Sonntag, 7. August 2016

Roland Koch - als Manager gescheitert

Roland Koch war ein begnadeter Redner und über zehn Jahre hinweg auch ein durchaus erfolgreicher Ministerpräsident für das Bundesland Hessen. Er galt als "Rechtsausleger" seiner Partei CDU, wobei er sich vor allem gegen die doppelte Staatsbürgerschaft der damals noch 2,5 Millionen Türken in Deutschland wandte. (Wertet man die kürzliche Veranstaltung in Köln, wo 40.000 "Deutsch-Türken" auf Weisung von Erdogan spontan und - nur türkische - Fahnen schwenkend auf die Straße gingen, so war Kochs damalige Warnung wohl nicht ganz unberechtigt.) Indes, der Landeschef glaubte den Marschallstab zu "noch Höherem" im Gepäck zu haben. Als Angela Merkel jedoch im Jahr 2009 ihre zweite Kanzlerschaft antrat, musste er erkennen, dass ihm eine weitere Karriere in der Bundespolitik versagt bleiben würde. Er verließ die hohe Politik und wandte sich der Wirtschaft zu.

Der ehemalige Dresdner Bank-Chef Bernhard Walter lotste Roland Koch am 1. August 2011 als Vorstandsvorsitzenden zu der damals renommierten Baufirma Bilfinger Berger mit Hauptsitz in Mannheim, einem Umsatz von ca. 10 Milliarden Euro und mit mehr als 70.000 Beschäftigten. Neben Hochtief war Bilfinger Berger eines der größten deutschen Bauunternehmen. Sein Ministerpräsidentengehalt konnte der Newcomer durch diesem Stellenwechsel in etwa verzehnfachen. In diesen Tagen - der Grund für meinen Blog - läuft Kochs Fünfjahresvertrag ab und (samt einiger Kontrollmandate bei UBS und Vodafone) wird er währenddessen um ca. 10 Millionen Euro reicher geworden sein. Wir brauchen uns also keine Sorgen um Roland machen - auch wenn er bei Bilfinger grandios gescheitert ist, weil er bereits nach drei Jahren, im August 2014, vom Aufsichtsrat dieser Firma gefeuert worden ist.

Auf dem Weg nach unten

Im Nachhinein kann man zwei Gründe benennen, weshalb Roland Koch so schnell als Manager bei Bilfinger Berger erfolglos bleiben musste und das Unternehmen heute vor dem Zusammenbruch steht: Der ex-Ministerpräsident hatte keine glückliche Hand bei der Neustrukturierung seiner Firma und er fand nicht die richtigen Antworten auf die äußeren Entwicklungen. Kochs erster Fehler war wohl, dass er das traditionelle und gewinnbringende Hoch- und Tiefbaugeschäft (im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat) aufgab und das Unternehmen radikal auf Dienstleistungen hin umstrukturierte. Konsequenterweise strich er bald den Namensbestandteil Berger, firmierte nur noch unter Bilfinger (mit einer blaugelben Endlosschleife als Logo) und steckte das Geld in die drei Servicebereiche für Gebäude, Industrieanlagen und Kraftwerke. Wegen der Energiewende und der Ölkrise erbrachten die beiden letztgenannten aber statt Gewinne nur heftige Verluste. Schon bald war das neuformierte Unternehmen kein integrierter Baukonzern mehr, sondern ein Sammelsurium unzusammenhängender Kleinbetriebe. Die FAZ schrieb: "Bilfinger fährt im Dunkeln, ein Unternehmen ohne Strategie". Der sinkende Aktienkurs minderte den Firmenwert drastisch.


Roland Koch mit Bilfinger-Logo; erklärt (vergebens) den Abwärtskurs

Zum erheblichen Teil scheiterte Koch auch an der Energiewende. Ganz plötzlich wurden keine Kraftwerke mehr gebaut und die Betreiber sparten bei ihren Industrieanlagen, indem sie die Wartungsintervalle verlängerten. Hinzu kam der Ausfall eines Großauftrags aus Südafrika, der schon eingebucht war.  Der Flickenteppich aus 250 Einzelfirmen war kaum mehr zu überblicken, das Unternehmen war zu komplex geworden. Als Koch zum wiederholtem Male die mit den Gesellschaftern vereinbarten Ziele nicht erreichte und sogar in kurzer Zeit zwei "Gewinnwarnungen" herausgeben musste, war seine Stunde gekommen: der 56-jährige musste am 8. August 2014 gehen; das Gehalt für die restlichen zwei Jahre wurde ihm zugebilligt.

Nach dem erzwungenen Rücktritt von Roland Koch hat Bilfinger nun bereits den dritten CEO. Übergangsweise war dies der frühere Vorstand Herbert Bodner, ihm folgte der Norweger Per Utegaard, welcher nur 11 Monate blieb, dafür aber 4,5 Millionen löhnen durfte. Jetzt wurde der Brite Thomas Blades angeheuert. Es scheint als wolle er den Konzern zerlegen, um ihn dann stückchenweise zu verkaufen. Damit wäre das Ende von Bilfinger gekommen. Die Laufzeit von Blades´Anstellungsvertrag wurde öffentlich nicht bekannt gemacht. Der Brite hat eine bewegte Vergangenheit. Unter anderem war er Chef des Freiberger Unternehmens Choren, welches aus Abfallholz und Stroh Sprit für Autos herstellen wollte. Trotz renommierter Partner (Daimler, VW, Shell) ist dies nicht gelungen und das Unternehmen ging 2011 schließlich in die Insolvenz. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt man übrigens seit ca. 15 Jahren im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT) mit dem Projekt Bioliq.

