Axel Weis, ein früherer Mitarbeiter im ehemaligen Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) - später KIT - ist am 26. August 2016 an einem Herzinfarkt verstorben.
Herr Weis war viele Jahre im FZK tätig, zuerst im Bauwesen, später in der Beschaffungsabteilung EKM. Nach Gründung des Bereichs zur Stilllegung nuklearer Anlagen war er dort anfangs Projektkaufmann, danach Projektmanager für den Rückbau verschiedener kerntechnischer Objekte.
Überregional bekannt wurde Axel Weis durch ein mehr als zehnjähriges Prozessverfahren, über welches in den Printmedien und bei verschiedenen TV-Anstalten berichtet wurde. Der Anlass waren anonyme Beschuldigungen, welche Weis der Korruption beim Management der Stilllegungsprojekte verdächtigten. Im Strafprozess vor dem Landgericht Karlsruhe am 13. Dezember 2013 wurde er jedoch in allen Punkten von der Anklage freigesprochen. In der mündlichen Urteilsbegründung verurteilte der Vorsitzende Richter das verwerfliche Tun der anonymen Anzeiger "wodurch honorige Männer gebrandmarkt, vorverurteilt und fast schon vernichtet werden". Die anschließenden Zivilprozesse zum Schadensersatz wegen Amtshaftung waren in den ersten beiden Instanzen nicht von Erfolg gekrönt, sodass Weis im November 2015 Revisionsklage beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt einreichte. Der Herztod des inzwischen 67-Jährigen beendet nun dieses Verfahren.
Axel Weis wird im engsten Familienkreis auf einem Ruheforst begraben. Den Ort - unter einer Eiche - hat er sich vor fünf Wochen mit seiner Frau Carmen noch selbst ausgesucht.
RIP
Sonntag, 28. August 2016
Sonntag, 21. August 2016
Wagner Festspiele Bayreuth 2016: "Parsifal" zwischen Werkstatt und Werktreue
Diesmal war in Bayreuth, meiner oberfränkischen Heimat, vieles anders. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel kam (angeblich wegen der Terroranschläge in Würzburg und Ansbach) nicht zur Eröffnung der Wagner-Festspiele. Als Folge wurde kein roter Teppich ausgerollt, es kam kein Fernsehen und konsequenterweise blieben die Promis von Seehofer bis Gottschalk der Premiere zum "Parsifal" fern. Das bescherte manchem Musikstudenten eine (wohl verbilligte) Eintrittskarte, weil auch die Industriekapitäne, welche üblicherweise mit angemietetem Rolls-Royce den Hügel empor fahren, ganz plötzlich nach Dubai oder Schanghai mussten, um dort einen Großauftrag zu verhandeln.
Trotzdem: die Erwartung beim (kenntnisreichen) Premierenpublikum war die Gleiche wie eh und je. Man war gespannt auf die die Neuartigkeit der Inszenierung (im Sinne der Bayreuther "Werkstatt"), erwartete aber bei der Musik absolute Werktreue nach den Vorgaben des Komponisten. Für den echten Wagnerianer bestehen die 10 Opern von Richard Wagner - Tristan, Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Meistersinger, Parsifal sowie Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung - die traditionsgemäß auf dem Festhügel gespielt werden, nur aus drei Dingen: den Regieanweisungen, dem Text und der Musik samt Gesang.
Dabei gelten verschiedene Regeln. Die Regieanweisungen, welche jedermann aus den gelben Reklamheftchen kennt (und welche viele Festspielbesucher immer mit sich tragen!), dürfen nicht nur, sondern müssen negiert werden. Der Regisseur und seine engsten Mitarbeiter, der Bühnenarchitekt und der Kostümbildner, haben da viel Gestaltungsfreiheit. Sie dürfen die Handlung von den mythologischen Zeiten bis in die Gegenwart verlegen, den Fliegenden Holländer mit Rollkoffer und den Lohengrin mit Laptop ausstatten - aber nur so weit, wie das kritische Bayreuther Publikum bereit ist mitzugehen. Das ist dort immer ein Wagnis. Wer traditionelles (und langweiliges) Theater will, muss die Aufführungen der Met in New York besuchen. Immerhin: Veränderungen am Text und an der Partitur sind jedoch in Bayreuth tabu! Von daher gesehen, laufen Sänger, Orchester und vor allem der Dirigent geringere Gefahr, zum Schluss ausgebuht zu werden.
Die Inszenierung des Parsifal
Die "Story" für den Parsifal hat Richard Wagner über 30 Jahre hinweg beschäftigt. Die Handlung basiert auf dem Leben der historischen Gestalt des "Parzival", beschrieben in den mittelalterlichen Epen des Wolfram von Eschenbach. Demnach haben Engel dem Ritter Titurel den Speer überbracht, der Jesus Christus nach der Kreuzigung in die Seite gestoßen wurde, sowie die Schale - den Heiligen Gral - in der das Blut aufgefangen wurde. Titurel sammelte Gralsritter um sich in der spanischen Gralsburg Monsalvat, um diese Reliquien zu hüten. Nebenan war das Reich des Zauberers Klingsor und der geheimnisvollen Frau Kundry. Amfortas, der Sohn Titurels, wollte Klingsors Reich vernichten. Dieser entriss ihm jedoch den heiligen Speer und schlug ihm eine Wunde, welche sich nicht mehr schließen wollte. Hilfe konnte, gemäß einer Prophezeihung, nur von einem "reinen Tor", nämlich Parsifal, kommen, der den Speer zurückholen würde. Dies gelang auf vielen Umwegen und ist die eigentliche Geschichte der Oper.
