Die Umfragen beweisen es: in ihrer vitalen Lebensphase bereisen die Menschen den halben Globus - aber sterben möchten sie zuhause. Abgesehen von der bäuerlichen Landbevölkerung, ist dies heute nur noch wenigen vergönnt. Die meisten Menschen sterben in Krankenhäusern, Pflegestationen und Altenheimen. Häufig in den Operationssälen oder Intensivstationen, mit Kabeln und Schläuchen angeschlossen an blinkende Apparate. Die kurative Medizin bemüht sich dort um sie oft bis zum Lebensende. Häufig erleiden sie einen einsamen Tod.
Aber seit einigen Jahren ändert sich das. Mehr und mehr öffnen sich die Krankenhäuser - beispielsweise die Städtische Klinik Karlsruhe oder das Vincentiuskrankenhaus - den Bedürfnissen der Schwerkranken, denen keine ärztliche Hilfe mehr Heilung verschaffen kann, die - in der Fachsprache - "austherapiert" sind. Dies geschieht durch den Aufbau von Krankenstationen, bei denen die Patienten, welche auf dem Sterbeweg sind, palliative Schmerztherapie, Pflege und Sterbebegleitung durch stationäre oder ambulante Hospizmitarbeiter erfahren. Neben diesen stationären Palliativstationen gibt es auch die "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (SAPV) oder die "Brückenschwestern".
Andernorts entstehen stationäre Hospize, die in der Art von kleinen Pflegeheimen mit wenigen Zimmern die Schwerstkranken von den Krankenhäusern oder aus überlasteten Familien aufnehmen und sie bis zum Tode begleiten. In der Region Karlsruhe befinden sich solche stationären Hospize in Ettlingen oder bei Baden-Baden. Die organisatorischen Träger sind in der Regel die Caritas oder die Diakonie. Finanziert werden diese Hospize durch die Krankenkassen und durch Spenden. Jeder Versicherte hat bei Vorliegen einer entsprechenden Diagnose einen Anspruch auf Hospizleistungen.
Die Sterbebegleiter und ihre Ausbildung
Die Sterbebegleitung wird fast ausschließlich durch Ehrenamtliche geleistet. In Baden-Württemberg gibt es rd. 6.000, in der Region Karlsruhe rd. 70 Menschen, die sich für ambulante oder stationäre Hospizdienste zur Verfügung stellen. Zu zwei Dritteln sind es Frauen jeglichen Alters, aber auch das Interesse der männlichen Bevölkerung ist im Steigen. In Karlsruhe gibt es sogar einen (emeritierten) 71-jährigen Physikprofessor und einen 30-jährigen Doktoranden der Elektrotechnik, welche sich zur Begleitung sterbender Menschen zur Verfügung gestellt haben. Im einen Fall war es das Bedürfnis im Ruhestand noch einmal "etwas ganz anderes" für die Gesellschaft zu tun, im anderen Fall wurde ein emotionaler Ausgleich zur rationalen beruflichen Tätigkeit gesucht.
Jeder, der Neigung für diese "Arbeit" hat, kann sich ohne Scheu für den Hospizdienst bewerben. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter werden auf ihre künftige Tätigkeit sehr sorgfältig vorbereitet. Dies geschieht mit Wochenendseminaren und Vorträgen sowie mit einem Praktikum z. B. in einem stationären Hospiz oder in einer Palliativstation. Einmal im Monat treffen sich diese Mitarbeiter zu einer Art Gruppentherapie, der Supervision. Dort kann jeder von seinen Problemen aus der Begleitung oder von privaten Sorgen erzählen. Stirbt der Patient dann geht in der Regel der Hospizmitarbeiter mit zur Beerdigung und trifft sich (im Sinne einer Nachsorge) noch einige Male mit den Angehörigen.
Vom Leben zum Tod
Etwa ein bis zwei Mal pro Woche besucht der ausgebildete Ehrenamtliche von der Hospizorganisation einen Schwerkranken oder Sterbenden manchmal über Wochen oder Monate. Die "Zuordnung" leitet dabei eine hauptamtliche Hospizmitarbeiterin nach ihrem Erstbesuch mit viel Fingerspitzengefühl für beide Seiten ein. Der erste Besuch der oder des Ehrenamtlichen mag mit einer gewissen Nervosität verbunden sein, die sich aber in der Regel bald legt. Das wichtigste für den Sterbebegleiter ist, dass er ZEIT mitbringt. Zeit, Zeit und nochmals Zeit! Das unterscheidet ihn von den Ärzten und dem Pflegepersonal, welche zumeist in einen engen, getakteten Terminplan für viele Patienten da sein müssen.
Wie man den Kontakt zum Schwerkranken findet, darüber gibt es kein Patentrezept. Manchmal genügt es schon, wenn der Hopizmitarbeiter neben dem Bett des Patienten sitzt und ihm das Gefühl vermittelt, dass er nicht allein ist und, dass er nicht nach zwei Minuten wieder verlassen wird. Aus dieser ursprünglichen Idee der "Sitzwache" ist, ausgehend von England, die Hospizbewegung in den achziger Jahren in Deutschland entstanden. Die Gespräche im Sterbezimmer sind weder poetisch noch intellektuell. Für den Sterbebegleiter heißt es: aufnehmen, was da ist, darauf eingehen, damit arbeiten. Der Patient macht die Regeln, gibt die "Tagesordnung" vor. Es ist die Aufgabe des/der Ehrenamtlichen das zu begleiten, was er "vorfindet".
So ergeben sich die Gespräche meist von selbst und ranken häufig um banale Dinge. Oft erzählt der Kranke von Vorfällen in seinem Leben, die er nicht bewältigt hat und die er in den letzten Stunden noch sortieren und loswerden möchte. Allerdings: Sterbende brauchen ein stabiles Gegengewicht. Wer psychisch mit sich selbst nicht im Einklang ist, kann ihnen nicht frei und unbefangen begegnen. Am Lebensende spüren die Menschen Ängste und Befürchtungen des anderen recht schnell. Aber, wenn es gut läuft, profitieren von der Sterbebegleitung beide Seiten.
Sterben ist ein Prozess, der sich oft über Tage und Wochen hin zieht. Der Mensch stirbt nicht auf einen Schlag, sondern die Organe stellen meist nach und nach die Arbeit ein, häufig zuallererst das Gehirn. Danach bricht die Koordination des Körpers zusammen. Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf hat es einmal beschrieben als "die Mitteilung des Universums an das Individuum, dass es nicht mehr gebraucht wird". Herrndorf war knapp fünfzig, als ihn ein besonders heimtückischer Hirntumor überfiel. Dreieinhalb Jahre hat er mit diesem Krebs überlebt und unsentimental darüber geschrieben:
"Ein großer Spaß, dieses Sterben. Nur das Warten nervt".
Sonntag, 20. Dezember 2015
Samstag, 12. Dezember 2015
Die WAK investiert in den Abriss
Normalerweise denkt man beim Abriss kerntechnischer Anlagen nicht an Neuinvestitionen. Diesen Weg geht die WAK GmbH jedoch - gezwungenermaßen - im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe beim Rückbau von zwei Kernkraftwerken (KNK, MZFR), einem Reaktor (FR 2) den sog. Heißen Zellen (HZ) und der Wiederaufarbeitungsanlage WAK. Die Zwischenläger für mittel- und leichtaktiven Abfall sind nämlich randvoll und neue Läger werden gebraucht. Neben dem schon lange im Zentrum existierenden Zwischenlager entstehen in den kommenden Jahren zwei neue Läger für genau diese Abfallkategorien. Der Grund für die Neubauinvestitionen ist, dass der Bund das Endlager Konrad in Niedersachsen immer noch nicht bereitstellen konnte.
Ein neues Format der Information
Am 19. November 2015 wurde im Bürgerhaus der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten eine Informationsveranstaltung zu den geplanten Lagererweiterungen abgehalten. Sie kam bei den ca. 150 Besuchern sehr gut an, weil sie exzellent vorbereitet war. Eine große Anzahl bereits vorher eingereichter Fragen waren samt Antworten an den Schautafeln der Saalwände schon direkt ablesbar. Dazu kamen ein halbes Dutzend "hand-outs", auf denen in Wort und Bild auf die Planungen der WAK im Detail Bezug genommen wurde. Schließlich waren für die wichtigsten Themenfelder kompetente Fachleute aufgeboten, die an "Besprechungsinseln" auf zusätzliche, persönliche Fragen der Besucher eingehen konnten. Die Bautechnik, das Genehmigungsverfahren, der Strahlenschutz und die Entsorgung standen dabei im Vordergrund. Manche ortsbekannte Kernenergiegegner waren aber gerade mit diesem Präsentationsformat unzufrieden. Kein Wunder, konnten sie doch ihre (altbekannten und schon hundert Mal beantworteten) Fragen nicht mehr so wirkungsvoll und lautstark im Plenum coram publico artikulieren.
Die Zwischenläger für radioaktives Material sind im ehemaligen Kernforschungszentrum seit Ende der 1970er-Jahre mehrfach erweitert worden. Sie betragen derzeit 77.400 Kubikmeter für schwachradioaktive Abfälle, die in 77.500 Fässern und 13.500 Behältern verpackt sind. Ein Teil der Fässer sind an der Innenseite korrodiert. Sie werden ständig beobachtet und gegebenenfalls ausgetauscht. Das Lager für mittelradioaktive Abfälle ist auf ein Volumen von 700 Kubikmeter ausgelegt. Beide Lagergebäude sind nahezu vollständig gefüllt.
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Zwischenlägern soll ein neues Lagergebäude für schwachradioaktive Abfälle errichtet werden. Es wird folgende Dimensionen haben: 120 m lang, 23 m breit, 22 m hoch. Die Wanddicke beträgt 0,8 m. Zusammen mit den bestehenden Lagerkapazitäten wird damit ein Bedarf von 98.000 Kubikmeter abgedeckt. In direkter Nähe wird ein weiteres Lager für mittelradioaktive Abfälle errichtet. Seine Dimensionen sind: 40 m lang, 39 m breit, 11 m hoch. Die Wanddicke beträgt 1,8 m. Das neue Lager hat das gleiche Volumen wie das bereits bestehende, nämlich 700 Kubikmeter. Die beiden Gebäude sollen bis 2020 betriebsbereit sein und werden ca. 60 Millionen Euro kosten.
Das Endlager Konrad, ein Trauerspiel
Die beschriebenen neuen Läger wären nicht notwendig, wenn es das deutsche Bundesendlager "Konrad" geben würde. Der sogenannte Schacht Konrad, benannt nach einem früheren Manager, ist ein stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk bei Salzgitter in der Nähe von Braunschweig. Im Jahr 1975 traf man den Beschluss, Konrad zum Endlager für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung in tausend Metern Tiefe umzubauen. (In Gorleben war die Lagerung des hochradioaktiven Atommülls vorgesehen). Wegen vieler Einwendungen dauerte das Planfeststellungsverfahren fast 20 Jahre. Nach weiteren fünf Jahren juristischer Streitigkeiten vor den Gerichten wurde die Genehmigung im März 2007 letztinstanzlich bestätigt. Seitdem wird am Umbau des Bergwerks gearbeitet, wobei die Einlagerungstermine immer wieder hinausgeschoben werden. Derzeit glaubt man, die ersten Fässer im Jahr 2022 in Konrad deponieren zu können; festlegen möchte sich das Bundesamt für Strahlenschutz jedoch noch nicht. Die gesamten Planungs- und Baukosten sind mittlerweile bei fast drei Milliarden Euro angelangt.
Inzwischen lagert ein Großteil der deutschen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle - oberirdisch(!) - im Zwischenlager des früheren Kernforschungszentrums, jetzt KIT Campus Nord. In unmittelbarer Nähe bewegen sich ständig 4.000 Mitarbeiter, neuerdings sind noch 1.100 Migranten hinzu gekommen. Die Strahlenschutzrisiken für diese Personen werden praktisch negiert, bei Konrad hingegen werden ständig neue Einwendungen vorgebracht zum Risiko der Reststrahlung in einem Kilometer Tiefe. Welch eine irrsinnige Diskussion!
Lange Zeitskalen
Die Nichtverfügbarkeit des Endlagers Konrad ist im Kern die Ursache dafür, warum es so schrecklich lange dauert, bis die eingangs genannten Bauwerke bis hin zur Grünen Wiese abgerissen sind.
Der Technische Geschäftsführer der WAK, Professor Manfred Urban, hat bei der Linkenheimer Informationsveranstaltung "entschuldigend" darauf hingewiesen, dass er noch im Kindergarten war, als WAK, KNK etc. gedanklich auf die Schiene gelegt wurden. Legt man die in der obigen Grafik vermerkten Rückbautermine (mitte der zwanziger Jahre, einschliesslich noch zu erwartender Verzögerungen) zugrunde, so wird der Professor den Abriss der ihm anvertrauten Projekte in seiner Berufszeit wohl kaum mehr erleben - außer, die Bundesregierung erhöht das Rentenalter exzessiv, was angesichts der sich abzeichnenden Finanzprobleme nicht ganz ausgeschlossen ist.
Aber auch die direkten Abkömmlinge (Söhne, Töchter) der heute dort arbeitenden Mannschaft wird in Rente sein, wenn die Abfallfässer zur Gänze abtransportiert sind. Allenfalls jemand aus der Enkelgeneration könnte in den Genuss kommen, den Komplettabriss und die Verfrachtung nach Konrad stolz der regionalen Bevölkerung präsentieren zu dürfen. Vermutlich ist dieser Projektleiter in spe heute noch nicht geboren.
Aber gemach! Diese langen Zeitskalen bergen nicht nur Mehrkosten, sondern auch potentielle Ersparnisse. Radioaktives Material hat nämlich die gute Eigenschaft mit der Zeit abzuklingen und "ungefährlicher" zu werden. Bereits jetzt strahlen die Fässer des hiesigen Zwischenlagers - verglichen mit 1990, dem Zeitpunkt der Stilllegung der WAK - nur noch mit halber Intensität, wobei Cäsium und Strontium als Leitnuklide betrachtet werden. Und nach zwei weiteren Halbwertszeiten wird die anfängliche Aktivität sogar auf fast ein Zehntel abgeklungen sein.
Damit eröffnet sich die Möglichkeit, ab dem Jahr 2060 das radioaktive Material nicht mehr in teuer abgeschirmten Containern nach Niedersachsen zu verfrachten, sondern möglicherweise preiswert als DHL-Pakete oder gar via Amazon.
Der Anlagenrückbau sowie der Lagerbetrieb
im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe
samt voraussichtlicher Erledigung
Ein neues Format der Information
Am 19. November 2015 wurde im Bürgerhaus der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten eine Informationsveranstaltung zu den geplanten Lagererweiterungen abgehalten. Sie kam bei den ca. 150 Besuchern sehr gut an, weil sie exzellent vorbereitet war. Eine große Anzahl bereits vorher eingereichter Fragen waren samt Antworten an den Schautafeln der Saalwände schon direkt ablesbar. Dazu kamen ein halbes Dutzend "hand-outs", auf denen in Wort und Bild auf die Planungen der WAK im Detail Bezug genommen wurde. Schließlich waren für die wichtigsten Themenfelder kompetente Fachleute aufgeboten, die an "Besprechungsinseln" auf zusätzliche, persönliche Fragen der Besucher eingehen konnten. Die Bautechnik, das Genehmigungsverfahren, der Strahlenschutz und die Entsorgung standen dabei im Vordergrund. Manche ortsbekannte Kernenergiegegner waren aber gerade mit diesem Präsentationsformat unzufrieden. Kein Wunder, konnten sie doch ihre (altbekannten und schon hundert Mal beantworteten) Fragen nicht mehr so wirkungsvoll und lautstark im Plenum coram publico artikulieren.
Die Zwischenläger für radioaktives Material sind im ehemaligen Kernforschungszentrum seit Ende der 1970er-Jahre mehrfach erweitert worden. Sie betragen derzeit 77.400 Kubikmeter für schwachradioaktive Abfälle, die in 77.500 Fässern und 13.500 Behältern verpackt sind. Ein Teil der Fässer sind an der Innenseite korrodiert. Sie werden ständig beobachtet und gegebenenfalls ausgetauscht. Das Lager für mittelradioaktive Abfälle ist auf ein Volumen von 700 Kubikmeter ausgelegt. Beide Lagergebäude sind nahezu vollständig gefüllt.
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Zwischenlägern soll ein neues Lagergebäude für schwachradioaktive Abfälle errichtet werden. Es wird folgende Dimensionen haben: 120 m lang, 23 m breit, 22 m hoch. Die Wanddicke beträgt 0,8 m. Zusammen mit den bestehenden Lagerkapazitäten wird damit ein Bedarf von 98.000 Kubikmeter abgedeckt. In direkter Nähe wird ein weiteres Lager für mittelradioaktive Abfälle errichtet. Seine Dimensionen sind: 40 m lang, 39 m breit, 11 m hoch. Die Wanddicke beträgt 1,8 m. Das neue Lager hat das gleiche Volumen wie das bereits bestehende, nämlich 700 Kubikmeter. Die beiden Gebäude sollen bis 2020 betriebsbereit sein und werden ca. 60 Millionen Euro kosten.
Das Endlager Konrad, ein Trauerspiel
Die beschriebenen neuen Läger wären nicht notwendig, wenn es das deutsche Bundesendlager "Konrad" geben würde. Der sogenannte Schacht Konrad, benannt nach einem früheren Manager, ist ein stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk bei Salzgitter in der Nähe von Braunschweig. Im Jahr 1975 traf man den Beschluss, Konrad zum Endlager für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung in tausend Metern Tiefe umzubauen. (In Gorleben war die Lagerung des hochradioaktiven Atommülls vorgesehen). Wegen vieler Einwendungen dauerte das Planfeststellungsverfahren fast 20 Jahre. Nach weiteren fünf Jahren juristischer Streitigkeiten vor den Gerichten wurde die Genehmigung im März 2007 letztinstanzlich bestätigt. Seitdem wird am Umbau des Bergwerks gearbeitet, wobei die Einlagerungstermine immer wieder hinausgeschoben werden. Derzeit glaubt man, die ersten Fässer im Jahr 2022 in Konrad deponieren zu können; festlegen möchte sich das Bundesamt für Strahlenschutz jedoch noch nicht. Die gesamten Planungs- und Baukosten sind mittlerweile bei fast drei Milliarden Euro angelangt.
Das Endlager Konrad in der Draufsicht
Inzwischen lagert ein Großteil der deutschen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle - oberirdisch(!) - im Zwischenlager des früheren Kernforschungszentrums, jetzt KIT Campus Nord. In unmittelbarer Nähe bewegen sich ständig 4.000 Mitarbeiter, neuerdings sind noch 1.100 Migranten hinzu gekommen. Die Strahlenschutzrisiken für diese Personen werden praktisch negiert, bei Konrad hingegen werden ständig neue Einwendungen vorgebracht zum Risiko der Reststrahlung in einem Kilometer Tiefe. Welch eine irrsinnige Diskussion!
Lange Zeitskalen
Die Nichtverfügbarkeit des Endlagers Konrad ist im Kern die Ursache dafür, warum es so schrecklich lange dauert, bis die eingangs genannten Bauwerke bis hin zur Grünen Wiese abgerissen sind.
Der Technische Geschäftsführer der WAK, Professor Manfred Urban, hat bei der Linkenheimer Informationsveranstaltung "entschuldigend" darauf hingewiesen, dass er noch im Kindergarten war, als WAK, KNK etc. gedanklich auf die Schiene gelegt wurden. Legt man die in der obigen Grafik vermerkten Rückbautermine (mitte der zwanziger Jahre, einschliesslich noch zu erwartender Verzögerungen) zugrunde, so wird der Professor den Abriss der ihm anvertrauten Projekte in seiner Berufszeit wohl kaum mehr erleben - außer, die Bundesregierung erhöht das Rentenalter exzessiv, was angesichts der sich abzeichnenden Finanzprobleme nicht ganz ausgeschlossen ist.
Aber auch die direkten Abkömmlinge (Söhne, Töchter) der heute dort arbeitenden Mannschaft wird in Rente sein, wenn die Abfallfässer zur Gänze abtransportiert sind. Allenfalls jemand aus der Enkelgeneration könnte in den Genuss kommen, den Komplettabriss und die Verfrachtung nach Konrad stolz der regionalen Bevölkerung präsentieren zu dürfen. Vermutlich ist dieser Projektleiter in spe heute noch nicht geboren.
Aber gemach! Diese langen Zeitskalen bergen nicht nur Mehrkosten, sondern auch potentielle Ersparnisse. Radioaktives Material hat nämlich die gute Eigenschaft mit der Zeit abzuklingen und "ungefährlicher" zu werden. Bereits jetzt strahlen die Fässer des hiesigen Zwischenlagers - verglichen mit 1990, dem Zeitpunkt der Stilllegung der WAK - nur noch mit halber Intensität, wobei Cäsium und Strontium als Leitnuklide betrachtet werden. Und nach zwei weiteren Halbwertszeiten wird die anfängliche Aktivität sogar auf fast ein Zehntel abgeklungen sein.
Damit eröffnet sich die Möglichkeit, ab dem Jahr 2060 das radioaktive Material nicht mehr in teuer abgeschirmten Containern nach Niedersachsen zu verfrachten, sondern möglicherweise preiswert als DHL-Pakete oder gar via Amazon.
Sonntag, 6. Dezember 2015
Finnland genehmigt weltweit erstes Endlager
Die klugen und bedächtigen Finnen haben etwas geschafft, wovon wir Deutsche, in unserer aufgeregten Art, noch meilenweit entfernt sind: sie besitzen ein genehmigtes Endlager für hochradioaktiven Atommüll.
Vor ca. 40 Jahren begannen sie - ähnlich wie die Deutschen - mit Grundlagenversuchen zu diesem Thema. Drei geologische Formationen wurden genauer ins Visier genommen: Salz, Ton und Granit. Alle drei sind geeignet zur Aufnahme des hochradioaktiven Abfalls aus Kernkraftwerken, besitzen aber spezifische Vor- und Nachteile. Salz ist gut wärmeleitend und Hohlräume verschließen sich leicht. Es ist die Formation in Gorleben. Ton ist nicht wasserlöslich, deshalb setzen Frankreich und die Schweiz auf dieses Wirtsgestein. Das Kristallgestein Granit ist sehr stabil und wurde in Finnland ausgewählt. Ähnliche geologische Granitformationen befinden sich in Deutschland in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern, sie sind aber oft mit Rissen behaftet.
Optimaler Standort
Die heimische Firma Posiva erhielt von der finnischen Regierung die Lizenz zur Auswahl des Standorts und zum Bau des Endlagers. Nachdem man sich auf Granit als Wirtsgestein geeinigt hatte, gab es Dutzende von Gemeinden, die sich als Standort für das Endlager anboten. Den Zuschlag erhielt die 6.000-Einwohner-Gemeinde Eurajoki . Der Ort für das geplante Endlager heißt Onkalo. Er befindet sich 230 Kilometer nordwestlich von Helsinki auf einer Halbinsel, wo bereits zwei Siedewasserreaktoren in Betrieb sind und ein dritter (EPR-Art) geplant ist. Die Transportwege zum künftigen Endlager sind deshalb optimal kurz. Im Rahmen eines Erkundungsprojekts wird hier seit 2004 gebohrt und gesprengt. Die Grubengänge sind mittlerweile fast fünf Kilometer lang und reichen bis in eine Tiefe von 450 Meter Tiefe. Man kennt also die Ausdehnung und die Eigenschaften der Granitformation recht genau.
Politische Unterstützung, Langfristüberlegungen
Bevölkerung und Politik waren in allen Projektphasen fest eingebunden. Die finnische Regierung hatte schon frühzeitig ihre Zustimmung zum Endlagerprojekt signalisiert. Im Jahr 2001 ratifizierte auch das finnische Parlament dieses Vorhaben mit 159 zu 3 Stimmen. Im Februar 2015 bestätigte die finnische Sicherheitsbehörde STUK die atomrechtliche Sicherheit des beantragten technischen Konzepts. Um das Jahr 2020 herum soll mit den ersten Einlagerungen begonnen werden.
Das Endlager bietet Platz für 6.000 Tonnen hochaktive Abfälle. Die abgebrannten Brennelemente werden in Spezialcontainern verstaut, welche mit Kupfer ummantelt sind. In 450 Meter Tiefe werden sie in entsprechend gebohrte Tunnellöcher geschoben. Diese sollen anschließend mit der Vulkanasche Bentonit versiegelt werden, die sofort aufquillt, falls sie in Kontakt mit Wasser kommt.
Zum oft diskutierten Problem der Langzeitrisiken haben die finnischen Endlagerforscher folgende Position: Ihrer Meinung nach lassen sich die vergangenen geologischen Veränderungen in und auf der Erde über Jahrmillionen nachvollziehen. Die Geologen analysieren diese Veränderungen der Vergangenheit und ziehen daraus Rückschlüsse über mögliche Entwicklungen in der Zukunft. So können Prognosen für unterschiedliche Gesteine und Erdschichten bis zu einer Million Jahre im Voraus erstellt werden.
