhin seine Geschäfte von diesem Inselstaat aus betreiben will. Apple weigert sich, trotz EU-Androhungen, in Europa Steuern zu bezahlen und hat stattdessen seine Betriebsgewinne in die USA verlagert, um dort - steuerfreie - Wertpapiere zu kaufen. Der Ausgang dieses Streits ist offen, insbesondere wegen der ängstlichen Haltung des Sitzlandes Irland. Inzwischen nutzen auch Google und Facebook das Steuerschlupfloch Dublin.

Dem Unternehmen Google werfen die EU-Kartellwächter unfairen Wettbewerb in seinem Kerngeschäft mit den Suchmaschinen vor. Im Umfeld dieser Internet-Suche macht Google einen Jahresumsatz vom 75 Milliarden Euro in Europa, wobei die Werbeanzeigen das meiste Geld einbringen. Die EU-Kommission bemängelt, dass konkurrierende Suchmaschinen, wie Bing und Yahoo, keinen adäquaten Platz in der Werbung haben. Stattdessen ist Google mit 95 Prozent Verbreitung nahezu Monopolist. Dies stößt, ebenso wie die Vorinstallierung des Web-Browsers Google Chrome auf allen möglichen Internetgeräten, auf heftige Kritik bei der EU-Kommission. Bei dem anhängigen Wettbewerbsverfahren droht Google eine Strafe von zehn Prozent des Jahresumsatz. Der mächtige Konzern Google ist bislang aber keineswegs eingeknickt, obwohl das Sanktionierungsverfahren sich bereits einige Jahre hinzieht.

Den allergrössten Schaden hat die US-Investment-Bank Goldman Sachs  der EU zugefügt, indem es Griechenland einen gigantischen Betrug zu Lasten der Euroländer ermöglichte. Vor der Jahrtausendwende befand sich Griechenland in der misslichen Lage, ein zu hohes Haushaltsdefizit für den Eintritt in die Eurozone zu besitzen. Daher beauftragte die griechische Regierung die US-Bank Goldman Sachs, dieses Problem zu "lösen" um den Maastricht-Kriterien zu genügen. Gesagt, getan: Goldman Sachs bot den Griechen eine verdeckte Finanzierung in Form eines hochspekulativen Derivategeschäfts an. Im Jahr 2001 wurde Griechenland, unter der Regierung Schröder/Fischer in die Eurozone aufgenommen, nachdem auch der deutsche Finanzminister Eichel diesen Deal nicht durchschaut hatte. Seitdem musste Griechenland - aus dem Steuersäckel - mit insgesamt 240 Milliarden Euro gestützt werden. Goldman Sachs wurde bislang von der EU-Kommission juristisch nicht belangt.


Schlussbetrachtung

Vergleicht man die Geschäftsverbindungen zwischen USA und Europa (bzw. Deutschland), so wird offenbar, dass die Europäer - und noch mehr die Deutschen - nahezu in allen Facetten die schwächeren  Partner sind. Nachstehend werden einige Parameter aufgezählt, bei denen dieses Missverhältnis besonders deutlich wird:

1.  Die amerikanischen Unternehmen sind wesentlich größer und können im Bedarfsfall mehr Macht ausüben (Siehe Irland). Insbesondere die US-Internetfirmen, wie Apple und Google, besitzen den riesigen Marktwert von über 500 Milliarden Euro, während die größten deutschen Konzerne um den Faktor 5 bis 10 darunter liegen.

2.  Der Verbrauchermarkt ist in den USA (mit ca. 350 Mio Einwohnern) und Europa (mit ca. 500 Mio) in etwa gleich groß. Allerdings wird Großbritannien (50 Mio) nach seinem Brexit Probleme haben, als internationaler Marktplatz Ernst genommen zu werden.

3.  Die Gerichte und Schiedsgerichte sind in den USA wesentlich rigider als in Europa. VW wird dort als "Umweltsünder" mit 13 Milliarden pönalisiert; demgegenüber gelingt es Europa nicht, die Stadt New York wegen andauernder Versenkung von Plastikmüll in den Atlantischen Ozean vor Gericht zu zwingen.

4.  Die USA dürfen auf die Bankdaten der Europäer seit 2009 im Rahmen des sogenannten Swift-Abkommens ungehindert zugreifen und decken dabei so manches Schmiergeldgeschäft konkurrierender Firmen in Europa auf. Umgekehrt wird der EU keine Kontrolle der zuweilen dubiosen Finanzströme in den USA zugebilligt.