Regisseur des 2016er Parsifal in Bayreuth war Uwe Eric Laufenberg, nachdem Katharina Wagner den Vorgänger Jonathan Meese kurzfristig gefeuert hatte, weil dieser Provokateur sich nicht enthalten konnte immer wieder mal den Hitlergruß zu zeigen und die Gralsritter als "Penner" auftreten lassen wollte. Laufenberg verortete die Ritter vom Heiligen Gral in den Nahen Osten, der Wiege des Christentums und dort in eine zerschossene Kirche. Klingsor, der sich einst wegen seiner starken Lüste selbst entmannte, präsentiert er als Sammler von Kruzifixen. Die berühmte Szene, in der Klingsor den Heiligen Speer auf Parsifal schleudert, wirkt enttäuschend und ulkig gleichermaßen. Während der Speer in Wagners Libretto in der Luft zum Stehen kommt, windet der junge Recke in Bayreuth dem alten Zauberer die Waffe aus der Hand und zerbricht den Speer. Klingsors Reich ist als Harem gestaltet, die verführerischen Blumenmädchen sind logischerweise Haremsdamen. Nach Jahren der Reifung kehrt Parsifal als moderner Kämpfer zurück mit Kalaschnikow und schusssicherer Weste. Amfortas darf nun sterben. In seinen Sarg wandern gleich alle Symbole der Christen, Juden, Muslime und Buddhisten mit. Parsifal wird der neue Chef der Gralsritter. Jesus Amfortas Superstar!
Laufenbergs Inszenierung fand nur den geteilten Beifall des Premierenpublikums. Vereinzelte Buhrufe waren unüberhörbar. Aber das ist Tradition in Bayreuth; die Regisseure haben es dort schwer. Nach Ablauf einiger Jahre wird deren Präsentation aber zumeist wohlwollend hingenommen, ja manchmal sogar überschwenglich gelobt. Eine Ausnahme bildet aber die Ring-Inszenierung von Frank Castorf. Der Transfer von den mythologischen Wäldern zu einem Bistro in Berlin-Alexanderplatz war zu krass. Erstmals bleiben in Bayreuth die Zuschauer fern. Kein Wunder, dass der Castorf-Ring 2017 abgesetzt werden soll.
Musik und Dirigent
Für die Inszenierung einer Oper ist der Regisseur zuständig, für die Musik der Dirigent. Beim Bayreuther Parsifal 2016 benötigte Laufenberg für die Etablierung der Regie zwei Jahre, beginnend mit der Durchdringung des bei Wagner sehr verschraubten Libretto-Textes, der Konzeption und Realisierung der Bühnenbilder, den Stellproben der Sänger, bis hin zu den Kostümen und Masken. Für die Proben mit dem Festspielorchester und den Sängern standen diesmal nur zwei Wochen zur Verfügung - und es klappte. Woher diese Unterschiede? Nun, es war ein Sonderfall. Am 8. Juli, nachdem man schon vier Wochen intensiv mit dem Orchester geprobt hatte, kam es offensichtlich zum Krach zwischen zwei "Alpha-Tieren" , dem Dirigenten Andris Nelsons und dem Künstlerischen Leiter Christian Thielemann. Der Lette Andris fühlte sich zu sehr gegängelt, schmiss hin und entschwand. Ein neuer Dirigent wurde benötigt, und zwar schnell. Katharina brachte die Telefondrähte zum Glühen, aber weder Daniel Barenboim noch Sir Simon Rattle wollten einspringen. So verfiel man auf den 73-jährigen Hartmut Haenchen, einen formidablen Dirigenten, gewiss, aber in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Zudem hatte er keinerlei Bayreuth-Erfahrung. Am 11. Juli traf er auf dem Grünen Hügel ein; zwei Wochen darauf, am 25. Juli sollte die Premiere des Parsifal stattfinden.
Maestro Haenchen durfte deshalb keine weitere Zeit verlieren, weswegen er von früh bis Mitternacht probte. Insgesamt absolvierte er in dieser relativ kurzen Zeit zwei Orchesterproben, zwei Bühnenproben mit Orchester für den ersten Aufzug, je eine für den zweiten und dritten Aufzug, eine Korrekturprobe sowie Hauptprobe und Generalprobe. Hinzu kamen weitere Proben mit dem Chor sowie den Solisten, letzteres auch noch nach der Generalprobe. Dabei blieb Haenchen werktreu - buchstäblich bis zum letzten Halbton. Dafür ein Beispiel: im dritten Aufzug, Takt 1068, spielte ein Teil des Orchesters ein C, der andere ein Cis. Als man sich nicht einigen konnte, ging der Dirigent ins Wagner-Archiv, studierte dort die Uraufführungspartitur und stellte fest, dass man in Bayreuth an dieser Stelle ein Cis intonieren sollte. Der Streit war geschlichtet. Ob es viele im Publikum gehört hätten, mag bezweifelt werden. Als Orchesterleiter hat man allerdings im Graben des Festspielhauses auch den schlechtesten Platz; man kann oft nur ahnen, wie die Musik im Saal ankommt. Gewisse Freiheiten nehmen sich die Dirigenten nur bei den Tempi. So hat Haenchen den Parsifal wesentlich schneller dirigiert als sein Vorgänger Arturo Toscanini. Zum Schluss erhielt der Maestro - im Gegensatz zu seinem Regiekollegen Uwe Laufenberg - vom Premierenpublikum und den allermeisten Kritikern rauschenden Beifall. Im Sinne von Parsifal war er zum "Erlöser" geworden.
Der Jahrhundert-Ring
Das kurzfristige Auswechseln von künstlerischem Führungspersonal hat in Bayreuth schon Tradition. In besonderer Erinnerung bleibt der sogenannte Jahrhundert-Ring. Im Jahr 1976, zum hundertjährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele, wollte der damalige Intendant und Wagnerenkel Wolfgang Wagner den Ring der Nibelungen aufführen lassen. Als Regisseur hatte er Peter Stein, damals Leiter der Berliner Schaubühne, ausersehen. Stein, politisch weit links stehend, stellte seine Forderungen: die Bayreuther Bühne und der Zuschauerraum sollten nach seinen Vorstellungen umgebaut werden - außerdem wollte Stein keinesfalls den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Joseph Strauß beim Premierenempfang treffen. Der fränkisch-konservative Wolfgang Wagner lehnte ab und verpflichtete stattdessen den noch weitgehend unbekannten Patrice Chéreau mit Pierre Boulez als Dirigent.
Dem jungen Schauspielregisseur gelang ein Meisterstück. Er stützte sich in der Konzeption auf den Briten George Bernard Shaw und seine hellsichtige Analyse des Rings The Perfect Wagnerite - A Commentary of the Niblung Ring, welche bereits 1889 in London erschienen war. Darin deutet Shaw den Ring als Parabel auf die sozio-ökonomischen Umbrüche des 19. Jahrhunderts und interpretiert ihn als Drama der frühindustriellen Gegenwart. Chéraeu und sein Bühnenbildner Richard Peduzzi folgten diesem Grundsatz und kreierten einprägsame Bilder von einem Stauwehr am Rhein zu Beginn des Rheingolds.