Diese Forscher weisen nach, dass die geologischen Veränderungen an der Erdoberfläche wesentlich rasanter vonstatten gehen als die Vorgänge im tiefen Untergrund. Je tiefer man gräbt, desto besser lassen sich also verschiedene Gefahren wie Erosion durch Flussläufe Erdrutsche oder Eiszeiten umgehen. Beispielsweise kann man in den kommenden eine Million Jahren mit etwa zehn Eiszeiten rechnen. Eine Million Jahre ist recht kurz im Vergleich zur Entstehungsgeschichte der Erde, die sich über 4.500 Millionen Jahre erstreckt. Damit die Eiszeiten und die mit ihnen einhergehenden geologischen Veränderungen keine Gefahr für ein atomares Endlager darstellen, müssen die Abfälle tief genug unter Tage eingelagert werden. Aus den Analysen der Vergangenheit weiß man, dass Gletscher schon 250 Meter tiefe Rinnen in die Erde gefräst haben. Geht man davon aus, dass sich zukünftige Eiszeiten nicht sehr viel anders abspielen werden als vergangene, so sollte man mit einer Erosion bis zu 300 Meter Tiefe rechnen. Die Einlagerungssohle muss also tiefer liegen, was in Olkiluoto mit 450 Meter der Fall ist. Bergwerke in dieser Tiefe sind nicht problematisch; in Deutschland hat man die maximale Tiefe von Endlagerstollen auf 1.500 Meter festgelegt.
Inzwischen denkt auch das Nachbarland Schweden über ein ähnliches Endlager in Granit nach. Man darf gespannt sein, wie diese Entwicklungen in Skandinavien die öffentliche Diskussion in Deutschland beeinflussen.
Vor ca. 40 Jahren begannen sie - ähnlich wie die Deutschen - mit Grundlagenversuchen zu diesem Thema. Drei geologische Formationen wurden genauer ins Visier genommen: Salz, Ton und Granit. Alle drei sind geeignet zur Aufnahme des hochradioaktiven Abfalls aus Kernkraftwerken, besitzen aber spezifische Vor- und Nachteile. Salz ist gut wärmeleitend und Hohlräume verschließen sich leicht. Es ist die Formation in Gorleben. Ton ist nicht wasserlöslich, deshalb setzen Frankreich und die Schweiz auf dieses Wirtsgestein. Das Kristallgestein Granit ist sehr stabil und wurde in Finnland ausgewählt. Ähnliche geologische Granitformationen befinden sich in Deutschland in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern, sie sind aber oft mit Rissen behaftet.
Optimaler Standort
Die heimische Firma Posiva erhielt von der finnischen Regierung die Lizenz zur Auswahl des Standorts und zum Bau des Endlagers. Nachdem man sich auf Granit als Wirtsgestein geeinigt hatte, gab es Dutzende von Gemeinden, die sich als Standort für das Endlager anboten. Den Zuschlag erhielt die 6.000-Einwohner-Gemeinde Eurajoki . Der Ort für das geplante Endlager heißt Onkalo. Er befindet sich 230 Kilometer nordwestlich von Helsinki auf einer Halbinsel, wo bereits zwei Siedewasserreaktoren in Betrieb sind und ein dritter (EPR-Art) geplant ist. Die Transportwege zum künftigen Endlager sind deshalb optimal kurz. Im Rahmen eines Erkundungsprojekts wird hier seit 2004 gebohrt und gesprengt. Die Grubengänge sind mittlerweile fast fünf Kilometer lang und reichen bis in eine Tiefe von 450 Meter Tiefe. Man kennt also die Ausdehnung und die Eigenschaften der Granitformation recht genau.
Luftbild der finnischen Halbinsel Olkiluoto:
Im Hintergrund sind zwei Kernkraftwerke zu sehen;
das bebaute Areal im Vordergrund gehört zum Endlager Onkalo.
Politische Unterstützung, Langfristüberlegungen
Bevölkerung und Politik waren in allen Projektphasen fest eingebunden. Die finnische Regierung hatte schon frühzeitig ihre Zustimmung zum Endlagerprojekt signalisiert. Im Jahr 2001 ratifizierte auch das finnische Parlament dieses Vorhaben mit 159 zu 3 Stimmen. Im Februar 2015 bestätigte die finnische Sicherheitsbehörde STUK die atomrechtliche Sicherheit des beantragten technischen Konzepts. Um das Jahr 2020 herum soll mit den ersten Einlagerungen begonnen werden.
Das Endlager bietet Platz für 6.000 Tonnen hochaktive Abfälle. Die abgebrannten Brennelemente werden in Spezialcontainern verstaut, welche mit Kupfer ummantelt sind. In 450 Meter Tiefe werden sie in entsprechend gebohrte Tunnellöcher geschoben. Diese sollen anschließend mit der Vulkanasche Bentonit versiegelt werden, die sofort aufquillt, falls sie in Kontakt mit Wasser kommt.
Zum oft diskutierten Problem der Langzeitrisiken haben die finnischen Endlagerforscher folgende Position: Ihrer Meinung nach lassen sich die vergangenen geologischen Veränderungen in und auf der Erde über Jahrmillionen nachvollziehen. Die Geologen analysieren diese Veränderungen der Vergangenheit und ziehen daraus Rückschlüsse über mögliche Entwicklungen in der Zukunft. So können Prognosen für unterschiedliche Gesteine und Erdschichten bis zu einer Million Jahre im Voraus erstellt werden.
Diese Forscher weisen nach, dass die geologischen Veränderungen an der Erdoberfläche wesentlich rasanter vonstatten gehen als die Vorgänge im tiefen Untergrund. Je tiefer man gräbt, desto besser lassen sich also verschiedene Gefahren wie Erosion durch Flussläufe Erdrutsche oder Eiszeiten umgehen. Beispielsweise kann man in den kommenden eine Million Jahren mit etwa zehn Eiszeiten rechnen. Eine Million Jahre ist recht kurz im Vergleich zur Entstehungsgeschichte der Erde, die sich über 4.500 Millionen Jahre erstreckt. Damit die Eiszeiten und die mit ihnen einhergehenden geologischen Veränderungen keine Gefahr für ein atomares Endlager darstellen, müssen die Abfälle tief genug unter Tage eingelagert werden. Aus den Analysen der Vergangenheit weiß man, dass Gletscher schon 250 Meter tiefe Rinnen in die Erde gefräst haben. Geht man davon aus, dass sich zukünftige Eiszeiten nicht sehr viel anders abspielen werden als vergangene, so sollte man mit einer Erosion bis zu 300 Meter Tiefe rechnen. Die Einlagerungssohle muss also tiefer liegen, was in Olkiluoto mit 450 Meter der Fall ist. Bergwerke in dieser Tiefe sind nicht problematisch; in Deutschland hat man die maximale Tiefe von Endlagerstollen auf 1.500 Meter festgelegt.
Inzwischen denkt auch das Nachbarland Schweden über ein ähnliches Endlager in Granit nach. Man darf gespannt sein, wie diese Entwicklungen in Skandinavien die öffentliche Diskussion in Deutschland beeinflussen.
Montag, 30. November 2015
Compliance - KIT erzieht Gutmenschen
Das englische Wort "Compliance" spielte im Schulunterricht vergangener Jahre kaum eine Rolle; im heutigen Berufsleben ist es von überragender Bedeutung. Im Wörterbuch wird Compliance mit Einwilligung bzw. Befolgung übersetzt, in realiter ist es jedoch zu einem Begriff der Betriebswirtschaftslehre geworden, der die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und moralisch-ethischen Standards in Wirtschaftsunternehmen und Behörden beschreibt. Im Zentrum steht dabei die Vermeidung von Vorteilsnahmen ("Anfüttern") bis hin zu Bestechung und Korruption. Die Mitarbeiter sollen auf diese Delikte hin sensibilisiert werden und das Risiko einer Sanktionierung erkennen. Alle größeren Unternehmen in Wirtschaft und Verwaltung besitzen heute Organisationseinheiten, welche die Compliance in ihren Betrieben überwachen und die Mitarbeiter darin informieren und schulen.
Die Compliance-Kultur entstand in Deutschland vor ziemlich genau zehn Jahren im Gefolge des Schmiergeldskandals beim Elektrokonzern Siemens. Auf eine anonyme Anzeige hin durchsuchten im November 2006 Hundertschaften von Steuerfahndern und Staatsanwälten die Bürogebäude des Unternehmens sowie die Privatwohnungen der ranghohen Mitarbeiter und brachten dabei Unglaubliches zutage. Die zwei Jahre andauernden Ermittlungen ergaben, dass bei Siemens seit Jahren ein Korruptionssystem installiert war, welches hunderte von weltweit angesiedelten Scheinprojekten mit hunderte von Millionen Mark finanzierte. Der spätere Aufsichtsrat Gerhard Cromme sprach von einem wirtschaftlichen "Paralleluniversum", welches die Mitglieder des Vorstands jahrelang geduldet hatten. In der Buchhaltung gab es sogar einen Geheim-Code. "Legen Sie das in der Datei APP ab" bedeutete, dass Schmiergelder in Höhe von 2,55 Prozent des Preises genehmigt waren (A=2, P=5). Im letzten Abschnitt dieses Blogs werde ich auf die Konsequenzen dieses Skandals bei Siemens zurückkommen.
Aber nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern auch der Öffentliche Dienst - im weitesten Sinne - ist korruptionsanfällig. (Von international marodierenden Organisationen wie FIFA, UEFA und DFB ganz abgesehen!) In Schäubles Staatsetat von über 300 Milliarden Euro stecken große Summen für Subventionen und Entwicklungshilfe, deren wirkliche Verwendung jedes Jahr, völlig zu Recht, vom Bundesrechnungshof unter die Lupe genommen wird. Selbst bei Forschungsinstitutionen und Universitäten kommt es zuweilen zu "Unregelmäßigkeiten". Etwa, wenn ein Projektleiter seine eingeworbenen Mittel satzungswidrig verwendet. Oder, wenn ein Professor einen - unangemeldeten und lukrativen - Nebenjob betreibt, der sich langsam zur Hauptbeschäftigung hin entwickelt.
Compliance bei KIT
Kein Wunder, dass man auch beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Korruptionsprävention betreibt durch den Aufbau einer Compliance-Abteilung. Immerhin werden bei KIT jährlich ca. 800 Millionen Euro an Finanzmittel verwaltet und ausgegeben. Margarita Bourlá ist dort die Beauftragte für Compliance und Korruptionspräventation, eine Rechtsanwältin, bei KIT angestellt als "Syndica" (gendergerecht ausgedrückt). Sie wird unterstützt durch drei Referentinnen, einer Ass. jur., einer Diplomkauffrau und einer Bachelor of Laws LL.B. (oder sollte man, ebenfalls gendergerecht, von "Bachelorette" sprechen?). Eine fünfte Kollegin befindet sich derzeit auf Elternurlaub. Die Häufung von Damen auf dieser Organisationseinheit mag ein Zufall sein, aber vielleicht ist das weibliche Geschlecht für solche Aufgaben besser qualifiziert. Für letzteres spricht, dass sie auch eine weibliche Vorgesetzte haben, die Vize-Präsidentin Dr. Elke Luise Barnstedt, ein Juristin und zeitweilig Direktorin beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
In der Hauszeitschrift KIT-Dialog (1.2015) kann man nachlesen, wie bei COMP (die Abkürzung der o. g. Abteilung) die Mitarbeiter des KIT informiert und geschult werden. Geschenke sollten den Wert von 25 Euro nicht überschreiten, empfohlen wird ein Blick in die Geschenkerichtlinie. Geburtstagslisten sind tabu und gegen sexuelle Belästigung wurde ein Leitfaden erstellt. Breiten Raum nehmen die Vorschriften bei Essenseinladungen durch Dritte ein. Belegte Brötchen sind unproblematisch, aber bei Einladungen ins Lokal - oder gar in ein Sternerestaurant - ist Vorsicht geboten. Im Zweifelsfall sollte man immer erst die Korruptionsbeauftragte fragen. Dass der eigene Chef mitgeht, ist nicht ausreichend; im Falle von Bedenken sollte man die Einladung besser ablehnen. Aber selbst wenn man, entgegen dem eigenen Rechtsgefühl, ein Essen ins Sternelokal angenommen habe, ist es sinnvoll - wenigstens hinterher - mit Frau Bourlá darüber zu sprechen. Falls man von einem regelwidrigen Verhalten erfahren hat, sollte man der Syndica einen anonymen Brief schreiben. Früher nannte man das, etwas abfällig, denunzieren oder verpfeifen; heute ist "whistle-blowing" positiv konnotiert.
Unter solch rigiden Randbedingungen wird sich die Zahl künftiger Gourmet-Essen bei KIT in Grenzen halten. Einen Event sehe ich jedoch, der unbedingt mit einem sehr gutem Menü in einem Sternelokal gefeiert werden muss: nämlich wenn, in ferner Zukunft, etwa um das Jahr 2025, die Messungen an dem kernphysikalischen Großversuch "Katrin" erfolgreich abgeschlossen sein werden. Wenn der Projektleiter und Professor D. in aller Welt bekannt gibt, dass die Ruhemasse des Elektron-Neutrino zu 8*10^-6 MeV/c^2 in Karlsruhe KIT Campus Nord bestimmt worden ist, dann ist eine Sause unausweichlich. Einladen wird vermutlich eine der Vakuumfirmen, welche, über zwei Jahrzehnte hinweg, eine Vielzahl von (kostbaren) Komponenten für diesen Versuch zugeliefert hat.
Zehn Personen, fünf von Katrin, fünf von der Lieferfirma sind eine angemessene Besetzung. Als Speisenfolge schlage ich (im gedanklichen Rückgriff auf frühere, längst vergangene, Projektleitertätigkeiten) vor: Hummersüppchen, Seezunge, Rehrücken, Rohmilchkäse, mousse au chocolat - begleitet von Champagner, Riesling und rotem Bordeaux. Die Rechnung wird sich, in einem guten Ein-Sterne-Restaurant, auf ca. 2.000 Euro belaufen - ein Klacks, in Anbetracht der ca. hundert Millionen Investitions- und Betriebsaufwendungen für die Katrin-Anlage. Möglicherweise wird Frau Bourlá, wenn sie im Vorfeld darüber informiert wird, skeptisch die Augenbrauen hochziehen. In diesem Fall schlage ich vor, die fünf COMP-Damen mit ins Restaurant einzuladen. Vergrößert die Rechnung auf 3.000 Euro.
Großes Aufräumen bei Siemens
Der Korruptionsskandal bei Siemens wurde in den Jahren von 2006 bis 2008, aufgearbeitet. Als erstes traf es den Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer und den Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld, die beide entlassen wurden. Hinzu kamen einige Vorstandmitglieder, wie der Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger. Die Amtsnachfolger Gerhard Cromme (im AR-Vorsitz) und der CEO Peter Loescher installierten eine zuweilen 500 Mann starke Untersuchungsabteilung, die jede Kontobewegung im fraglichen Zeitbereich unter die Lupe nahm. Der ehemalige Finanzminister Theo Waigel wurde als unabhängiger "Compliance-Monitor" verpflichtet. Von Pierer hat in seiner Autobiografie "Gipfel-Stürme" (bei Amazon noch für 4,64 Euro erhältlich) die damalige bewegte Zeit ausführlich beschrieben. Bekenntnisse zur eigenen Schuld sollte man in diesem Werk allerdings nicht erwarten.
Die Gesamtkosten der verhängten Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen beliefen sich schließlich auf 2,9 Milliarden Euro. Zu dieser erstaunlich hohen Summe hat auch das Drängen der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC beigetragen, denn die Aktie von Siemens war damals an der Wallstreet gelistet. Heinrich von Pierer stand im Zentrum der Recherchen, schließlich hatte er Siemens von 1992 bis 2005 als Vorstandsvorsitzender geleitet. Eine Schuld im juristischen Sinne war ihm jedoch nicht nachzuweisen, denn Schmiergeldzahlungen bei Wirtschaftsgeschäften waren damals in Deutschland nicht strafbar. Als der Druck der Öffentlichkeit zu groß wurde, bekannte er sich v. Piererzu seiner Verantwortung und zahlte im Jahr 2010 "freiwillig" 5 Millionen Euro - ohne Schuldanerkenntnis. Auch der ehemalige Finanzvorstand Neubürger - Vorgänger des jetzigen CEO Josef "Joe" Kaeser - geriet unter Druck. Aber erst 2014 konnte man sich mit ihm auf eine Schadensersatzsumme von 2,5 Mio Euro einigen, welche die Aktionärsversammlung der Siemens AG am 27 Januar 2015 akzeptierte.
Wenige Tage nach dieser Einigung beging Hans-Joachim Neubürger Selbstmord.
Die Compliance-Kultur entstand in Deutschland vor ziemlich genau zehn Jahren im Gefolge des Schmiergeldskandals beim Elektrokonzern Siemens. Auf eine anonyme Anzeige hin durchsuchten im November 2006 Hundertschaften von Steuerfahndern und Staatsanwälten die Bürogebäude des Unternehmens sowie die Privatwohnungen der ranghohen Mitarbeiter und brachten dabei Unglaubliches zutage. Die zwei Jahre andauernden Ermittlungen ergaben, dass bei Siemens seit Jahren ein Korruptionssystem installiert war, welches hunderte von weltweit angesiedelten Scheinprojekten mit hunderte von Millionen Mark finanzierte. Der spätere Aufsichtsrat Gerhard Cromme sprach von einem wirtschaftlichen "Paralleluniversum", welches die Mitglieder des Vorstands jahrelang geduldet hatten. In der Buchhaltung gab es sogar einen Geheim-Code. "Legen Sie das in der Datei APP ab" bedeutete, dass Schmiergelder in Höhe von 2,55 Prozent des Preises genehmigt waren (A=2, P=5). Im letzten Abschnitt dieses Blogs werde ich auf die Konsequenzen dieses Skandals bei Siemens zurückkommen.
Aber nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern auch der Öffentliche Dienst - im weitesten Sinne - ist korruptionsanfällig. (Von international marodierenden Organisationen wie FIFA, UEFA und DFB ganz abgesehen!) In Schäubles Staatsetat von über 300 Milliarden Euro stecken große Summen für Subventionen und Entwicklungshilfe, deren wirkliche Verwendung jedes Jahr, völlig zu Recht, vom Bundesrechnungshof unter die Lupe genommen wird. Selbst bei Forschungsinstitutionen und Universitäten kommt es zuweilen zu "Unregelmäßigkeiten". Etwa, wenn ein Projektleiter seine eingeworbenen Mittel satzungswidrig verwendet. Oder, wenn ein Professor einen - unangemeldeten und lukrativen - Nebenjob betreibt, der sich langsam zur Hauptbeschäftigung hin entwickelt.
Compliance bei KIT
Kein Wunder, dass man auch beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Korruptionsprävention betreibt durch den Aufbau einer Compliance-Abteilung. Immerhin werden bei KIT jährlich ca. 800 Millionen Euro an Finanzmittel verwaltet und ausgegeben. Margarita Bourlá ist dort die Beauftragte für Compliance und Korruptionspräventation, eine Rechtsanwältin, bei KIT angestellt als "Syndica" (gendergerecht ausgedrückt). Sie wird unterstützt durch drei Referentinnen, einer Ass. jur., einer Diplomkauffrau und einer Bachelor of Laws LL.B. (oder sollte man, ebenfalls gendergerecht, von "Bachelorette" sprechen?). Eine fünfte Kollegin befindet sich derzeit auf Elternurlaub. Die Häufung von Damen auf dieser Organisationseinheit mag ein Zufall sein, aber vielleicht ist das weibliche Geschlecht für solche Aufgaben besser qualifiziert. Für letzteres spricht, dass sie auch eine weibliche Vorgesetzte haben, die Vize-Präsidentin Dr. Elke Luise Barnstedt, ein Juristin und zeitweilig Direktorin beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
In der Hauszeitschrift KIT-Dialog (1.2015) kann man nachlesen, wie bei COMP (die Abkürzung der o. g. Abteilung) die Mitarbeiter des KIT informiert und geschult werden. Geschenke sollten den Wert von 25 Euro nicht überschreiten, empfohlen wird ein Blick in die Geschenkerichtlinie. Geburtstagslisten sind tabu und gegen sexuelle Belästigung wurde ein Leitfaden erstellt. Breiten Raum nehmen die Vorschriften bei Essenseinladungen durch Dritte ein. Belegte Brötchen sind unproblematisch, aber bei Einladungen ins Lokal - oder gar in ein Sternerestaurant - ist Vorsicht geboten. Im Zweifelsfall sollte man immer erst die Korruptionsbeauftragte fragen. Dass der eigene Chef mitgeht, ist nicht ausreichend; im Falle von Bedenken sollte man die Einladung besser ablehnen. Aber selbst wenn man, entgegen dem eigenen Rechtsgefühl, ein Essen ins Sternelokal angenommen habe, ist es sinnvoll - wenigstens hinterher - mit Frau Bourlá darüber zu sprechen. Falls man von einem regelwidrigen Verhalten erfahren hat, sollte man der Syndica einen anonymen Brief schreiben. Früher nannte man das, etwas abfällig, denunzieren oder verpfeifen; heute ist "whistle-blowing" positiv konnotiert.
Unter solch rigiden Randbedingungen wird sich die Zahl künftiger Gourmet-Essen bei KIT in Grenzen halten. Einen Event sehe ich jedoch, der unbedingt mit einem sehr gutem Menü in einem Sternelokal gefeiert werden muss: nämlich wenn, in ferner Zukunft, etwa um das Jahr 2025, die Messungen an dem kernphysikalischen Großversuch "Katrin" erfolgreich abgeschlossen sein werden. Wenn der Projektleiter und Professor D. in aller Welt bekannt gibt, dass die Ruhemasse des Elektron-Neutrino zu 8*10^-6 MeV/c^2 in Karlsruhe KIT Campus Nord bestimmt worden ist, dann ist eine Sause unausweichlich. Einladen wird vermutlich eine der Vakuumfirmen, welche, über zwei Jahrzehnte hinweg, eine Vielzahl von (kostbaren) Komponenten für diesen Versuch zugeliefert hat.
Zehn Personen, fünf von Katrin, fünf von der Lieferfirma sind eine angemessene Besetzung. Als Speisenfolge schlage ich (im gedanklichen Rückgriff auf frühere, längst vergangene, Projektleitertätigkeiten) vor: Hummersüppchen, Seezunge, Rehrücken, Rohmilchkäse, mousse au chocolat - begleitet von Champagner, Riesling und rotem Bordeaux. Die Rechnung wird sich, in einem guten Ein-Sterne-Restaurant, auf ca. 2.000 Euro belaufen - ein Klacks, in Anbetracht der ca. hundert Millionen Investitions- und Betriebsaufwendungen für die Katrin-Anlage. Möglicherweise wird Frau Bourlá, wenn sie im Vorfeld darüber informiert wird, skeptisch die Augenbrauen hochziehen. In diesem Fall schlage ich vor, die fünf COMP-Damen mit ins Restaurant einzuladen. Vergrößert die Rechnung auf 3.000 Euro.
Großes Aufräumen bei Siemens
Der Korruptionsskandal bei Siemens wurde in den Jahren von 2006 bis 2008, aufgearbeitet. Als erstes traf es den Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer und den Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld, die beide entlassen wurden. Hinzu kamen einige Vorstandmitglieder, wie der Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger. Die Amtsnachfolger Gerhard Cromme (im AR-Vorsitz) und der CEO Peter Loescher installierten eine zuweilen 500 Mann starke Untersuchungsabteilung, die jede Kontobewegung im fraglichen Zeitbereich unter die Lupe nahm. Der ehemalige Finanzminister Theo Waigel wurde als unabhängiger "Compliance-Monitor" verpflichtet. Von Pierer hat in seiner Autobiografie "Gipfel-Stürme" (bei Amazon noch für 4,64 Euro erhältlich) die damalige bewegte Zeit ausführlich beschrieben. Bekenntnisse zur eigenen Schuld sollte man in diesem Werk allerdings nicht erwarten.
Von Pierers Autobiographie
Die Gesamtkosten der verhängten Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen beliefen sich schließlich auf 2,9 Milliarden Euro. Zu dieser erstaunlich hohen Summe hat auch das Drängen der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC beigetragen, denn die Aktie von Siemens war damals an der Wallstreet gelistet. Heinrich von Pierer stand im Zentrum der Recherchen, schließlich hatte er Siemens von 1992 bis 2005 als Vorstandsvorsitzender geleitet. Eine Schuld im juristischen Sinne war ihm jedoch nicht nachzuweisen, denn Schmiergeldzahlungen bei Wirtschaftsgeschäften waren damals in Deutschland nicht strafbar. Als der Druck der Öffentlichkeit zu groß wurde, bekannte er sich v. Piererzu seiner Verantwortung und zahlte im Jahr 2010 "freiwillig" 5 Millionen Euro - ohne Schuldanerkenntnis. Auch der ehemalige Finanzvorstand Neubürger - Vorgänger des jetzigen CEO Josef "Joe" Kaeser - geriet unter Druck. Aber erst 2014 konnte man sich mit ihm auf eine Schadensersatzsumme von 2,5 Mio Euro einigen, welche die Aktionärsversammlung der Siemens AG am 27 Januar 2015 akzeptierte.
Wenige Tage nach dieser Einigung beging Hans-Joachim Neubürger Selbstmord.
Sonntag, 22. November 2015
Nomen est Omen
"Gebt dem Kind einen schönen Namen", forderte die Erbtante Irmgard (und dachte dabei an den Ihrigen). Bei der Taufe entschieden sich die Eltern jedoch für Sarah, und die Tante war erkennbar sauer - für einige Wochen. Trotzdem: über Geschmäcker, insbesondere im familiären Bereich, lässt sich kaum streiten, wie das Beispiel der bayerischen Politikerfamilie Strauß zeigt. Die Ehefrau von Franz Josef, Marianne Zwicknagl, tauschte ihren Mädchennamen anstandslos gegen Strauß ein; die Tochter Monika war hingegen 31 Jahre lang mit dem Wirtschaftsprüfer Michael Hohlmeier verheiratet und behielt ihren Nachnamen Hohlmeier auch nach der Scheidung bei.