Politik versus Wirtschaft

Für die Medien war es überraschend, dass so ein ausgefuchster Politmanager wie Roland Koch in der Wirtschaft (so früh) scheitern konnte. In einen Interview mit der ZEIT im Jahr 2015 hat er die aus seiner Sicht wesentlichen Unterschiede zwischen der Politik und der Wirtschaft dargelegt. Einige Fragen und Antworten seien daraus entnommen:
Herr Koch, wo ist das Scheitern härter, in der Wirtschaft oder der Politik?
Koch: Wenn es sich um eine wirklich schwere Niederlage handelt, etwa den Verlust eines hohen Amtes, dann ist das in der Politik in der Regel eine gefährlichere Sache, weil die Chance auf Wiederkehr meist sehr gering ist.
Wo wird härter gekämpft, in der Politik oder in der Wirtschaft?
Politik ist viel interaktiver. Man muss große Gruppen auf unterschiedlichen Ebenen von seinem Anliegen überzeugen. In einer Partei gibt es keinen Befehl und keinen Gehorsam, sondern nur Bitte und Danke. In der Wirtschaft spielen Hierarchien eine größere Rolle. Da können Führungspersonen Mitarbeiter anweisen, befördern oder entlassen. Bei Krisen gibt es irgendwann keine Demokratie mehr, sondern nur noch Befehle.
Wo werden Fehler eher verziehen?
In der Politik ist es oft schwer zu definieren, was eigentlich ein Fehler war. Wenn Politiker die Staatsverschuldung nach oben treiben, aber mit dem Geld ein tolles Bildungssystem aufbauen, dann können die Wähler entscheiden, was ihnen wichtiger war. Bei einem Unternehmen geben Menschen hundert Euro für eine Aktie und fragen: wann ist diese 101 oder 105 wert?  Und die Antwort sollte belastbar sein.

Die Schlaumeier

Roland Koch hätte sich sein Leben (nach der Politik) viel leichter und genau so ertragreich gestalten können, wenn er dem Beispiel einiger seiner Politkollegen gefolgt wäre. Die Schlitzohren in diesem Genre verkaufen einfach ihr Gesicht, indem sie sich als "Türöffner" beziehungsweise als "Grüß-August" anheuern lassen. Oder sie reisen mit einem Manuskript aus ihrem ehemaligen Fachgebiet umher, das sie (für zumeist 25.000 Euro) dem staunenden Publikum vortragen wobei sie zum Schluss noch einige Autogramme verteilen.

Einer höheren Liga gehören die beiden ehemaligen Politiker Gerhard Schröder und Joschka Fischer an. Der Altbundeskanzler Schröder ließ sich von der russischen Erdölfirma Gazprom engagieren, wo er für die Ostsee-Pipeline Nord Stream tätig sein soll. Was er wirklich vollbringt, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt - wohl aber, dass er immer wieder mit seinem Männerfreund Wladimir Putin in einer Kremlbar zusammen sitzt und dort deutsches Bier trinkt. Joschka Fischer, von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister, gründete nach seinem Ausscheiden eine Consultingfirma, wo er u. a. den Energiekonzern RWE zum Bau der Nabucco-Pipeline berät, welche Erdgas vom Kaspischen Meer über die Türkei zur EU leiten soll. Daneben gehört BMW zu seinem Klientel, was schon deshalb spaßig ist, weil Joschka während seiner "grünen Epoche" diese Firmen aufs Heftigste befehdet hat.

Roland Koch hat sich von solch windigen, wenn auch einträglichen Jobs stets fern gehalten und stattdessen den harten und risikoreichen Weg in der Managerexekutive gesucht. Dort ist er zunächst einmal gescheitert, hat dabei aber weder sein Gesicht noch sein Ansehen verloren. Man möchte ihm wünschen, dass er wieder in die deutsche Politik zurückkehrt. Er ist ein Politprofi, ein "political animal", dem man zutrauen kann, dass er beispielsweise die Zersplitterung der konservativen Parteien auf der rechten Seite auflösen könnte.

Vielleicht schon 2017.
In Berlin.


Ein Bild aus ferner Zeit

1 Kommentar:

  1. 2017 wird Koch nicht dabei sein, dafür wird schon Merkel sorgen und 2021 ist das kein Thema mehr, weil dann die stärker werdende Konservative Partei die Regierung bilden wird.
    Aber zu den politischen Leistungen sind folgenden Punkte aufzuzählen:
    1. Landesgekungel - Airport Kassel-Calden ist die größte Deutsche Flughafen-Ruine (noch vor BER), ausschließlich realisiert wegen vorher gemachter Zusagen an den Nordhessischen CDU-Verband
    2. Willfährigkeit gegenüber Unternehmen: 2 Steuerfahnder brachten Hessen und dem Bund 1,25 Mrd. EUR in 2001 ein. Nachdem die auch engen Unternehmensfreunden von Koch gefährlich nahe kamen, wurden sie kurzerhand abserviert.
    3. Großmanns-Sucht - ein Weltweit agierender FRAPORT hätte dem Hessischen Ministerpräsidenten gut zu Gesicht gestanden. Also hat er kurzerhand das Auslandsverbot ausgetrickst und an den Verlusten knabbert FRAPORT noch heute.
    4. Lüge - In der Parteienfinanzierungsaffäre wurde schlicht gelogen und damit blieb es bei Bauernopfern.
    5. Bestechung - den FWG wurden bessere Konditionen zugesagt, wenn sie bei der Landtagswahl nicht antreten würden.

    Landesgekungel, Willfährigkeit gegenüber Unternehmen, Großmannssucht, Lüge und Bestechung sind zweifelsfrei politisch hervorragend qualifizierende Eigenschaften bzw. Verhaltensmuster.

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