Trotzdem: die Premiere schockierte große Teile des Publikums und führte zu gewaltigen Protestaktionen auf dem Grünen Hügel. Es kam zur Verteilung von Flugblättern gegen diese Inszenierung, ja sogar zu Schlägereien. Chéraeau erschien weiten Teilen des Publikums als "linker Revoluzzer". Aber bald legte sich die Aufregung und die Einsicht in die hohe szenische und darstellerische Intensität gewann die Oberhand. Bei der letzten Aufführung, 1980, gab es nur noch frenetischen Jubel. Mit einem Applaus von neunzig Minuten Länge und der eindrucksvollen Zahl von 101 Vorhängen (beides Rekorde in Bayreuth) wurde die Inszenierung verabschiedet.
Trotzdem: die Erwartung beim (kenntnisreichen) Premierenpublikum war die Gleiche wie eh und je. Man war gespannt auf die die Neuartigkeit der Inszenierung (im Sinne der Bayreuther "Werkstatt"), erwartete aber bei der Musik absolute Werktreue nach den Vorgaben des Komponisten. Für den echten Wagnerianer bestehen die 10 Opern von Richard Wagner - Tristan, Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Meistersinger, Parsifal sowie Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung - die traditionsgemäß auf dem Festhügel gespielt werden, nur aus drei Dingen: den Regieanweisungen, dem Text und der Musik samt Gesang.
Dabei gelten verschiedene Regeln. Die Regieanweisungen, welche jedermann aus den gelben Reklamheftchen kennt (und welche viele Festspielbesucher immer mit sich tragen!), dürfen nicht nur, sondern müssen negiert werden. Der Regisseur und seine engsten Mitarbeiter, der Bühnenarchitekt und der Kostümbildner, haben da viel Gestaltungsfreiheit. Sie dürfen die Handlung von den mythologischen Zeiten bis in die Gegenwart verlegen, den Fliegenden Holländer mit Rollkoffer und den Lohengrin mit Laptop ausstatten - aber nur so weit, wie das kritische Bayreuther Publikum bereit ist mitzugehen. Das ist dort immer ein Wagnis. Wer traditionelles (und langweiliges) Theater will, muss die Aufführungen der Met in New York besuchen. Immerhin: Veränderungen am Text und an der Partitur sind jedoch in Bayreuth tabu! Von daher gesehen, laufen Sänger, Orchester und vor allem der Dirigent geringere Gefahr, zum Schluss ausgebuht zu werden.
Das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel
Die Inszenierung des Parsifal
Die "Story" für den Parsifal hat Richard Wagner über 30 Jahre hinweg beschäftigt. Die Handlung basiert auf dem Leben der historischen Gestalt des "Parzival", beschrieben in den mittelalterlichen Epen des Wolfram von Eschenbach. Demnach haben Engel dem Ritter Titurel den Speer überbracht, der Jesus Christus nach der Kreuzigung in die Seite gestoßen wurde, sowie die Schale - den Heiligen Gral - in der das Blut aufgefangen wurde. Titurel sammelte Gralsritter um sich in der spanischen Gralsburg Monsalvat, um diese Reliquien zu hüten. Nebenan war das Reich des Zauberers Klingsor und der geheimnisvollen Frau Kundry. Amfortas, der Sohn Titurels, wollte Klingsors Reich vernichten. Dieser entriss ihm jedoch den heiligen Speer und schlug ihm eine Wunde, welche sich nicht mehr schließen wollte. Hilfe konnte, gemäß einer Prophezeihung, nur von einem "reinen Tor", nämlich Parsifal, kommen, der den Speer zurückholen würde. Dies gelang auf vielen Umwegen und ist die eigentliche Geschichte der Oper.
Regisseur des 2016er Parsifal in Bayreuth war Uwe Eric Laufenberg, nachdem Katharina Wagner den Vorgänger Jonathan Meese kurzfristig gefeuert hatte, weil dieser Provokateur sich nicht enthalten konnte immer wieder mal den Hitlergruß zu zeigen und die Gralsritter als "Penner" auftreten lassen wollte. Laufenberg verortete die Ritter vom Heiligen Gral in den Nahen Osten, der Wiege des Christentums und dort in eine zerschossene Kirche. Klingsor, der sich einst wegen seiner starken Lüste selbst entmannte, präsentiert er als Sammler von Kruzifixen. Die berühmte Szene, in der Klingsor den Heiligen Speer auf Parsifal schleudert, wirkt enttäuschend und ulkig gleichermaßen. Während der Speer in Wagners Libretto in der Luft zum Stehen kommt, windet der junge Recke in Bayreuth dem alten Zauberer die Waffe aus der Hand und zerbricht den Speer. Klingsors Reich ist als Harem gestaltet, die verführerischen Blumenmädchen sind logischerweise Haremsdamen. Nach Jahren der Reifung kehrt Parsifal als moderner Kämpfer zurück mit Kalaschnikow und schusssicherer Weste. Amfortas darf nun sterben. In seinen Sarg wandern gleich alle Symbole der Christen, Juden, Muslime und Buddhisten mit. Parsifal wird der neue Chef der Gralsritter. Jesus Amfortas Superstar!
Laufenbergs Inszenierung fand nur den geteilten Beifall des Premierenpublikums. Vereinzelte Buhrufe waren unüberhörbar. Aber das ist Tradition in Bayreuth; die Regisseure haben es dort schwer. Nach Ablauf einiger Jahre wird deren Präsentation aber zumeist wohlwollend hingenommen, ja manchmal sogar überschwenglich gelobt. Eine Ausnahme bildet aber die Ring-Inszenierung von Frank Castorf. Der Transfer von den mythologischen Wäldern zu einem Bistro in Berlin-Alexanderplatz war zu krass. Erstmals bleiben in Bayreuth die Zuschauer fern. Kein Wunder, dass der Castorf-Ring 2017 abgesetzt werden soll.
