FAIR - ein riesiges Projekt
Man wollte die thematische Monokultur der superschweren Kerne verlassen und sich der programmatischen Vielfalt der modernen Kernphysik öffnen. Die negativ geladenen Antiprotonen sollten dabei eine besondere Rolle spielen. Das Projekt FAIR - "Facility for Antiproton and Ion Research" wurde 2003 vorgestellt und der damalige Geschäftsführer Horst Stöcker versprach, die Physik des Universums ins Labor zu holen. Apparatives Kernstück von FAIR waren zwei große Beschleunigerringe von 1.100 Metern Umfang, die übereinander gemeinsam in einem unterirdischen Tunnel verlaufen sollten. Dem noch vorhandenen Beschleuniger des GSI war nur noch die dienende Rolle des Vorbeschleunigers zugedacht. An die beiden großen Beschleunigerringe sollte sich ein hochkomplexes System von weiteren Speicherringen und Experimentierstationen anschließen, wie in der untenstehenden Skizze veranschaulicht. FAIR sollte aus vier großen Unterprojekten bestehen und 3.000 Wissenschaftlern und Technikern Beschäftigung bieten. CERN lässt grüßen!
Bild 1: Aufbau der geplanten Beschleunigeranlage FAIR (rot), die an die existierenden GSI-Beschleuniger (blau) angeschlossen wird.
Das Forschungsministerium in Berlin und das Sitzland Hessen waren bereit 75 Prozent der Projektkosten zu tragen; die restlichen 25 Prozent sollten von internationalen Partnern beigesteuert werden. So kam es im Oktober 2010 zur Gründung der "FAIR-GmbH", der (neben Deutschland) die Länder Finnland, Frankreich, Indien, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Slowenien und Großbritannien angehörten. Russland ist in diesem Verbund der stärkste ausländische Partner; das Land verpflichtete sich zur Zahlung von 174 Millionen Euro und zur Lieferung der supraleitenden Magnete. Demzufolge wurde Boris Scharkow zum wissenschaftlichen Geschäftsführer der FAIR-GmbH bestellt.
Technische Probleme, Mehrkosten, Terminverzögerungen
Die bautechnischen Probleme zeigten sich schon bald nach der Gründung der FAIR-Gesellschaft. Testbohrungen im Gelände der beiden großen Beschleunigerringe ergaben, dass der Untergrund nicht - wie erwartet - felsig war, sondern aus leichtbeweglichem Sand und Ton bestand. Er musste durch 1.400 Bohrpfähle aus Stahlbeton bis in eine Tiefe von 60 Metern verfestigt werden, eine schwierige Arbeit, die bis zum Jahr 2014 andauerte. Da die ausländischen Partnerländer nicht bereit waren, zusätzliche Millionen "in Beton" zu investieren, mussten der Bund und das Land Hessen diese Mehrkosten (über 100 Millionen Euro) alleine tragen.
Bild 2: Luftaufnahme aus dem Sommer 2013: Darauf ist die 20,8 Hektar große
Rodungsfläche neben der bestehenden Forschungsanlage des GSI
Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung zu sehen.
Inzwischen sind die Projektkosten für FAIR kontinuierlich angestiegen. Bei Planungsbeginn rechnete man noch mit 675 Mio Euro; bis 2010 stiegen sie über 940 auf 1.200 Mio Euro an. Nunmehr, im Jahr 2015, liegt der offizielle Preis für FAIR bei 1.600 Mio Euro. Inoffiziell schätzen kundige Experten die Projektkosten eher auf 1.800 Mio - und die "Realisten" gehen sogar von über 2 Milliarden aus.
Analog zu den Kosten hat sich auch der Terminplan verschoben. Ursprünglich sollte der erste Ionenstrahl im Jahr 2016 kreisen, nun rechnet man - offiziell! - mit 2018. Sachkundige Beschleunigerfachleute halten es, angesichts des langsamen Baufortschritts, für wahrscheinlicher, dass die Inbetriebnahme der komplexen Anlage nicht vor dem Jahr 2025 stattfinden wird.
Gutachter verbreiten Schrecken
Die preisliche und terminliche Schieflage des Projekts FAIR bereitete Ende 2014 im Forschungsministerium in Berlin (BMBF) große Sorgen. Der Aufsichtsratsvorsitzende von FAIR, Dr. Georg Schütte, gleichzeitig Staatssekretär im BMBF, reagierte wie dies immer in solchen Fällen geschieht: er richtete einen Gutachterkreis ein, der den Gründen für diese Probleme nachgehen und Vorschläge zu deren Beseitigung machen sollte. Mit der Leitung beauftragte er Professor Rolf-Dieter Heuer, den (deutschen) Generaldirektor des CERN in Genf.
In ihrem Bericht Anfang des Jahres 2015 kam diese Kommission zu dem Schluss, dass FAIR wissenschaftlich sehr gut, aber organisatorisch und strukturell kritisch zu bewerten sei. Im Umfeld dieses Statements kam es zu einem Revirement bei der Geschäftsführung und bei der Bauleitung. Im Februar 2015 trafen Heuers Gutachter die Vertreter der vier großen Forschungsprogramme an FAIR; dabei wurde abgeschätzt, wie sich deren internationale Wettbewerbsfähigkeit entwickeln würde, falls sich FAIR bis 2025 verzögert. In den Empfehlungen, welche die Kommission Mitte April veröffentlichte, wurde das Antiprotonenprogramm PANDA mit der geringsten Priorität versehen. Die Gutachter waren der Meinung, dass PANDA bei dieser angenommenen großen Verzögerung erhebliches Entwicklungspotential an konkurrierende Gruppen in Genf, sowie in USA und in Japan verlieren würde. Die hohen Kosten dieses Teilprojekts seien deshalb nicht zu rechtfertigen.
Seitdem tobt eine heftige Diskussion. Die 500 Wissenschaftlicher, welche seit 10 Jahren an PANDA arbeiten, bombardieren Georg Schütte mit Briefen und Eingaben, sowie mit der Forderung, das Ranking der vier Teilprojekte nochmals zu überdenken. Ob das geschehen wird, darf bezweifelt werden. Ziemlich sicher wird sich das oberste FAIR-Gremium, der "Council" demnächst mit der Angelegenheit befassen und die endgültige Entscheidung treffen. Es könnte das Ende des eigentlich interessantesten Teilprojekts von FAIR bedeuten.
Gemäß dem alten Sprichwort: Wer zu spät kommt, den bestrafen die Götter.
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