Auch bei Firmen ist die Namensgebung häufig eine kitzlige Sache. Früher, bei Beginn der Industrialisierung, war das hingegen ganz einfach. Das Unternehmen erhielt schlichtweg den Namen des Besitzers und firmierte einfach unter Krupp, Thyssen, Stinnes oder Ford. Zuweilen orientierte man sich auch am Produkt oder dem Arbeitsgebiet. Die "Badische Anilin- und Soda-Fabrik", abgekürzt BASF, gehört in diese Kategorie. Bemerkenswert ist, dass diese Firma jetzt noch reüssiert - obwohl sie sich weder im Badischen befindet, noch Anilin oder Soda fabriziert.
Anders war es bei "Evonik", ein Unternehmen, das die Trikots des Fußballvereins Borussia Dortmund ziert. Diese Firma entstand im Umfeld der Ruhrkohle und als man das Spezialchemie-Unternehmen "Degussa" einverleibte, wollte man damit die Kohlevergangenheit abstreifen und ersann den Kunstnamen Evonik. Eigentlich hätte der weltbekannte Namen Degussa näher gelegen, aber er war "braun" kontaminiert. Dort wurde nämlich in der Nazizeit, im Tochterunternehmen Degesch, der Giftstoff Zyklon B für die Vergasungsanlagen der KZ hergestellt.
Inzwischen wimmelt es auf den Aktienkurszetteln vor kunstvollen (oder gekünstelten) Firmennamen. Beispiele dafür sind Vonovia (ein Wohnungskonzern), Covestro und Lanxness (beide Chemie) und Targobank (ehemals Citibank). Der japanische Konzern Mitsubishi musste mit einem neuen Auto allerdings Lehrgeld bezahlen. Kein Wunder, wer hat schon Vertrauen in ein Produkt des Namens "i-Miev"? Besonders schlau stellte es der vormalige österreichische Manager Heinz Schimmelbusch an. Erst fuhr er - als damals jüngster Vorstandsvorsitzender Deutschlands - den Weltkonzern "Metallgesellschaft" vor die Wand; nach dem Fast-Bankrott sicherte er sich juristisch deren (immer noch guten) Namen und jetzt wartet er im Sächsischen auf betuchte Kaufinteressenten.
Ein Konzern spaltet sich auf
Beispielhaft für die Hürden der Namensgebung waren die Entwicklungen im Unternehmen E.on während der vergangenen zwei Jahre. Ende 2014 kündigte der E.on-Vorsitzende Johannes Teyssen an, das er den Konzern ab dem Jahr 2016 in zwei eigenständige Gesellschaften aufteilen werde. Das Geschäft mit dem Ökostrom, dem Netzbetrieb und den Kundenbeziehungen solle bei der Firma E.on bleiben; das "klassische" Geschäft mit Atom, Kohle und Gas werde in ein neues Unternehmen ausgegliedert. Der Name der neuen Gesellschaft sei "Uniper", was für "Unique Performance", also "einzigartige Leistungsfähigkeit" stehe. Angeblich habe ein langjähriger Mitarbeiter diesen Namen vorgeschlagen. Er sei aus 3000 ähnlichen Empfehlungen ausgewählt worden.
In den Medien wurde diese Ankündigung mit großer Skepsis aufgenommen. Dass das größte deutsche Energieversorgungsunternehmen seine Kernkompetenz so einfach auslagert, erschien wenig glaubhaft. Man vermutete allseits, dass E.on aus Frust den Bettel hingeworfen habe. Unter den politischen Einschränkungen der Energiewende war das Unternehmen wohl nicht mehr in der Lage, den Strom kostengerecht und rentabel zu produzieren. Man mutmaßte, dass E.on seine klassischen Bereiche, insbesondere die Kernkraftwerke, in eine Art "Bad Bank" einbringen wollte. Geradezu verheerend war die Reaktion der Politik. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel schickte eine Expertenkommission zur E.on- Zentrale nach Düsseldorf um festzustellen, ob dort noch genügend Reserven für den Rückbau der Kernkraftwerke vorhanden sind. "Die Eltern haften für ihre Kinder", war ein gängiges Schlagwort zu jener Zeit.
Im Herbst 2015 knickte E.on schließlich ein; der politische und mediale Druck war zu groß geworden. Die Firma gab bekannt, dass die Kernkraftwerke nicht an Uniper ausgelagert würden, sondern bei E.on verbleiben - allerdings unter dem Label "PreußenElektra". Dieser Name war in den 1920er Jahren vom Land Preußen eingeführt worden und ist seit nunmehr 15 Jahren vom Markt verschwunden. Die Rechte dieses Firmenmantels liegen jedoch immer noch bei E.on. "Ein toter Name für ein totgesagtes Geschäft" titelte das Handelsblatt sarkastisch.
Das Portfolio der neuen PreußenElektra umfasst die drei Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Isar 2, sowie drei weitere Blöcke, an denen die neue Gesellschaft minderheitlich beteiligt ist. Von den insgesamt fünf bereits stillgelegten Blöcken befinden sich die Atomkraftwerke Würgassen und Stade im Rückbau. Für Abriss und Entsorgung aller Nuklearanlagen hat E.on 16,6 Milliarden Euro zurückgelegt. Rund 2.300 Mitarbeiter, die eigentlich zu Uniper wechseln sollten, bleiben dafür im Konzern.
Revirement im Management
Aus dem Geschäftsbereich E.on Kernkraft wird also in Zukunft PreußenElektra. Dies führt auch zu neuen Namen und Personen im Bereich des Managements. Der Aufsichtsrat berief bereits die wesentlichen Mitglieder des neuen Vorstands. Ab 15. November 2015 trat Guido Knott dem Vorstand der PreußenElektra bei; ab 1. Januar 2016 wird er deren Vorstandsvorsitzender sein.
In dieser Eigenschaft ersetzt er Ralf Güldner , der im Laufe des nächsten Jahres auf eigenem Wunsch aus dem Vorstand ausscheiden und in den Ruhestand treten wird. Güldner, ein promovierter Radiochemiker, der bei der Firma Alkem grundlegende Arbeiten am Pu-238 leistete, war seit 2010 Vorstandsvorsitzender der E.on Kernkraft sowie Präsident des Deutschen Atomforums. Er hat sich bereit erklärt, den neuen CEO in einer Übergangsphase zu unterstützen.
Guido Knott ist seit 2010 Bereichsleiter für Politik und Komunikation bei E.on SE. Zuvor war er Finanzvorstand bei E.on Hanse AG. Knott wird bei PreußenElektra unterstützt durch den gleichfalls berufenen Jan Homan, der das neugeschaffene Ressort Stilllegung und Rückbau verantworten wird.
"Guido Knott verfügt über breite Managementerfahrungen und ist wie kein anderer mit dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld unseres Geschäfts vertraut", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Bernhard Fischer zur Bestellung des Public Affairs-Experten.
Neue Leute braucht das Land. Politiker! Keine Kerntechniker.
Auch bei Firmen ist die Namensgebung häufig eine kitzlige Sache. Früher, bei Beginn der Industrialisierung, war das hingegen ganz einfach. Das Unternehmen erhielt schlichtweg den Namen des Besitzers und firmierte einfach unter Krupp, Thyssen, Stinnes oder Ford. Zuweilen orientierte man sich auch am Produkt oder dem Arbeitsgebiet. Die "Badische Anilin- und Soda-Fabrik", abgekürzt BASF, gehört in diese Kategorie. Bemerkenswert ist, dass diese Firma jetzt noch reüssiert - obwohl sie sich weder im Badischen befindet, noch Anilin oder Soda fabriziert.
Anders war es bei "Evonik", ein Unternehmen, das die Trikots des Fußballvereins Borussia Dortmund ziert. Diese Firma entstand im Umfeld der Ruhrkohle und als man das Spezialchemie-Unternehmen "Degussa" einverleibte, wollte man damit die Kohlevergangenheit abstreifen und ersann den Kunstnamen Evonik. Eigentlich hätte der weltbekannte Namen Degussa näher gelegen, aber er war "braun" kontaminiert. Dort wurde nämlich in der Nazizeit, im Tochterunternehmen Degesch, der Giftstoff Zyklon B für die Vergasungsanlagen der KZ hergestellt.
Inzwischen wimmelt es auf den Aktienkurszetteln vor kunstvollen (oder gekünstelten) Firmennamen. Beispiele dafür sind Vonovia (ein Wohnungskonzern), Covestro und Lanxness (beide Chemie) und Targobank (ehemals Citibank). Der japanische Konzern Mitsubishi musste mit einem neuen Auto allerdings Lehrgeld bezahlen. Kein Wunder, wer hat schon Vertrauen in ein Produkt des Namens "i-Miev"? Besonders schlau stellte es der vormalige österreichische Manager Heinz Schimmelbusch an. Erst fuhr er - als damals jüngster Vorstandsvorsitzender Deutschlands - den Weltkonzern "Metallgesellschaft" vor die Wand; nach dem Fast-Bankrott sicherte er sich juristisch deren (immer noch guten) Namen und jetzt wartet er im Sächsischen auf betuchte Kaufinteressenten.
Ein Konzern spaltet sich auf
Beispielhaft für die Hürden der Namensgebung waren die Entwicklungen im Unternehmen E.on während der vergangenen zwei Jahre. Ende 2014 kündigte der E.on-Vorsitzende Johannes Teyssen an, das er den Konzern ab dem Jahr 2016 in zwei eigenständige Gesellschaften aufteilen werde. Das Geschäft mit dem Ökostrom, dem Netzbetrieb und den Kundenbeziehungen solle bei der Firma E.on bleiben; das "klassische" Geschäft mit Atom, Kohle und Gas werde in ein neues Unternehmen ausgegliedert. Der Name der neuen Gesellschaft sei "Uniper", was für "Unique Performance", also "einzigartige Leistungsfähigkeit" stehe. Angeblich habe ein langjähriger Mitarbeiter diesen Namen vorgeschlagen. Er sei aus 3000 ähnlichen Empfehlungen ausgewählt worden.
In den Medien wurde diese Ankündigung mit großer Skepsis aufgenommen. Dass das größte deutsche Energieversorgungsunternehmen seine Kernkompetenz so einfach auslagert, erschien wenig glaubhaft. Man vermutete allseits, dass E.on aus Frust den Bettel hingeworfen habe. Unter den politischen Einschränkungen der Energiewende war das Unternehmen wohl nicht mehr in der Lage, den Strom kostengerecht und rentabel zu produzieren. Man mutmaßte, dass E.on seine klassischen Bereiche, insbesondere die Kernkraftwerke, in eine Art "Bad Bank" einbringen wollte. Geradezu verheerend war die Reaktion der Politik. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel schickte eine Expertenkommission zur E.on- Zentrale nach Düsseldorf um festzustellen, ob dort noch genügend Reserven für den Rückbau der Kernkraftwerke vorhanden sind. "Die Eltern haften für ihre Kinder", war ein gängiges Schlagwort zu jener Zeit.
Im Herbst 2015 knickte E.on schließlich ein; der politische und mediale Druck war zu groß geworden. Die Firma gab bekannt, dass die Kernkraftwerke nicht an Uniper ausgelagert würden, sondern bei E.on verbleiben - allerdings unter dem Label "PreußenElektra". Dieser Name war in den 1920er Jahren vom Land Preußen eingeführt worden und ist seit nunmehr 15 Jahren vom Markt verschwunden. Die Rechte dieses Firmenmantels liegen jedoch immer noch bei E.on. "Ein toter Name für ein totgesagtes Geschäft" titelte das Handelsblatt sarkastisch.
Das Portfolio der neuen PreußenElektra umfasst die drei Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Isar 2, sowie drei weitere Blöcke, an denen die neue Gesellschaft minderheitlich beteiligt ist. Von den insgesamt fünf bereits stillgelegten Blöcken befinden sich die Atomkraftwerke Würgassen und Stade im Rückbau. Für Abriss und Entsorgung aller Nuklearanlagen hat E.on 16,6 Milliarden Euro zurückgelegt. Rund 2.300 Mitarbeiter, die eigentlich zu Uniper wechseln sollten, bleiben dafür im Konzern.
Revirement im Management
Aus dem Geschäftsbereich E.on Kernkraft wird also in Zukunft PreußenElektra. Dies führt auch zu neuen Namen und Personen im Bereich des Managements. Der Aufsichtsrat berief bereits die wesentlichen Mitglieder des neuen Vorstands. Ab 15. November 2015 trat Guido Knott dem Vorstand der PreußenElektra bei; ab 1. Januar 2016 wird er deren Vorstandsvorsitzender sein.
In dieser Eigenschaft ersetzt er Ralf Güldner , der im Laufe des nächsten Jahres auf eigenem Wunsch aus dem Vorstand ausscheiden und in den Ruhestand treten wird. Güldner, ein promovierter Radiochemiker, der bei der Firma Alkem grundlegende Arbeiten am Pu-238 leistete, war seit 2010 Vorstandsvorsitzender der E.on Kernkraft sowie Präsident des Deutschen Atomforums. Er hat sich bereit erklärt, den neuen CEO in einer Übergangsphase zu unterstützen.
Guido Knott ist seit 2010 Bereichsleiter für Politik und Komunikation bei E.on SE. Zuvor war er Finanzvorstand bei E.on Hanse AG. Knott wird bei PreußenElektra unterstützt durch den gleichfalls berufenen Jan Homan, der das neugeschaffene Ressort Stilllegung und Rückbau verantworten wird.
"Guido Knott verfügt über breite Managementerfahrungen und ist wie kein anderer mit dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld unseres Geschäfts vertraut", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Bernhard Fischer zur Bestellung des Public Affairs-Experten.
Neue Leute braucht das Land. Politiker! Keine Kerntechniker.
Sonntag, 15. November 2015
Der Bretschneider Salto
Der Sport ist in diesen Tagen in die Krise geraten. Überall scheint es Korruption, Drogenprobleme und andere Abscheulichkeiten zu geben. Selbst die Magie des "Sommermärchens" ist am Welken. Aber Halt! Bei den kürzlichen Weltmeisterschaften im Geräteturnen im schottischen Glasgow gab es ein Ereignis, das uns Deutsche wieder stolz machen könnte: Einem Turner unserer Nationalmannschaft, dem 26-jährigen Chemnitzer Andreas Bretschneider ist am Reck ein überragender Übungsteil gelungen. Dieses turnerische Kunststück ist so kompliziert, dass selbst die Chinesen, Japaner und Russen, welche derzeit das Geräteturnen beherrschen, vor Neid erblassen. Alle wollten sie diesen Salto kopieren, aber keinem ist es gelungen. Reihenweise purzelten sie vom Reck.
Das internationale Kampfgericht honorierte die Leistung des deutschen Turners, indem es diesen Salto als "Bretschneider Salto" im vergangenen Jahr in seine Punktetabelle (genannt: "Code de Pointage") aufnahm. Gleichzeitig verlieh es diesem Übungsteil die Wertigkeit von 0,8 Punkten, was derzeit den höchsten Schwierigkeitsgrad am Reck darstellt. Bislang gab es am Reck (und auch an den fünf anderen olympischen Geräten, nämlich Barren, Ringe, Seitpferd, Sprung und Boden) als Höchstnote für Einzelelemente nur die Wertung 0,6 Punkte.
Der Bretschneider Salto ist, fachmännisch gesprochen, ein doppelter gehockter Salto mit doppelter ganzer Schraube oberhalb der Reckstange. Über ein Standphoto ist er nur schemenhaft darstellbar; ich füge deshalb zum Schluss ein Video an. Ich will trotzdem versuchen, diese Weltschwierigkeit im Rahmen eines Blogs "verbal" zu erläutern. Dabei beziehe ich mich auf meine eigenen Erfahrungen im Reckturnen, das ich - vor 60(!) Jahren - etwa zehn Jahre lang betrieb und wo ich zu einigen bescheidenen Erfolgen kam. (Oftmaliger Münchener Studentenmeister und Bayerischer Mehrkampfmeister).
Aller Anfang ist schwer
Der Ausgangspunkt für Flugteile am Reck ist immer die sogenannte Riesenwelle. Hier schwingt der gestreckte Körper um die Reckstange, was sehr ästhetisch aussieht, aber immerhin zwei bis drei Jahre intensives Üben voraussetzt. Dabei müssen die Hände die Reckstange sicher umfassen, denn auf Grund der Fliehkraft im unteren Übungsteil wächst das Körpergewicht dort um das Sechsfache an. Ein schmächtiger 60-Kilogramm-Turner wiegt also beim Durchgang in der Lotrechten für Sekundenbruchteile 360 Kilogramm. Damit man einerseits fest zugreifen kann, andererseits dabei keine zu starke Reibung verursacht, stäubt man sich die Hände mit "Magnesia" ein, einem weißen Pulver.
Bevor man sich an einen Salto heranwagt, beendet der turnerische "Anfänger" seine Übung zumeist mit einer sogenannten Kehre. Dafür lässt man kurz vor dem oberen Punkt der Riesenwelle die Reckstange mit einer Hand los und versucht sodann elegant abzuschwingen. Da dies aus dreieinhalb bis vier Metern Höhe geschieht, ist die Landung zum sicheren Stand nicht ganz einfach. Beim Wackeln - oder gar bei einem Sturz - gibt es die bekannten "Strafpunkte" als Abzug.
Die nächste Stufe des Fortschritts ist der sogenannte Abgangssalto. Man beendet die Gesamtübung - welche aus 6 bis 8 Elementen besteht - mit einem Salto aus der Riesenwelle heraus. Dies kann ein Vorwärts- oder ein Rückwärtssalto sein. Geübte Turner fügen noch eine "Schraube" an, was eine Drehung um die Längsachse darstellt. Mein Reckabgang war häufig ein gehockter Vorwärtssalto mit halber Schraube. Er wurde in der 50er Jahren durchaus noch hoch bewertet. Nicht selten misslang mir aber die Landung zum sicheren Stand, was auch mit lausigen Matten der damaligen Zeit zusammenhing.
Vom Kovacs zum Brettschneider
Das Turnen oberhalb der Reckstange begründete 1979 der ungarische Kunstturner Peter Kovacs mit dem von ihm erstmals vorgestellten "Kovacs-Salto". Dieser, nach ihm benannte Flugteil ist ein Doppelsalto rückwärts gehockt über der Reckstange u.zw. aus der Riesenwelle heraus. Man kann sich die Abfolge der Griffe am besten vorstellen, wenn man die Ziffern einer Wanduhr zur Hilfe nimmt. Die Ausgangsposition ist "12 Uhr": der Turner steht im Handstand über der Reckstange. Er vollführt eine Riesenwelle, indem er die Ziffern 11, 10, 9 etc. durchläuft. Bei "1 Uhr" löst er seinen Griff, der Schwung treibt ihn hoch über die Reckstange, beim Herunterfallen auf der anderen Seite könnte er um ca. 11 Uhr wieder die Stange greifen. Diese (relativ einfache) Übung vollführt er jedoch nicht. Sondern, nach Lösen des Griffs um 1 Uhr, zieht er die Beine zur Hocke an und vollführt einen doppelten Rückwärtssalto hoch über der Reckstange. Danach streckt den Körper wieder, fasst um 11 Uhr wieder die Reckstange und setzt die Riesenwelle mit den folgenden turnerischen Elementen fort. Dieser Kovacs-Salto war damals eine Höchstschwierigkeit und erbrachte 0,6 Wertungspunkte. Heute wird er von einer ganzen Reihe von Turnern vorgeführt und nur mehr mit 0,4 Punkten belohnt.
Andreas Bretschneider turnt den Kovacs-Salto natürlich "im Schlaf". Deswegen kam ihm, vor etwa zwei Jahren, auch die Idee, diesen Doppelsalto rückwärts mit einer Doppelschraube um die Längsachse zu kombinieren. Nach eigenen Angaben gelang ihm dieses Kunststück anfangs nur achtmal - bei fast tausend Versuchen. Das Problem dabei ist, dass man bei der Durchführung der zweifachen Querdrehung - und der zweifachen Längsdrehung - zumeist die Orientierung verliert und diese Übungsteile irgendwie "vermanscht und verschwurbelt". Schlimmstenfalls kann man mit dem Gesicht auch auf die Reckstange fallen, was heftige Schmerzen verursacht. Das Trainingsziel von Bretschneider war also, seine Flugkurve so zu stabilisieren, dass jeder Versuch identisch ist und er - ohne zu schauen - stets die Reckstange in den Griff bekommt. Die Flugdauer vom Lösen von der Reckstange bis zum Wiederfassen beträgt nur 0,9 Sekunden. Schließlich, bei einem internationalen Wettkampf 2014 im chinesischen Nanning, funktionierte der "Bretschneider" tadellos, sodass er vom anwesenden Kampfgericht offiziell anerkannt und mit 0,8 Punkten bewertet wurde. Seitdem gelingt dem Turner Bretschneider "sein Bretschneider" in 80 Prozent der Fälle.
Die Weltmeisterschaft in Glasgow
Derart vorbereitet, konnte Andreas Bretschneider im Oktober 2015 frohen Mutes zur Turnweltmeisterschaft ins schottische Glasgow reisen. Er durfte sich zwar immer noch nicht mit Fabian Hambüchen, seinem deutschen Turnfreund, vergleichen, der eleganter turnt, technisch gut ausgebildet ist und viel Ausstrahlung besitzt. Aber mit seinem Supersalto lag der technische Wert seiner Reckübung bei 7,3 , was ihn aufs Treppchen bringen sollte. Jedoch nur, wenn sein Bretschneider Salto auch gelang.
Und der Bretschneider gelang! Am Anfang turnte Andreas den "echten" Bretschneider, danach noch zwei Mal mit nur einer Längsdrehung. Die Kampfrichter notierten schon den Bonus von 0,8 Punkten und alle folgende Elemente waren ebenfalls gut geturnt und von beträchtlicher Schwierigkeit. Aber beim Abgang vom Reck passierte das Unglück. Andreas hatte durch den Drehschwung zu viel Vorlage und musste zwei deutlich erkennbare Schritte machen, um in den sicheren Stand zu kommen. Das kostete ihm mindestens einen Haltungspunkt und der Bretschneider war dadurch "für die Katz". Auf dem Video sind diese Sequenzen gut erkennbar.
Andreas Bretschneider landete auf dem 4. Platz. Für eine Medaille muss er nun bis zu den olympischen Spielen in Rio warten.
Video zu Bretschneiders Reckübung bei der Weltmeisterschaft in Glasgow
Das internationale Kampfgericht honorierte die Leistung des deutschen Turners, indem es diesen Salto als "Bretschneider Salto" im vergangenen Jahr in seine Punktetabelle (genannt: "Code de Pointage") aufnahm. Gleichzeitig verlieh es diesem Übungsteil die Wertigkeit von 0,8 Punkten, was derzeit den höchsten Schwierigkeitsgrad am Reck darstellt. Bislang gab es am Reck (und auch an den fünf anderen olympischen Geräten, nämlich Barren, Ringe, Seitpferd, Sprung und Boden) als Höchstnote für Einzelelemente nur die Wertung 0,6 Punkte.
Der Bretschneider Salto ist, fachmännisch gesprochen, ein doppelter gehockter Salto mit doppelter ganzer Schraube oberhalb der Reckstange. Über ein Standphoto ist er nur schemenhaft darstellbar; ich füge deshalb zum Schluss ein Video an. Ich will trotzdem versuchen, diese Weltschwierigkeit im Rahmen eines Blogs "verbal" zu erläutern. Dabei beziehe ich mich auf meine eigenen Erfahrungen im Reckturnen, das ich - vor 60(!) Jahren - etwa zehn Jahre lang betrieb und wo ich zu einigen bescheidenen Erfolgen kam. (Oftmaliger Münchener Studentenmeister und Bayerischer Mehrkampfmeister).
Aller Anfang ist schwer
Der Ausgangspunkt für Flugteile am Reck ist immer die sogenannte Riesenwelle. Hier schwingt der gestreckte Körper um die Reckstange, was sehr ästhetisch aussieht, aber immerhin zwei bis drei Jahre intensives Üben voraussetzt. Dabei müssen die Hände die Reckstange sicher umfassen, denn auf Grund der Fliehkraft im unteren Übungsteil wächst das Körpergewicht dort um das Sechsfache an. Ein schmächtiger 60-Kilogramm-Turner wiegt also beim Durchgang in der Lotrechten für Sekundenbruchteile 360 Kilogramm. Damit man einerseits fest zugreifen kann, andererseits dabei keine zu starke Reibung verursacht, stäubt man sich die Hände mit "Magnesia" ein, einem weißen Pulver.
Riesenwelle mit Kehre als Abgang
(Münchener Studentenmeisterschaft)
Bevor man sich an einen Salto heranwagt, beendet der turnerische "Anfänger" seine Übung zumeist mit einer sogenannten Kehre. Dafür lässt man kurz vor dem oberen Punkt der Riesenwelle die Reckstange mit einer Hand los und versucht sodann elegant abzuschwingen. Da dies aus dreieinhalb bis vier Metern Höhe geschieht, ist die Landung zum sicheren Stand nicht ganz einfach. Beim Wackeln - oder gar bei einem Sturz - gibt es die bekannten "Strafpunkte" als Abzug.