Musik und Dirigent
Für die Inszenierung einer Oper ist der Regisseur zuständig, für die Musik der Dirigent. Beim Bayreuther Parsifal 2016 benötigte Laufenberg für die Etablierung der Regie zwei Jahre, beginnend mit der Durchdringung des bei Wagner sehr verschraubten Libretto-Textes, der Konzeption und Realisierung der Bühnenbilder, den Stellproben der Sänger, bis hin zu den Kostümen und Masken. Für die Proben mit dem Festspielorchester und den Sängern standen diesmal nur zwei Wochen zur Verfügung - und es klappte. Woher diese Unterschiede? Nun, es war ein Sonderfall. Am 8. Juli, nachdem man schon vier Wochen intensiv mit dem Orchester geprobt hatte, kam es offensichtlich zum Krach zwischen zwei "Alpha-Tieren" , dem Dirigenten Andris Nelsons und dem Künstlerischen Leiter Christian Thielemann. Der Lette Andris fühlte sich zu sehr gegängelt, schmiss hin und entschwand. Ein neuer Dirigent wurde benötigt, und zwar schnell. Katharina brachte die Telefondrähte zum Glühen, aber weder Daniel Barenboim noch Sir Simon Rattle wollten einspringen. So verfiel man auf den 73-jährigen Hartmut Haenchen, einen formidablen Dirigenten, gewiss, aber in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Zudem hatte er keinerlei Bayreuth-Erfahrung. Am 11. Juli traf er auf dem Grünen Hügel ein; zwei Wochen darauf, am 25. Juli sollte die Premiere des Parsifal stattfinden.
Maestro Haenchen durfte deshalb keine weitere Zeit verlieren, weswegen er von früh bis Mitternacht probte. Insgesamt absolvierte er in dieser relativ kurzen Zeit zwei Orchesterproben, zwei Bühnenproben mit Orchester für den ersten Aufzug, je eine für den zweiten und dritten Aufzug, eine Korrekturprobe sowie Hauptprobe und Generalprobe. Hinzu kamen weitere Proben mit dem Chor sowie den Solisten, letzteres auch noch nach der Generalprobe. Dabei blieb Haenchen werktreu - buchstäblich bis zum letzten Halbton. Dafür ein Beispiel: im dritten Aufzug, Takt 1068, spielte ein Teil des Orchesters ein C, der andere ein Cis. Als man sich nicht einigen konnte, ging der Dirigent ins Wagner-Archiv, studierte dort die Uraufführungspartitur und stellte fest, dass man in Bayreuth an dieser Stelle ein Cis intonieren sollte. Der Streit war geschlichtet. Ob es viele im Publikum gehört hätten, mag bezweifelt werden. Als Orchesterleiter hat man allerdings im Graben des Festspielhauses auch den schlechtesten Platz; man kann oft nur ahnen, wie die Musik im Saal ankommt. Gewisse Freiheiten nehmen sich die Dirigenten nur bei den Tempi. So hat Haenchen den Parsifal wesentlich schneller dirigiert als sein Vorgänger Arturo Toscanini. Zum Schluss erhielt der Maestro - im Gegensatz zu seinem Regiekollegen Uwe Laufenberg - vom Premierenpublikum und den allermeisten Kritikern rauschenden Beifall. Im Sinne von Parsifal war er zum "Erlöser" geworden.
Der Jahrhundert-Ring
Das kurzfristige Auswechseln von künstlerischem Führungspersonal hat in Bayreuth schon Tradition. In besonderer Erinnerung bleibt der sogenannte Jahrhundert-Ring. Im Jahr 1976, zum hundertjährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele, wollte der damalige Intendant und Wagnerenkel Wolfgang Wagner den Ring der Nibelungen aufführen lassen. Als Regisseur hatte er Peter Stein, damals Leiter der Berliner Schaubühne, ausersehen. Stein, politisch weit links stehend, stellte seine Forderungen: die Bayreuther Bühne und der Zuschauerraum sollten nach seinen Vorstellungen umgebaut werden - außerdem wollte Stein keinesfalls den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Joseph Strauß beim Premierenempfang treffen. Der fränkisch-konservative Wolfgang Wagner lehnte ab und verpflichtete stattdessen den noch weitgehend unbekannten Patrice Chéreau mit Pierre Boulez als Dirigent.
Dem jungen Schauspielregisseur gelang ein Meisterstück. Er stützte sich in der Konzeption auf den Briten George Bernard Shaw und seine hellsichtige Analyse des Rings The Perfect Wagnerite - A Commentary of the Niblung Ring, welche bereits 1889 in London erschienen war. Darin deutet Shaw den Ring als Parabel auf die sozio-ökonomischen Umbrüche des 19. Jahrhunderts und interpretiert ihn als Drama der frühindustriellen Gegenwart. Chéraeu und sein Bühnenbildner Richard Peduzzi folgten diesem Grundsatz und kreierten einprägsame Bilder von einem Stauwehr am Rhein zu Beginn des Rheingolds.
Trotzdem: die Premiere schockierte große Teile des Publikums und führte zu gewaltigen Protestaktionen auf dem Grünen Hügel. Es kam zur Verteilung von Flugblättern gegen diese Inszenierung, ja sogar zu Schlägereien. Chéraeau erschien weiten Teilen des Publikums als "linker Revoluzzer". Aber bald legte sich die Aufregung und die Einsicht in die hohe szenische und darstellerische Intensität gewann die Oberhand. Bei der letzten Aufführung, 1980, gab es nur noch frenetischen Jubel. Mit einem Applaus von neunzig Minuten Länge und der eindrucksvollen Zahl von 101 Vorhängen (beides Rekorde in Bayreuth) wurde die Inszenierung verabschiedet.
Sonntag, 14. August 2016
Das Karlsruher "Fescht", ein Erfolg
Nicht nur das Dorf Wacken, im entlegenen Schleswig-Holstein, nein, auch die Großstadt Karlsruhe (mit über 300.000 Einwohnern), richtet alljährlich im Sommer ein Open-Air-Festival aus, von den Einheimischen kurz "Fescht" genannnt. Während in Wacken die Besucher meist (freiwillig!) mit Gummistiefeln in einer verschlammten Kiesgrube stehen müssen, um die von weither angereisten Heavy Metal Bands hören zu können und dafür 190 Euro bezahlen, wird das Rock- und Pop-Festival in Karlsruhe in einer gepflegten städtischen Parkanlage (liebevoll "Klotze" genannt) aufgeführt - für nur 5 Euro Eintritt. Kein Wunder, dass es an Zuhörern nicht mangelt. Dieses Jahr kamen, trotz eines verregneten Freitags, insgesamt 230.000 Besucher über drei Tage. Das sind wohl ebenso so viele, wie der heimische Fußballklub KSC in 17 Heimspielen anlockt und kommt nahe an die 300.000 jährlichen Besucher des Staatstheaters heran.
