Sonntag, 25. Oktober 2015

Das Schweigen der Strom-Bosse

Im vielstimmigen, zuweilen schrillen, Chor der Diskutanten um die Energiewende und den Atomausstieg vermisst man den Beitrag der Chefs der großen deutschen Stromkonzerne. Aufgrund ihrer Position und der ihnen zugänglichen Informationen könnten sie argumentative Leitplanken setzen - aber sie wollen offenbar nicht. Das erstaunt, denn immerhin geht es bei der Umsetzung der Energiewende um das Wohl und Wehe ihrer Firmen, von denen RWE und E.ON schon nah am Rande der Insolvenz stehen sollen.


Noch am ehesten versteht man das Schweigen von Frank Mastiaux, dem Vorstandsvorsitzenden der EnBW. Dieses Unternehmen ist (nach dem Rückkauf des Aktienpakets von EdF) praktisch zu 99 Prozent im öffentlichen Besitz. Und da Baden-Württemberg seit 2011 von einer grün-roten Koalition regiert wird, ist sein gestalterischer Spielraum relativ gering. Außerdem mag er das Schicksal seines Vorgängers Utz Claassen im Gedächtnis haben, der nach etlichen Kontroversen mit den Gesellschaftern seinen Job nicht ganz freiwillig aufgeben musste und seitdem nichts Äquivalentes mehr gefunden hat. Auch die Manager von Vattenfall lasse ich aus der Betrachtung, die auf ihre Chefs in Stockholm zu hören haben und sich offensichtlich aus Deutschland zurückziehen wollen.


Schmerzlich vermisst man allerdings den rhetorischen Input von Peter Terium und Johannes Teyssen, beides Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Energieversorgungsunternehmen RWE und E.ON mit einem addierten Jahresgehalt von 11 Millionen Euro.  Sie lassen sich allenfalls gelegentlich in überregionalen Zeitungen zu Einzelthemen ihres Konzerns vernehmen; in den jährlichen Aktionärsversammlungen behaupten sie, voll hinter der Energiepolitik der Bundesregierung zu stehen. In der kritischen medialen Öffentlichkeit lassen sich Terium und Teyssen (abgekürzt T+T) vielfach unqualifiziert verdächtigen und beschimpfen, ohne eigene stichhaltige Argumente vernehmbar dagegen zu setzen. Einige Beispiele dafür möchte ich in den folgenden Abschnitten kurz anreißen.


Fehlerhaftes Konstrukt Energiewende

Die sogenannte Energiewende, von der Bundesregierung eingeläutet im März 2011 nach Fukushima und in Gesetze gegossen im Juni des gleichen Jahres ist mißkonstruiert. Die Abschaltung von acht großen Kernkraftwerke geschah spontan und ohne jegliche Absprache mit unseren EVU-Parntnern im europäischen Netzverbund. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit starker Ausrichtung auf die Nutzung von Wind und Sonne hat viele strukturelle Mängel.

T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...

-  dass die sofortige Abschaltung von acht Kernkraftwerken (sog. Moratorium) ohne technische Begründung dem Wortlaut des Atomgesetzes entgegen steht und daher gesetzeswidrig war...

-  dass das EEG ein reines Subventionsgesetz ohne jeden wettbewerbswirtschaftlichen Anreiz ist und deshalb nicht in das energiewirtschaftliche Konzept der Bundesrepublik passt...

-  dass derzeit jährlich 25 Milliarden an Umlagekosten von den Stromkunden aufgebracht werden muss mit steigender Tendenz...

-  dass das Festhalten an der Brennelementesteuer trotz Rücknahme der Laufzeitverlängerung vom Herbst 2010 illegitim war...

-  dass der "Flatterstrom" aus Wind und Sonne ohne saisonale Speicher zum erhöhten Einsatz der Kohlekraftwerke und zur Instabilität des Stromnetzes führen musste...

-  und, dass alles insgesamt die großen Stromkonzerne in die Nähe des Bankrotts bringen kann.

Dauerthema Entsorgung

Unter Entsorgung versteht man den Rückbau der Kernkraftwerke und die Verbringung der radioaktiven Abfälle in die Endläger. Von den Gegnern der Kernenergie - insbesondere im Ministerium Gabriel - wird immer wieder unterstellt, dass dies technisch nicht möglich sei, bzw. die finanziellen Mittel dafür nicht ausreichen würden. Beides ist beweisbar falsch. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn von den Manager der Stromkonzerne dies besser kommuniziert worden wäre.

T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...

-  dass die Verantwortung für die Entsorgung insoweit zweigeteilt ist, als die EVU für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke zuständig sind und die Bundesregierung - qua Atomgesetz - für die Bereitstellung der Endläger...

-  dass für den Rückbau der Atomkraftwerke hinreichend technische Erfahrungen vorliegen...

-  dass aber die Bundesregierung (nach der voreiligen Aufgabe von Gorleben) noch kein alternatives Endlager vorzuweisen hat und...

-  dass die rückgestellten 37 Milliarden Euro für die komplette Entsorgung aus heutiger Sicht voll ausreichend sind.

Fazit

Die beiden Vorstandsvorsitzenden Terium und Teyssen von RWE und E.ON meiden ganz offenkundig die öffentlichkeitswirksame Diskussion ihrer Angelegenheiten mit ranghohen Politikern. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild über die Auswirkungen der Energiewende und des Atomausstiegs. Zu vielen negativen Unterstellungen der Politiker zu Energiefragen schweigen sie einfach. Sie sind zu lammfromm. Was dabei herauskommt ist:

das Schweigen der Lämmer.

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