Salto vorwärts mit halber Schraube als Abgang aus der Riesenwelle
(Bayerische Meisterschaften, Turnfreunde geben Hilfestellung)
Die nächste Stufe des Fortschritts ist der sogenannte Abgangssalto. Man beendet die Gesamtübung - welche aus 6 bis 8 Elementen besteht - mit einem Salto aus der Riesenwelle heraus. Dies kann ein Vorwärts- oder ein Rückwärtssalto sein. Geübte Turner fügen noch eine "Schraube" an, was eine Drehung um die Längsachse darstellt. Mein Reckabgang war häufig ein gehockter Vorwärtssalto mit halber Schraube. Er wurde in der 50er Jahren durchaus noch hoch bewertet. Nicht selten misslang mir aber die Landung zum sicheren Stand, was auch mit lausigen Matten der damaligen Zeit zusammenhing.
Vom Kovacs zum Brettschneider
Das Turnen oberhalb der Reckstange begründete 1979 der ungarische Kunstturner Peter Kovacs mit dem von ihm erstmals vorgestellten "Kovacs-Salto". Dieser, nach ihm benannte Flugteil ist ein Doppelsalto rückwärts gehockt über der Reckstange u.zw. aus der Riesenwelle heraus. Man kann sich die Abfolge der Griffe am besten vorstellen, wenn man die Ziffern einer Wanduhr zur Hilfe nimmt. Die Ausgangsposition ist "12 Uhr": der Turner steht im Handstand über der Reckstange. Er vollführt eine Riesenwelle, indem er die Ziffern 11, 10, 9 etc. durchläuft. Bei "1 Uhr" löst er seinen Griff, der Schwung treibt ihn hoch über die Reckstange, beim Herunterfallen auf der anderen Seite könnte er um ca. 11 Uhr wieder die Stange greifen. Diese (relativ einfache) Übung vollführt er jedoch nicht. Sondern, nach Lösen des Griffs um 1 Uhr, zieht er die Beine zur Hocke an und vollführt einen doppelten Rückwärtssalto hoch über der Reckstange. Danach streckt den Körper wieder, fasst um 11 Uhr wieder die Reckstange und setzt die Riesenwelle mit den folgenden turnerischen Elementen fort. Dieser Kovacs-Salto war damals eine Höchstschwierigkeit und erbrachte 0,6 Wertungspunkte. Heute wird er von einer ganzen Reihe von Turnern vorgeführt und nur mehr mit 0,4 Punkten belohnt.
Andreas Bretschneider turnt den Kovacs-Salto natürlich "im Schlaf". Deswegen kam ihm, vor etwa zwei Jahren, auch die Idee, diesen Doppelsalto rückwärts mit einer Doppelschraube um die Längsachse zu kombinieren. Nach eigenen Angaben gelang ihm dieses Kunststück anfangs nur achtmal - bei fast tausend Versuchen. Das Problem dabei ist, dass man bei der Durchführung der zweifachen Querdrehung - und der zweifachen Längsdrehung - zumeist die Orientierung verliert und diese Übungsteile irgendwie "vermanscht und verschwurbelt". Schlimmstenfalls kann man mit dem Gesicht auch auf die Reckstange fallen, was heftige Schmerzen verursacht. Das Trainingsziel von Bretschneider war also, seine Flugkurve so zu stabilisieren, dass jeder Versuch identisch ist und er - ohne zu schauen - stets die Reckstange in den Griff bekommt. Die Flugdauer vom Lösen von der Reckstange bis zum Wiederfassen beträgt nur 0,9 Sekunden. Schließlich, bei einem internationalen Wettkampf 2014 im chinesischen Nanning, funktionierte der "Bretschneider" tadellos, sodass er vom anwesenden Kampfgericht offiziell anerkannt und mit 0,8 Punkten bewertet wurde. Seitdem gelingt dem Turner Bretschneider "sein Bretschneider" in 80 Prozent der Fälle.
Die Weltmeisterschaft in Glasgow
Derart vorbereitet, konnte Andreas Bretschneider im Oktober 2015 frohen Mutes zur Turnweltmeisterschaft ins schottische Glasgow reisen. Er durfte sich zwar immer noch nicht mit Fabian Hambüchen, seinem deutschen Turnfreund, vergleichen, der eleganter turnt, technisch gut ausgebildet ist und viel Ausstrahlung besitzt. Aber mit seinem Supersalto lag der technische Wert seiner Reckübung bei 7,3 , was ihn aufs Treppchen bringen sollte. Jedoch nur, wenn sein Bretschneider Salto auch gelang.
Und der Bretschneider gelang! Am Anfang turnte Andreas den "echten" Bretschneider, danach noch zwei Mal mit nur einer Längsdrehung. Die Kampfrichter notierten schon den Bonus von 0,8 Punkten und alle folgende Elemente waren ebenfalls gut geturnt und von beträchtlicher Schwierigkeit. Aber beim Abgang vom Reck passierte das Unglück. Andreas hatte durch den Drehschwung zu viel Vorlage und musste zwei deutlich erkennbare Schritte machen, um in den sicheren Stand zu kommen. Das kostete ihm mindestens einen Haltungspunkt und der Bretschneider war dadurch "für die Katz". Auf dem Video sind diese Sequenzen gut erkennbar.
Andreas Bretschneider landete auf dem 4. Platz. Für eine Medaille muss er nun bis zu den olympischen Spielen in Rio warten.
Video zu Bretschneiders Reckübung bei der Weltmeisterschaft in Glasgow
Sonntag, 8. November 2015
1989: Kanzler Kohl kurz vor dem Sturz
Soweit ich die Weltgeschichte kenne, gibt es darin nur zwei Persönlichkeiten, deren knapp formulierte Ausprüche große Weltreiche zum Einsturz brachten. Der eine ist der römische Senator und Feldherr Marcus Porcius Cato der Ältere, welcher jede seiner Reden mit dem Satz beendete: "Cetero censeo Carthaginem esse delendam." (Im übrigen bin ich dafür, dass Karthago zerstört werden muss). Cato erlebte die Erfüllung seines Herzenswunsches nicht mehr, da sich Rom erst im Dritten Punischen Krieg dazu aufraffen konnte, seinem afrikanischen Erzrivalen den Garaus zu machen, als der Senator bereits 149 v. Chr. gestorben war.
Der zweite Promi dieser Art war der hochrangige DDR-Politiker Günther Schabowski, der am 9. November 1989 bei einer internationalen Pressekonferenz nach dem Zeitpunkt der Öffnung der Berliner Mauer gefragt wurde und darauf antwortete: "Nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich". Mit dieser Bemerkung löste er umgehend einen riesigen Strom von DDR-Bürgern über die bislang streng gehütete Stadtgrenze aus, was binnen weniger Monate zum Zerfall des sowjetischen Weltreichs führte. "Schabi", wie ihn seine zahlreichen Freunde nannten, wurde zwar 1999 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, aber bereits ein gutes Jahr später begnadigt. Er ist vor wenigen Tagen im Alter von 86 Jahren in Berlin verstorben.
Der Kanzler im Sinkflug
Das rasche Handeln von Helmut Kohl nach dem Mauerfall und seine Verdienste um die Wiedervereinigung sind allgemein bekannt. Aber wer erinnert sich noch daran, dass der Kanzler - nur zwei Monate vor der Öffnung der Berliner Mauer - vor dem politischen Sturz stand? Seit der nur knapp gewonnenen Bundestagswahl im Januar 1987 sah sich Kohl einer starken Phalanx hochrangiger Gegner in der eigenen Partei gegenüber, an deren Spitze ausgerechnet sein eigener Generalsekretär Heiner Geißler agierte. Eigentlich zur Loyalität verpflichtet, kritisierte ihn sein pfälzischer Landsmann subtil bis offen in den überregionalen Medien ZEIT und SPIEGEL, ja sogar in der konservativen Zeitung FAZ, wofür er den bekannten Journalisten Karl Feldmeyer gewann. Kohl konnte dies nicht entgehen und er ermahnte Geißler schriftlich zu mehr Kooperation. Als dies keinen Erfolg zeitigte, ließ er seinen Generalsekretär kommen und teilte ihm mit, dass er ihn beim bevorstehenden CDU-Parteitag in Bremen nicht mehr zur Wiederwahl vorschlagen werde. Geißler, der diesen Posten seit 12 Jahren inne hatte, war ob dieser Ankündigung so perplex, dass er nur noch "das kannst du nicht tun, Helmut", hervorbrachte, bevor er aus Kohls Büro hinaus rauschte.
Nachdem das Tischtuch zwischen diesen beiden Granden zerschnitten war, betrieb Geißler ganz offen die Abwahl Kohls als Parteivorsitzender beim bevorstehenden Parteitag am 11. September 1989 in Bremen. Heiner Geißler konnte prominente Mitstreiter in der CDU gewinnen, wovon vor allem Lothar Späth, Rita Süssmuth und Kurt Biedenkopf zu nennen sind. Die Strategie dieser "Verschwörer" sah vor, beim Parteitag den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth zum CDU-Vorsitzenden küren zu lassen und diesen bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 1990 als Bundeskanzlerkandidaten aufzustellen. Die Ära Kohl wäre dann, nach damals weit verbreiteter Meinung, zu Ende gewesen.
Helmut Kohl blieb die Hetzjagd seines (Noch-)Generalsekretärs gegen ihn nicht verborgen. Der Kanzler brauchte dringend Erfolge, um die Delegierten beim Parteitag auf seine Seite zu ziehen. Und das Glück kam ihm entgegen. Der Bundeskanzler erfuhr, über vertrauliche Kanäle, dass der ungarische Ministerpräsident Miklos Nemeth demnächst vorhatte, die Grenzen seines Ostblocklandes gegenüber dem westlichen Österreich zu öffnen. Kohl konnte Nemeth - unter Zusage einiger Kredite - bewegen, diesen Grenzzaun exakt einen Tag vor dem Bremer Parteitag unter großer Medienbeteiligung aufzuschneiden. Damit war ein weltweites Signal zum künftigen Abbau des Eisernen Vorhangs gegeben.
Es kam, wie es kommen musste. Kohl nutzte dieses Großereignis beim Parteitag als Beweis für die Richtigkeit seiner bisherigen Politik. Er hielt - trotz heftiger akuter Prostataschmerzen - eine seiner bislang besten Reden und konnte damit die Delegierten auf seine Seite ziehen. Sie wählten, ohne zu zögern, Volker Rühe zum Nachfolger von Geißler als Generalsekretär und gingen sogar so weit, dass sie Lothar Späth zur Strafe aus dem Parteipräsidium kippten. Die übrigen der oben genannten Parteirivalen wurden ebenfalls heftig sanktioniert. Endgültig aus dem Rennen war Lothar Späth, als ihm 1991 nachgewiesen werden konnte, dass er auf Kosten von Industriefirmen auf der Ägäis herumschipperte ("Traumschiff"-Affäre), was ihm sogar den Posten des Ministerpräsidenten kostete. Helmut Kohl war wieder obenauf und wäre, auch ohne Wiedervereinigung, 1990 zum Kanzlerkandidaten aufgestellt worden.
Die Väter der Wiedervereinigung
Mit der Wiedervereinigung wurde in wenigen Monaten eine Aufgabe gelöst, von der man jahrzehntelang sagte, dass sie zu den kompliziertesten Problemen der Weltpolitik gehören würde. Wer waren die "Väter" (bzw. die "Mütter") der deutschen Wiedervereinigung? Nun, sicherlich nicht die Regierungschefs unserer Nachbarländer Frankreich und Großbritannien. Mitterand ließ in französischer Finesse und mit beträchtlichem Zynismus verlauten: "Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich lieber zwei als eines davon habe". Und von der Lady Margret Thatcher, die 1989 schon nicht mehr ganz gesund war und bei Konferenzen häufig einnickte, konnte man hören: "Zweimal haben wir die Deutschen geschlagen und jetzt sind sie schon wieder da". Auch Uwe Ronneburger, FDP-Abgeordneter und Genschers Intimfeind, gehörte nicht zu den Befürwortern der Wiedervereinigung. Er konnte sich nicht entblöden, Ende 1989 nach Moskau zu reisen um dort gegen den Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten zu intrigieren.
Auf deutscher Seite gehört der Ehrentitel "Vater der Wiedervereinigung" ohne Zweifel Helmut Kohl. Er hat, beginnend mit seinem 10-Punkte-Programm am 28 November 1989, bis zur formalen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 - also in weniger als einem (!) Jahr - praktisch alles richtig gemacht. Und das Tempo war notwendig, denn schon 1991 änderte sich die internationale politische Szene total mit dem Golfkrieg, der Absetzung von Gorbatschow und dem Aufkommen von Boris Jelzin - und zwar zu Ungunsten von Deutschland. Wichtig war in diesen ereignisreichen Monaten, dass der amerikanischen Präsident George Bush (und sein Außenminister James Baker) politischen Flankenschutz gewährte.
Die überragende Persönlichkeit war zu jener Zeit jedoch der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow. Er hatte die Kraft, das System, in dem er groß geworden war, in Frage zu stellen und seine Schwächen zu erkennen. Es ist tragisch, aber ungerecht, dass ihn seine politischen Gegner zum Totengräber der UdSSR stempeln wollen. Nicht zu übersehen war allerdings der damalige wirtschaftliche Bankrott der Sowjetunion, den Kohl mit 20 Milliarden DM zu lindern versuchte. (Vermutlich hätte er für die DDR auch 100 Milliarden bezahlt).
Und wie ist der Stellenwert der Bürgerbewegung um Thierse & Co, die in Ostdeutschland zu jener Zeit auf die Straße gingen mit dem Ruf: "Wir sind das Volk". Nun, sie waren sicherlich ein bedeutsames Rädchen in diesem großen politischen Getriebe. Aber wenn Gorbatschow, nach dem Fall der Mauer, seine Panzer am Checkpoint Charlie hätte auffahren lassen, dann hätten die Hardliner in Ostberlin die Grenzübergänge sicherlich ganz schnell wieder geschlossen und die allermeisten Ostbürger wären in ihre DDR zurückgekehrt.
Der zweite Promi dieser Art war der hochrangige DDR-Politiker Günther Schabowski, der am 9. November 1989 bei einer internationalen Pressekonferenz nach dem Zeitpunkt der Öffnung der Berliner Mauer gefragt wurde und darauf antwortete: "Nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich". Mit dieser Bemerkung löste er umgehend einen riesigen Strom von DDR-Bürgern über die bislang streng gehütete Stadtgrenze aus, was binnen weniger Monate zum Zerfall des sowjetischen Weltreichs führte. "Schabi", wie ihn seine zahlreichen Freunde nannten, wurde zwar 1999 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, aber bereits ein gutes Jahr später begnadigt. Er ist vor wenigen Tagen im Alter von 86 Jahren in Berlin verstorben.
Der Kanzler im Sinkflug
Das rasche Handeln von Helmut Kohl nach dem Mauerfall und seine Verdienste um die Wiedervereinigung sind allgemein bekannt. Aber wer erinnert sich noch daran, dass der Kanzler - nur zwei Monate vor der Öffnung der Berliner Mauer - vor dem politischen Sturz stand? Seit der nur knapp gewonnenen Bundestagswahl im Januar 1987 sah sich Kohl einer starken Phalanx hochrangiger Gegner in der eigenen Partei gegenüber, an deren Spitze ausgerechnet sein eigener Generalsekretär Heiner Geißler agierte. Eigentlich zur Loyalität verpflichtet, kritisierte ihn sein pfälzischer Landsmann subtil bis offen in den überregionalen Medien ZEIT und SPIEGEL, ja sogar in der konservativen Zeitung FAZ, wofür er den bekannten Journalisten Karl Feldmeyer gewann. Kohl konnte dies nicht entgehen und er ermahnte Geißler schriftlich zu mehr Kooperation. Als dies keinen Erfolg zeitigte, ließ er seinen Generalsekretär kommen und teilte ihm mit, dass er ihn beim bevorstehenden CDU-Parteitag in Bremen nicht mehr zur Wiederwahl vorschlagen werde. Geißler, der diesen Posten seit 12 Jahren inne hatte, war ob dieser Ankündigung so perplex, dass er nur noch "das kannst du nicht tun, Helmut", hervorbrachte, bevor er aus Kohls Büro hinaus rauschte.
Nachdem das Tischtuch zwischen diesen beiden Granden zerschnitten war, betrieb Geißler ganz offen die Abwahl Kohls als Parteivorsitzender beim bevorstehenden Parteitag am 11. September 1989 in Bremen. Heiner Geißler konnte prominente Mitstreiter in der CDU gewinnen, wovon vor allem Lothar Späth, Rita Süssmuth und Kurt Biedenkopf zu nennen sind. Die Strategie dieser "Verschwörer" sah vor, beim Parteitag den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth zum CDU-Vorsitzenden küren zu lassen und diesen bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 1990 als Bundeskanzlerkandidaten aufzustellen. Die Ära Kohl wäre dann, nach damals weit verbreiteter Meinung, zu Ende gewesen.
Helmut Kohl blieb die Hetzjagd seines (Noch-)Generalsekretärs gegen ihn nicht verborgen. Der Kanzler brauchte dringend Erfolge, um die Delegierten beim Parteitag auf seine Seite zu ziehen. Und das Glück kam ihm entgegen. Der Bundeskanzler erfuhr, über vertrauliche Kanäle, dass der ungarische Ministerpräsident Miklos Nemeth demnächst vorhatte, die Grenzen seines Ostblocklandes gegenüber dem westlichen Österreich zu öffnen. Kohl konnte Nemeth - unter Zusage einiger Kredite - bewegen, diesen Grenzzaun exakt einen Tag vor dem Bremer Parteitag unter großer Medienbeteiligung aufzuschneiden. Damit war ein weltweites Signal zum künftigen Abbau des Eisernen Vorhangs gegeben.
Es kam, wie es kommen musste. Kohl nutzte dieses Großereignis beim Parteitag als Beweis für die Richtigkeit seiner bisherigen Politik. Er hielt - trotz heftiger akuter Prostataschmerzen - eine seiner bislang besten Reden und konnte damit die Delegierten auf seine Seite ziehen. Sie wählten, ohne zu zögern, Volker Rühe zum Nachfolger von Geißler als Generalsekretär und gingen sogar so weit, dass sie Lothar Späth zur Strafe aus dem Parteipräsidium kippten. Die übrigen der oben genannten Parteirivalen wurden ebenfalls heftig sanktioniert. Endgültig aus dem Rennen war Lothar Späth, als ihm 1991 nachgewiesen werden konnte, dass er auf Kosten von Industriefirmen auf der Ägäis herumschipperte ("Traumschiff"-Affäre), was ihm sogar den Posten des Ministerpräsidenten kostete. Helmut Kohl war wieder obenauf und wäre, auch ohne Wiedervereinigung, 1990 zum Kanzlerkandidaten aufgestellt worden.
Die Väter der Wiedervereinigung
Mit der Wiedervereinigung wurde in wenigen Monaten eine Aufgabe gelöst, von der man jahrzehntelang sagte, dass sie zu den kompliziertesten Problemen der Weltpolitik gehören würde. Wer waren die "Väter" (bzw. die "Mütter") der deutschen Wiedervereinigung? Nun, sicherlich nicht die Regierungschefs unserer Nachbarländer Frankreich und Großbritannien. Mitterand ließ in französischer Finesse und mit beträchtlichem Zynismus verlauten: "Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich lieber zwei als eines davon habe". Und von der Lady Margret Thatcher, die 1989 schon nicht mehr ganz gesund war und bei Konferenzen häufig einnickte, konnte man hören: "Zweimal haben wir die Deutschen geschlagen und jetzt sind sie schon wieder da". Auch Uwe Ronneburger, FDP-Abgeordneter und Genschers Intimfeind, gehörte nicht zu den Befürwortern der Wiedervereinigung. Er konnte sich nicht entblöden, Ende 1989 nach Moskau zu reisen um dort gegen den Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten zu intrigieren.
Auf deutscher Seite gehört der Ehrentitel "Vater der Wiedervereinigung" ohne Zweifel Helmut Kohl. Er hat, beginnend mit seinem 10-Punkte-Programm am 28 November 1989, bis zur formalen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 - also in weniger als einem (!) Jahr - praktisch alles richtig gemacht. Und das Tempo war notwendig, denn schon 1991 änderte sich die internationale politische Szene total mit dem Golfkrieg, der Absetzung von Gorbatschow und dem Aufkommen von Boris Jelzin - und zwar zu Ungunsten von Deutschland. Wichtig war in diesen ereignisreichen Monaten, dass der amerikanischen Präsident George Bush (und sein Außenminister James Baker) politischen Flankenschutz gewährte.
Die überragende Persönlichkeit war zu jener Zeit jedoch der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow. Er hatte die Kraft, das System, in dem er groß geworden war, in Frage zu stellen und seine Schwächen zu erkennen. Es ist tragisch, aber ungerecht, dass ihn seine politischen Gegner zum Totengräber der UdSSR stempeln wollen. Nicht zu übersehen war allerdings der damalige wirtschaftliche Bankrott der Sowjetunion, den Kohl mit 20 Milliarden DM zu lindern versuchte. (Vermutlich hätte er für die DDR auch 100 Milliarden bezahlt).
Und wie ist der Stellenwert der Bürgerbewegung um Thierse & Co, die in Ostdeutschland zu jener Zeit auf die Straße gingen mit dem Ruf: "Wir sind das Volk". Nun, sie waren sicherlich ein bedeutsames Rädchen in diesem großen politischen Getriebe. Aber wenn Gorbatschow, nach dem Fall der Mauer, seine Panzer am Checkpoint Charlie hätte auffahren lassen, dann hätten die Hardliner in Ostberlin die Grenzübergänge sicherlich ganz schnell wieder geschlossen und die allermeisten Ostbürger wären in ihre DDR zurückgekehrt.
Sonntag, 1. November 2015
KIT überflüssig? Tut´s JARA auch?
Kooperationen zwischen benachbarten Forschungseinrichtungen und Universitäten sind weit verbreitet. Insbesondere das Krebsforschungszentrum Heidelberg, das Forschungszentrum Jülich und das Forschungszentrum Karlsruhe-Leopoldshafen haben in der Vergangenheit eine enge Zusammenarbeit mit den nahen Universitäten Heidelberg, Aachen und Karlsruhe gepflegt. Unterschiedlich ist Zahl und Umfang der gemeinsamen Projekte, sowie die organisatorische und juristische Verknüpfung der beiden Kooperationspartner. Zwei dieser Forschungsverbünde in Karlsruhe und Jülich bestehen inzwischen knapp zehn Jahre. Über die darin gemachten Erfahrungen wird in diesem Blog berichtet.
Den engstmöglichen Zusammenschluss hat man im Jahr 2006 in Karlsruhe gewählt. Die Chefs des ehemaligen Kernforschungszentrum in Leopoldshafen und der Technischen Universität Karlsruhe beschlossen damals, sich zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu vereinigen. Dazu musste eine neue juristische Form gefunden werden und der Landtag in Stuttgart war sogar genötigt, ein eigenes KIT-Gesetz zu verabschieden. Bei der Wahl des Namens orientierte man sich (unter Ignorierung falscher Bescheidenheit) am altehrwürdigen Bostoner MIT, einer Institution, die inzwischen mehr als 80 Nobelpreisträger vorzuweisen hat.
Weitaus moderater betreibt man die Zusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen. Die dortige Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) mit 42.000 Studenten (gegenüber ca. 24.000 in Karlsruhe) beschloss im Jahr 2007 mit dem benachbarten Forschungszentrum Jülich zusammenzuarbeiten, das mit 5.500 Beschäftigten ebenfalls größer als der korrespondierende Karlsruher Partner ist (mit ca. 4000). Der daraus erwachsende Forschungsverbund bekam den Namen "Jülich Aachen Research Alliance", abgekürzt JARA. Im Gegensatz zu KIT ist JARA keine eigenständige juristische Person. Seine Aufgabe ist es, die jeweiligen kooperationswilligen Partner thematisch zu bündeln, zu finanzieren und zu überwachen, wie das etwa die Projektleitungen bei Großprojekten seit Jahr und Tag erledigen.
Erfahrungen mit JARA
Die Zusammenarbeit zwischen dem Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen vollzieht sich in sogenannten Sektionen. Die Sektion "JARA-Brain", beispielsweise, deckt das Gebiet der Hirnforschung und der Neurowissenschaften ab. JARA-Energy bündelt die Forschung zum Themenkomplex nachhaltige Energie. JARA-FIT ist zuständig für den Bereich Informationstechnologien , JARA-HPC für Hochleistungsrechner und JARA-FAME für die Kern- und Teilchenphysik. Als sechste Sektion wurde im Dezember 2014 JARA-Soft gegründet, welche sich mit der Erforschung "weicher Materie" befasst, wozu auch die Polymere zählen.
Auch die Anzahl der Industriekooperationen ist beeindruckend. Im Jahr 2014 zählte man 250 Zusammenarbeiten mit deutschen Industriefirmen und darüber hinaus weitere 89 im internationalen Bereich. Einige Projekte seien stellvertretend dafür aufgezählt: die Lebensdauermodellierung von Flugtriebwerksschaufeln, die Entwicklung von Wärmedämmschichten, die Auswertung von Fotovoltaikfolien, die klinische Untersuchung von neuen Arzneimitteln u.a.m. Zu den Industriepartnern zählen renommierte Firmen wie: Siemens, Bayer, MAN, Plansee, Kawasaki, Sulzer, Grünenthal u. a. m.