Und Karlsruhe bemüht sich zudem, für alle Bevölkerungsschichten gefällige Musik aufzubieten - sogar für die Anhänger der Klassik. Der Sonntagvormittag ist deshalb traditionsgemäß für die Freunde von Mozart, Beethoven und Wagner reserviert. Sie kommen in hellen Scharen, breiten nicht selten damastene Tischdecken auf der Grasfläche aus, stellen barocke Kerzenleuchter darauf und genießen das Konzert bei Champagner in edlen Gläsern, wobei sie Isoldes Liebestod lauschen. Welch ein Kontrast zum Klientel der darauf folgenden Rockkonzerte!
Die Top - Acts
Die Höhepunkte des Karlsruher Musikfestivals finden auf dem sogenannten Hügel der Klotz-Anlage statt. Vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend spielen an jedem Tag 7 bis 8 bekannte Bands auf. Den Älteren unter uns sagen ihre Namen meist recht wenig, bei den Jugendlichen sind die Partymusiker indes wohl bekannt. Und das trotz ihrer schrägen Namen, wie Voodoo Kiss, Mother Tongue, Razz, Django 3000, Dellé, Milky Chance etc. Die heurigen Favoriten unter diesen, die sogenannten "Top - Acts" waren am Samstag (23. Juli) die Gruppe Fettes Brot und am folgenden Sonntag Element of Crime. Einen Hit-Song von jeder der beiden letztgenannten Bands kann man, mit Hilfe von Youtube, unten abspielen.
Die Band "Fettes Brot" rekrutiert sich aus drei Hamburger Hip-Hop-Dinosauriern, die schon seit 1992 gemeinsam auf Tour sind. Ihre Namen sind Dokter Renz, König Boris und Björn Beton; daneben benutzen sie noch ein halbes Dutzend Künstler- und Aliasnamen. Im Jahr 2005 gelang der Gruppe mit dem Song "Emanuela" ein großer Hit, der rasch die Charts eroberte. Emanuela ist das Lied von einem Mädchen, in das alle Jungs verknallt sind, die aber keiner zu "kriegen" vermag. Die Strophen werden abwechselnd von den Bandmitgliedern gerappt, den Refrain "Lass die Finger von Emanuela" singen sie gemeinsam.
Auch die Musiker der Band "Elements of Crime" kommen aus dem hohen Norden, nämlich aus Bremen. Ihr Gründer Sven Regener (1985) wurde später auch als Autor des Buches "Herr Lehmann" bekannt. In ihrer Originalbesetzung mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang spielen sie melancholische Pop- und Rockmusik. In ihrer Anfangszeit waren sie oft im Vorprogramm von Herbert Grönemeyer zu hören. Der Song "Delmenhorst" ist eine Hommage an den gleichnamigen Vorort von Bremen. Er wurde im Jahr 2005 kreiert und erlangte bald auf der Single-Chart den ersten Platz. Der Text "Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist und das ist Delmenhorst" ist nicht gerade intellektuell, gefällt aber den Menschen und gehört deshalb immer noch zum Repertoire dieser Band.
Das Karlsruher Fest gibt es schon seit 31 Jahren.
Mit Martin Wacker als Eventmanager werden wir - hahaha - demnächst Wacken überholen.
Und Karlsruhe bemüht sich zudem, für alle Bevölkerungsschichten gefällige Musik aufzubieten - sogar für die Anhänger der Klassik. Der Sonntagvormittag ist deshalb traditionsgemäß für die Freunde von Mozart, Beethoven und Wagner reserviert. Sie kommen in hellen Scharen, breiten nicht selten damastene Tischdecken auf der Grasfläche aus, stellen barocke Kerzenleuchter darauf und genießen das Konzert bei Champagner in edlen Gläsern, wobei sie Isoldes Liebestod lauschen. Welch ein Kontrast zum Klientel der darauf folgenden Rockkonzerte!
Die Top - Acts
Die Höhepunkte des Karlsruher Musikfestivals finden auf dem sogenannten Hügel der Klotz-Anlage statt. Vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend spielen an jedem Tag 7 bis 8 bekannte Bands auf. Den Älteren unter uns sagen ihre Namen meist recht wenig, bei den Jugendlichen sind die Partymusiker indes wohl bekannt. Und das trotz ihrer schrägen Namen, wie Voodoo Kiss, Mother Tongue, Razz, Django 3000, Dellé, Milky Chance etc. Die heurigen Favoriten unter diesen, die sogenannten "Top - Acts" waren am Samstag (23. Juli) die Gruppe Fettes Brot und am folgenden Sonntag Element of Crime. Einen Hit-Song von jeder der beiden letztgenannten Bands kann man, mit Hilfe von Youtube, unten abspielen.
Die Band "Fettes Brot" rekrutiert sich aus drei Hamburger Hip-Hop-Dinosauriern, die schon seit 1992 gemeinsam auf Tour sind. Ihre Namen sind Dokter Renz, König Boris und Björn Beton; daneben benutzen sie noch ein halbes Dutzend Künstler- und Aliasnamen. Im Jahr 2005 gelang der Gruppe mit dem Song "Emanuela" ein großer Hit, der rasch die Charts eroberte. Emanuela ist das Lied von einem Mädchen, in das alle Jungs verknallt sind, die aber keiner zu "kriegen" vermag. Die Strophen werden abwechselnd von den Bandmitgliedern gerappt, den Refrain "Lass die Finger von Emanuela" singen sie gemeinsam.
