Das KKW Sendai ist an der Südspitze Japans gelegen und besteht aus zwei Druckwasserreaktoren von jeweils 890 Megawatt Leistung. Sie werden vom Energieversorgungsunternehmen Kyushu Electric Power betrieben, das vorzugsweise den Süden Japans mit Strom versorgt. Beide Blöcke wurden, wie die übrigen Atomkraftwerke Japans, nach dem Unfall von Fukushima im März 2011 stillgesetzt. Ihre Wiederinbetriebnahme bedeutet den Neustart der japanischen Kernenergiewirtschaft nach fast viereinhalb Jahren erzwungener Pause.
Strenge Sicherheitsüberprüfungen
Im Gefolge von Fukushima ordnete der damalige japanische Premierminister Naoto Kan im Juli 2011 den Ausstieg seines Landes aus der Kernenergie bis zum Jahr 2040 an. Sein Nachfolger Yoshihiko Noda weichte diesen Beschluss auf und nahm die zwei Blöcke des KKW Oi wieder in Betrieb, da eine regionale Stromknappheit drohte. Dessen Nachfolger Shinzo Abe kippte die Anordnungen seiner zwei Vorgänger und gab bereits an seinem ersten Arbeitstag bekannt, dass er die Wiederinbetriebnahme der abgeschalteten Atomkraftwerke anstrebe, sobald die technischen Überprüfungen positiv verlaufen seien. Die Mehrheit der Japaner steht - trotz einer lautstarken Minderheit - hinter diesem Beschluss.
Die neu organisierte Aufsichts- und Genehmigungsbehörde (Nuclear Regulatory Authority - NRA) wurde mit der Aufgabe betraut, alle Kernkraftwerke von Grund auf sicherheitstechnisch zu überprüfen. Dies betraf u. a. die Basisauslegung, aber auch die detaillierte Spezifikation der Komponenten hinsichtlich ihrer Festigkeit. Als Lehre aus dem Unfall in Fukushima wurden auch die Managementsysteme der Betreiber im Falle von Kernschmelzen untersucht.
Im politischen Bereich wurde den regionalen und kommunalen Behörden am Standort (u. a. den Präfekturen) mehr Mitsprache eingereicht. Dies betraf vor allem die Evakuierungspläne bei großflächigen Kontaminationen. Dieser politische Prozess sowie die oben genannten technischen Evaluierungen dauerten bei allen Kraftwerken mehrere Jahre. Im Falle von Sendai 1 und 2 lag die Zustimmung der NRA für den Neustart bereits im September 2014 vor; die Diskussionen mit den lokalen Behörden nahmen noch ein weiteres dreiviertel Jahr in Anspruch.
Datenblatt der japanischen Kernkraftwerke
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Wirtschaftliche Auswirkungen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der politisch verfügten Abschaltung der Kernkraftwerke waren für die Energieversorgungsunternehmen (EVU) sehr einschneidend. Große Mengen an fossilen Brennstoffen mussten plötzlich auf dem Weltmarkt eingekauft werden. Im Jahr 2014 allein beliefen sich die Ausgaben dafür auf (umgerechnet) ca. 30 Milliarden Euro. Hinzu kamen die Auflagen der NRA zur Nachrüstung der Anlagen. Höhere Dämme gegen das Meerwasserwaren waren zu errichten und bessere Notstrompumpen sowie Dieselaggregate mussten beschafft werden. Diese Kostenposition erreichte im vergangenen Jahr ca. 15 Milliarden Euro. Die EVU versuchten bei den Kosten für die Wartung der Stromnetze zu sparen, was sich aber in der Zukunft als Fehlkalkulation herausstellen könnte.
Für die Stromkunden brachte der Umstieg von nuklearer auf fossile Energie deutliche Mehrkosten. Die Strompreise erhöhten sich für die privaten Verbraucher um 20 Prozent, für die Industriekunden gar um 30 Prozent. Damit erreichten sie zwar noch nicht das deutsche Kostenniveau, sind aber dennoch doppelt so hoch wie im benachbarten Südkorea. Dies führt mittlerweile zur Abwanderung japanischer Industriebetriebe in dieses Land und andere asiatische Billigländer.
Ausblick
Welche der 48 kommerziellen Atomkraftwerke nach Sendai wieder zum Betrieb zugelassen werden, ist derzeit noch nicht beschlossen. Die größten Chancen haben die Blöcke Takahama 3 und 4 im südlichen Westen, deren Sicherheitsauslegung die NRA bereits akzeptiert hat. Aber noch haben die umgebenden Präfekturen der Wiederinbetriebnahme nicht zugestimmt. Die Stadt Kyoto hat dem Betreiber Kansai Electric sogar ein zusätzliches spezielles und sehr rigides Sicherheitsabkommen abgerungen. In weiterer Zukunft könnten die Atomkraftwerke Ikata (betrieben von Shikoku Power) und Genkai (Kyushu Power) zum Betrieb zugelassen werden.
Im allgemeinen sind Japans Kernkraftwerke auf eine Lebensdauer von 40 Jahren lizensiert. Nicht wenige der Anlagen sind diesem Grenzwert bereits sehr nahe, beispielsweise Takahama 1 und 2, beides 830 MW Blöcke, die auf eine Lebenszeit von (fast) 40 Jahre bzw. 39 Jahre zurückblicken. Ihre Genehmigung zum verlängerten Betrieb wird nicht leicht sein, denn die NRA hat bereits angekündigt, dass die Auflagen für diese Altanlagen noch strenger sein werden, als im bisherigen Verfahren. So werden beispielsweise alle Kabel zu erneuern sein, was mit horrenden Kosten verbunden ist. Der Betreiber wird sich genau überlegen müssen, ob sich die Nachrüstung lohnt - und ob er dafür die nötige Manpower hat.
Viel diskutiert wird derzeit in Japan der zukünftige Stellenwert der Kernenergie. Bislang lieferte diese 30 Prozent des Bedarfs, aber es ist einhellige Meinung, dass sich ihr Anteil - angesichts vieler Altanlagen - reduzieren wird. Die landeseigenen Alternativen zur Stromerzeugung sind sehr limitiert: die Wasserkraft wird in ihrer Kapazität auf rd. 10 Prozent abgeschätzt, den erneuerbaren Energien traut man gar nur 1 bis 2 Prozent zu. Ein Großteil an (fossilen) Brennstoffen muss weiterhin eingeführt werden.
Das alles zusammen genommen lässt die Energiewirtschaftler vermuten, dass im Jahr 2030 der nukleare Anteil an Japans Stromerzeugung auf 15 bis 25 Prozent absinken wird.
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