Sonntag, 15. Mai 2016

EnBW auf Schrumpfkurs

Die Aktionärsversammlungen des baden-württembergischen Stromgiganten EnBW waren früher so gut besucht, dass in der Stadthalle des Kongresszentrums kaum ein Sitzplatz frei blieb. Das hat sich nach der Energiewende 2011 drastisch verändert. Bei der diesjährigen Hauptversammlung am 10. Mai 2016 waren gut zwei Drittel der Besucherstühle leer, als der Vorstandsvorsitzende Frank Mastiaux mit seinem Vortrag zur Lage des Konzerns begann. Er hatte aber auch wenig Gutes zu verkünden. In geraffter Form möchte ich - als leidgeprüfter Kleinaktionär - über diese Veranstaltung berichten.

Schwache Wirtschaftszahlen:  Die Abschreibungen auf den Kraftwerkspark schlagen weiterhin kräftig auf die Bilanz durch. Volle 950 Millionen Euro betrugen diese Sondereffekte im Jahr 2015 - nach 1,5 Milliarden im Jahr zuvor. Ursächlich dafür sind vor allem die niedrigen Strompreise von ca. 20 Euro pro Megawattstunde, wegen der bevorzugten Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom. Vor diesem Hintergrund wäre eigentlich überhaupt keine Dividende für die Aktionäre möglich gewesen. Aber die Unternehmensleitung verkaufte in einer "Gnadenaktion" eine halbe Milliarde an rückgestellten Wertpapieren, was zu einem (fiktiven) Konzernüberschuss von 125 Millionen Euro führte. Daraus wurden pro Aktie 55 Cent Dividende ausgeschüttet. Eine fragwürdige Aktion, dieser Verkauf des Tafelsilbers!
Ein mächtiges Trio (von rechts) : Vorstandsvorsitzender Frank Mastiaux, Technikvorstand Hans-Josef Zimmer, Personalvorstand Bernhard Beck

Aber in einem höheren Sinne war diese Ausschüttung doch berechtigt, denn Vorstand und Aufsichtsrat der EnBW gönnten sich auch einen Schluck aus der (eigentlich leeren) Pulle. Damit stieg Mastiaux´s Gehalt in diesem verlustreichen Jahr um ein Drittel auf nunmehr satte drei Millionen Euro. Seine drei Vorstandskollegen Beck, Kusterer und Zimmer zogen mit und löhnen jetzt gut die Hälfte ihres Chefs. Der für diese Vergütungssprünge hauptverantwortliche Aufsichtsratsvorsitzende Claus Dieter Hoffmann hat sich selbst auch nicht vergessen: sein Jahresgehalt stieg von 81.500 auf nunmehr 98.000 Euro. Und auch "einfache" Mitglieder der zwanzigköpfigen Aufsichtsgremiums - wie Nils Schmidt,  der ehemalige baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister, sowie Vorsitzender der Landes-SPD - konnten sich von 43.000 auf 52.000 Euro verbessern.  Da gewinnt der neue Slogan der EnBW: "wir machen das schon", eine ganz neue Bedeutung.

Nils Schmidt ließ sich zum Schluss der Hauptversammlung erneut - für fünf Jahre - in den Aufsichtsrat der EnBW wählen. Eigentlich hat er dafür gar keine Zeit, denn in der wichtigen Vormittagssitzung der Karlsruher Veranstaltung war er gerade mal eine halbe Stunde auf seinem Platz. Ein Kleinaktionär wollte, wegen dieser offenkundigen Missachtung des Gremiums, sogar die Sitzung unterbrechen lassen. Aber der Aufsichtsratschef Hoffmann erlaubte das nicht. Begründung: Restaurant und Toiletten zählen (wegen der Audioübertragung) offiziell zu den Veranstaltungsräumen. Clever!

Der an sich bedächtige (und fast etwas dröge) AR-Vorsitzende Claus Dieter Hoffmann soll bei der Vorbereitung der Aktionärsversammlung sogar von einer "möglichen Pleite" der EnBW gewarnt haben.  Hintergrund für diese Äußerung waren der rasche Rückgang des Eigenkapitals und die bedrohliche Zunahme der Schulden. Hoffmann dementierte erstaunlicherweise nicht, sondern erklärte, dass man sich bei EnBW eben für "worst-case"-Szenarien wappne.