Auch die Musiker der Band "Elements of Crime" kommen aus dem hohen Norden, nämlich aus Bremen. Ihr Gründer Sven Regener (1985) wurde später auch als Autor des Buches "Herr Lehmann" bekannt. In ihrer Originalbesetzung mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang spielen sie melancholische Pop- und Rockmusik. In ihrer Anfangszeit waren sie oft im Vorprogramm von Herbert Grönemeyer zu hören. Der Song "Delmenhorst" ist eine Hommage an den gleichnamigen Vorort von Bremen. Er wurde im Jahr 2005 kreiert und erlangte bald auf der Single-Chart den ersten Platz. Der Text "Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist und das ist Delmenhorst" ist nicht gerade intellektuell, gefällt aber den Menschen und gehört deshalb immer noch zum Repertoire dieser Band.
Das Karlsruher Fest gibt es schon seit 31 Jahren.
Mit Martin Wacker als Eventmanager werden wir - hahaha - demnächst Wacken überholen.
Sonntag, 7. August 2016
Roland Koch - als Manager gescheitert
Roland Koch war ein begnadeter Redner und über zehn Jahre hinweg auch ein durchaus erfolgreicher Ministerpräsident für das Bundesland Hessen. Er galt als "Rechtsausleger" seiner Partei CDU, wobei er sich vor allem gegen die doppelte Staatsbürgerschaft der damals noch 2,5 Millionen Türken in Deutschland wandte. (Wertet man die kürzliche Veranstaltung in Köln, wo 40.000 "Deutsch-Türken" auf Weisung von Erdogan spontan und - nur türkische - Fahnen schwenkend auf die Straße gingen, so war Kochs damalige Warnung wohl nicht ganz unberechtigt.) Indes, der Landeschef glaubte den Marschallstab zu "noch Höherem" im Gepäck zu haben. Als Angela Merkel jedoch im Jahr 2009 ihre zweite Kanzlerschaft antrat, musste er erkennen, dass ihm eine weitere Karriere in der Bundespolitik versagt bleiben würde. Er verließ die hohe Politik und wandte sich der Wirtschaft zu.
Der ehemalige Dresdner Bank-Chef Bernhard Walter lotste Roland Koch am 1. August 2011 als Vorstandsvorsitzenden zu der damals renommierten Baufirma Bilfinger Berger mit Hauptsitz in Mannheim, einem Umsatz von ca. 10 Milliarden Euro und mit mehr als 70.000 Beschäftigten. Neben Hochtief war Bilfinger Berger eines der größten deutschen Bauunternehmen. Sein Ministerpräsidentengehalt konnte der Newcomer durch diesem Stellenwechsel in etwa verzehnfachen. In diesen Tagen - der Grund für meinen Blog - läuft Kochs Fünfjahresvertrag ab und (samt einiger Kontrollmandate bei UBS und Vodafone) wird er währenddessen um ca. 10 Millionen Euro reicher geworden sein. Wir brauchen uns also keine Sorgen um Roland machen - auch wenn er bei Bilfinger grandios gescheitert ist, weil er bereits nach drei Jahren, im August 2014, vom Aufsichtsrat dieser Firma gefeuert worden ist.
Auf dem Weg nach unten
Im Nachhinein kann man zwei Gründe benennen, weshalb Roland Koch so schnell als Manager bei Bilfinger Berger erfolglos bleiben musste und das Unternehmen heute vor dem Zusammenbruch steht: Der ex-Ministerpräsident hatte keine glückliche Hand bei der Neustrukturierung seiner Firma und er fand nicht die richtigen Antworten auf die äußeren Entwicklungen. Kochs erster Fehler war wohl, dass er das traditionelle und gewinnbringende Hoch- und Tiefbaugeschäft (im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat) aufgab und das Unternehmen radikal auf Dienstleistungen hin umstrukturierte. Konsequenterweise strich er bald den Namensbestandteil Berger, firmierte nur noch unter Bilfinger (mit einer blaugelben Endlosschleife als Logo) und steckte das Geld in die drei Servicebereiche für Gebäude, Industrieanlagen und Kraftwerke. Wegen der Energiewende und der Ölkrise erbrachten die beiden letztgenannten aber statt Gewinne nur heftige Verluste. Schon bald war das neuformierte Unternehmen kein integrierter Baukonzern mehr, sondern ein Sammelsurium unzusammenhängender Kleinbetriebe. Die FAZ schrieb: "Bilfinger fährt im Dunkeln, ein Unternehmen ohne Strategie". Der sinkende Aktienkurs minderte den Firmenwert drastisch.
Zum erheblichen Teil scheiterte Koch auch an der Energiewende. Ganz plötzlich wurden keine Kraftwerke mehr gebaut und die Betreiber sparten bei ihren Industrieanlagen, indem sie die Wartungsintervalle verlängerten. Hinzu kam der Ausfall eines Großauftrags aus Südafrika, der schon eingebucht war. Der Flickenteppich aus 250 Einzelfirmen war kaum mehr zu überblicken, das Unternehmen war zu komplex geworden. Als Koch zum wiederholtem Male die mit den Gesellschaftern vereinbarten Ziele nicht erreichte und sogar in kurzer Zeit zwei "Gewinnwarnungen" herausgeben musste, war seine Stunde gekommen: der 56-jährige musste am 8. August 2014 gehen; das Gehalt für die restlichen zwei Jahre wurde ihm zugebilligt.
Nach dem erzwungenen Rücktritt von Roland Koch hat Bilfinger nun bereits den dritten CEO. Übergangsweise war dies der frühere Vorstand Herbert Bodner, ihm folgte der Norweger Per Utegaard, welcher nur 11 Monate blieb, dafür aber 4,5 Millionen löhnen durfte. Jetzt wurde der Brite Thomas Blades angeheuert. Es scheint als wolle er den Konzern zerlegen, um ihn dann stückchenweise zu verkaufen. Damit wäre das Ende von Bilfinger gekommen. Die Laufzeit von Blades´Anstellungsvertrag wurde öffentlich nicht bekannt gemacht. Der Brite hat eine bewegte Vergangenheit. Unter anderem war er Chef des Freiberger Unternehmens Choren, welches aus Abfallholz und Stroh Sprit für Autos herstellen wollte. Trotz renommierter Partner (Daimler, VW, Shell) ist dies nicht gelungen und das Unternehmen ging 2011 schließlich in die Insolvenz. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt man übrigens seit ca. 15 Jahren im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT) mit dem Projekt Bioliq.
