Hinzu kommt der "Brexit" und der Niedergang des englischen Pfundes, was deswegen drückt, weil RWE 21,5 Prozent seines Umsatzes in Großbritannien erwirtschaftet. Kein Wunder, dass die Dividendenzahlung bei der letzten Hauptversammlung auf Null Euro festgesetzt wurde; im Jahr 2011 hat sie noch stolze 7 Euro betragen. Aber nicht nur die Aktionäre leiden, auch die aktiven Mitarbeiter hat man inzwischen "gebeten", auf Weihnachts- und Urlaubsgeld zu verzichten.
Innogy: das grüne Wunder
Seit einigen Monaten hat RWE einen Strategiewechsel vollzogen, der Hoffnung für den Weiterbestand des Unternehmens aufkommen lässt. Früher haben sich die Gespräche mit den Investoren zumeist um die Kernkraft sowie die Kohlekraftwerke gedreht und nur am Rande um das, was zu rund zwei Drittel das eigentliche RWE-Geschäft ausmacht, nämlich: die Netze, die Erneuerbaren Energien und der Vertrieb. Betrachtet man die letzten drei Jahre, so sind 60 Prozent des Ertrags aus den Stromnetzen gekommen, also aus einen regulatorischen Geschäft, das eng mit der Energiewende zusammenhängt und das auch in den kommenden 5 bis 7 Jahren eine stabile Rendite verspricht. Wo gibt es so einen Gewinnbringer anderweitig bei RWE?
Das veranlasst den RWE- Vorstand in den kommenden Monaten diesen Teil der Firma auszugründen und an die Börse zu bringen, in der Hoffnung auf frisches Kapital. Ein Name für diese Tochtergesellschaft ist auch schon gefunden: Innogy. Kein unbekannter Name, denn Innogy - eine Wortschöpfung aus Innovation und Energy - existiert bereits seit dem Jahr 2008. Das Kleinunternehmen wurde damals gegründet, um die erneuerbaren Energieformen im Konzern zu bündeln. Jetzt wird der Name "rezykliert" und die neue Firma gleichzeitig gewaltig aufgeblasen. Aus ursprünglich 750 Mitarbeitern werden jetzt volle 40.000! RWE bleibt zwar Hauptaktionär, verfügt aber nur noch über 20.000 Angestellte und Arbeiter. Eine Absurdität am Rande: RWE als Ganzes hat heute einen Börsenwert von 8 Milliarden Euro, die neue Firma Innogy - also der grüne Teil davon - beziffert man allein auf 15 bis 20 Milliarden Euro!
Und den neuen Chef von Innogy gibt es auch schon. Es ist der alte Chef der RWE, also Peter Terium. Er wird das Tochterunternehmen dirigieren - unter einem neuen RWE-Vorsitzenden. Scheibchenweise soll Terium die Tochter an die Börse bringen und mit dem erlösten Kapital den Fortbestand der Mutter sichern. Wer denkt da nicht an Münchhausen, der sich einstmals selbst am Schopfe aus dem Sumpf zog? Als geschäftstüchtiger Holländer wird (der Dreibanden-Hobby-Billardspieler) Terium dabei wohl nach dem Wahlspruch seines Heimatlandes verfahren: Der Kaufmann grüßt den König. (Sprich: Auseinandersetzungen mit der Legislative in Berlin sind zukünftig tabu).
Berufsdemonstranten im Braunkohlegebiet
Vor wenigen Wochen hat die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beschlossen, den eigentlich bereits genehmigten Braunkohle-Tagebau Garzweiler II zu verkleinern. Statt 1,2 Milliarden Tonnen Braunkohle dürfen nur noch 800 Millionen abgebaggert werden. Diese Maßnahme wird die dortigen 14.000 Arbeitsplätze um 2.300 verringern. Vor drei Jahren zählte die Braunkohle-Kraftwerkssparte noch 17.750 Mitarbeiter.
Die Ökolobby wird nicht müde, die Braunkohle als "Klimakiller" zu verteufeln. Ein möglicherweise voreiliges Urteil, wenn man die gesamte Energiebilanz ("footprint") vergleicht. Für das Heranschaffen der Braunkohle zum Kraftwerk braucht man nicht Tausende Kilometer Stahlröhren wie beim Erdgas, sie muss auch nicht mit (dreckigen) Dieselmotoren über die Weltmeere geschippert werden wie die Steinkohle aus Kolumbien oder Australien. Im übrigen bedeutet Energiegewinnung immer einen Eingriff in die Natur, auch bei Wind und Sonne!
Peter Terium (noch Chef der RWE) denkt über Innogy nach
Trotzdem tummeln sich seit Jahren besonders viele Berufsdemonstranten im Tagebaugebiet des Hambacher Forsts. Sie kommen aus Osteuropa sowie einer bestimmten Szene in England und sind straff organisiert. RWE-Mitarbeiter müssen um ihr Wohl und das ihrer Familie fürchten, wenn vermummte Gestalten mit Molotowcocktails bewaffnet sind und Autofenster mit Baseballschlägern zertrümmern. Viele dieser Radikalen haben keinen Pass und oft auch keine Fingerabdrücke - weil diese weggeätzt (!) sind. Wer aber keine Identität hat, kann (aus polizeilicher Sicht) auch nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Netzstabilität nur durch Dynamos
Die ständige Forderung der Grünen nach sofortiger Abschaltung aller Kohlekraftwerke korrespondiert leider nicht mit den Gesetzen der Physik und der Elektrotechnik. So müssen allein zur Sicherstellung der sogenannten Sekundenreserve im Netz mindestens 20 Prozent der Stromnachfrage durch konventionelle Generatoren (Dynamos) erzeugt werden. Wenn ein ICE den Bahnhof verlässt, wenn ein Stahlwerk angefahren wird oder wenn im Stadion das Flutlicht angeht, dann muss in dieser Sekunde ein Kraftwerk hochgefahren werden und zwar nicht per Hand, sondern gesteuert durch den Frequenzabfall im Stromverbund. Alle Stromgeneratoren, von Spanien bis Polen, sind gewissermaßen auf einer einzigen Achse montiert; die Umdrehungen der Generatoren aller Kraftwerke sind so starr und kraftvoll, dass überall eine gemeinsame Netzfrequenz von 50 Hertz eingehalten wird. Sonne und Wind können diese Sekundenreserve und Netzstabilität nicht zuverlässig leisten. Fossile Kraftwerke sind, um ein Bild aus der Bankenwirtschaft zu gebrauchen, systemisch wichtig.
In der gegenwärtigen Situation neue Windkraftwerke in Regionen wie zwischen Rostock und Stralsund aufzustellen, ist reiner Unsinn. Im Starkwindfall sind die Leitungen bis zum Anschlag voll, sodass für jedes neue Windkraftwerk ein bestehendes vom Netz genommen und trotzdem bezahlt werden muss! Erst wenn in Zukunft die Netzengpässe beseitigt sind, erst wenn es wettbewerbsfähige Speichertechnologien gibt, ist ein weiterer Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken sinnvoll.
Aber wie oft wurde das schon - vergebens - von mir und anderen gesagt!
Bis heute sind keine wirtschaftlichen und ausreichend große Speicher in Sicht. Die Kosten von Pumpspeicherwerken liegen über 0,5 Euro/kWh. Batterien mehr als 1 Euro/kWh. Power to gas hat einen Wirkungsgrad von weniger als 20 %. Die Kosten liegen weit über 1 Euro/kWh.
AntwortenLöschenProf. Dr. Hans-Günter Appel
Pressesprecher NAEB e.V. Stromverbraucherschutz
www.naeb.de