Verlorene Prozesse:  Im Berichtsjahr 2015 war die EnBW in eine Reihe von Prozessen involviert, welche sie zumeist verloren hat. So kämpfte das Unternehmen vor dem Bonner Landgericht um eine Summe von 261 Millionen Euro als Schadensersatz für die Stilllegung einiger Kernkraftwerke im Zuge des Fukushima-Moratoriums. Mit dieser Forderung blitzte die EnBW vor einigen Wochen jedoch ab. Die Richter ließen durchblicken, dass der Konzern daran selbst schuld sei, weil er nicht rechtzeitig Klage erhoben habe. Offensichtlich wollte das Unternehmen, welches sich mehrheitlich im Besitz des Landes befindet, nicht gegen den eigenen Gesellschafter klagen und sich damit bei der eigenen Regierung "unbeliebt" machen. Ohne große Aussicht auf Erfolg hat die EnBW inzwischen Berufung beim Oberlandesgericht Köln eingelegt.

Auch beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe klagt die EnBW um Schadenersatz für ihre stillgelegten Kernkraftwerke. Nach Medienberichten geht es dabei um eine Milliardensumme. Aber im Gegensatz zu den Hauptklägern RWE, E.on und Vattenfall ist die EnBW bei diesem Prozess nur "Beifahrer". Auch hier liegt der Grund darin, dass die EnBW nahezu vollständig im Staatsbesitz ist und vor diesem Senat nur Privatpersonen klagen dürfen.

Seit 2012 klagt das Land Baden-Württemberg gegen einen Deal des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Dieser hatte im Dezember 2010 in einer Nacht- und Nebelaktion die EnBW-Anteile einiger Kraftwerke vom französischen EdF für 4,7 Milliarden Euro zurückgekauft, welche aber später nur noch 3,4 Milliarden wert waren. Die Klage des Landes auf Rückzahlung von 840 Millionen Euro wurde jedoch vom internationalen Schiedsgericht ICC abgelehnt. Mappus fühlt sich nun rehabilitiert.

Schließlich gibt es immer noch den obskuren Dauerstreit zwischen der EnBW und ihrem eigenen Technikvorstand Hans-Josef Zimmer, der bei den jährlichen Hauptversammlungen immer wieder für Erregung sorgt. Die EnBW hat Zimmer im Zusammenhang mit dubiosen Russland-Geschäften auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag verklagt - hält aber weiterhin an ihrem kompetenten und kenntnisreichen Technikexperten fest.  Inzwischen hat sie sogar seinen Anstellungsvertrag bis zum Mai 2021 verlängert. Das verstehe, wer kann!

Der Stand beim KKW Fessenheim:  Bei der Diskussion des Geschäftsberichts wurde im Publikum immer wieder nach den eventuellen Verpflichtungen für das französische Kernkraftwerk Fessenheim gefragt, insbesondere die Rückbaukosten. Ein Vorläufer der EnBW, das Badenwerk, übernahm bekanntlich im Jahr 1972 ca. 17 Prozent der Baukosten dieses Projekts, wofür die Franzosen eine entsprechende Stromlieferung zusagten. Aus technischen Gründen wurde das Recht zum Strombezug im Zuge eines Tausches später an den E.on-Konzern weiterverkauft. Im vergangenen Jahr 2015 haben sich EdF und EnBW vertraglich darüber geeinigt, dass für das deutsche Unternehmen keine Rückbaukosten entstehen werden. Zu den Einzelheiten dieser Übereinkunft wurde Stillschweigen vereinbart, sodass die Aktionäre bei der Hauptversammlung dazu nichts Weiteres erfahren konnten.