Politik versus Wirtschaft
Für die Medien war es überraschend, dass so ein ausgefuchster Politmanager wie Roland Koch in der Wirtschaft (so früh) scheitern konnte. In einen Interview mit der ZEIT im Jahr 2015 hat er die aus seiner Sicht wesentlichen Unterschiede zwischen der Politik und der Wirtschaft dargelegt. Einige Fragen und Antworten seien daraus entnommen:
Herr Koch, wo ist das Scheitern härter, in der Wirtschaft oder der Politik?
Koch: Wenn es sich um eine wirklich schwere Niederlage handelt, etwa den Verlust eines hohen Amtes, dann ist das in der Politik in der Regel eine gefährlichere Sache, weil die Chance auf Wiederkehr meist sehr gering ist.
Wo wird härter gekämpft, in der Politik oder in der Wirtschaft?
Politik ist viel interaktiver. Man muss große Gruppen auf unterschiedlichen Ebenen von seinem Anliegen überzeugen. In einer Partei gibt es keinen Befehl und keinen Gehorsam, sondern nur Bitte und Danke. In der Wirtschaft spielen Hierarchien eine größere Rolle. Da können Führungspersonen Mitarbeiter anweisen, befördern oder entlassen. Bei Krisen gibt es irgendwann keine Demokratie mehr, sondern nur noch Befehle.
Wo werden Fehler eher verziehen?
In der Politik ist es oft schwer zu definieren, was eigentlich ein Fehler war. Wenn Politiker die Staatsverschuldung nach oben treiben, aber mit dem Geld ein tolles Bildungssystem aufbauen, dann können die Wähler entscheiden, was ihnen wichtiger war. Bei einem Unternehmen geben Menschen hundert Euro für eine Aktie und fragen: wann ist diese 101 oder 105 wert? Und die Antwort sollte belastbar sein.
Die Schlaumeier
Roland Koch hätte sich sein Leben (nach der Politik) viel leichter und genau so ertragreich gestalten können, wenn er dem Beispiel einiger seiner Politkollegen gefolgt wäre. Die Schlitzohren in diesem Genre verkaufen einfach ihr Gesicht, indem sie sich als "Türöffner" beziehungsweise als "Grüß-August" anheuern lassen. Oder sie reisen mit einem Manuskript aus ihrem ehemaligen Fachgebiet umher, das sie (für zumeist 25.000 Euro) dem staunenden Publikum vortragen wobei sie zum Schluss noch einige Autogramme verteilen.
Einer höheren Liga gehören die beiden ehemaligen Politiker Gerhard Schröder und Joschka Fischer an. Der Altbundeskanzler Schröder ließ sich von der russischen Erdölfirma Gazprom engagieren, wo er für die Ostsee-Pipeline Nord Stream tätig sein soll. Was er wirklich vollbringt, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt - wohl aber, dass er immer wieder mit seinem Männerfreund Wladimir Putin in einer Kremlbar zusammen sitzt und dort deutsches Bier trinkt. Joschka Fischer, von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister, gründete nach seinem Ausscheiden eine Consultingfirma, wo er u. a. den Energiekonzern RWE zum Bau der Nabucco-Pipeline berät, welche Erdgas vom Kaspischen Meer über die Türkei zur EU leiten soll. Daneben gehört BMW zu seinem Klientel, was schon deshalb spaßig ist, weil Joschka während seiner "grünen Epoche" diese Firmen aufs Heftigste befehdet hat.
Roland Koch hat sich von solch windigen, wenn auch einträglichen Jobs stets fern gehalten und stattdessen den harten und risikoreichen Weg in der Managerexekutive gesucht. Dort ist er zunächst einmal gescheitert, hat dabei aber weder sein Gesicht noch sein Ansehen verloren. Man möchte ihm wünschen, dass er wieder in die deutsche Politik zurückkehrt. Er ist ein Politprofi, ein "political animal", dem man zutrauen kann, dass er beispielsweise die Zersplitterung der konservativen Parteien auf der rechten Seite auflösen könnte.
Vielleicht schon 2017.
In Berlin.
Der ehemalige Dresdner Bank-Chef Bernhard Walter lotste Roland Koch am 1. August 2011 als Vorstandsvorsitzenden zu der damals renommierten Baufirma Bilfinger Berger mit Hauptsitz in Mannheim, einem Umsatz von ca. 10 Milliarden Euro und mit mehr als 70.000 Beschäftigten. Neben Hochtief war Bilfinger Berger eines der größten deutschen Bauunternehmen. Sein Ministerpräsidentengehalt konnte der Newcomer durch diesem Stellenwechsel in etwa verzehnfachen. In diesen Tagen - der Grund für meinen Blog - läuft Kochs Fünfjahresvertrag ab und (samt einiger Kontrollmandate bei UBS und Vodafone) wird er währenddessen um ca. 10 Millionen Euro reicher geworden sein. Wir brauchen uns also keine Sorgen um Roland machen - auch wenn er bei Bilfinger grandios gescheitert ist, weil er bereits nach drei Jahren, im August 2014, vom Aufsichtsrat dieser Firma gefeuert worden ist.
Auf dem Weg nach unten
Im Nachhinein kann man zwei Gründe benennen, weshalb Roland Koch so schnell als Manager bei Bilfinger Berger erfolglos bleiben musste und das Unternehmen heute vor dem Zusammenbruch steht: Der ex-Ministerpräsident hatte keine glückliche Hand bei der Neustrukturierung seiner Firma und er fand nicht die richtigen Antworten auf die äußeren Entwicklungen. Kochs erster Fehler war wohl, dass er das traditionelle und gewinnbringende Hoch- und Tiefbaugeschäft (im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat) aufgab und das Unternehmen radikal auf Dienstleistungen hin umstrukturierte. Konsequenterweise strich er bald den Namensbestandteil Berger, firmierte nur noch unter Bilfinger (mit einer blaugelben Endlosschleife als Logo) und steckte das Geld in die drei Servicebereiche für Gebäude, Industrieanlagen und Kraftwerke. Wegen der Energiewende und der Ölkrise erbrachten die beiden letztgenannten aber statt Gewinne nur heftige Verluste. Schon bald war das neuformierte Unternehmen kein integrierter Baukonzern mehr, sondern ein Sammelsurium unzusammenhängender Kleinbetriebe. Die FAZ schrieb: "Bilfinger fährt im Dunkeln, ein Unternehmen ohne Strategie". Der sinkende Aktienkurs minderte den Firmenwert drastisch.
