Kooperationen zwischen benachbarten Forschungseinrichtungen und Universitäten sind weit verbreitet. Insbesondere das Krebsforschungszentrum Heidelberg, das Forschungszentrum Jülich und das Forschungszentrum Karlsruhe-Leopoldshafen haben in der Vergangenheit eine enge Zusammenarbeit mit den nahen Universitäten Heidelberg, Aachen und Karlsruhe gepflegt. Unterschiedlich ist Zahl und Umfang der gemeinsamen Projekte, sowie die organisatorische und juristische Verknüpfung der beiden Kooperationspartner. Zwei dieser Forschungsverbünde in Karlsruhe und Jülich bestehen inzwischen knapp zehn Jahre. Über die darin gemachten Erfahrungen wird in diesem Blog berichtet.
Den engstmöglichen Zusammenschluss hat man im Jahr 2006 in Karlsruhe gewählt. Die Chefs des ehemaligen Kernforschungszentrum in Leopoldshafen und der Technischen Universität Karlsruhe beschlossen damals, sich zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu vereinigen. Dazu musste eine neue juristische Form gefunden werden und der Landtag in Stuttgart war sogar genötigt, ein eigenes KIT-Gesetz zu verabschieden. Bei der Wahl des Namens orientierte man sich (unter Ignorierung falscher Bescheidenheit) am altehrwürdigen Bostoner MIT, einer Institution, die inzwischen mehr als 80 Nobelpreisträger vorzuweisen hat.
Weitaus moderater betreibt man die Zusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen. Die dortige Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) mit 42.000 Studenten (gegenüber ca. 24.000 in Karlsruhe) beschloss im Jahr 2007 mit dem benachbarten Forschungszentrum Jülich zusammenzuarbeiten, das mit 5.500 Beschäftigten ebenfalls größer als der korrespondierende Karlsruher Partner ist (mit ca. 4000). Der daraus erwachsende Forschungsverbund bekam den Namen "Jülich Aachen Research Alliance", abgekürzt JARA. Im Gegensatz zu KIT ist JARA keine eigenständige juristische Person. Seine Aufgabe ist es, die jeweiligen kooperationswilligen Partner thematisch zu bündeln, zu finanzieren und zu überwachen, wie das etwa die Projektleitungen bei Großprojekten seit Jahr und Tag erledigen.
Erfahrungen mit JARA
Die Zusammenarbeit zwischen dem Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen vollzieht sich in sogenannten Sektionen. Die Sektion "JARA-Brain", beispielsweise, deckt das Gebiet der Hirnforschung und der Neurowissenschaften ab. JARA-Energy bündelt die Forschung zum Themenkomplex nachhaltige Energie. JARA-FIT ist zuständig für den Bereich Informationstechnologien , JARA-HPC für Hochleistungsrechner und JARA-FAME für die Kern- und Teilchenphysik. Als sechste Sektion wurde im Dezember 2014 JARA-Soft gegründet, welche sich mit der Erforschung "weicher Materie" befasst, wozu auch die Polymere zählen.
Auch die Anzahl der Industriekooperationen ist beeindruckend. Im Jahr 2014 zählte man 250 Zusammenarbeiten mit deutschen Industriefirmen und darüber hinaus weitere 89 im internationalen Bereich. Einige Projekte seien stellvertretend dafür aufgezählt: die Lebensdauermodellierung von Flugtriebwerksschaufeln, die Entwicklung von Wärmedämmschichten, die Auswertung von Fotovoltaikfolien, die klinische Untersuchung von neuen Arzneimitteln u.a.m. Zu den Industriepartnern zählen renommierte Firmen wie: Siemens, Bayer, MAN, Plansee, Kawasaki, Sulzer, Grünenthal u. a. m.
Das Budget für JARA beträgt 500 Millionen Euro, wofür 60 Mio für Investitionen zur Verfügung stehen. 13,6 Mio entstammen der Exzellenzinitiative. Seit 2007 kam es im Bereich JARA zu 47 gemeinsamen Berufungen der beiden Partner. Im Jahr 2014 wurden 919 gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten publiziert.