Die Verlautbarungen der französischen Regierung über den Zeitpunkt der Abschaltung der beiden Reaktoren Fessenheim sind, gelinde gesagt, widersprüchlich. Mitte September 2012 gab der französische Staatspräsident Francois Hollande bei Amtsantritt bekannt, dass das KKW Fessenheim Ende 2016 stillgelegt werden solle. Zwei Jahre später bestätigte die französische Umweltministerin Segolene Royal, dass "zwei Reaktoren in Frankreich" abgeschaltet würden, sobald das Kernkraftwerk Flamanville mit zwei Blöcken ans Netz gehe. Im September 2015 äußerte Hollande bei einem Interview, dass - wegen der Bauverzögerungen in Flamanville - Fessenheim bis 2018 am Netz bleiben müsse. Inzwischen sind, infolge erheblicher technischer Probleme in Flamanville, die Inbetriebnahmetermine für dieses Projekt seriös nicht zu benennen.

Die Energieerzeugung schrumpft:  Bedenklich für den zukünftigen Geschäftsbetrieb der EnBW ist die Tatsache, dass die eigene Stromerzeugung ständig schrumpft. Vor der Energiewende hatte das Unternehmen noch ein Energieerzeugungsporfolio von 15.771 Megawatt (MW). Es setzte sich zusammen aus: konventionelle Kraftwerke (mit 7.240 MW), Kernkraftwerke (4.846 MW), Laufwasser- und Speicherkraftwerke (3.510 MW) sowie erneuerbaren Energien (175 MW).


Im Jahr 2015 ist die Stromerzeugungskapazität bei EnBW bereits auf 13.000 MW geschrumpft, entsprechend dem obigen Balkendiagramm. Und dieser Prozess wird weiter gehen, denn in wenigen Jahren sind auch die restlichen Kernkraftwerke qua Gesetz abzuschalten. Auch die konventionellen Kraftwerke, fast allesamt auf Kohlebasis, werden sich reduzieren, da der politische Druck auf die Verbrennung der fossilen Stoffe (wegen Klima etc.) wächst. Längerfristig übrig bleiben 3 - 4.000 MW an Kapazität aus den Wasserkraftwerken. Und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, welche derzeit mickrige 700 MW ausmacht. Sie wird in Zukunft nur zögerlich ansteigen, da dem EnBW die Investitionsmittel zum Ausbau dieser Energieträger fehlen. Deutlich wird das an den Windparks in der Ostsee. Sie wurden bereits zur Hälfte an Finanzfonds verkauft, da die EnBW zu wenig Geld in der Kasse hat. In realiter ist die EnBW mehr ein Projektierer als ein Betreiber von Windparks. Man kann ohne Risiko vorhersagen, dass bei der EnBW der Rückgang der Stromerzeugung bei Kernkraft und Kohle bei weitem nicht kompensiert werden wird durch den Zubau bei Wind und Sonne.

Trüber Ausblick:   Das Unternehmen EnBW geht einen schweren Weg. Es verliert - aus politischen Gründen - die hauptsächlichen Gewinnbringer Kohle und Kernkraft. Zum Ausbau der (wenig zuverlässigen) Energieträger Sonne und Wind fehlt ihm das Investitionskapital. Das wird, aus heutiger Sicht, den Konzern erheblich schrumpfen lassen. Vielleicht auf die Größe eines mittleren Stadtwerks oder zu einem bloßen Stromhändler.

Aber es kann noch schlimmer kommen. Durch die geplante Umrüstung aller Verbrauchsstellen auf "intelligente Zähler", bekommen die Kommunikationsanbieter Zugriff auf die Verbrauchsdaten. Schon steht Telekom startbereit, um als "Gateway-Administrator" zu dienen. Denn:

Wenn Airbnb heute der größte Zimmervermieter ohne eigene Zimmer ist, wenn Uber das größte Taxiunternehmen ohne Taxis ist, wer sagt dann eigentlich, dass nicht irgendein Kommunikationsunternehmen bald der größte Stromanbieter ist - ohne jede eigene Erzeugung, ohne eigenes Netz und ohne Systemverantwortung für die Stromversorgung?

2 Kommentare:

  1. Danke für diesen umfassenden Bericht. So vernichten die deutschen Politiker die eigene Wirtschaft. Und der Grund dafür ist dieses Märchen von dem Anthropologen Klimaeinfluss, das wissenschaftlich nie nachgewiesen werden kann.
    Gruss Drazen

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  2. Wir sollten uns bedanken bei den vielen Baden Württemberger, die vor kurzem einen Chaot, ehemaliger Kommunist, Menschenverachter und Choleriker im Amt bestätigt haben.

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