All diese Diskrepanzen werden hoffentlich bei der Endverhandlung des neuen Freihandelsabkommens TTIP noch zur Sprache kommen. Falls nicht - dann hat George Orwell mit seiner Sentenz in "Farm der Tiere" (1945) recht:

Alle Tiere sind gleich,
aber manche sind gleicher.




 







Montag, 3. Oktober 2016

Das Kernkraftwerk Hinkley Point C: Energiewende auf englisch

Vor wenigen Tagen hat die frisch gekürte britische Premierministerin Theresa May die Entscheidung zum Bau zweier supergroßer Kernkraftwerke getroffen - und zwar aus ökologischen Gründen. An der Südwestküste Englands, dem Standort Hinkley Point soll ein französisch-chinesisches Konsortium zwei Atomkraftwerke der Klasse EPR zu je 1600 Megawatt errichten. Die Kernkraftgegner, insbesondere in Deutschland und Österreich, sind in heller Aufregung; speziell, weil Frau May für ihre Entscheidung Klimagründe ins Feld führt, die im Nachgang zur Pariser Klimakonferenz rational kaum zu entkräften sind. 

Historisch betrachtet war Großbritannien in Europa lange Zeit führend im Bau und Betrieb von Kernkraftwerken zur Stromerzeugung. Das erste Atomkraftwerk mit einer Leistung von 50 Megawatt nahm bereits 1956 den Betrieb in Calder Hall auf. Danach folgten etwa fünfzig weitere, welche fast alle grafitmoderiert und gasgekühlt waren. Rund dreißig dieser KKW sind inzwischen stillgelegt, aber 16 sind noch in Betrieb und stellen 20 Prozent des benötigten Stroms bereit. Der Plan der Engländer ist, im Laufe der nächsten Jahre ein weiteres Dutzend dieser großen EPR-Kernkraftwerke an sechs, bereits bestimmten, Standorten in England, bauen zu lassen. Die Regionen Wales, Schottland und Irland nehmen daran nicht teil.

Lange Vorbereitung

Es war der britische Premierminister Tony Blair, der von 1997 bis 2007 regierte und im Jahr 2004 verkündete, dass Großbritannien seine CO2-Emissionen im Zuge der Kyoto-Klima-Vereinbarungen bis zum Jahr 2050 um 60 Prozent senken wolle. Nach Abschätzung seiner Experten könne dies nicht allein über Energiesparen und dem Einsatz der fluktuierenden Erneuerbaren Energien erreicht werden, sondern am wirtschaftlichsten mit dem Bau einer neuen Generation an Kernkraftwerken. Dieser Beschluss wurde von seinem Nachfolger Gordon Brown (2007 - 2010) übernommen, der zusätzlich verkündete, dass diese Reaktoren von privaten ausländischen Investoren gebaut werden sollten. (Großbritannien hatte damals seine industrielle Basis zum Bau großer Kernkraftwerke bereits verloren, u. a. wegen der jahrzehntelangen Nutzung des eigenen Nordseeöls).

Unter der folgenden Regierung David Cameron (2010 - 2016) wurde Hinkley Point als Standort ausgewählt. In einer internationalen Ausschreibung hatten schon vorher drei renommierte Reaktorhersteller ihr Interesse bezeugt. Dies waren die französische Firma AREVA mit dem Europäischen Druckwasserreaktor EPR sowie zwei amerikanisch/japanische Konsortien. Da der EPR technisch am weitesten fortgeschritten war, wurde er für das Konzept- und Standortgenehmigungsverfahren ausgewählt.

Danach erfolgten die kommerziellen Verhandlungen, die sich über mehrere Jahre hinzogen, da mittlerweile Areva von  Betreiber Électricité de France (EdF) übernommen wurde und die Engländer auf einem recht unkonventionellen Preis- und Vertragsmodell bestanden. Sie wollten nämlich nicht, wie üblich, Abschlagszahlungen gemäß dem Fortschritt beim Bau der Reaktoren leisten, sondern der Lieferant EdF sollte seine Kosten über den Betrieb des fertigen Kernkraftwerks selbst finanzieren. Dabei handelte es sich um die nicht geringe Summe von 24 Milliarden Euro, welche EdF zunächst vorstrecken sollte. Um das Risiko für den Hersteller erträglich zu halten, waren die Engländer bereit - über eine Zeit von 35 Jahren - der EdF einen Strompreis von 10 Cent pro Kilowattstunde zu garantieren. (Als Betriebszeit für Hinkley Point sind 60 Jahre vorgesehen). Eine einfache Überschlagsrechnung zeigt, dass das Doppelkraftwerk mit 3200 Megawatt diese Baukosten in etwa 10 Jahren wieder einspielt, sofern man 8000 Betriebsstunden pro Jahr unterstellt.


