Die Entwicklung des globalen Ölpreises seit der Energiewende 2011
Diese Permanent-Angst ist jetzt großenteils vorbei. Ohne Probleme kann man seit dem Jahr 2014 Benzin zu einem moderaten Preis von 1,20 bis 1,30 Euro pro Liter kaufen. Umgekehrt gibt es jetzt sogar Zeitgenossen, welche glauben, dies ginge in alle Ewigkeit so weiter. Dabei hatten die klugen Ressourcenwissenschaftler des "Club of Rome" schon im Jahr 1972 vorhergesagt, dass - vor allem Erdöl - in Zukunft dramatisch teurer werden würde. Von 200 bis 300 $ pro Barrel war die Rede und bereits ein Jahr später schienen diese Schwarzseher recht zu bekommen. Im Zuge der sogenannten ersten Ölkrise im Oktober 1973 gab es zeitweise überhaupt kein Öl mehr zu kaufen und die Menschen in Europa genossen das Privileg, auf der Autobahn spazieren gehen zu dürfen. Zur klammheimlichen Freude der damals aufkommenden Partei der Grünen!
Die gegenwärtige Versorgung mit Erdöl
Erdöl ist zur Zeit der wichtigste Energieträger der Weltwirtschaft. Sein Anteil am globalen Energieverbrauch lag im Jahr 2011 bei 33 Prozent. Es folgten Kohle (mit 30 %) und Erdgas (24 %); weit abgeschlagen waren Wasserkraft (7 %) und Kernenergie (6 %). Innerhalb der Branchen hat der Verkehr mit 55 Prozent den weitaus höchsten Ölverbrauch, gefolgt von der Petrochemie (25 %) und der Stromversorgung sowie der Heizung (20 %). Rund 80 Millionen Fass Mineralöl verbraucht die Erdbevölkerung - an jedem Tag! Mit 2,5 Prozent ist daran die Bundesrepublik Deutschland beteiligt.
Erdöl (bzw. Rohöl) ist keine seltene Ressource, sondern wird in mehr als drei Dutzend Ländern gefunden. Am häufigsten in Saudi-Arabien, wo jeden Tag um die 12 Millionen Barrel (b) gefördert werden. Es folgen Russland mit 11,5 Mio b und die USA mit 11 Mio b. Die nächste Liga bilden Länder wie der Iran (6 Mio b), China (4,1), Irak (3,4), Venezuela (3,9), Kanada (3,7) und Katar (1,9). In Großbritannien (0,9) und Norwegen (1,9) fällt die Förderung seit Jahren ab. Die wichtigste Rohölsorte Europas kommt aus dem Nordseefeld "Brent" zwischen Schottland und Norwegen. Es ist "süßes" Öl mit niedrigem Schwefelgehalt, welches zudem viele niedrigsiedende Bestandteile enthält.
Im Idealfall wird der Preis des Erdöls über Angebot und Nachfrage ermittelt. Aber das Angebot reduzierte sich in den vergangenen Jahrzehnten recht häufig aufgrund politischer Interventionen, wodurch es zu drastischen Preissprüngen kam. Rückblickend war das der Fall im Jahr 1973 wegen des besagten OPEC-Boykotts, 1979 wegen der Revolution im Iran, 1990 wegen des irakischen Überfalls auf Kuweit, 2001 wegen des Terrorangriffs auf New York und 2008 wegen der weltweiten Finanzkrise. Dass 2014 der Ölpreis drastisch - und dauerhaft - um zeitweise 70 % gefallen ist, stellt eine große Ausnahme dar und bedarf der Erklärung.