Roland Koch mit Bilfinger-Logo; erklärt (vergebens) den Abwärtskurs
Zum erheblichen Teil scheiterte Koch auch an der Energiewende. Ganz plötzlich wurden keine Kraftwerke mehr gebaut und die Betreiber sparten bei ihren Industrieanlagen, indem sie die Wartungsintervalle verlängerten. Hinzu kam der Ausfall eines Großauftrags aus Südafrika, der schon eingebucht war. Der Flickenteppich aus 250 Einzelfirmen war kaum mehr zu überblicken, das Unternehmen war zu komplex geworden. Als Koch zum wiederholtem Male die mit den Gesellschaftern vereinbarten Ziele nicht erreichte und sogar in kurzer Zeit zwei "Gewinnwarnungen" herausgeben musste, war seine Stunde gekommen: der 56-jährige musste am 8. August 2014 gehen; das Gehalt für die restlichen zwei Jahre wurde ihm zugebilligt.
Nach dem erzwungenen Rücktritt von Roland Koch hat Bilfinger nun bereits den dritten CEO. Übergangsweise war dies der frühere Vorstand Herbert Bodner, ihm folgte der Norweger Per Utegaard, welcher nur 11 Monate blieb, dafür aber 4,5 Millionen löhnen durfte. Jetzt wurde der Brite Thomas Blades angeheuert. Es scheint als wolle er den Konzern zerlegen, um ihn dann stückchenweise zu verkaufen. Damit wäre das Ende von Bilfinger gekommen. Die Laufzeit von Blades´Anstellungsvertrag wurde öffentlich nicht bekannt gemacht. Der Brite hat eine bewegte Vergangenheit. Unter anderem war er Chef des Freiberger Unternehmens Choren, welches aus Abfallholz und Stroh Sprit für Autos herstellen wollte. Trotz renommierter Partner (Daimler, VW, Shell) ist dies nicht gelungen und das Unternehmen ging 2011 schließlich in die Insolvenz. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt man übrigens seit ca. 15 Jahren im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT) mit dem Projekt Bioliq.
Politik versus Wirtschaft
Für die Medien war es überraschend, dass so ein ausgefuchster Politmanager wie Roland Koch in der Wirtschaft (so früh) scheitern konnte. In einen Interview mit der ZEIT im Jahr 2015 hat er die aus seiner Sicht wesentlichen Unterschiede zwischen der Politik und der Wirtschaft dargelegt. Einige Fragen und Antworten seien daraus entnommen:
Herr Koch, wo ist das Scheitern härter, in der Wirtschaft oder der Politik?
Koch: Wenn es sich um eine wirklich schwere Niederlage handelt, etwa den Verlust eines hohen Amtes, dann ist das in der Politik in der Regel eine gefährlichere Sache, weil die Chance auf Wiederkehr meist sehr gering ist.
Wo wird härter gekämpft, in der Politik oder in der Wirtschaft?
Politik ist viel interaktiver. Man muss große Gruppen auf unterschiedlichen Ebenen von seinem Anliegen überzeugen. In einer Partei gibt es keinen Befehl und keinen Gehorsam, sondern nur Bitte und Danke. In der Wirtschaft spielen Hierarchien eine größere Rolle. Da können Führungspersonen Mitarbeiter anweisen, befördern oder entlassen. Bei Krisen gibt es irgendwann keine Demokratie mehr, sondern nur noch Befehle.
Wo werden Fehler eher verziehen?
In der Politik ist es oft schwer zu definieren, was eigentlich ein Fehler war. Wenn Politiker die Staatsverschuldung nach oben treiben, aber mit dem Geld ein tolles Bildungssystem aufbauen, dann können die Wähler entscheiden, was ihnen wichtiger war. Bei einem Unternehmen geben Menschen hundert Euro für eine Aktie und fragen: wann ist diese 101 oder 105 wert? Und die Antwort sollte belastbar sein.
Die Schlaumeier
Roland Koch hätte sich sein Leben (nach der Politik) viel leichter und genau so ertragreich gestalten können, wenn er dem Beispiel einiger seiner Politkollegen gefolgt wäre. Die Schlitzohren in diesem Genre verkaufen einfach ihr Gesicht, indem sie sich als "Türöffner" beziehungsweise als "Grüß-August" anheuern lassen. Oder sie reisen mit einem Manuskript aus ihrem ehemaligen Fachgebiet umher, das sie (für zumeist 25.000 Euro) dem staunenden Publikum vortragen wobei sie zum Schluss noch einige Autogramme verteilen.
Einer höheren Liga gehören die beiden ehemaligen Politiker Gerhard Schröder und Joschka Fischer an. Der Altbundeskanzler Schröder ließ sich von der russischen Erdölfirma Gazprom engagieren, wo er für die Ostsee-Pipeline Nord Stream tätig sein soll. Was er wirklich vollbringt, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt - wohl aber, dass er immer wieder mit seinem Männerfreund Wladimir Putin in einer Kremlbar zusammen sitzt und dort deutsches Bier trinkt. Joschka Fischer, von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister, gründete nach seinem Ausscheiden eine Consultingfirma, wo er u. a. den Energiekonzern RWE zum Bau der Nabucco-Pipeline berät, welche Erdgas vom Kaspischen Meer über die Türkei zur EU leiten soll. Daneben gehört BMW zu seinem Klientel, was schon deshalb spaßig ist, weil Joschka während seiner "grünen Epoche" diese Firmen aufs Heftigste befehdet hat.
Roland Koch hat sich von solch windigen, wenn auch einträglichen Jobs stets fern gehalten und stattdessen den harten und risikoreichen Weg in der Managerexekutive gesucht. Dort ist er zunächst einmal gescheitert, hat dabei aber weder sein Gesicht noch sein Ansehen verloren. Man möchte ihm wünschen, dass er wieder in die deutsche Politik zurückkehrt. Er ist ein Politprofi, ein "political animal", dem man zutrauen kann, dass er beispielsweise die Zersplitterung der konservativen Parteien auf der rechten Seite auflösen könnte.
Vielleicht schon 2017.
In Berlin.
Ein Bild aus ferner Zeit
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