Architekturskizze zum Doppel-Kernkraftwerk Hinkley Point C

Die Franzosen zierten sich eine Zeitlang auf dieses Vertragssystem einzugehen, obwohl der zugesicherte Stromabnahmepreis erheblich über dem liegt, welcher zur Zeit in Deutschland erzielbar ist. Demotivierend waren vor allem die technischen Probleme, welche derzeit bei ähnlichen Reaktoren in Olkilouto (Finnland) und Flamanville (Frankreich) auftauchen und dort erhebliche Mehrkosten verursachen. Bei einem dritten EPR-Projekt im chinesischen Taishan läuft jedoch alles nach Plan und die Inbetriebname steht 2017 bevor. So entschloss sich EdF die chinesische Staatsholding CGN als 25-Prozent-Partner ins Boot zu holen, womit die Briten einverstanden waren, sodass die neue Premierministerin Theresa May diesen Deal am 16. September absegnen und den Startschuss für das Projekt geben konnte.

Fazit

Das Vorgehen der Engländer zur Reduktion der CO2-Emissionen ist weltweit einmalig.
(Im Vergleich dazu die Maßnahmen, welche in Deutschland getroffen wurden)

1.  Die Zielstrebigkeit bei der Wiedereinführung der Kernkrafttechnologie in England ist höchst erstaunlich. Der im Jahr 2004 getroffene Beschluss wurde bis 2016 über fünf Kabinette durchgehalten, wovon zwei der Labourpartei (Blair, Brown) und drei der konservativen Partei (Cameron, May) zuzuordnen sind.
(In Deutschland wurde im Herbst 2010 die Betriebszeit der 17 Kernkraftwerke über das ursprüngliche Ziel hinaus verlängert. Bereits ein halbes Jahr später, im Frühjahr 2011, wurden - im Nachgang zu Fukushima - 8 KKW sofort stillgelegt und die Betriebszeit der restlichen 9 drastisch verkürzt).

2.  Das Management des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist vorbildlich: vor dem Bau der Kernkraftwerke wird nach intensiver Expertenbegutachtung die Genehmigung zum technischen Konzept und zum Standort erteilt, was Planungssicherheit bei den Reaktorbauern gewährleistet.
(In Deutschland benötigt man zum Bau und Betrieb eines KKW in der Regel mehr als ein Dutzend Teilgenehmigungen. Wird die Letzte versagt, dann kann das Kraftwerk nicht in Betrieb genommen werden. Beispiel: beim Brüterkraftwerk SNR 300 Kalkar wurden 17 Teilgenehmigungen erteilt, die 18. - zur Kernbeladung - wurde vom NRW-Landesministerium aus politisch/opportunistischen Gründen versagt. Folge: Der Schnelle Brüter konnte, obschon fertiggestellt, nicht in Betrieb genommen werden; er wurde in der Folge zu einem Rummelplatz konvertiert.)

3.  Die Standorte für sechs weitere Doppelkraftwerke in England sind bereits jetzt festgelegt. Es sind: Sizewell, Bradwell, Oldbury, Wylfa und Moorside. Der Strom wird  über das bestehende Wechselstromnetz an nahe Verbraucher geleitet.
(In Deutschland wird der - dominierende - Windstrom im Norden erzeugt und muss über aufwendige Gleichstromleitungen und Konverterstationen zu den Hauptverbrauchern im Süden geleitet werden.)

4.  Die Finanzierung des Projekts Hinkley Point ist (aus englischer Sicht) schlicht als genial zu bezeichnen. Weder Bau- noch Betriebskosten entstehen für den Besteller: "NOT A PENNY" - wie die englischen Politiker stolz verkünden.  Und mit EdF als Vertragspartner hat man sogar noch den französischen Staat als "Bürgen" im Boot, da er zu 85 Prozent an EdF beteiligt ist. Die für die englischen Verbraucher zu erwartenden Stromkosten liegen bei 15 - 20 c/kWh.
( In Deutschland kostet die Energiewende jährlich 25 Milliarden an Subventionen. Hinzu kommen ca. 100 Milliarden für die Stromleitungen. Rund 30 Milliarden an Kapital wurde für die vorzeitige Stilllegung der Kernkraftwerke vernichtet. Der Strompreis für die Verbraucher wird über 30 c/kWh liegen. Die Gesamtkosten der Energiewende schätzen Experten auf 1 bis 3 Billionen Euro).

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