Aus heutiger Sicht gibt es dafür nur einen Grund: bewusste Überproduktion. Den Anfang machten die US-Amerikaner mit ihrem "Fracking". Bei dieser Technologie wird ein Gemisch aus Chemikalien und Wasser in Schiefergestein gepresst, wodurch sich auf relativ einfache und billige Art große Mengen an Erdöl (oder Erdgas) an die Oberfläche holen lassen. Mit dieser Technik steigerten sie während der vergangenen fünf Jahre ihre Tagesproduktion auf über 10 Millionen Barrel, was die USA unabhängig von weiteren Einfuhren machte. Dies veranlasste den Konkurrenten Saudi-Arabien seine Ölproduktion ebenfalls zu erhöhen, gefolgt von Russland, welches um seine Einnahmen fürchtete. Als weiterer Player kam der Iran hinzu, als dieses Land den sogenannten Atomkompromiss unterschrieben hatte und dadurch wieder satisfaktionsfähig als Öllieferland war. Im Frühjahr 2016 versuchten die früheren Opec-Staaten in Katar eine Deckelung der Förderung zu erreichen, was aber misslang. Dazu beigetragen haben auch politisch-religiöse Animositäten, weil Saudi-Arabien die Islamfraktion der Sunniten und der Iran jene der Schiiten unterstützt.
In den Industriestaaten wirken die günstigen Energiepreise wie ein Konjunkturprogramm. So schmerzhaft der Verfall des Ölpreises für die Förderländer sein mag, so gut ist er für den Rest der Welt. Wie eben bei einem Nullsummenspiel! Die etwa 500 Milliarden Dollar, die jetzt weniger für Öl ausgegeben werden verschwinden ja nicht, sondern fließen in den Konsum der Verbraucher oder werden anderweitig investiert.
Der Ölmarkt in der Zukunft
Die Zukunft des Erdöls als Wirtschaftsgut hängt ab von der Größe der Vorkommen, der Nachfrage und dem Preis. Lange Zeit richtete sich der Blick nur auf die Vorkommen. Nach der viele Jahrzehnte gültigen "Peak Oil"-Theorie richtete sich die Ausbeutung eines Ölfeldes nach der bekannten statistischen Glockenkurve: erst steigt die Förderung an, erreicht dann ein Plateau, worauf sie schließlich auf Null zurück fällt. Die Ölquelle wurde als eine Art Bassin gedeutet, das zwangsläufig irgendwann leer sein musste. Aber die Wirklichkeit ist viel komplexer. Richtiger ist schon das Bild von einem porösen Schwamm, den man immer wieder auspressen kann - und das umso öfter, je besser die Fördertechnologie entwickelt ist. Außerdem: steigt der Ölpreis durch irgend einen Umstand, so lohnt es sich auch an entlegenen und kostenträchtigen Plätzen (wie der Tiefsee) nach Öl zu suchen. Wodurch sich das Ölangebot gleich wieder erhöht. Die niedrigsten Förderkosten hat man im Nahen Osten mit ca. 25 $ pro Fass; es folgen Offshore geringer Wassertiefe (40 $), Tiefsee (53 $), Russland (55 $), Schieferöl in USA (62 $) und Ölsande (85 $).
Die Peak Oil Theorie wurde in den letzten Jahren von der "Peak Demand"-Theorie abgelöst. Sie rückt die Nachfrage in den Vordergrund und fragt, ob es nicht eher einen Höhepunkt der Nachfrage für Öl gibt -ab welchen der Verbrauch dieses Rohstoffs kontinuierlich zurück geht. Und tatsächlich deutet vieles in diese Richtung, wenn man historische Betrachtungen anstellt und in die nahe Zukunft extrapoliert. So war die globale Energieversorgung noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Kohle dominiert, das Erdöl spielte so gut wie keine Rolle. Aber schon ab dem Jahr 1950 war das Öl mit einen Fünftel im globalen Energiemix vertreten, wobei die Kohle immer noch 45 % ausmachte. Anfang der 1970er Jahre war das Bild bereits umgekehrt: Nahezu die Hälfte der weltweiten Energieversorgung beruhte auf Öl - aber der Newcomer Erdgas besaß schon einen Anteil von 18 %. Mit der Dominanz von Kohle war es vorbei, obwohl sie immer noch 30 % im weltweiten Energiemix ausmacht.
