Die Kehrseite dieser Situation ist, dass ein großer Teil der Projekte, welche über Drittmittel finanziert werden, zeitlich befristet sind, also keine Daueraufträge darstellen. Diese Vorhaben werden üblicherweise durch Mitarbeiter abgewickelt, die einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag besitzen. Bei KIT sind sie in der Mehrheit, wie vom Personalrat seit langem beklagt wird. Nach den derzeit verfügbaren Zahlen waren von 5546 Mitarbeitern am KIT 4065 mit einem befristeten Vertrag ausgestattet; im Bereich der Universität waren es sogar 2704 von 2952 insgesamt. Die Arbeitsverträge haben Laufzeiten von wenigen Jahren, zuweilen sogar nur über ein halbes Jahr und werden nicht selten ein halbes Dutzend mal verlängert ("Kettenverträge").
Die Nöte der Jungakademiker
Die Praxis der befristeten Arbeitsverträge ist an allen deutschen Hochschulen gang und gäbe. In der Altersklasse zwischen 25 und 34 Jahren haben mehr als 70 Prozent einen Arbeitsvertrag mit Verfallsdatum, wie Arbeitsmarktforscher festgestellt haben. Ein Großteil dieser Kontrakte weisen zudem extrem kurze Laufzeiten von weniger(!) als einem halben Jahr auf und werden mickrig entlohnt. Für die Betroffenen ist es schwierig, sich im Berufs- und Familienleben einzurichten. Wer einen befristeten Arbeitsvertrag hat, bekommt häufig keinen Kredit von der Bank, etwa für ein Auto oder eine Wohnungseinrichtung - ganz zu schweigen vom Kauf einer Immobilie.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat deshalb ein Gesetz auf den Weg gebracht, um die akademische Laufbahn besser planbar zu machen. Arbeitsvertrag und Einsatzdauer sollen besser synchronisiert werden, Kurzbefristungen sind zu minimieren. Im Gefolge dieser Initiative brachte das KIT im November vergangenen Jahres ein siebenseitiges Rundschreiben heraus, in dem die oben genannten ministeriellen Vorschläge aufgenommen sind. Gleichwohl sind in diesem Schreiben eine ganze Anzahl von Ausnahmen vermerkt; zum Durchdringen des Textes sind einige Semester Jurastudium hilfreich.
Schlecht sieht es in Deutschland um die Betreuung der Studenten aus, deren Anzahl zwischen den Jahren 2003 und 2013 um 20 Prozent gewachsen sind. Parallel dazu hat sich die Betreuungsrelation von Studierenden zu wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren im Bundesmittel von 13,5 auf 16,1 verschlechtert, in den Ingenieursfächern sogar von 11,0 auf 17,7. Diese Überlastung des Lehrpersonals führt zu grotesken Zuständen. Häufig wird die Lehre auf andere Gruppen übertragen, die dafür nur 40 Euro pro Stunde - oder überhaupt nichts - bekommen. Diese Lehrenden, welche (außerhalb des Vorlesungsverzeichnisses) vor den Studenten stehen, kommen von Forschungseinrichtungen oder aus der Industrie und wollen Kontakt zur Hochschule halten. Darunter sind auch Lehrbeauftragte, die nur für ein Semester und zwei Stunden pro Woche eingesetzt werden. Und schließlich die "letzte Reserve", nämlich wissenschaftliche Mitarbeiter, die ihr (schmales) Gehalt fürs Forschen oder Promovieren bekommen, die aber nicht nein sagen können, wenn der Herr Professor sie in den Vorlesungsbetrieb einspannt. Motto: wer nicht als Dozent (im offiziellen Vorlesungsverzeichnis) geführt wird, der holt auch keine Studenten an die Uni. Ein Drittel des Lehrkörpers an den Universitäten soll unbezahlt sein!