Das Budget für JARA beträgt 500 Millionen Euro, wofür 60 Mio für Investitionen zur Verfügung stehen. 13,6 Mio entstammen der Exzellenzinitiative. Seit 2007 kam es im Bereich JARA zu 47 gemeinsamen Berufungen der beiden Partner. Im Jahr 2014 wurden 919 gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten publiziert.
Erfahrungen bei KIT
Demgegenüber scheint das KIT von beträchtlichen Geldsorgen geplagt zu sein. "Wir können keine großen Sprünge machen", bekannte der Finanzchef Ulrich Breuer vor kurzem in der regionalen Zeitung BNN. Aber man brauche ja nicht unbedingt frisches Geld, um mehr Wissenschaftler für die Lehre zu gewinnen. "Wir sind nicht nur eine Universität, sondern haben auch einen Großforschungsbereich, den wir mehr und mehr in die Lehre integrieren wollen", sagte Breuer mit Blick auf das frühere Forschungszentrum in Leopoldshafen. In den zurück liegenden zwei Jahren sei die Zahl der dortigen Wissenschaftler - die auch an der Universität lehren - deutlich gestiegen. Aber: "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange". Das klingt, als sei das Forschungszentrum zum "Anhängsel der Uni" geworden. Und im Hinblick auf die vielen Diplom- und Doktorarbeiten, welche von der Uni (preiswert!) ans FZK ausgelagert werden, kann man in Bezug auf das Forschungszentrum sogar von einer "verlängerten Werkbank der Uni" sprechen.
Die ständige Geldnot am KIT hat direkte negative Auswirkungen auf die Anzahl der Großprojekte und ihre Abwicklung. Beispielhaft dafür ist die Synchrotronstrahlenquelle ANKA, wie in der Hausszeitschrift KIT-Dialog zu lesen ist. Die Quelle stand anfangs auch externen Nutzern, insbesondere aus der Industrie zur Verfügung. Dafür wurde sogar ein schmuckes Gästehaus für einige hunderttausend Euro errichtet. Nun ist die ANKA "herabgestuft" worden und soll nur noch für die heimischen Forscher betrieben werden. Sogar einige Strahlrohre samt Versuchseinrichtungen will man an (frühere) Wettbewerber verkaufen. Darüber hinaus drücken ANKA beträchtliche Altschulden für welches das betreibende Institut zur Hälfte aufkommen soll. Kein Wunder, das die KIT-Forscher an der ANKA total frustriert sind.
Aber auch andere Großprojekte kommen nicht in die Gänge, sondern leiden unter Terminverzögerungen bis zu einem Jahrzehnt (!). Zu nennen ist die bioliq-Anlage, bei der man mittels Pyrolyse Benzin aus Stroh produzieren will, sowie der Großversuch Katrin, an dem die Masse des Neutrinos gemessen werden soll. Bei bioliq ist es äußerst fraglich, ob das Verfahren die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreichen wird. Außerdem ist die preisgünstige Beschaffung von Abfallstroh angesichts der Konkurrenz der Biogasanlagen ein großes logistisches Problem. Die kernphysikalische Anlage Katrin wird wohl erst im nächsten Jahrzehnt Ergebnisse zeitigen. Spannend dürfte dann sein, ob es gelingt die absolute Masse zu bestimmen, oder ob nur die relative Massenbestimmung zustande kommt im Sinne von kleiner bzw. größer als... Letzteres wäre hochbedauerlich und dem hohen finanziellen Aufwand nicht angemessen.
Schlussendlich noch einige Fakten:
Die RWTH erhielt 2007 im Rahmen der Exzellenzinitiative den Status "Elite-Universität". Beim erneuten Wettbewerb im Jahr 2012 wurde ihr dieser Titel wiederum zuerkannt. Die Technische Universität Karlsruhe errang im Jahr 2007 ebenfalls den Titel Elite-Universität, verlor ihn aber 2012 wieder.
Das Forschungszentrum Jülich hat seit 2007 einen Nobelpreisträger in Physik vorzuweisen: Professor Peter Grünberg.
Den engstmöglichen Zusammenschluss hat man im Jahr 2006 in Karlsruhe gewählt. Die Chefs des ehemaligen Kernforschungszentrum in Leopoldshafen und der Technischen Universität Karlsruhe beschlossen damals, sich zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu vereinigen. Dazu musste eine neue juristische Form gefunden werden und der Landtag in Stuttgart war sogar genötigt, ein eigenes KIT-Gesetz zu verabschieden. Bei der Wahl des Namens orientierte man sich (unter Ignorierung falscher Bescheidenheit) am altehrwürdigen Bostoner MIT, einer Institution, die inzwischen mehr als 80 Nobelpreisträger vorzuweisen hat.
Weitaus moderater betreibt man die Zusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen. Die dortige Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) mit 42.000 Studenten (gegenüber ca. 24.000 in Karlsruhe) beschloss im Jahr 2007 mit dem benachbarten Forschungszentrum Jülich zusammenzuarbeiten, das mit 5.500 Beschäftigten ebenfalls größer als der korrespondierende Karlsruher Partner ist (mit ca. 4000). Der daraus erwachsende Forschungsverbund bekam den Namen "Jülich Aachen Research Alliance", abgekürzt JARA. Im Gegensatz zu KIT ist JARA keine eigenständige juristische Person. Seine Aufgabe ist es, die jeweiligen kooperationswilligen Partner thematisch zu bündeln, zu finanzieren und zu überwachen, wie das etwa die Projektleitungen bei Großprojekten seit Jahr und Tag erledigen.
Erfahrungen mit JARA
Die Zusammenarbeit zwischen dem Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen vollzieht sich in sogenannten Sektionen. Die Sektion "JARA-Brain", beispielsweise, deckt das Gebiet der Hirnforschung und der Neurowissenschaften ab. JARA-Energy bündelt die Forschung zum Themenkomplex nachhaltige Energie. JARA-FIT ist zuständig für den Bereich Informationstechnologien , JARA-HPC für Hochleistungsrechner und JARA-FAME für die Kern- und Teilchenphysik. Als sechste Sektion wurde im Dezember 2014 JARA-Soft gegründet, welche sich mit der Erforschung "weicher Materie" befasst, wozu auch die Polymere zählen.
Auch die Anzahl der Industriekooperationen ist beeindruckend. Im Jahr 2014 zählte man 250 Zusammenarbeiten mit deutschen Industriefirmen und darüber hinaus weitere 89 im internationalen Bereich. Einige Projekte seien stellvertretend dafür aufgezählt: die Lebensdauermodellierung von Flugtriebwerksschaufeln, die Entwicklung von Wärmedämmschichten, die Auswertung von Fotovoltaikfolien, die klinische Untersuchung von neuen Arzneimitteln u.a.m. Zu den Industriepartnern zählen renommierte Firmen wie: Siemens, Bayer, MAN, Plansee, Kawasaki, Sulzer, Grünenthal u. a. m.
Das Budget für JARA beträgt 500 Millionen Euro, wofür 60 Mio für Investitionen zur Verfügung stehen. 13,6 Mio entstammen der Exzellenzinitiative. Seit 2007 kam es im Bereich JARA zu 47 gemeinsamen Berufungen der beiden Partner. Im Jahr 2014 wurden 919 gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten publiziert.
Erfahrungen bei KIT
Demgegenüber scheint das KIT von beträchtlichen Geldsorgen geplagt zu sein. "Wir können keine großen Sprünge machen", bekannte der Finanzchef Ulrich Breuer vor kurzem in der regionalen Zeitung BNN. Aber man brauche ja nicht unbedingt frisches Geld, um mehr Wissenschaftler für die Lehre zu gewinnen. "Wir sind nicht nur eine Universität, sondern haben auch einen Großforschungsbereich, den wir mehr und mehr in die Lehre integrieren wollen", sagte Breuer mit Blick auf das frühere Forschungszentrum in Leopoldshafen. In den zurück liegenden zwei Jahren sei die Zahl der dortigen Wissenschaftler - die auch an der Universität lehren - deutlich gestiegen. Aber: "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange". Das klingt, als sei das Forschungszentrum zum "Anhängsel der Uni" geworden. Und im Hinblick auf die vielen Diplom- und Doktorarbeiten, welche von der Uni (preiswert!) ans FZK ausgelagert werden, kann man in Bezug auf das Forschungszentrum sogar von einer "verlängerten Werkbank der Uni" sprechen.
Die ständige Geldnot am KIT hat direkte negative Auswirkungen auf die Anzahl der Großprojekte und ihre Abwicklung. Beispielhaft dafür ist die Synchrotronstrahlenquelle ANKA, wie in der Hausszeitschrift KIT-Dialog zu lesen ist. Die Quelle stand anfangs auch externen Nutzern, insbesondere aus der Industrie zur Verfügung. Dafür wurde sogar ein schmuckes Gästehaus für einige hunderttausend Euro errichtet. Nun ist die ANKA "herabgestuft" worden und soll nur noch für die heimischen Forscher betrieben werden. Sogar einige Strahlrohre samt Versuchseinrichtungen will man an (frühere) Wettbewerber verkaufen. Darüber hinaus drücken ANKA beträchtliche Altschulden für welches das betreibende Institut zur Hälfte aufkommen soll. Kein Wunder, das die KIT-Forscher an der ANKA total frustriert sind.
Aber auch andere Großprojekte kommen nicht in die Gänge, sondern leiden unter Terminverzögerungen bis zu einem Jahrzehnt (!). Zu nennen ist die bioliq-Anlage, bei der man mittels Pyrolyse Benzin aus Stroh produzieren will, sowie der Großversuch Katrin, an dem die Masse des Neutrinos gemessen werden soll. Bei bioliq ist es äußerst fraglich, ob das Verfahren die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreichen wird. Außerdem ist die preisgünstige Beschaffung von Abfallstroh angesichts der Konkurrenz der Biogasanlagen ein großes logistisches Problem. Die kernphysikalische Anlage Katrin wird wohl erst im nächsten Jahrzehnt Ergebnisse zeitigen. Spannend dürfte dann sein, ob es gelingt die absolute Masse zu bestimmen, oder ob nur die relative Massenbestimmung zustande kommt im Sinne von kleiner bzw. größer als... Letzteres wäre hochbedauerlich und dem hohen finanziellen Aufwand nicht angemessen.
Schlussendlich noch einige Fakten:
Die RWTH erhielt 2007 im Rahmen der Exzellenzinitiative den Status "Elite-Universität". Beim erneuten Wettbewerb im Jahr 2012 wurde ihr dieser Titel wiederum zuerkannt. Die Technische Universität Karlsruhe errang im Jahr 2007 ebenfalls den Titel Elite-Universität, verlor ihn aber 2012 wieder.
Das Forschungszentrum Jülich hat seit 2007 einen Nobelpreisträger in Physik vorzuweisen: Professor Peter Grünberg.
Sonntag, 25. Oktober 2015
Das Schweigen der Strom-Bosse
Im vielstimmigen, zuweilen schrillen, Chor der Diskutanten um die Energiewende und den Atomausstieg vermisst man den Beitrag der Chefs der großen deutschen Stromkonzerne. Aufgrund ihrer Position und der ihnen zugänglichen Informationen könnten sie argumentative Leitplanken setzen - aber sie wollen offenbar nicht. Das erstaunt, denn immerhin geht es bei der Umsetzung der Energiewende um das Wohl und Wehe ihrer Firmen, von denen RWE und E.ON schon nah am Rande der Insolvenz stehen sollen.
Noch am ehesten versteht man das Schweigen von Frank Mastiaux, dem Vorstandsvorsitzenden der EnBW. Dieses Unternehmen ist (nach dem Rückkauf des Aktienpakets von EdF) praktisch zu 99 Prozent im öffentlichen Besitz. Und da Baden-Württemberg seit 2011 von einer grün-roten Koalition regiert wird, ist sein gestalterischer Spielraum relativ gering. Außerdem mag er das Schicksal seines Vorgängers Utz Claassen im Gedächtnis haben, der nach etlichen Kontroversen mit den Gesellschaftern seinen Job nicht ganz freiwillig aufgeben musste und seitdem nichts Äquivalentes mehr gefunden hat. Auch die Manager von Vattenfall lasse ich aus der Betrachtung, die auf ihre Chefs in Stockholm zu hören haben und sich offensichtlich aus Deutschland zurückziehen wollen.
Schmerzlich vermisst man allerdings den rhetorischen Input von Peter Terium und Johannes Teyssen, beides Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Energieversorgungsunternehmen RWE und E.ON mit einem addierten Jahresgehalt von 11 Millionen Euro. Sie lassen sich allenfalls gelegentlich in überregionalen Zeitungen zu Einzelthemen ihres Konzerns vernehmen; in den jährlichen Aktionärsversammlungen behaupten sie, voll hinter der Energiepolitik der Bundesregierung zu stehen. In der kritischen medialen Öffentlichkeit lassen sich Terium und Teyssen (abgekürzt T+T) vielfach unqualifiziert verdächtigen und beschimpfen, ohne eigene stichhaltige Argumente vernehmbar dagegen zu setzen. Einige Beispiele dafür möchte ich in den folgenden Abschnitten kurz anreißen.
Fehlerhaftes Konstrukt Energiewende
Die sogenannte Energiewende, von der Bundesregierung eingeläutet im März 2011 nach Fukushima und in Gesetze gegossen im Juni des gleichen Jahres ist mißkonstruiert. Die Abschaltung von acht großen Kernkraftwerke geschah spontan und ohne jegliche Absprache mit unseren EVU-Parntnern im europäischen Netzverbund. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit starker Ausrichtung auf die Nutzung von Wind und Sonne hat viele strukturelle Mängel.
T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...
- dass die sofortige Abschaltung von acht Kernkraftwerken (sog. Moratorium) ohne technische Begründung dem Wortlaut des Atomgesetzes entgegen steht und daher gesetzeswidrig war...
- dass das EEG ein reines Subventionsgesetz ohne jeden wettbewerbswirtschaftlichen Anreiz ist und deshalb nicht in das energiewirtschaftliche Konzept der Bundesrepublik passt...
- dass derzeit jährlich 25 Milliarden an Umlagekosten von den Stromkunden aufgebracht werden muss mit steigender Tendenz...
- dass das Festhalten an der Brennelementesteuer trotz Rücknahme der Laufzeitverlängerung vom Herbst 2010 illegitim war...
- dass der "Flatterstrom" aus Wind und Sonne ohne saisonale Speicher zum erhöhten Einsatz der Kohlekraftwerke und zur Instabilität des Stromnetzes führen musste...
- und, dass alles insgesamt die großen Stromkonzerne in die Nähe des Bankrotts bringen kann.
Dauerthema Entsorgung
Unter Entsorgung versteht man den Rückbau der Kernkraftwerke und die Verbringung der radioaktiven Abfälle in die Endläger. Von den Gegnern der Kernenergie - insbesondere im Ministerium Gabriel - wird immer wieder unterstellt, dass dies technisch nicht möglich sei, bzw. die finanziellen Mittel dafür nicht ausreichen würden. Beides ist beweisbar falsch. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn von den Manager der Stromkonzerne dies besser kommuniziert worden wäre.
T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...
- dass die Verantwortung für die Entsorgung insoweit zweigeteilt ist, als die EVU für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke zuständig sind und die Bundesregierung - qua Atomgesetz - für die Bereitstellung der Endläger...
- dass für den Rückbau der Atomkraftwerke hinreichend technische Erfahrungen vorliegen...
- dass aber die Bundesregierung (nach der voreiligen Aufgabe von Gorleben) noch kein alternatives Endlager vorzuweisen hat und...
- dass die rückgestellten 37 Milliarden Euro für die komplette Entsorgung aus heutiger Sicht voll ausreichend sind.
Fazit
Die beiden Vorstandsvorsitzenden Terium und Teyssen von RWE und E.ON meiden ganz offenkundig die öffentlichkeitswirksame Diskussion ihrer Angelegenheiten mit ranghohen Politikern. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild über die Auswirkungen der Energiewende und des Atomausstiegs. Zu vielen negativen Unterstellungen der Politiker zu Energiefragen schweigen sie einfach. Sie sind zu lammfromm. Was dabei herauskommt ist:
das Schweigen der Lämmer.
Noch am ehesten versteht man das Schweigen von Frank Mastiaux, dem Vorstandsvorsitzenden der EnBW. Dieses Unternehmen ist (nach dem Rückkauf des Aktienpakets von EdF) praktisch zu 99 Prozent im öffentlichen Besitz. Und da Baden-Württemberg seit 2011 von einer grün-roten Koalition regiert wird, ist sein gestalterischer Spielraum relativ gering. Außerdem mag er das Schicksal seines Vorgängers Utz Claassen im Gedächtnis haben, der nach etlichen Kontroversen mit den Gesellschaftern seinen Job nicht ganz freiwillig aufgeben musste und seitdem nichts Äquivalentes mehr gefunden hat. Auch die Manager von Vattenfall lasse ich aus der Betrachtung, die auf ihre Chefs in Stockholm zu hören haben und sich offensichtlich aus Deutschland zurückziehen wollen.
Schmerzlich vermisst man allerdings den rhetorischen Input von Peter Terium und Johannes Teyssen, beides Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Energieversorgungsunternehmen RWE und E.ON mit einem addierten Jahresgehalt von 11 Millionen Euro. Sie lassen sich allenfalls gelegentlich in überregionalen Zeitungen zu Einzelthemen ihres Konzerns vernehmen; in den jährlichen Aktionärsversammlungen behaupten sie, voll hinter der Energiepolitik der Bundesregierung zu stehen. In der kritischen medialen Öffentlichkeit lassen sich Terium und Teyssen (abgekürzt T+T) vielfach unqualifiziert verdächtigen und beschimpfen, ohne eigene stichhaltige Argumente vernehmbar dagegen zu setzen. Einige Beispiele dafür möchte ich in den folgenden Abschnitten kurz anreißen.
Fehlerhaftes Konstrukt Energiewende
Die sogenannte Energiewende, von der Bundesregierung eingeläutet im März 2011 nach Fukushima und in Gesetze gegossen im Juni des gleichen Jahres ist mißkonstruiert. Die Abschaltung von acht großen Kernkraftwerke geschah spontan und ohne jegliche Absprache mit unseren EVU-Parntnern im europäischen Netzverbund. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit starker Ausrichtung auf die Nutzung von Wind und Sonne hat viele strukturelle Mängel.
T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...
- dass die sofortige Abschaltung von acht Kernkraftwerken (sog. Moratorium) ohne technische Begründung dem Wortlaut des Atomgesetzes entgegen steht und daher gesetzeswidrig war...
- dass das EEG ein reines Subventionsgesetz ohne jeden wettbewerbswirtschaftlichen Anreiz ist und deshalb nicht in das energiewirtschaftliche Konzept der Bundesrepublik passt...
- dass derzeit jährlich 25 Milliarden an Umlagekosten von den Stromkunden aufgebracht werden muss mit steigender Tendenz...
- dass das Festhalten an der Brennelementesteuer trotz Rücknahme der Laufzeitverlängerung vom Herbst 2010 illegitim war...
- dass der "Flatterstrom" aus Wind und Sonne ohne saisonale Speicher zum erhöhten Einsatz der Kohlekraftwerke und zur Instabilität des Stromnetzes führen musste...
- und, dass alles insgesamt die großen Stromkonzerne in die Nähe des Bankrotts bringen kann.
Dauerthema Entsorgung
Unter Entsorgung versteht man den Rückbau der Kernkraftwerke und die Verbringung der radioaktiven Abfälle in die Endläger. Von den Gegnern der Kernenergie - insbesondere im Ministerium Gabriel - wird immer wieder unterstellt, dass dies technisch nicht möglich sei, bzw. die finanziellen Mittel dafür nicht ausreichen würden. Beides ist beweisbar falsch. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn von den Manager der Stromkonzerne dies besser kommuniziert worden wäre.
T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...
- dass die Verantwortung für die Entsorgung insoweit zweigeteilt ist, als die EVU für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke zuständig sind und die Bundesregierung - qua Atomgesetz - für die Bereitstellung der Endläger...
- dass für den Rückbau der Atomkraftwerke hinreichend technische Erfahrungen vorliegen...
- dass aber die Bundesregierung (nach der voreiligen Aufgabe von Gorleben) noch kein alternatives Endlager vorzuweisen hat und...
- dass die rückgestellten 37 Milliarden Euro für die komplette Entsorgung aus heutiger Sicht voll ausreichend sind.
Fazit
Die beiden Vorstandsvorsitzenden Terium und Teyssen von RWE und E.ON meiden ganz offenkundig die öffentlichkeitswirksame Diskussion ihrer Angelegenheiten mit ranghohen Politikern. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild über die Auswirkungen der Energiewende und des Atomausstiegs. Zu vielen negativen Unterstellungen der Politiker zu Energiefragen schweigen sie einfach. Sie sind zu lammfromm. Was dabei herauskommt ist:
das Schweigen der Lämmer.
Montag, 19. Oktober 2015
Marktstagnation bei Erneuerbaren Energien
Dem aufmerksamen Beobachter ist längst klar, dass es in Deutschland einen Strommarkt im Sinne von Angebot und Nachfrage bei den Erneuerbaren Energien (EE) nicht gibt. Stattdessen wird das "Marktgeschehen" ständig durch politische und planwirtschaftliche Eingriffe maßgeblich beeinflusst. Das letzte Mal geschah dies durch die Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im Juli 2014. Die EEG-Umlage hatte mit 6,24 Cent pro Kilowattstunde eine solch dramatische Höhe erreicht, dass sich der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel genötigt sah, die legislative Notbremse zu ziehen, indem er die Subventionen für die EE drastisch kürzte. Bei der Photovoltaik wurde der selbstproduzierte und selbstverwendete Eigenstrom mit einer Abgabe, der "Sonnensteuer" bzw. dem "Sonnensoli" belegt. Diese Sondersteuer betrug vom August 2014 an 30 Prozent, ab 2017 sollte sie auf 40 Prozent der regulären EEG-Umlage ansteigen.
Die Folgen zeigen sich jetzt, schon ein Jahr danach. Während 2010 bis 2012 jährlich noch je mehr als 7.000 Megawatt (MW) an Solarleistung installiert wurden, gingen die solaren Neuinvestitionen im Jahr 2014 auf bloße 1.900 MW zurück und sind weiter im Fallen. Dies ist ein zusätzlicher Beweis dafür, dass der Photovoltaikmarkt nur durch exzessive staatliche Subventionen zu Lasten der Stromkunden aufgebläht worden ist und nun in sich zusammenfällt. Die Photovoltaikanlagen auf den Dächern verschwinden damit künftig in die Bedeutungslosigkeit. Kein Wunder, dass die Solarlobby nun lauthals danach schreit, die früheren opulenten staatlichen Fördersätze wieder einzurichten.
Biogas vor dem Aus?
Von der erwähnten Novellierung des EEG im vorigen Jahr sind nicht nur die 1,5 Millionen Photovoltaikanlagen betroffen, sondern auch die 8.000 Biogasanlagen, an denen zumeist Strom erzeugt wird. Mit einer installierten Leistung von 4.000 Megawatt produzieren alle 5.000 Betreiber jährlich knapp 28 Milliarden kWh Strom. Für die meisten Landwirte ist es ein Zuverdienst, für nicht wenige inzwischen auch die Haupteinnahmequelle. Nach der neuesten Fassung des EEG wurden ab sofort nur noch 95 Prozent des aus Biogas erzeugten Stroms zum Bestpreis von 18 Cent pro Kilowattstunde subventioniert; für die restlichen 5 Prozent wird der tagesaktuelle Kurs der Strombörsen - drei bis vier Eurocent - bezahlt. Diese Kappung erscheint moderat, bringt die Anlagenbetreiber allerdings auf die Palme, weil sie für die Zukunft weitere Reduktionen fürchten. Inzwischen haben einige Betreiber Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, deren Erfolg allerdings fraglich ist.
Das Ansehen der Biogasbauern ist beim Gesetzgeber in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, u. zw. aus verschiedenen Gründen. Dazu zählt die sogenannte "Vermaisung" der Landschaft. Statt sich auf die Verwendung von Rest- und Abfallstoffen zu konzentrieren, haben die "Energiewirte" inzwischen fast eine Million Hektar Mais für ihre Anlagen angebaut - sehr zur Ärger der anwohnenden Bevölkerung. Mit "Energiemais" war eben wesentlich mehr Geld zu verdienen, als in der klassischen Landwirtschaft.
Hinzu kommt, dass erhebliche Mengen an nitrathaltigen Kunstdünger auf den Feldern ausgebracht wurden, was (insbesondere in Oberfranken) dazu führte, dass bereits tausende von Trinkwasserbrunnen geschlossen werden mussten. Der Regen schwemmt dort die Nitratfracht in das Grundwasser, sodass dieses locker als Flüssigdünger verwendet werden könnte.
Auch die verwendeten tierischen Exkremente, wie Gülle, bereiten Probleme. In den vergangenen fünf Jahren kam es deshalb zu mehr als 400 "Havarien", wobei Gülle in benachbarte Flüsse gelangte und dort den Fischbestand vernichtete. Offenbar sind viele Bauern mit dem sicheren Betrieb ihrer Anlage überfordert und wollen auch (aus Kostengründen) nicht in eine Abschottung ihrer Gäranlagen investieren.