Inzwischen ist es das Öl, welches um seine Vorherrschaft bangen muss. Zwar ist es mit einem Anteil von einem Drittel immer noch der globale Energieträger Nr.1, aber das konkurrierende Erdgas ist ihm mit fast einem Viertel schon ganz nahe gerückt. Die Kohle stagniert. Zugleich erlebt die Welt seit 10 bis 15 Jahren den Aufstieg der Erneuerbaren Energien. Sie haben unter allen Energieträgern die stärksten Zuwachsraten. In den kommenden zwanzig Jahren werden sich also die relativen Gewichte der einzelnen Energieträger weiter verschieben. Der Ölmulti British Petrol (BP), der ganz nahe am Markt ist, schätzt, dass der Ölanteil bis 2035 weltweit auf 26 % zurück geht. Das Erdgas dürfte in 20 Jahren im gleichen Umfang wie Kohle und Öl zur weltweiten Energieversorgung beitragen. Zusammen werden diese fossilen Energien dann immer noch rund 80 % der globalen Energienachfrage abdecken. Die restlichen 20 % kommen von den CO2-freien Erneuerbaren Energien (7 %) und der Wasserkraft (13 %).
Logischerweise ist die zukünftige Ölnachfrage regional unterschiedlich. Die BP schätzt in ihrem Energy Outlook, dass bis 2035 in den 35 westlichen Industriestaaten der OECD der Bedarf an Erdöl um 18 % sinken wird, in Deutschland - aufgrund der CO2-Pönalisierung - sogar noch stärker. Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) geht dort von einer Abnahme des Benzinverbrauchs um annähernd 40 % aus, bei Heizöl um ein Drittel. Diese Verbrauchsabnahmen werden aber global zum Teil überkompensiert durch das Wachstum ausserhalb der OECD und in den Schwellenländern. So schätzt man, dass die Autos von derzeit 1,2 Milliarden Einheiten bis 2050 auf 2,4 Milliarden zunehmen werden.
Trotzdem: wenn keine abrupten politischen Umstände eintreten, wird der Weltölpreis sich noch lange zwischen 50 und 100 $ pro Fass bewegen.
All dies hat bereits vor Jahren der charismatische saudische Ölminister Yamani vorausgedacht, als er in einen Bonmot verkündete:
Die Steinzeit ist nicht zu Ende gegangen weil es keine Steine mehr gab - und das Ölzeitalter wird nicht wegen Mangel an Öl enden.
Sehr interessanter und wie immer toll recherchierter Artikel. Die weitergehende prognostizierte Verbrennung solcher unvorstellbaren Mengen an Öl unter Schadstoffausstoß lässt mich um die Zukunft fürchten. Hoffentlich sind wir auf den wahrscheinlichen Ansturm hungernder Klimaflüchtlinge gut vorbereitet.
AntwortenLöschenGemessen an den Wohlstandsfortschritten der letzten 25 Jahre würde ich mir mittelfristig darum keine Sorgen machen.
LöschenDie 1,2 Mrd. zusätzlichen Autos bis 2050 werden wahrscheinlich in Asien, Indien und Afrika unterwegs sein, wo es keinen masochistischen Hang zur Zerstörung von Wohlstand gibt wie hier.
Toller Artikel übrigens, genauso der über die heutigen Aufgaben des KIT.
Klimaflüchtlinge sind eine Erfindung von Greenpeace u.Co.
AntwortenLöschenDie Völkerwanderung bestand aus "Klimaflüchtlinge" als es
anderswo sehr kalt wurde. Ich empfehle dazu das Buch "Die erfundene Katastrophe" von Günther Vogl. Die Kosten von
Schieferöl in Canada betragen ca. 30 USD. Ich rechne schon seit knapp 10 Jahren mit Preise um 50 USD/Barrel.
eher mit abnehmender Tendenz und eventuell durch politische Geschehnisse kurze Abweichungen.
Sehr guter Artikel. Die Prognosen zur Energieversorgung bis 2050 zeigen, wie illusionär die Klimaziele von Paris sind mit 0 CO2-Emissionen, die zwischen 2045 und 2060 erreicht werden sollen.
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