Sonntag, 13. September 2015

Der Tod des Sonnenkönigs

Unsere Nachbarn, die Franzosen, lieben ihre Herrscher weit mehr als wir Deutsche. In regelmäßigen Abständen gibt es bei der Grande Nation Umfragen derart: Wer war der berühmteste Staatsmann Frankreichs? Eine kürzliche Befragung brachte folgende Reihung zustande: 1. General des Gaulle - 2. Napoleon Bonaparte - 3. König Ludwig der Vierzehnte. Ob in Deutschland die vergleichbare Sequenz Adenauer/Bismarck/ Friedrich der Große erzielt werden würde, ist zumindest fraglich. Aber die Liebe der Franzosen zum jeweiligen Regenten hat offensichtlich auch ihre Grenzen. Immerhin wurde de Gaulle auf dem Höhepunkt seiner Macht abgewählt, Napoleon zwei Mal in die Verbannung geschickt und der Nach-Nachfolger von Ludwig XIV, der unglückliche Louis XVI (samt seiner Gemahlin Marie-Antoinette) sogar geköpft.

Louis XIV, dessen Tod sich am 1. September 2015 zum 300. Mal jährte, blieb Arges von seinen Zeitgenossen erspart - sofern man von den chirurgischen Malträtierungen seiner Ärzte absieht, die ihm beim Ziehen einiger Backenzähne gleich einen Teil des Unterkiefers mit herausrissen. Daraus resultierte auch die anschließende Vorliebe des Königs für pürierte Speisen. Louis, geboren 1638, war 72 Jahre lang König von Frankreich, die ersten Jahre allerdings unter der Regentschaft seiner Mutter und des diplomatisch außerordentlich versierten Kardinals Mazarin.

Kriegsherr, Bauherr und Mäzen der Kunst

Louis bezeichnete sich als "Sonnenkönig" (le Roi-Soleil) und niemand sollte es wagen, die Sonne zu verdunkeln. Um das zu verhindern führte er eine Unzahl von Kriegen. Vor allem gegen die Habsburger, aber auch gegen die Spanier und die Niederländer, welche seine Invasionen zeitweise nur dadurch verhindern konnten, dass sie ihre Deiche anstachen und ihr Land fluteten. Schlimm war der Heerzug gegen die Pfalz, der mit der Zerstörung von Heidelberg, Worms und Speyer endete und der völligen Auslöschung von Mannheim. Kein Ruhmesblatt für Ludwig waren auch seine Kriege gegen die Hugenotten, welche die Vertreibung von ca. einer Viertelmillion Protestanten zur Folge hatte, die zumeist der Lehre von Johannes Calvin anhingen. Der König agierte nach dem Motto cuius regio, eius et religio: ein Land, eine Konfession - und zwar die des Herrschers.


Ludwig XIV (1638 - 1715)

Als Bauherr war Ludwig XIV unübertroffen. Das kleine Jagdschloss Versailles, südwestlich von Paris in einer sumpfigen Gegend gelegen, wurde unter ihm für eine gigantische Geldsumme zu einem pompösen Schloss mit Spiegelsaal und weitläufigen Garten ausgebaut. Gleichzeitig diente Versailles als eine Art Kaserne für den französischen Hochadel, die Louis dort unter Kontrolle hielt. Zur Morgentoilette (lever) und beim abendlichen Zubettgehen (coucher) bestand für die Adeligen Präsenzpflicht. Die jeweiligen Favoriten unter ihnen durften für den König den pot de chambre halten und waren mächtig stolz darauf. Kein Wunder, dass es in den prunkvollen Räumen und Sälen von Versailles immer etwas "streng" roch, gab es doch nur wenige Abtritte und Plumpsklos.