Erfahrungen bei KIT
Demgegenüber scheint das KIT von beträchtlichen Geldsorgen geplagt zu sein. "Wir können keine großen Sprünge machen", bekannte der Finanzchef Ulrich Breuer vor kurzem in der regionalen Zeitung BNN. Aber man brauche ja nicht unbedingt frisches Geld, um mehr Wissenschaftler für die Lehre zu gewinnen. "Wir sind nicht nur eine Universität, sondern haben auch einen Großforschungsbereich, den wir mehr und mehr in die Lehre integrieren wollen", sagte Breuer mit Blick auf das frühere Forschungszentrum in Leopoldshafen. In den zurück liegenden zwei Jahren sei die Zahl der dortigen Wissenschaftler - die auch an der Universität lehren - deutlich gestiegen. Aber: "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange". Das klingt, als sei das Forschungszentrum zum "Anhängsel der Uni" geworden. Und im Hinblick auf die vielen Diplom- und Doktorarbeiten, welche von der Uni (preiswert!) ans FZK ausgelagert werden, kann man in Bezug auf das Forschungszentrum sogar von einer "verlängerten Werkbank der Uni" sprechen.
Die ständige Geldnot am KIT hat direkte negative Auswirkungen auf die Anzahl der Großprojekte und ihre Abwicklung. Beispielhaft dafür ist die Synchrotronstrahlenquelle ANKA, wie in der Hausszeitschrift KIT-Dialog zu lesen ist. Die Quelle stand anfangs auch externen Nutzern, insbesondere aus der Industrie zur Verfügung. Dafür wurde sogar ein schmuckes Gästehaus für einige hunderttausend Euro errichtet. Nun ist die ANKA "herabgestuft" worden und soll nur noch für die heimischen Forscher betrieben werden. Sogar einige Strahlrohre samt Versuchseinrichtungen will man an (frühere) Wettbewerber verkaufen. Darüber hinaus drücken ANKA beträchtliche Altschulden für welches das betreibende Institut zur Hälfte aufkommen soll. Kein Wunder, das die KIT-Forscher an der ANKA total frustriert sind.
Aber auch andere Großprojekte kommen nicht in die Gänge, sondern leiden unter Terminverzögerungen bis zu einem Jahrzehnt (!). Zu nennen ist die bioliq-Anlage, bei der man mittels Pyrolyse Benzin aus Stroh produzieren will, sowie der Großversuch Katrin, an dem die Masse des Neutrinos gemessen werden soll. Bei bioliq ist es äußerst fraglich, ob das Verfahren die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreichen wird. Außerdem ist die preisgünstige Beschaffung von Abfallstroh angesichts der Konkurrenz der Biogasanlagen ein großes logistisches Problem. Die kernphysikalische Anlage Katrin wird wohl erst im nächsten Jahrzehnt Ergebnisse zeitigen. Spannend dürfte dann sein, ob es gelingt die absolute Masse zu bestimmen, oder ob nur die relative Massenbestimmung zustande kommt im Sinne von kleiner bzw. größer als... Letzteres wäre hochbedauerlich und dem hohen finanziellen Aufwand nicht angemessen.
Schlussendlich noch einige Fakten:
Die RWTH erhielt 2007 im Rahmen der Exzellenzinitiative den Status "Elite-Universität". Beim erneuten Wettbewerb im Jahr 2012 wurde ihr dieser Titel wiederum zuerkannt. Die Technische Universität Karlsruhe errang im Jahr 2007 ebenfalls den Titel Elite-Universität, verlor ihn aber 2012 wieder.
Das Forschungszentrum Jülich hat seit 2007 einen Nobelpreisträger in Physik vorzuweisen: Professor Peter Grünberg.
Ich kann mir vorstellen das bei der Entscheidung das KIT zu Gründen auch nach München geschaut wurde. Eine sehr enge Verzahnung von Forschungszentrum mit Uni (TU München) funktioniert dort sehr gut.
AntwortenLöschen