Schließlich haben die Experten beim Bundeswirtschaftsministerium ausgerechnet, dass die Biogasanlagen überproportional zur EEG-Umlage beitragen, was dort gar nicht gern gesehen wird. Der Wind hat sich gedreht. Früher war Biogas als Grundlastenergie sehr wichtig und der schnelle Ausbau der Kapazitäten war erwünscht. Das ist nun nicht mehr der Fall. Während bei anderen Erzeugern die Stromgestehungskosten gefallen sind, sind sie beim Biogas nahezu konstant geblieben. Wenn es um die reine Stromerzeugung - ohne Nutzung der Wärme - geht, dann ist Biogas aus Sicht der Berliner Politiker schlichtweg zu teuer. Mit weiterer Reduktion der Subventionierung ist also zu rechnen.
Zum Schluss noch zwei Zahlen, die man sich merken sollte:
Im Jahr 2014 kostete die Produktion von Strom aus Erneuerbaren Energien, also vorzugsweise aus Wind und Sonne, 17 Cent pro Kilowattstunde; demgegenüber lagen die Erzeugungskosten aus Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken bei 4 Cent/kWh.
Man lasse sich nicht durch den niedrigen Börsenpreis irritieren; der Energiewende-Strom wurde durch uns Stromverbraucher schon per EEG-Umlage bezahlt - noch bevor er an der Börse gehandelt wird.
Die Folgen zeigen sich jetzt, schon ein Jahr danach. Während 2010 bis 2012 jährlich noch je mehr als 7.000 Megawatt (MW) an Solarleistung installiert wurden, gingen die solaren Neuinvestitionen im Jahr 2014 auf bloße 1.900 MW zurück und sind weiter im Fallen. Dies ist ein zusätzlicher Beweis dafür, dass der Photovoltaikmarkt nur durch exzessive staatliche Subventionen zu Lasten der Stromkunden aufgebläht worden ist und nun in sich zusammenfällt. Die Photovoltaikanlagen auf den Dächern verschwinden damit künftig in die Bedeutungslosigkeit. Kein Wunder, dass die Solarlobby nun lauthals danach schreit, die früheren opulenten staatlichen Fördersätze wieder einzurichten.
Biogas vor dem Aus?
Von der erwähnten Novellierung des EEG im vorigen Jahr sind nicht nur die 1,5 Millionen Photovoltaikanlagen betroffen, sondern auch die 8.000 Biogasanlagen, an denen zumeist Strom erzeugt wird. Mit einer installierten Leistung von 4.000 Megawatt produzieren alle 5.000 Betreiber jährlich knapp 28 Milliarden kWh Strom. Für die meisten Landwirte ist es ein Zuverdienst, für nicht wenige inzwischen auch die Haupteinnahmequelle. Nach der neuesten Fassung des EEG wurden ab sofort nur noch 95 Prozent des aus Biogas erzeugten Stroms zum Bestpreis von 18 Cent pro Kilowattstunde subventioniert; für die restlichen 5 Prozent wird der tagesaktuelle Kurs der Strombörsen - drei bis vier Eurocent - bezahlt. Diese Kappung erscheint moderat, bringt die Anlagenbetreiber allerdings auf die Palme, weil sie für die Zukunft weitere Reduktionen fürchten. Inzwischen haben einige Betreiber Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, deren Erfolg allerdings fraglich ist.
Das Ansehen der Biogasbauern ist beim Gesetzgeber in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, u. zw. aus verschiedenen Gründen. Dazu zählt die sogenannte "Vermaisung" der Landschaft. Statt sich auf die Verwendung von Rest- und Abfallstoffen zu konzentrieren, haben die "Energiewirte" inzwischen fast eine Million Hektar Mais für ihre Anlagen angebaut - sehr zur Ärger der anwohnenden Bevölkerung. Mit "Energiemais" war eben wesentlich mehr Geld zu verdienen, als in der klassischen Landwirtschaft.
Hinzu kommt, dass erhebliche Mengen an nitrathaltigen Kunstdünger auf den Feldern ausgebracht wurden, was (insbesondere in Oberfranken) dazu führte, dass bereits tausende von Trinkwasserbrunnen geschlossen werden mussten. Der Regen schwemmt dort die Nitratfracht in das Grundwasser, sodass dieses locker als Flüssigdünger verwendet werden könnte.
Auch die verwendeten tierischen Exkremente, wie Gülle, bereiten Probleme. In den vergangenen fünf Jahren kam es deshalb zu mehr als 400 "Havarien", wobei Gülle in benachbarte Flüsse gelangte und dort den Fischbestand vernichtete. Offenbar sind viele Bauern mit dem sicheren Betrieb ihrer Anlage überfordert und wollen auch (aus Kostengründen) nicht in eine Abschottung ihrer Gäranlagen investieren.
Schließlich haben die Experten beim Bundeswirtschaftsministerium ausgerechnet, dass die Biogasanlagen überproportional zur EEG-Umlage beitragen, was dort gar nicht gern gesehen wird. Der Wind hat sich gedreht. Früher war Biogas als Grundlastenergie sehr wichtig und der schnelle Ausbau der Kapazitäten war erwünscht. Das ist nun nicht mehr der Fall. Während bei anderen Erzeugern die Stromgestehungskosten gefallen sind, sind sie beim Biogas nahezu konstant geblieben. Wenn es um die reine Stromerzeugung - ohne Nutzung der Wärme - geht, dann ist Biogas aus Sicht der Berliner Politiker schlichtweg zu teuer. Mit weiterer Reduktion der Subventionierung ist also zu rechnen.
Zum Schluss noch zwei Zahlen, die man sich merken sollte:
Im Jahr 2014 kostete die Produktion von Strom aus Erneuerbaren Energien, also vorzugsweise aus Wind und Sonne, 17 Cent pro Kilowattstunde; demgegenüber lagen die Erzeugungskosten aus Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken bei 4 Cent/kWh.
Man lasse sich nicht durch den niedrigen Börsenpreis irritieren; der Energiewende-Strom wurde durch uns Stromverbraucher schon per EEG-Umlage bezahlt - noch bevor er an der Börse gehandelt wird.
Sonntag, 11. Oktober 2015
Migration II: Wie schaffen es die Anderen?
Wenn die Bundeskanzlerin sich in eine Talkshow begibt, dann muss ein brenzliges Problem anstehen. Das letzte Mal ist sie diesen Schritt zu Günther Jauch gegangen, als die Euro-Krise zu erklären war. Nun hat sie Anne Will gewählt, um ihre Flüchtlingspolitik zu rechtfertigen. Ob es ihr gelungen ist, die dreieinhalb Millionen Zuschauer zu überzeugen, dafür gibt es keine gesicherten Umfrageergebnisse. Ihre beinahe suggestive Beteuerung "wir schaffen das" lässt viele Bürger weiterhin daran zweifeln. Merkel ist zwar die mächtigste Frau Europas - aber im Furor der Flüchtlingskrise erscheint sie ziemlich ohnmächtig.
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, einmal die Flüchtlingspolitik einiger anderer Länder zu betrachten, die schon seit Jahrzehnten mit diesem Problem konfrontiert sind und die es - auf ihre Weise - gelöst haben. Ich nenne Australien, USA und Spanien, alles demokratisch regierte Länder, die durch Migration nicht in ein solches Chaos gestürzt wurden wie derzeit unser Land. Irgend etwas muss mit der Zuwanderung in Deutschland schiefgelaufen sein.
Australien: "Stoppt die Boote"
Die australische Flüchtlingspolitik kann man unter der Devise Stoppt die Boote zusammenfassen. Alle Boote mit Flüchtlingen in Richtung Australien werden auf hoher See zum Umkehren gezwungen. Wer dennoch durchkommt, wird an Land abgefangen und in weit entfernte Lager in Neu-Guinea oder Kambodscha gebracht, mit deren Regierungen rechtzeitig Aufnahmeverträge ausgehandelt wurden. In den Lagern werden die Flüchtlinge registriert, was manchmal Jahre dauert. Erst nach Ende dieses Verfahrens und wenn die Migranten als politische Flüchtlinge anerkannt sind, dürfen sie australischen Boden betreten.
Zur Bekanntmachung dieser Maßnahmen werden die Medien eingesetzt. In den wichtigsten Tageszeitungen der Fluchtländer werden Anzeigen geschaltet, entsprechende Videospots erscheinen im Fernsehen und im Internet. Dort wird ausführlich die Prozedur der australischen Flüchtlingspolitik erklärt, insbesondere, dass die Flüchtlingsboote umkehren müssen beziehungsweise die Migranten in ausländische Lager verbracht werden. Der Premierminister Tony Abbott argumentiert, man wolle mit diesen drastischen Maßnahmen Leben retten. Es gehe darum, Bootsflüchtlinge, die sich nicht dem offiziellen Verfahren unterwerfen, als "Vordrängler" abzulehnen und die Schleuserei zu bekämpfen. Kein Wunder, dass die Flüchtlingsorganisationen Abbotts Politik aufs Heftigste kritisieren.
USA: Mauern gegen Flüchtlinge
Die meisten Flüchtlinge, welche in die USA illegal einströmen, kommen aus lateinamerikanischen Ländern, insbesondere Honduras, Guatemala und Mexiko. Zumeist werden sie von den Grenzschützern abgefangen und in primitive, grenznahe Auffanglager gebracht. Dort müssen sie innerhalb von 72 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Nur wer nachweisen kann, dass er verfolgt wird und in den USA einen Verwandten hat, der für ihn sorgt, darf bleiben. Alle anderen werden umgehend über die Grenze nach Süden zurückgeschickt.
Die Grenze zwischen Mexiko und den USA ist ca. 3.000 Kilometer lang und bietet manche Schlupflöcher zum illegalen Übertritt. In den vergangenen Jahren wurde ein 1.200 Kilometer langer Zaun errichtet, entlang dem 21.000 Grenzschützer patroullieren. Von der Luft aus kontrollieren Hubschrauber und Drohnen das Geschehen. Diese Maßnahmen zeitigten Erfolg: die Zahl der illegalen Flüchtlinge ist drastisch gesunken.
Im übrigen nimmt Amerika Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte nur streng quotiert auf. Die Quoten werden alljährlich vom Kongress festgelegt. Für das Jahr 2015 sind insgesamt nur 70.000 Flüchtlinge zur Aufnahme genehmigt, darunter 1.500 Syrer. Sinti und Roma gelten als Wirtschaftsflüchtlinge, denen der Zutritt verwehrt ist. Wem der Flüchtlingsstatus zugesprochen wird, der erhält eine "Greencard" und soll fortan arbeiten und sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen.
Spanien: Operation Seepferdchen
Noch vor einem Jahrzehnt brachten jedes Jahr 20 Meter lange Pirogen aus Holz mit Außenborder mehr als 30.000 Flüchtlinge zu den Kanarischen Inseln, also zum Staatsgebiet von Spanien. Diese Menschen kamen insbesondere von den afrikanischen Staaten Mauretanien, Senegal, Gambia und Guinea. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit entwickelte damals die Regierung in Madrid das sogenannte Projekt "Seahorse". Mit den genannten afrikanischen Ländern wurden Verträge ausgehandelt, welche die umgehende Rückführung dieser Flüchtlinge in ihre Heimatländer ermöglichte - u. zw. ungeachtet etwaiger Asylanträge. Im Gegenzug erhielten diese "Gastländer" finanzielle Hilfen aus dem Entwicklungsfonds, sogar zu Lasten der EU.
Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte in Westafrika rasend schnell. Die Migranten wussten nach kurzer Zeit, dass der Weg über den Atlantik praktisch versperrt ist und riskierten nur noch selten Überfahrten auf ihren altersschwachen Pirogen. Zudem erlauben Radarinformationen und Satellitenbeobachtungen eventuell doch in See gestochen Auswanderungswillige in Echtzeit zu orten und mit Marineschiffen an die afrikanischen Küste zurückzubringen. Einen Großteil der Aufwendungen für das Projekt Seahorse finanziert ebenfalls die Europäische Kommission.
Fazit
Jedes der drei Länder schützt rigide seine Staatsgrenzen. Flüchtlinge werden grenznah oder in weit entfernten Ländern registriert, mit denen entsprechende Verträge ausgehandelt wurden. Erst danach darf der akzeptierte Flüchtling in das Wunschland einwandern. Fast immer limitieren Quoten die Zahl der Migranten, welche weit unterhalb der gegenwärtigen Einwanderung nach Deutschland liegt. Das Thema Obergrenze wird im Ausland also ganz anders gesehen als bei uns.
Besonders stolz ist man in Australien darüber, dass dort seit 2013 kein Flüchtlingsboot mehr vor der Küste gekentert ist und dass es demzufolge keine Toten gegeben hat. Man verweist auf die Tragödien im Mittelmeer, wo im Jahr 2014 über 3.700 Flüchtlinge ertrunken sind, in diesem Jahr bereits 2.600.
Diese harsche Behandlung der Flüchtlinge in den drei Ländern liegt fernab von unserer "Willkommenskultur". Aber werden wir diese noch aufrecht erhalten können, wenn demnächst die Türkei zerbrechen sollte - und sich 50 Millionen Türken auf den Weg nach Deutschland machen?
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, einmal die Flüchtlingspolitik einiger anderer Länder zu betrachten, die schon seit Jahrzehnten mit diesem Problem konfrontiert sind und die es - auf ihre Weise - gelöst haben. Ich nenne Australien, USA und Spanien, alles demokratisch regierte Länder, die durch Migration nicht in ein solches Chaos gestürzt wurden wie derzeit unser Land. Irgend etwas muss mit der Zuwanderung in Deutschland schiefgelaufen sein.
Australien: "Stoppt die Boote"
Die australische Flüchtlingspolitik kann man unter der Devise Stoppt die Boote zusammenfassen. Alle Boote mit Flüchtlingen in Richtung Australien werden auf hoher See zum Umkehren gezwungen. Wer dennoch durchkommt, wird an Land abgefangen und in weit entfernte Lager in Neu-Guinea oder Kambodscha gebracht, mit deren Regierungen rechtzeitig Aufnahmeverträge ausgehandelt wurden. In den Lagern werden die Flüchtlinge registriert, was manchmal Jahre dauert. Erst nach Ende dieses Verfahrens und wenn die Migranten als politische Flüchtlinge anerkannt sind, dürfen sie australischen Boden betreten.
Zur Bekanntmachung dieser Maßnahmen werden die Medien eingesetzt. In den wichtigsten Tageszeitungen der Fluchtländer werden Anzeigen geschaltet, entsprechende Videospots erscheinen im Fernsehen und im Internet. Dort wird ausführlich die Prozedur der australischen Flüchtlingspolitik erklärt, insbesondere, dass die Flüchtlingsboote umkehren müssen beziehungsweise die Migranten in ausländische Lager verbracht werden. Der Premierminister Tony Abbott argumentiert, man wolle mit diesen drastischen Maßnahmen Leben retten. Es gehe darum, Bootsflüchtlinge, die sich nicht dem offiziellen Verfahren unterwerfen, als "Vordrängler" abzulehnen und die Schleuserei zu bekämpfen. Kein Wunder, dass die Flüchtlingsorganisationen Abbotts Politik aufs Heftigste kritisieren.
USA: Mauern gegen Flüchtlinge
Die meisten Flüchtlinge, welche in die USA illegal einströmen, kommen aus lateinamerikanischen Ländern, insbesondere Honduras, Guatemala und Mexiko. Zumeist werden sie von den Grenzschützern abgefangen und in primitive, grenznahe Auffanglager gebracht. Dort müssen sie innerhalb von 72 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Nur wer nachweisen kann, dass er verfolgt wird und in den USA einen Verwandten hat, der für ihn sorgt, darf bleiben. Alle anderen werden umgehend über die Grenze nach Süden zurückgeschickt.
Die Grenze zwischen Mexiko und den USA ist ca. 3.000 Kilometer lang und bietet manche Schlupflöcher zum illegalen Übertritt. In den vergangenen Jahren wurde ein 1.200 Kilometer langer Zaun errichtet, entlang dem 21.000 Grenzschützer patroullieren. Von der Luft aus kontrollieren Hubschrauber und Drohnen das Geschehen. Diese Maßnahmen zeitigten Erfolg: die Zahl der illegalen Flüchtlinge ist drastisch gesunken.
Im übrigen nimmt Amerika Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte nur streng quotiert auf. Die Quoten werden alljährlich vom Kongress festgelegt. Für das Jahr 2015 sind insgesamt nur 70.000 Flüchtlinge zur Aufnahme genehmigt, darunter 1.500 Syrer. Sinti und Roma gelten als Wirtschaftsflüchtlinge, denen der Zutritt verwehrt ist. Wem der Flüchtlingsstatus zugesprochen wird, der erhält eine "Greencard" und soll fortan arbeiten und sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen.
Spanien: Operation Seepferdchen
Noch vor einem Jahrzehnt brachten jedes Jahr 20 Meter lange Pirogen aus Holz mit Außenborder mehr als 30.000 Flüchtlinge zu den Kanarischen Inseln, also zum Staatsgebiet von Spanien. Diese Menschen kamen insbesondere von den afrikanischen Staaten Mauretanien, Senegal, Gambia und Guinea. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit entwickelte damals die Regierung in Madrid das sogenannte Projekt "Seahorse". Mit den genannten afrikanischen Ländern wurden Verträge ausgehandelt, welche die umgehende Rückführung dieser Flüchtlinge in ihre Heimatländer ermöglichte - u. zw. ungeachtet etwaiger Asylanträge. Im Gegenzug erhielten diese "Gastländer" finanzielle Hilfen aus dem Entwicklungsfonds, sogar zu Lasten der EU.
Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte in Westafrika rasend schnell. Die Migranten wussten nach kurzer Zeit, dass der Weg über den Atlantik praktisch versperrt ist und riskierten nur noch selten Überfahrten auf ihren altersschwachen Pirogen. Zudem erlauben Radarinformationen und Satellitenbeobachtungen eventuell doch in See gestochen Auswanderungswillige in Echtzeit zu orten und mit Marineschiffen an die afrikanischen Küste zurückzubringen. Einen Großteil der Aufwendungen für das Projekt Seahorse finanziert ebenfalls die Europäische Kommission.
Fazit
Jedes der drei Länder schützt rigide seine Staatsgrenzen. Flüchtlinge werden grenznah oder in weit entfernten Ländern registriert, mit denen entsprechende Verträge ausgehandelt wurden. Erst danach darf der akzeptierte Flüchtling in das Wunschland einwandern. Fast immer limitieren Quoten die Zahl der Migranten, welche weit unterhalb der gegenwärtigen Einwanderung nach Deutschland liegt. Das Thema Obergrenze wird im Ausland also ganz anders gesehen als bei uns.
Besonders stolz ist man in Australien darüber, dass dort seit 2013 kein Flüchtlingsboot mehr vor der Küste gekentert ist und dass es demzufolge keine Toten gegeben hat. Man verweist auf die Tragödien im Mittelmeer, wo im Jahr 2014 über 3.700 Flüchtlinge ertrunken sind, in diesem Jahr bereits 2.600.
Diese harsche Behandlung der Flüchtlinge in den drei Ländern liegt fernab von unserer "Willkommenskultur". Aber werden wir diese noch aufrecht erhalten können, wenn demnächst die Türkei zerbrechen sollte - und sich 50 Millionen Türken auf den Weg nach Deutschland machen?
Samstag, 3. Oktober 2015
Migration I: In der Kostenfalle
Unsere (Noch-)Bundeskanzlerin Angela Merkel ist groß im Anschieben teurer, aber unrentabler, politischer Projekte. So hat sie vor gut vier Jahren die sogenannte Energiewende eingeläutet, ein Vorhaben, welches Billionen von Euro kostet - eine Zahl mit 10 Ziffern. Im Sommer diesen Jahres legte sie die dritte Griechenlandhilfe auf Kiel, bei der Deutschland zwar nur mit einer neunstelligen Summe haftet, aber wer kennt nicht den Spruch: Wer bürgt, der wird gewürgt. In den letzten Wochen verkündete sie die Flüchtlingshilfe, in deren Verlauf - allein im Jahr 2015 - Hunderttausende bis eine Million oder gar mehr Menschen in unser Land einströmen. Angelockt durch kernige Sprüche, wie: wir schaffen das oder: das Grundgesetz kennt bei Asylanten keine Obergrenze.
Vor einigen Tagen wurde in Berlin zwischen Bund und Ländern die Finanzierung der Flüchtlingshilfe (vorläufig!) ausverhandelt. Im Prinzip erstattet die Bundesregierung den Ländern (und Kommunen) nahezu alle Kosten. Leider konnte man in dem knappen Presse-Statement nicht nachlesen, wie hoch diese insgesamt sind. Im Rahmen dieses Blogs habe ich mich um eine grobe Abschätzung bemüht und diese erschreckend große Zahl mit einigen Ausgabepositionen im diesjährigen Bundeshaushalt verglichen.
Die wichtigsten Kostenarten
Bei der Abschätzung der Gesamtkosten spielen die detaillierten Kostenarten und Kostenstellen eine zentrale Rolle. Ich nenne sie summarisch Detailkosten; sie fallen beim Bund, bei den Länder und den Kommunen an. Ohne auf die Feinheiten der Kostenrechnung eingehen zu wollen, unterscheidet man Einzelkosten, die direkt zurechenbar sind, und Gemeinkosten, welche indirekt, sozusagen summarisch anfallen.
Die wichtigsten Detailkosten bei der umfassenden Betreuung der Flüchtlinge werden, wie folgt, gelistet:
1. Verpflegung
2. Kleidung
3. Wohnung, Betreuung, Reinigung und Bewachung der Heime
4. Taschengeld
5. Registrierung (durch BAMF etc.)
6. Kosten Dolmetscher, Linguisten etc.
7. Arztkosten, evtl. Gesundheitskarte
8. Kosten Psychologen für traumatisierte Asylanten, bes. Jugendliche
9. Kosten für unbegleitete Kinder und Jugendliche
10. Transportkosten (Taxi, Busse, Bahn etc.)
11. Sprachunterricht
12. Kosten berufliche Ausbildung
13. Hartz 4-Kosten
14. Anwaltskosten bei Abschiebung etc.
15. Kosten für erforderliche zusätzliche Richter
16. Deutsche Mitwirkung bei Registrierung in Italien, Griechenland etc.
17. Kostenbeteiligung bei Zeltstädten in Jordanien, Libanon, Türkei, etc.
18. Kosten für neuerliche militärische Unterstützung, z. B. Kundus/Afghanistan, Frontex
19. Mehrzahlungen an UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR)
Abgeschätzte Kosten pro Flüchtling
Die oben genannten Kostenarten fallen bei Bund, Ländern und Kommunen an.
Eine der zentralen Fragen ist:
Welche monatlichen (bzw. jährlichen) Kosten verursacht ein einzelner Asylant?
Darüber lässt sich natürlich trefflich streiten, wie es in den Medien auch geschieht. Meine Meinung, die ich im Rahmen eines kurzen Blogs nicht ausführlich begründen kann, ist folgende:
Für die Kostenarten 1 bis 6 verursacht ein Flüchtling pro Monat 1.000 Euro an Kosten, also jährlich 12.000 Euro.
Für die indirekten Kostenarten 7 bis 19 verursacht ein Flüchtling pro Monat weitere 1.000 Euro an Kosten, also jährlich ebenfalls 12.000 Euro
(Zu beachten ist, dass allein die Gesundheitskarte einen Wert von ca. 500 Euro darstellt)
Zusammengefasst kann man sagen:
Die Kosten eines Flüchtlings sind - wohl mindestens - zu bewerten mit
monatlich 2.000 Euro,
jährlich 24.000 Euro.
Viele Migranten, hohe Gesamtkosten
Wie hoch die gesamten Kosten der gegenwärtigen Migration sind, hängt in erster Linie davon ab, wie viele Menschen nach Deutschland kommen und hier bleiben. Nach Medienberichten befinden sich derzeit ca. 700.000 Flüchtlinge im Land. Jeden Tag(!) kommen weitere 10.000 hinzu, das heißt in einem einzigen Monat 300.000 - entsprechend der Bevölkerungszahl von ganz Karlsruhe. Führt man diese Rechnung fort, so wären bis Sylvester 90*10.000=900.000 Asylanten zusätzlich im Land. Mit den schon anwesenden 700.000 wären dies 1,6 Millionen, was einer Großstadt wie Hamburg entspricht.
Angesichts der bevorstehenden kalten Jahreszeit ist jedoch anzunehmen, dass der Zuzug abebben wird. Außerdem werden einige Menschen in ihre Länder zurück geschickt, weil ihr Flüchtlingsstatus nicht anerkannt wird. Bisher wurden in 2015 allerdings nur 12.000 Flüchtlinge abgeschoben; weitere 140.000 besitzen einen sogenannten Duldungsstatus, weil sie angeblich krank oder nicht reisefähig sind.
Im Sinne einer Minimalabschätzung geht die Bundesregierung davon aus, dass am Jahresende eine Million Flüchtlinge im Land sein werden, die im Schnitt - denn zu Jahresbeginn waren es ja wesentlich weniger - sieben Monate in Deutschland verweilt haben. Daraus errechnen sich, unter Zugrundelegung der monatlichen Individualkosten von 2.000 Euro, folgende Gesamtkosten in 2015:
2.000*7*1.000.000=14.000.000.000=14 Milliarden Euro
Die Zu- und Abwanderung im nächsten Jahr 2016 kann nur grob abgeschätzt werden. Ich stelle folgendes Szenario zur Diskussion:
Am Bestand von einer Million Asylanten in Deutschland im Jahr 2016 wird sich nichts wesentlich ändern. Einige wenige werden Arbeit und Wohnung finden und die Abschiebung, insbesondere in die Balkanländer, wird wohl effektiver werden. Sie wird aber wahrscheinlich überkompensiert durch die Familiennachholung, denn jeder anerkannte Flüchtling hat das Recht, seine Familienangehörigen nach Deutschland zu bringen. Das sind, die vielen Kinder eingerechnet, häufig 5 bis 10 Personen pro Flüchtling.