Trotz der vielen Kriege und der unglaublichen Verschwendungssucht für Bauten, erreichte Frankreich unter Louis Quatorze auch auf dem Gebiet der Kultur und der Wissenschaften die Vorherrschaft in Europa. Die Schriftsteller Moliere und Racine wurden an den königlichen Hof geholt und durften dort ihre Dramen aufführen - auch wenn sie implizit manch leise Kritik am Absolutheitsanspruch des Monarchen erkennen ließen. Mit viel Aufwand wurde auch die (französische) Oper gefördert sowie die Ballettkunst, der sich gelegentlich sogar Seine Majestät selbst hingab. Schließlich gründete Ludwig - als erster in Europa! - wissenschaftliche Akademien für die Bildhauerei, die Malerei, die Architektur und die Naturwissenschaften.

Das Ende

Die Kriegszüge, an denen sich Ludwig, hoch zu Ross, fast stets beteiligte und die Völlerei bei Essen forderte zunehmend ihren Tribut. Ab 1713, zwei Jahre vor seinem Tod, war Ludwig, nun im 75. Lebensjahr, meist an den Rollstuhl gefesselt. Häufige Gichtanfälle bereiteten ihm heftige Schmerzen. Aber der König ertrug sie mit Gefasstheit und Gelassenheit. Das damalige Menschenideal der französischen Klassik - des honnête homme - lebte er seinen Zeitgenossen vor. Aber die Krankheitssymptome wurden immer vielfältiger. Leibschmerzen und häufige Übelkeit gesellten sich dazu, ebenso wie Wundbrand am Bein. Seine Ärzte wollten dies mit Eselsmilch bekämpfen, was zwar keinen Erfolg zeitigte, aber glücklicherweise die Schmerzen auch nicht verstärkte. Der königliche Leidenszustand war das Gespräch an den europäischen Höfen; die Londoner Buchmacher nahmen Wetten auf den Zeitpunkt seines bevorstehenden Todes an.

Was Ludwig ganz besonders plagte, war der Umstand, dass er keine direkten Nachkommen hatte. Alle seine Kinder und Enkel waren vorzeitig gestorben. Die Krone musste dem (1713) dreijährigen Urenkel Louis übergeben werden. Als Regenten bis zu dessen Volljährigkeit bestimmte Louis XIV den Herzog Philipp von Orléans. Da er diesem Adeligen nicht sonderlich vertraute, setzte er ein kunstvoll formuliertes Testament auf, mit welchem er die Kompetenz der zukünftigen Regenten einschränken wollte. Die letzten zwei Lebensjahre dachte Ludwig zunehmend kritisch über seine früheren Taten nach. "Ich habe zu viele Kriege geführt und zu viel Geld für Bauten verschwendet", gestand er ganz offen seiner Umgebung.

Als die Krankheiten ihn aufs Lager bannten, sagte er: "Nun kommt die Stunde des Todes". Er fing an, sich von seinen wichtigsten Höflingen zu verabschieden. Je nach Rang waren diesen 5 bis 15 Minuten zugemessen; seiner Frau, der Marquise de Maintenon, gestattete er, die ganze Zeit am Fuße seines Bettes zu verweilen. Was Ludwig verborgen blieb - aber vielleicht ahnte - war, dass diese Adeligen sich sofort um die Gunst des Herzogs von Orléans bemühten und nur noch auf das physische Ende des Sonnenkönigs warteten. Das kam am Sonntag, dem 1. September 1715. Mit großem Pomp wurde Louis XIV in der Pariser Abteikirche Saint Denis bestattet, der Grablege für die französischen Könige. Strengste Trauer war angeordnet, aber auf den Straßen von Paris lachte und sang das Volk. Die erste Maßnahme des Regenten Philipp war, das er Ludwigs Testament kassierte und für ungültig erklären ließ!

Die Auslöschung

Doch der bedeutendste König der französischen Geschichte fand in seinem Grabmal keine ewige Ruhe. Im Zuge der Französischen Revolution wurde er 1793 (zusammen mit den anderen bourbonischen Königen) aus seinem steinernen Grab gezerrt und seine sterblichen Überreste in ein Massengrab geworfen. Darüber ausgestreuter Kalk sorgte für die rasche Auslöschung der königlichen Gebeine. Nur die Kupferplatte seines Sargs tauchte später wieder auf: in einer Herberge in Saint-Denis, wo sie für den Boden eines Kochtopfs verwendet wurde.

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