Exzellenzinitiative - keine Bonanza
In der Hoffnung auf zusätzliche Geldquellen setzt mancher Universitätsrektor oder -präsident auf die sogenannte Exzellenzinitiative. Sie wurde 2005 von der damaligen Bundesforschungsministerin Edelgard Buhlman ausgelobt und hat seitdem (in drei Runden) im Zusammenwirken von Bund und Ländern einige Milliarden Euro Finanzmittel verteilt. Unterstützt wurden Hochschulen, die ein überzeugendes "Gesamtkonzept" vorlegen konnten, sowie bei den Forschungsprojekten ("Clustern") und der Post-Doktoranden-Lehre ("Graduiertenschulen") besser waren als der Rest. Auch das KIT war von 2006 bis 2012 in diesem bevorzugten Club und durfte sich zeitweilig sogar "Elite-Universität" nennen. Umso stärker war die Enttäuschung, als diese Förderung 2012 - insbesondere wegen schwacher Proposals der Nanoforscher - auslief. Monatelang konnten damals noch nicht einmal die armen "Hiwis" bezahlt werden und die Ausgabe der Diplomzeugnisse verzögerte sich, da zu wenig Schreibkräfte zur Verfügung standen.
Das neue attraktive Casino des KIT
(beliebt bei Kantinen-Gourmets)
Trotzdem: diese Zusatzförderung allein ist nicht die finanzielle Rettung der Universitäten. Von 2006 bis 2017 werden Bund und Länder insgesamt 4,6 Milliarden Euro ausgeworfen haben. Auf erstem Blick ist das eine respektable Summe und doch ist es relativ wenig. So erhält beispielsweise die große Technische Universität München insgesamt 289 Millionen. Umgerechnet auf ein Jahr sind das bloße 26 Millionen - bei einem Jahresetat von 1,3 Milliarden Euro! Von den amerikanischen Hochschulen, wie MIT und Harvard, welche über viele Jahre hinweg ein milliardenschweres Kapitalvermögen angesammelt haben, ist man da noch meilenweit entfernt.
Mit wesentlich höheren Geldsummen wird derzeit in der großen Politik agiert. Die Flüchtlinge, welche Deutschland bereits aufgenommen hat, werden - nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft - volle 55 Milliarden Euro an Kosten verursachen. Wohlgemerkt: allein in den drei Jahren von 2015 bis 2017! Wenn Bundesminister Schäuble nur eine einzige Milliarde mehr zur Verfügung stellen würde, dann könnte an jeder der hundert deutschen Universitäten ein Studentenwohnheim für je 10 Millionen Euro gebaut werden. Die Wohnungsnot der Studenten - zum Teil aus der Zuwanderung resultierend - könnte dadurch deutlich abgemildert werden.
Ein Hoffnungsschimmer am Horizont
Gegenwärtig wird die vierte Exzellenzinitiative vorbereitet. Die Expertenkommission des schweizer theoretischen Physikprofessors Dieter Imboden hat vor kurzem ihren Bericht vorgelegt und mit Frau Wanka sowie den Landesministern diskutiert. Zwei wesentliche Änderungen bei den Graduiertenschulen und den Zukunftskonzepten scheinen sich anzubahnen. Die Förderung der Graduiertenschulen will man auslaufen lassen und bei den Zukunftskonzepten hat man sich etwas durchaus Originelles ausgedacht. Statt, wie bisher, die in die Zukunft weisende Konzeption der Hochschulen zu bewerten, will man ab jetzt die schon erreichte Forschungsbrillanz der einzelnen Unis evaluieren. "Past merits" sind nach Ansicht von Imboden gute Indikatoren für die Exzellenz. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat dafür den Namen "Exzellenzbonus" geprägt.
Für das KIT ergibt sich damit die Chance, ab 2017 wieder zu punkten und damit die Scharte von 2012 auszuwetzen. Denn: anno 2006 haben Popp und Hippler, die Chefs des Forschungszentrums und der Technischen Universität Karlsruhe den Zusammenschluss beider Organisationen zum KIT durchgedrückt und dadurch den Exzellenzstatus erreicht. Ihre damalige Argumentation war unter anderem, dass durch die Fusion zum KIT ein "wissenschaftlicher Mehrwert" entstehen würde. Im Rahmen der jetzigen Evaluierung müsste dieser Mehrwert nunmehr feststellbar sein und dann zu entsprechender zusätzlicher finanzieller Förderung des KIT führen. Ist das nicht der Fall, dann wäre der Beweis erbracht, dass die Kreation des KIT vor zehn Jahren nutzlos war und nur zu mehr Bürokratismus geführt hat.
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