Daraus ergeben sich für eine Million Flüchtlinge, welche über 12 Monate im Jahr 2016 in Deutschland gelebt haben, folgende Jahreskosten:
2.000*12*1.000.000=24.000.000.000=24 Milliarden Euro
Hinzu kommen die im Jahr 2016 neu zugewanderten Migranten. Ich unterstelle, dass es am nächsten Jahresende nochmals 1 Million sind, die - wie oben - im Schnitt sieben Monate in Deutschland verweilt haben. Daraus ergeben sich folgende Jahreskosten:
2.000*7*1.000.000=14.000.000.000= 14 Milliarden Euro
Beide Jahreskosten addieren sich auf zu folgenden Gesamtkosten im Jahr 2016:
24 Milliarden + 14 Milliarden = 38 Milliarden.
Vergleichszahlen im Bundeshaushalt
Die drei, oben genannten Zahlen - allesamt im Milliardenbereich - sind außerhalb der Vorstellungswelt eines Normalmenschen. Um sich ihnen etwas nähern zu können, vergleiche ich sie mit einigen Positionen im Bundeshaushaltsplan. Dort sind alle Ausgaben der Bundesministerien für das Jahr 2015 gelistet. Insgesamt umfasst dieses Budget 301,6 Milliarden Euro, und wird i. w. gespeist aus den Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 2015.
Die Migrationskosten für das laufende Jahr 2015, mit (abgeschätzt) 14 Milliarden Euro, entsprechen ziemlich genau den diesjährigen Ausgaben des Bildungs- und Forschungsministeriums mit 15,2 Mrd. Euro. Wie heftig um dieses Budget gerungen wurde, zeigt, dass die Mehrausgaben für die sogenannte Exzellenzinitiative der Universitäten in Höhe von jährlich 1 Mrd. erst ab 2017 gestattet wurde und ab dann auch nur vier Jahre lang.
Die Kosten für die 1 Million Flüchtlinge im Jahr 2016 in Höhe von 24 Mrd. Euro sind sogar höher als der Etat des Verkehrsministeriums mit 23,2 Mrd. Wir erinnern uns, dass bei der Haushaltsdiskussion eine Aufstockung um 2 bis 3 Mrd. gefordert wurde, um die Schlaglöcher und Schäden auf den deutschen Straßen auszubessern. Diese Forderung wurde bekanntlich wegen der Mittelknappheit abgelehnt.
Die gesamten Kosten für 2016 in Höhe von 14+24=38 Mrd. Euro sind sogar höher als der Verteidigungshaushalt mit 32,9 Mrd. Euro. Dieser ist - nach dem Etat für Soziales - der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt und wird jedes Jahr von der Opposition als "viel zu hoch" unter Feuer genommen.
Nun könnte man annehmen, dass die genannten Migrationskosten, aufgrund der hohen Steuereinnahmen und der guten Wirtschaftslage, problemlos zu finanzieren seien. Dies ist jedoch ein Denkfehler. Denn der Bund ist mit ca. 2.000 Mrd. verschuldet und stottert diese Last nur allmählich ab; in diesem Jahr, beispielsweise, mit 24,3 Mrd. Euro. Außerordentliche Kosten, wie die für die Migration, vergrößern also die Schuldenlast der Bundesrepublik zu Lasten der nachfolgenden Generationen.
Noble Aussichten
Es ist evident, dass der Zuzug der Flüchtlinge begrenzt werden muss, um nicht in eine riesige Kostenfalle zu geraten, falls sich die Wirtschaftslage in den nächsten Jahren wieder verschlechtern sollte. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung bröckelt bereits, wie sich aus den abnehmenden Umfragewerten für die Kanzlerin zeigt. Verschiedene Gesetzesinitiativen zur Begrenzung des Zuzugs, der schnelleren Abschiebung und der Verlangsamung der Familiennachholung sind in der Vorbereitung. Man wird 2016 sehen, ob diese geplanten Maßnahmen wirksam sind.
Der internationalen Popularität für Angela Merkel tut dies keinen Abbruch. In den Medien wird sie bereits als ernsthafte Kandidatin für den nächsten Friedensnobelpreis genannt. Auch als Nachfolgerin für den Ende 2016 scheidenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist sie im Gespräch.
Vor einigen Tagen wurde in Berlin zwischen Bund und Ländern die Finanzierung der Flüchtlingshilfe (vorläufig!) ausverhandelt. Im Prinzip erstattet die Bundesregierung den Ländern (und Kommunen) nahezu alle Kosten. Leider konnte man in dem knappen Presse-Statement nicht nachlesen, wie hoch diese insgesamt sind. Im Rahmen dieses Blogs habe ich mich um eine grobe Abschätzung bemüht und diese erschreckend große Zahl mit einigen Ausgabepositionen im diesjährigen Bundeshaushalt verglichen.
Die wichtigsten Kostenarten
Bei der Abschätzung der Gesamtkosten spielen die detaillierten Kostenarten und Kostenstellen eine zentrale Rolle. Ich nenne sie summarisch Detailkosten; sie fallen beim Bund, bei den Länder und den Kommunen an. Ohne auf die Feinheiten der Kostenrechnung eingehen zu wollen, unterscheidet man Einzelkosten, die direkt zurechenbar sind, und Gemeinkosten, welche indirekt, sozusagen summarisch anfallen.
Die wichtigsten Detailkosten bei der umfassenden Betreuung der Flüchtlinge werden, wie folgt, gelistet:
1. Verpflegung
2. Kleidung
3. Wohnung, Betreuung, Reinigung und Bewachung der Heime
4. Taschengeld
5. Registrierung (durch BAMF etc.)
6. Kosten Dolmetscher, Linguisten etc.
7. Arztkosten, evtl. Gesundheitskarte
8. Kosten Psychologen für traumatisierte Asylanten, bes. Jugendliche
9. Kosten für unbegleitete Kinder und Jugendliche
10. Transportkosten (Taxi, Busse, Bahn etc.)
11. Sprachunterricht
12. Kosten berufliche Ausbildung
13. Hartz 4-Kosten
14. Anwaltskosten bei Abschiebung etc.
15. Kosten für erforderliche zusätzliche Richter
16. Deutsche Mitwirkung bei Registrierung in Italien, Griechenland etc.
17. Kostenbeteiligung bei Zeltstädten in Jordanien, Libanon, Türkei, etc.
18. Kosten für neuerliche militärische Unterstützung, z. B. Kundus/Afghanistan, Frontex
19. Mehrzahlungen an UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR)
Abgeschätzte Kosten pro Flüchtling
Die oben genannten Kostenarten fallen bei Bund, Ländern und Kommunen an.
Eine der zentralen Fragen ist:
Welche monatlichen (bzw. jährlichen) Kosten verursacht ein einzelner Asylant?
Darüber lässt sich natürlich trefflich streiten, wie es in den Medien auch geschieht. Meine Meinung, die ich im Rahmen eines kurzen Blogs nicht ausführlich begründen kann, ist folgende:
Für die Kostenarten 1 bis 6 verursacht ein Flüchtling pro Monat 1.000 Euro an Kosten, also jährlich 12.000 Euro.
Für die indirekten Kostenarten 7 bis 19 verursacht ein Flüchtling pro Monat weitere 1.000 Euro an Kosten, also jährlich ebenfalls 12.000 Euro
(Zu beachten ist, dass allein die Gesundheitskarte einen Wert von ca. 500 Euro darstellt)
Zusammengefasst kann man sagen:
Die Kosten eines Flüchtlings sind - wohl mindestens - zu bewerten mit
monatlich 2.000 Euro,
jährlich 24.000 Euro.
Viele Migranten, hohe Gesamtkosten
Wie hoch die gesamten Kosten der gegenwärtigen Migration sind, hängt in erster Linie davon ab, wie viele Menschen nach Deutschland kommen und hier bleiben. Nach Medienberichten befinden sich derzeit ca. 700.000 Flüchtlinge im Land. Jeden Tag(!) kommen weitere 10.000 hinzu, das heißt in einem einzigen Monat 300.000 - entsprechend der Bevölkerungszahl von ganz Karlsruhe. Führt man diese Rechnung fort, so wären bis Sylvester 90*10.000=900.000 Asylanten zusätzlich im Land. Mit den schon anwesenden 700.000 wären dies 1,6 Millionen, was einer Großstadt wie Hamburg entspricht.
Angesichts der bevorstehenden kalten Jahreszeit ist jedoch anzunehmen, dass der Zuzug abebben wird. Außerdem werden einige Menschen in ihre Länder zurück geschickt, weil ihr Flüchtlingsstatus nicht anerkannt wird. Bisher wurden in 2015 allerdings nur 12.000 Flüchtlinge abgeschoben; weitere 140.000 besitzen einen sogenannten Duldungsstatus, weil sie angeblich krank oder nicht reisefähig sind.
Im Sinne einer Minimalabschätzung geht die Bundesregierung davon aus, dass am Jahresende eine Million Flüchtlinge im Land sein werden, die im Schnitt - denn zu Jahresbeginn waren es ja wesentlich weniger - sieben Monate in Deutschland verweilt haben. Daraus errechnen sich, unter Zugrundelegung der monatlichen Individualkosten von 2.000 Euro, folgende Gesamtkosten in 2015:
2.000*7*1.000.000=14.000.000.000=14 Milliarden Euro
Die Zu- und Abwanderung im nächsten Jahr 2016 kann nur grob abgeschätzt werden. Ich stelle folgendes Szenario zur Diskussion:
Am Bestand von einer Million Asylanten in Deutschland im Jahr 2016 wird sich nichts wesentlich ändern. Einige wenige werden Arbeit und Wohnung finden und die Abschiebung, insbesondere in die Balkanländer, wird wohl effektiver werden. Sie wird aber wahrscheinlich überkompensiert durch die Familiennachholung, denn jeder anerkannte Flüchtling hat das Recht, seine Familienangehörigen nach Deutschland zu bringen. Das sind, die vielen Kinder eingerechnet, häufig 5 bis 10 Personen pro Flüchtling.
Daraus ergeben sich für eine Million Flüchtlinge, welche über 12 Monate im Jahr 2016 in Deutschland gelebt haben, folgende Jahreskosten:
2.000*12*1.000.000=24.000.000.000=24 Milliarden Euro
Hinzu kommen die im Jahr 2016 neu zugewanderten Migranten. Ich unterstelle, dass es am nächsten Jahresende nochmals 1 Million sind, die - wie oben - im Schnitt sieben Monate in Deutschland verweilt haben. Daraus ergeben sich folgende Jahreskosten:
2.000*7*1.000.000=14.000.000.000= 14 Milliarden Euro
Beide Jahreskosten addieren sich auf zu folgenden Gesamtkosten im Jahr 2016:
24 Milliarden + 14 Milliarden = 38 Milliarden.
Vergleichszahlen im Bundeshaushalt
Die drei, oben genannten Zahlen - allesamt im Milliardenbereich - sind außerhalb der Vorstellungswelt eines Normalmenschen. Um sich ihnen etwas nähern zu können, vergleiche ich sie mit einigen Positionen im Bundeshaushaltsplan. Dort sind alle Ausgaben der Bundesministerien für das Jahr 2015 gelistet. Insgesamt umfasst dieses Budget 301,6 Milliarden Euro, und wird i. w. gespeist aus den Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 2015.
Die Migrationskosten für das laufende Jahr 2015, mit (abgeschätzt) 14 Milliarden Euro, entsprechen ziemlich genau den diesjährigen Ausgaben des Bildungs- und Forschungsministeriums mit 15,2 Mrd. Euro. Wie heftig um dieses Budget gerungen wurde, zeigt, dass die Mehrausgaben für die sogenannte Exzellenzinitiative der Universitäten in Höhe von jährlich 1 Mrd. erst ab 2017 gestattet wurde und ab dann auch nur vier Jahre lang.
Die Kosten für die 1 Million Flüchtlinge im Jahr 2016 in Höhe von 24 Mrd. Euro sind sogar höher als der Etat des Verkehrsministeriums mit 23,2 Mrd. Wir erinnern uns, dass bei der Haushaltsdiskussion eine Aufstockung um 2 bis 3 Mrd. gefordert wurde, um die Schlaglöcher und Schäden auf den deutschen Straßen auszubessern. Diese Forderung wurde bekanntlich wegen der Mittelknappheit abgelehnt.
Die gesamten Kosten für 2016 in Höhe von 14+24=38 Mrd. Euro sind sogar höher als der Verteidigungshaushalt mit 32,9 Mrd. Euro. Dieser ist - nach dem Etat für Soziales - der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt und wird jedes Jahr von der Opposition als "viel zu hoch" unter Feuer genommen.
Nun könnte man annehmen, dass die genannten Migrationskosten, aufgrund der hohen Steuereinnahmen und der guten Wirtschaftslage, problemlos zu finanzieren seien. Dies ist jedoch ein Denkfehler. Denn der Bund ist mit ca. 2.000 Mrd. verschuldet und stottert diese Last nur allmählich ab; in diesem Jahr, beispielsweise, mit 24,3 Mrd. Euro. Außerordentliche Kosten, wie die für die Migration, vergrößern also die Schuldenlast der Bundesrepublik zu Lasten der nachfolgenden Generationen.
Noble Aussichten
Es ist evident, dass der Zuzug der Flüchtlinge begrenzt werden muss, um nicht in eine riesige Kostenfalle zu geraten, falls sich die Wirtschaftslage in den nächsten Jahren wieder verschlechtern sollte. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung bröckelt bereits, wie sich aus den abnehmenden Umfragewerten für die Kanzlerin zeigt. Verschiedene Gesetzesinitiativen zur Begrenzung des Zuzugs, der schnelleren Abschiebung und der Verlangsamung der Familiennachholung sind in der Vorbereitung. Man wird 2016 sehen, ob diese geplanten Maßnahmen wirksam sind.
Der internationalen Popularität für Angela Merkel tut dies keinen Abbruch. In den Medien wird sie bereits als ernsthafte Kandidatin für den nächsten Friedensnobelpreis genannt. Auch als Nachfolgerin für den Ende 2016 scheidenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist sie im Gespräch.
Samstag, 26. September 2015
RWE - und seine Kommunen - am Abgrund
Der altehrwürdige, renommierte Energiekonzern RWE mit Sitz in Essen (NRW), steht vor dem finanziellen Abgrund. Abzulesen ist dies an seinem Aktienkurs. Vor der sogenannten Energiewende lag er noch bei 55, jetzt ist er auf 10 Euro pro Aktie abgestürzt. In den vergangenen viereinhalb Jahren hat der Konzern drei Viertel seines Börsenwerts verloren; vom Aktienhöchststand im Jahr 2008 ist gerade noch ein Zehntel übrig geblieben. An manchen schlimmen Tagen, wie dem 15. September 2015, büßte die Firma sogar eine Milliarde ihres Wertes ein. Das Unternehmen ist damit nicht mehr die langfristig sichere Geldanlage, die vormals als "Witwen- und Waisen-Rentenpapier" empfohlen werden konnte. Einige meiner Freunde bei RWE wollten dies nicht wahrhaben. Sie kauften noch 2014 Aktien zum Kurs von 30 nach - und verloren inzwischen zwei Drittel ihres Investments.
Zu allem Überfluss plagen RWE auch noch riesige Schulden, so um die 35 Milliarden Euro. Sie resultieren zumeist aus Fehlentscheidungen früherer Firmenchefs. Der vormalige Hausjurist und überraschenderweise zum Vorstandsvorsitzenden hochgelobte Dietmar Kuhnt kaufte allerhand marode englische und amerikanische Wasserfirmen auf, was den vorher kerngesunden zum ersten Mal in hohe Schulden trieb. Sein Nach-Nachfolger Jürgen Großmann, ein Zwei-Meter-Manager mit Ruhr-Stallgeruch und einer Statur wie eine deutsche Eiche, investierte zur Unzeit Milliarden in eine Vielzahl von fossilen Kraftwerken. Der jetzige RWE-Chef, Peter Terium (52), geborener Holländer und gelernter Wirtschaftsprüfer, Vegetarier sowie Billardspieler, räumte auf. Er legte die meisten Kraftwerke seines Vorgängers still, darunter das nagelneue Gaskraftwerk "Claus C" und scheute sich auch nicht, das markante Bürohochhaus in Essen (Spitzname "Wattikan") an einen US-Immobilienfonds zu verscherbeln und wieder zurück zu leasen. Mittlerweile ist er bei einem Dutzend kleiner Wasserkraftwerke angelangt, deren Verkauf bis zum Ende d. J. geplant ist, weil sich ihr Betrieb für RWE angeblich nicht mehr lohnt.
Geldsorgen der Kommunen
Die von der Bundesregierung nach Fukushima angeordnete Stilllegung der Kernkraftwerke hat RWE ins Mark getroffen. Drei große Atomkraftwerke (Biblis A und Biblis B) wurden sofort abgeschaltet, drei weitere (Emsland, sowie Gundremmingen B und C) sollen, zeitlich abgestuft, bis zum Jahr 2022 folgen. Diese Kernkraftwerke waren, neben den Kohlekraftwerken, die eigentlichen Gewinnbringer des Konzerns. Kein Wunder, dass ihre Stilllegung in der Bilanz riesige finanzielle Lücken gerissen hat. Immerhin stellte ein Untersuchungsausschuss des Landes Hessen inzwischen fest, dass zumindest die Abschaltung der Kraftwerke Biblis A und B illegal war, weil der Betreiber dazu - wie im Atomgesetz verlangt - vorher nicht angehört worden war. Ministerpräsident Volker Bouffier schiebt die Verantwortung für diese Maßnahme der Bundesregierung zu. Demnächst wird die Bundeskanzlerin dem Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen.
Die finanzielle Schieflage der RWE hat auch Auswirkungen auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, denen der Konzern zu 24 Prozent gehört. Die Krise trifft sie sogar mehrfach: wegen verminderter Gewinne sinken die Gewerbesteuereinnahmen der betroffenen Städte, daneben müssen diese auch den Wertverlust ihrer Aktien und die Dividendenkürzungen verdauen. Die Reduktion der Dividende auf ca. 50 Cent pro Aktie wirft die Investitionsplanung der Städte Essen und Mülheim total über den Haufen. Fast noch schlimmer ist das Absinken des Börsenwerts für das RWE. Wie viele Kommunen in NRW hat die Stadt Essen bei Einführung der doppelten kaufmännischen Buchführung im Jahr 2007 den damaligen hohen Aktienkurs von 77 Euro als Eigenkapital in ihre Bücher genommen und damit einen satten Buchgewinn erzielt. Nach dem oben geschilderten Börsensturz musste allein die Stadt Essen ca. 800 Millionen auf ihre Beteiligung an RWE abschreiben. Das Eigenkapital der Stadt ist damit fast auf Null angelangt. Im Gegensatz zu Essen gibt es allerdings auch andere Städte in NRW, die nicht unter dieser Misere leiden. Die Landeshauptstadt Düsseldorf, beispielsweise, hat vor sieben Jahren ihre Anteile an RWE rechtzeitig verkauft und ist seitdem schuldenfrei!
Auch die Stadtwerke München haben große finanzielle Sorgen. Nachdem sie zuletzt noch 80 Millionen Euro Gewinn gemacht haben, wird dieses Jahr erstmals ein Minus vor dem Ergebnis nach Steuern stehen. Der Energiesektor hat seit Jahren den teuren, aber defizitären und unverzichtbaren U-Bahn-Ausbau mitfinanziert. Aus den Gewinnen der Stadtwerke konnte der Stadtkämmerer bisher zuverlässig ca. 100 Millionen Euro in den städtischen Haushalt einstellen. Das gilt zukünftig nicht mehr. Aber dieses Unglück kommt nicht allein. Die Stadt München ist auch mit 25 Prozent an dem Atomkraftwerk Isar II beteiligt und hat offensichtlich zu wenig Geld für dessen Abriss ab dem Jahr 2022 zurückgelegt. Etwa um 100 Millionen Euro muss diese Rücklage, angesichts der niedrigen Zinsen, aufgestockt werden. Dessen ungeachtet propagieren die Grünen dieser Stadt, dass München große Gewinne aus dem Betrieb von Windkraftanlagen zieht, an denen sie beteiligt ist. Verschwiegen wird, dass diese aus Subventionen herrühren, die vom Stromverbraucher bezahlt werden.
Zoff im Aufsichtsrat
Zu allem Überfluss hat bei RWE auch der seit 2009 agierende Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider angekündigt, dass er diesen Posten bei der nächsten Hauptversammlung im Frühjahr 2016 aufgeben werde. Ein neuer Kontrollchef musste also her; Gehalt: um die 300.000 Euro pro Jahr, also pea-nuts bei Herren dieses Kalibers. Üblicherweise obliegt es dem abgehenden Chef seinen Nachfolger zu finden - natürlich im Einvernehmen mit den anderen Aufsichtsräten. Und da begannen die Probleme, denn das hohe Gremium war sich nicht einig. Die Kommunen halten, aus historischen Gründen, zwar nur etwa ein Viertel des Aktienkapital, haben aber - wiederum aus historischen Gründen - volle 4 der insgesamt 10 Aufsichtsräte. Sie mussten in den Findungsprozess eingebunden werden.
Und der war nicht einfach, denn die Kommunen und die Kapitalseite (6 Sitze) verfolgen verschiedenartige Geschäftsmodelle. Die Kommunen wollen, etwas platt gesagt, aus dem weltweit agierenden Energiekonzern RWE wieder einen regionalen Versorger machen, ein großes "Stadt- und Landwerk", wie einer der ihren sagte. Sie betrachten den Konzern fast als Eigentum der Stadt- und Landkreise und halten es für das Wichtigste, dass es genug Dividende für die klammen Kommunen gibt - selbst wenn das Unternehmen wenig abwirft und jeden Euro eigentlich für die Investitionen bräuchte. Die Kapitalseite betrachtet diese Vision als rückwärts gewandt und zieht da nicht mit. Der Kandidat der Kommunen war der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, derzeit Chef der Ruhrkohle AG und ein Strippenzieher allererster Güte. Er hätte, im Sinne der Kommunen, das RWE mehr oder minder verstaatlicht, wie seinerzeit seine Abbruchfirma RAG.
Nun, Müller ist aus dem Rennen, denn Schneider hat seinen Nachfolger gefunden. Es ist der ehemalige Chef des Software-Konzerns SAP, namens Werner Brandt. Zwei weitere Mitglieder wollen den RWE-Aufsichtsrat ebenfalls verlassen, unter ihnen der Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche. (Will er etwa die Diesel-Software in Sindelfingen überprüfen?). Da vom kommenden Jahr an bei der Besetzung des RWE-Aufsichtsrats die Frauenquote zu berücksichtigen ist, werden zwei sachkundige Damen gesucht.
Also: "Ladies to the front!"
Zu allem Überfluss plagen RWE auch noch riesige Schulden, so um die 35 Milliarden Euro. Sie resultieren zumeist aus Fehlentscheidungen früherer Firmenchefs. Der vormalige Hausjurist und überraschenderweise zum Vorstandsvorsitzenden hochgelobte Dietmar Kuhnt kaufte allerhand marode englische und amerikanische Wasserfirmen auf, was den vorher kerngesunden zum ersten Mal in hohe Schulden trieb. Sein Nach-Nachfolger Jürgen Großmann, ein Zwei-Meter-Manager mit Ruhr-Stallgeruch und einer Statur wie eine deutsche Eiche, investierte zur Unzeit Milliarden in eine Vielzahl von fossilen Kraftwerken. Der jetzige RWE-Chef, Peter Terium (52), geborener Holländer und gelernter Wirtschaftsprüfer, Vegetarier sowie Billardspieler, räumte auf. Er legte die meisten Kraftwerke seines Vorgängers still, darunter das nagelneue Gaskraftwerk "Claus C" und scheute sich auch nicht, das markante Bürohochhaus in Essen (Spitzname "Wattikan") an einen US-Immobilienfonds zu verscherbeln und wieder zurück zu leasen. Mittlerweile ist er bei einem Dutzend kleiner Wasserkraftwerke angelangt, deren Verkauf bis zum Ende d. J. geplant ist, weil sich ihr Betrieb für RWE angeblich nicht mehr lohnt.
Das Bürohochhaus des RWE in Essen ("Wattikan")
Geldsorgen der Kommunen
Die von der Bundesregierung nach Fukushima angeordnete Stilllegung der Kernkraftwerke hat RWE ins Mark getroffen. Drei große Atomkraftwerke (Biblis A und Biblis B) wurden sofort abgeschaltet, drei weitere (Emsland, sowie Gundremmingen B und C) sollen, zeitlich abgestuft, bis zum Jahr 2022 folgen. Diese Kernkraftwerke waren, neben den Kohlekraftwerken, die eigentlichen Gewinnbringer des Konzerns. Kein Wunder, dass ihre Stilllegung in der Bilanz riesige finanzielle Lücken gerissen hat. Immerhin stellte ein Untersuchungsausschuss des Landes Hessen inzwischen fest, dass zumindest die Abschaltung der Kraftwerke Biblis A und B illegal war, weil der Betreiber dazu - wie im Atomgesetz verlangt - vorher nicht angehört worden war. Ministerpräsident Volker Bouffier schiebt die Verantwortung für diese Maßnahme der Bundesregierung zu. Demnächst wird die Bundeskanzlerin dem Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen.
Die finanzielle Schieflage der RWE hat auch Auswirkungen auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, denen der Konzern zu 24 Prozent gehört. Die Krise trifft sie sogar mehrfach: wegen verminderter Gewinne sinken die Gewerbesteuereinnahmen der betroffenen Städte, daneben müssen diese auch den Wertverlust ihrer Aktien und die Dividendenkürzungen verdauen. Die Reduktion der Dividende auf ca. 50 Cent pro Aktie wirft die Investitionsplanung der Städte Essen und Mülheim total über den Haufen. Fast noch schlimmer ist das Absinken des Börsenwerts für das RWE. Wie viele Kommunen in NRW hat die Stadt Essen bei Einführung der doppelten kaufmännischen Buchführung im Jahr 2007 den damaligen hohen Aktienkurs von 77 Euro als Eigenkapital in ihre Bücher genommen und damit einen satten Buchgewinn erzielt. Nach dem oben geschilderten Börsensturz musste allein die Stadt Essen ca. 800 Millionen auf ihre Beteiligung an RWE abschreiben. Das Eigenkapital der Stadt ist damit fast auf Null angelangt. Im Gegensatz zu Essen gibt es allerdings auch andere Städte in NRW, die nicht unter dieser Misere leiden. Die Landeshauptstadt Düsseldorf, beispielsweise, hat vor sieben Jahren ihre Anteile an RWE rechtzeitig verkauft und ist seitdem schuldenfrei!
Auch die Stadtwerke München haben große finanzielle Sorgen. Nachdem sie zuletzt noch 80 Millionen Euro Gewinn gemacht haben, wird dieses Jahr erstmals ein Minus vor dem Ergebnis nach Steuern stehen. Der Energiesektor hat seit Jahren den teuren, aber defizitären und unverzichtbaren U-Bahn-Ausbau mitfinanziert. Aus den Gewinnen der Stadtwerke konnte der Stadtkämmerer bisher zuverlässig ca. 100 Millionen Euro in den städtischen Haushalt einstellen. Das gilt zukünftig nicht mehr. Aber dieses Unglück kommt nicht allein. Die Stadt München ist auch mit 25 Prozent an dem Atomkraftwerk Isar II beteiligt und hat offensichtlich zu wenig Geld für dessen Abriss ab dem Jahr 2022 zurückgelegt. Etwa um 100 Millionen Euro muss diese Rücklage, angesichts der niedrigen Zinsen, aufgestockt werden. Dessen ungeachtet propagieren die Grünen dieser Stadt, dass München große Gewinne aus dem Betrieb von Windkraftanlagen zieht, an denen sie beteiligt ist. Verschwiegen wird, dass diese aus Subventionen herrühren, die vom Stromverbraucher bezahlt werden.
Zoff im Aufsichtsrat
Zu allem Überfluss hat bei RWE auch der seit 2009 agierende Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider angekündigt, dass er diesen Posten bei der nächsten Hauptversammlung im Frühjahr 2016 aufgeben werde. Ein neuer Kontrollchef musste also her; Gehalt: um die 300.000 Euro pro Jahr, also pea-nuts bei Herren dieses Kalibers. Üblicherweise obliegt es dem abgehenden Chef seinen Nachfolger zu finden - natürlich im Einvernehmen mit den anderen Aufsichtsräten. Und da begannen die Probleme, denn das hohe Gremium war sich nicht einig. Die Kommunen halten, aus historischen Gründen, zwar nur etwa ein Viertel des Aktienkapital, haben aber - wiederum aus historischen Gründen - volle 4 der insgesamt 10 Aufsichtsräte. Sie mussten in den Findungsprozess eingebunden werden.
Und der war nicht einfach, denn die Kommunen und die Kapitalseite (6 Sitze) verfolgen verschiedenartige Geschäftsmodelle. Die Kommunen wollen, etwas platt gesagt, aus dem weltweit agierenden Energiekonzern RWE wieder einen regionalen Versorger machen, ein großes "Stadt- und Landwerk", wie einer der ihren sagte. Sie betrachten den Konzern fast als Eigentum der Stadt- und Landkreise und halten es für das Wichtigste, dass es genug Dividende für die klammen Kommunen gibt - selbst wenn das Unternehmen wenig abwirft und jeden Euro eigentlich für die Investitionen bräuchte. Die Kapitalseite betrachtet diese Vision als rückwärts gewandt und zieht da nicht mit. Der Kandidat der Kommunen war der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, derzeit Chef der Ruhrkohle AG und ein Strippenzieher allererster Güte. Er hätte, im Sinne der Kommunen, das RWE mehr oder minder verstaatlicht, wie seinerzeit seine Abbruchfirma RAG.
Nun, Müller ist aus dem Rennen, denn Schneider hat seinen Nachfolger gefunden. Es ist der ehemalige Chef des Software-Konzerns SAP, namens Werner Brandt. Zwei weitere Mitglieder wollen den RWE-Aufsichtsrat ebenfalls verlassen, unter ihnen der Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche. (Will er etwa die Diesel-Software in Sindelfingen überprüfen?). Da vom kommenden Jahr an bei der Besetzung des RWE-Aufsichtsrats die Frauenquote zu berücksichtigen ist, werden zwei sachkundige Damen gesucht.
Also: "Ladies to the front!"
Samstag, 19. September 2015
Gabriel contra E.ON
E.on, Deutschlands größter Energie- und Stromkonzern, ist in Nöten. Seit der Energiewende im Jahr 2011 verlor das Unternehmen 60 Prozent seines Börsenwerts. Im vergangenen Jahr machte der Konzern mit 3 Milliarden Euro Schulden den höchsten Verlust seiner Geschichte. Derzeit ächzt die einst kerngesunde Firma unter einer Schuldenlast von 30 Milliarden Euro. Der Aktienkurs ist von 25 ( im Jahr 2011) auf bloße 7,7 im September d. J. abgestürzt. Die Gefahr der Insolvenz (oder zumindest einer feindlichen Übernahme) ist nicht mehr von der Hand zu weisen.
Einen Großteil der Schuld tragen die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der sogenannten Energiewende. Merkels hastiger und technisch nicht gerechtfertigter Ausstieg aus der Kernenergie gab den Anstoß zu der wirtschaftlichen Spirale nach unten; ihr Bundesminister Sigmar Gabriel lässt seit Jahren keine Gelegenheit aus, E.on auf diesem Weg weiterhin zu schurigeln. Im folgenden werden die wichtigsten politischen Entscheidungen benannt, welche E.on in die heutige Misere geführt haben.
Die Ursachen des Niedergangs
Die Zwangsmaßnahmen gegenüber den Energieversorgungsunternehmen (EVU) begannen bereits unter der Regierung Schröder sowie seinen damaligen Ministern Müller und Trittin im Jahr 2000. Damals wurde den EVU die Laufzeitbegrenzung der Kernkraftwerke per Gesetz aufgedrückt und die Entsorgung der Reststoffe in Gorleben systematisch blockiert. Nach den Unfällen in Fukushima kamen noch folgende regierungsamtliche Maßnahmen hinzu:
1. Die zu E.on gehörigen Kernkraftwerke Isar 1 und Unterweser wurden im März 2011 durch Sofortvollzug, aber gesetzeswidrig ohne erforderliche Begründung, stillgelegt. Schadensersatz wurde bis heute nicht geleistet.
2. Bei den ebenfalls zum E.on-Konzern gehörenden Kernkraftwerken Brokdorf, Grafenrheinfeld, Isar 2, und Grohnde wurden die Laufzeiten bis max. zum Jahr 2022 erheblich verkürzt. Auch hierfür gab es keine gesetzliche Grundlage. International üblich sind Laufzeiten von 40 bis 60 Jahren. Auch für diese Laufzeitverkürzungen wurde kein Schadensersatz geleistet. Im Gegenteil: den Betreibern wurde eine sehr hohe Brennelementsteuer auferlegt.
3. Die bevorzugte Stromeinspeisung von Erneuerbaren Energien (EE), vorzugsweise aus Wind und Sonne, wurde regierungsamtlich verfügt. Dabei wurden die variablen Kosten der EE willkürlich und realitätswidrig (beim "Merit-Order-System) auf Null gesetzt. Neue und klimafreundliche Gaskraftwerke wurden durch diese bürokratische Maßnahme plötzlich unwirtschaftlich.
4. Die Subvention des Stroms aus EE wurde exzessiv angehoben. Der Gedanke des Wettbewerbs wurde negiert, stattdessen wurde nach planwirtschaftlichen Gesichtspunkten verfügt. Der Börsenstrompreis fiel dadurch zwischen den Jahren 2011 und 2015 von 50 auf 29 Cent pro Megawattstunde, was die Ertragssituation bei den EVU drastisch verschlechterte. Gleichzeitig stieg die EEG-Umlage auf über 6 Cent pro Kilowattstunde für die Verbraucher. Die EE-Subventionskosten pro Jahr belaufen sich derzeit auf 25 Milliarden und sind im Steigen.
5. Die EVU sind per Gesetz weiterhin verpflichtet das Stromnetz stabil zu halten. Wegen der hohen Einspeisung von EE-Strom erzeugt dies große Zusatzkosten, insbesondere im Winter, wenn Sonne und Wind weniger verfügbar sind. Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert, sich an diesen Kosten wirklichkeitsgetreu zu beteiligen. (Diskussion Kapazitätsmarkt). Im Sommer muss Überschussstrom an benachbarte Länder "verschleudert" werden.
6. Kohle ist durch die Verschiebung im Merit-Order-System wieder "wirtschaftlich" geworden und wird deshalb zunehmend verstromt. Bundeswirtschaftsminister Gabriel versucht dies, mit Hinweis auf die angebliche Klimaschädlichkeit, zu verhindern und auf alle Fälle zu verteuern.
7. Wegen fehlender Gleichstromtrassen und saisonaler Stromspeicher zeigen sich immer mehr die grundsätzlichen Schwächen der sogenannten Energiewende.
8. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn dem Konzern E.on - wie den anderen Energieunternehmen RWE, EnBW und Vattenfall - die wirtschaftliche Basis verloren ging. Verantwortlich für den Niedergang dieser renommierten Großunternehmen ist einzig und allein der gesetzgeberische Murks von Merkel und Gabriel.
Die Diskussion um die Entsorgung
Einvernehmen herrscht darüber, dass Kernkraftwerke, wie alle anderen Industriebauten, nach der Nutzung zurück gebaut werden müssen und die Restmaterialien sicher zu entsorgen sind. Von den Gegnern der Kernenergie wird gelegentlich die Meinung verbreitet, dies sei technisch und finanziell nicht möglich. Beides stimmt nicht, wie kurz dargestellt wird.
1. Für den Rückbau von Atomkraftwerken gibt 2 Varianten: der (vorläufige) sichere Einschluss oder die vollständige Beseitigung bis hin zur sog. Grünen Wiese. Für beide Alternativen existieren schon reichliche Erfahrungen. Vollständig, also bis zur Grünen Wiese, wurden die drei Kernkraftwerke VAK Kahl, HDR Großwelzheim und das KKN Niederaichbach beseitigt. Im sicheren Einschluss befinden sich derzeit das KWL Lingen und der THTR Hamm-Uentrop. In verschiedenen Stadien des Rückbaus sind gegenwärtig 14 Atomkraftwerke begriffen. Dazu gehören u.a. KWO Obrigheim, KMK Mülheim-Kärlich, KNK II, etc.
2. Auf der Basis dieser reichhaltigen Erfahrungen kostet der Rückbau eines großen Kernkraftwerks ca. 1 Milliarde Euro, der im Strompreis bereit enthalten war und der von den Stromkonzernen bilanziell rückgestellt wurde. Insgesamt betragen die Rückstellungen der EVU ca. 40 Milliarden Euro, wovon 20 Mrd. für den Rückbau und 20 Mrd. für die Entsorgung der radioaktiven Stoffe im Endlager vorgesehen sind. Die Firma E.on ist verantwortlich für den Rückbau von 6 grossen Kernkraftwerken und einigen Kleinanlagen. Dafür wird ein Aufwand von 7 Mrd. Euro veranschlagt. Die bilanzielle Rückstellungssumme liegt derzeit bei insgesamt 16,6 Mrd. Euro, was ausreichend sein sollte sowohl für den Rückbau als auch für die Entsorgung der Reststoffe. (Ähnlich ist das Verhältnis bei den anderen drei großen EVU).
3. Bei der Entsorgung der Reststoffe gilt folgende Vereinbarung: das Endlager (Kosten 1 bis 2 Milliarden Euro) muss vom Bund bereitgestellt werden. Alle Kosten, einschließlich der Verpackung in Fässer und der Verbringung in das Endlager werden den EVU angelastet. Nach obiger Kostenaufstellung stehen bei E.on hierfür ca. 16,6 - 7 = 9,6 Mrd. Euro zur Verfügung, was aufgrund der Erfahrungen vollkommen ausreichend sein sollte.
4. Wo liegt dann das Problem für die nahezu endlose Diskussion um die Entsorgung der Atomkraftwerke? Nun, das Problem beruht darin, dass der Bund nach der vorsätzlichen und fahrlässigen Aufgabe des praktisch bereits genehmigten Endlagers Gorleben - durch den damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin - bis jetzt nicht in der Lage ist, einen neuen Standort für ein solches Lager zu präsentieren. Ob dies in Deutschland überhaupt jemals möglich sein wird, ist durchaus zweifelhaft - denn Gorleben ist überall!
5. Zu allem Überfluss hat Trittin auch noch das Zwischenlager Gorleben gekippt, in denen die bestrahlten Brennelemente in Castor-Behältern lagern sollten. Seitdem müssen an etwa einem Dutzend Reaktorstandorten neue (kleinere) Zwischenläger für diese Brennelemente gebaut werden, die dort wohl bis zum St. Nimmerleinstag lagern werden. Und das, obwohl das dafür errichtete Zwischenlager Gorleben nur zu knapp einem Drittel gefüllt ist und für alle deutschen Brennelemente ausgereicht hätte!
Der sogenannte Stresstest
1. Da es zeitlich überhaupt nicht abzuschätzen ist, wann der Bund ein neues Endlager bereitstellen kann, hat sich E.on zu einem drastischen Schritt entschlossen. Der Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen kündigte Mitte 2014 an, dass er (ab 2016) den Konzern in zwei Teile aufspalten wolle: die fossilen Kraftwerke, sowie die Kernkraftwerke, sollten in die neue Firma Uniper ausgegliedert werden; das Geschäft mit dem Ökostrom, der Netzbetrieb und die Kundenbeziehungen sollten in der bisherigen Firma E.on SE verbleiben. Die Atomrückstellungen sowie die daraus erwachsenden Verpflichtungen sollten an die Firma Uniper gehen.
2. Dieser Schritt brachte Minister Gabriel in Wallung. Er bezichtigte E.on, sich ihrer Verpflichtungen entledigen zu wollen, durch die Gründung einer Bad Bank. Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Er wies seine Referenden an, ein sogenanntes Nachhaftungsgesetz auszuarbeiten. Dieses sollte bewirken, dass die Ursprungsgesellschaft E.on - nicht wie bisher lediglich 5 Jahre lang - sondern künftig unbeschränkt für die Atomverpflichtungen einzustehen habe. Eltern haften für ihre Kinder, tönte er populistisch - obwohl auch im Bereich der Familie die Haftung terminiert ist. Das Ende vom Lied: E.on-Chef Teyssen machte die Ausgliederung der Kernkraftwerke rückgängig. Sie gehören jetzt wieder zum E.on-Konzern, allerdings unter dem (altehrwürdigen) Namen PreußenElektra.
3. Einmal in Fahrt, legte Gabriel sogleich nach: eine Expertenkommission soll im Oktober die Kernkraftwerke einem finanziellen Stresstest unterziehen. Die Kommission soll nicht nur feststellen wie sicher die derzeitigen Atomrückstellungen wert sind, sondern auch in ferner Zukunft, etwa 2050 oder 2080, falls dann Endläger existieren. Als Basis dient ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton aus Düsseldorf. Wie leicht vorstellbar, hängt dieser Zukunftswert insbesondere von den angenommenen Zins und Zinseszinsen ab. Diese schwanken erfahrungsgemäß innerhalb von zehn Jahren oft zwischen 1 und 7 Prozent. E.on hat 4,7 Prozent zugrunde gelegt. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase haben sogar die erfahrenen deutsche Versicherer die Reißleine gezogen, indem sie keine Lebensversicherungen mit Zinszusagen und Überschussbeteiligung mehr anbieten. Es ist fraglich, ob Gabriel in seiner Kommission Propheten aufzubieten hat. Diese gibt es bekanntlich nur in der Bibel und sind dort bereits vollständig gelistet.
4. Als Fazit bleibt der betrübliche Eindruck, dass Merkel und Gabriel, als Vertreter der beiden Volksparteien, drauf und dran sind die verdienstvollen großen deutschen Energiekonzerne in den Abgrund zu zwingen. Am 15. September 2015 verlor E.on an der Börse innerhalb eines Tages zeitweise 2,3 Milliarden Euro. Das ist der Wert eines Atomkraftwerks.
Einen Großteil der Schuld tragen die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der sogenannten Energiewende. Merkels hastiger und technisch nicht gerechtfertigter Ausstieg aus der Kernenergie gab den Anstoß zu der wirtschaftlichen Spirale nach unten; ihr Bundesminister Sigmar Gabriel lässt seit Jahren keine Gelegenheit aus, E.on auf diesem Weg weiterhin zu schurigeln. Im folgenden werden die wichtigsten politischen Entscheidungen benannt, welche E.on in die heutige Misere geführt haben.
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Die Ursachen des Niedergangs
Die Zwangsmaßnahmen gegenüber den Energieversorgungsunternehmen (EVU) begannen bereits unter der Regierung Schröder sowie seinen damaligen Ministern Müller und Trittin im Jahr 2000. Damals wurde den EVU die Laufzeitbegrenzung der Kernkraftwerke per Gesetz aufgedrückt und die Entsorgung der Reststoffe in Gorleben systematisch blockiert. Nach den Unfällen in Fukushima kamen noch folgende regierungsamtliche Maßnahmen hinzu:
1. Die zu E.on gehörigen Kernkraftwerke Isar 1 und Unterweser wurden im März 2011 durch Sofortvollzug, aber gesetzeswidrig ohne erforderliche Begründung, stillgelegt. Schadensersatz wurde bis heute nicht geleistet.
2. Bei den ebenfalls zum E.on-Konzern gehörenden Kernkraftwerken Brokdorf, Grafenrheinfeld, Isar 2, und Grohnde wurden die Laufzeiten bis max. zum Jahr 2022 erheblich verkürzt. Auch hierfür gab es keine gesetzliche Grundlage. International üblich sind Laufzeiten von 40 bis 60 Jahren. Auch für diese Laufzeitverkürzungen wurde kein Schadensersatz geleistet. Im Gegenteil: den Betreibern wurde eine sehr hohe Brennelementsteuer auferlegt.
3. Die bevorzugte Stromeinspeisung von Erneuerbaren Energien (EE), vorzugsweise aus Wind und Sonne, wurde regierungsamtlich verfügt. Dabei wurden die variablen Kosten der EE willkürlich und realitätswidrig (beim "Merit-Order-System) auf Null gesetzt. Neue und klimafreundliche Gaskraftwerke wurden durch diese bürokratische Maßnahme plötzlich unwirtschaftlich.
4. Die Subvention des Stroms aus EE wurde exzessiv angehoben. Der Gedanke des Wettbewerbs wurde negiert, stattdessen wurde nach planwirtschaftlichen Gesichtspunkten verfügt. Der Börsenstrompreis fiel dadurch zwischen den Jahren 2011 und 2015 von 50 auf 29 Cent pro Megawattstunde, was die Ertragssituation bei den EVU drastisch verschlechterte. Gleichzeitig stieg die EEG-Umlage auf über 6 Cent pro Kilowattstunde für die Verbraucher. Die EE-Subventionskosten pro Jahr belaufen sich derzeit auf 25 Milliarden und sind im Steigen.
5. Die EVU sind per Gesetz weiterhin verpflichtet das Stromnetz stabil zu halten. Wegen der hohen Einspeisung von EE-Strom erzeugt dies große Zusatzkosten, insbesondere im Winter, wenn Sonne und Wind weniger verfügbar sind. Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert, sich an diesen Kosten wirklichkeitsgetreu zu beteiligen. (Diskussion Kapazitätsmarkt). Im Sommer muss Überschussstrom an benachbarte Länder "verschleudert" werden.
6. Kohle ist durch die Verschiebung im Merit-Order-System wieder "wirtschaftlich" geworden und wird deshalb zunehmend verstromt. Bundeswirtschaftsminister Gabriel versucht dies, mit Hinweis auf die angebliche Klimaschädlichkeit, zu verhindern und auf alle Fälle zu verteuern.
7. Wegen fehlender Gleichstromtrassen und saisonaler Stromspeicher zeigen sich immer mehr die grundsätzlichen Schwächen der sogenannten Energiewende.
8. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn dem Konzern E.on - wie den anderen Energieunternehmen RWE, EnBW und Vattenfall - die wirtschaftliche Basis verloren ging. Verantwortlich für den Niedergang dieser renommierten Großunternehmen ist einzig und allein der gesetzgeberische Murks von Merkel und Gabriel.
Die Diskussion um die Entsorgung
Einvernehmen herrscht darüber, dass Kernkraftwerke, wie alle anderen Industriebauten, nach der Nutzung zurück gebaut werden müssen und die Restmaterialien sicher zu entsorgen sind. Von den Gegnern der Kernenergie wird gelegentlich die Meinung verbreitet, dies sei technisch und finanziell nicht möglich. Beides stimmt nicht, wie kurz dargestellt wird.
1. Für den Rückbau von Atomkraftwerken gibt 2 Varianten: der (vorläufige) sichere Einschluss oder die vollständige Beseitigung bis hin zur sog. Grünen Wiese. Für beide Alternativen existieren schon reichliche Erfahrungen. Vollständig, also bis zur Grünen Wiese, wurden die drei Kernkraftwerke VAK Kahl, HDR Großwelzheim und das KKN Niederaichbach beseitigt. Im sicheren Einschluss befinden sich derzeit das KWL Lingen und der THTR Hamm-Uentrop. In verschiedenen Stadien des Rückbaus sind gegenwärtig 14 Atomkraftwerke begriffen. Dazu gehören u.a. KWO Obrigheim, KMK Mülheim-Kärlich, KNK II, etc.
2. Auf der Basis dieser reichhaltigen Erfahrungen kostet der Rückbau eines großen Kernkraftwerks ca. 1 Milliarde Euro, der im Strompreis bereit enthalten war und der von den Stromkonzernen bilanziell rückgestellt wurde. Insgesamt betragen die Rückstellungen der EVU ca. 40 Milliarden Euro, wovon 20 Mrd. für den Rückbau und 20 Mrd. für die Entsorgung der radioaktiven Stoffe im Endlager vorgesehen sind. Die Firma E.on ist verantwortlich für den Rückbau von 6 grossen Kernkraftwerken und einigen Kleinanlagen. Dafür wird ein Aufwand von 7 Mrd. Euro veranschlagt. Die bilanzielle Rückstellungssumme liegt derzeit bei insgesamt 16,6 Mrd. Euro, was ausreichend sein sollte sowohl für den Rückbau als auch für die Entsorgung der Reststoffe. (Ähnlich ist das Verhältnis bei den anderen drei großen EVU).
3. Bei der Entsorgung der Reststoffe gilt folgende Vereinbarung: das Endlager (Kosten 1 bis 2 Milliarden Euro) muss vom Bund bereitgestellt werden. Alle Kosten, einschließlich der Verpackung in Fässer und der Verbringung in das Endlager werden den EVU angelastet. Nach obiger Kostenaufstellung stehen bei E.on hierfür ca. 16,6 - 7 = 9,6 Mrd. Euro zur Verfügung, was aufgrund der Erfahrungen vollkommen ausreichend sein sollte.
4. Wo liegt dann das Problem für die nahezu endlose Diskussion um die Entsorgung der Atomkraftwerke? Nun, das Problem beruht darin, dass der Bund nach der vorsätzlichen und fahrlässigen Aufgabe des praktisch bereits genehmigten Endlagers Gorleben - durch den damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin - bis jetzt nicht in der Lage ist, einen neuen Standort für ein solches Lager zu präsentieren. Ob dies in Deutschland überhaupt jemals möglich sein wird, ist durchaus zweifelhaft - denn Gorleben ist überall!
5. Zu allem Überfluss hat Trittin auch noch das Zwischenlager Gorleben gekippt, in denen die bestrahlten Brennelemente in Castor-Behältern lagern sollten. Seitdem müssen an etwa einem Dutzend Reaktorstandorten neue (kleinere) Zwischenläger für diese Brennelemente gebaut werden, die dort wohl bis zum St. Nimmerleinstag lagern werden. Und das, obwohl das dafür errichtete Zwischenlager Gorleben nur zu knapp einem Drittel gefüllt ist und für alle deutschen Brennelemente ausgereicht hätte!
Der sogenannte Stresstest
1. Da es zeitlich überhaupt nicht abzuschätzen ist, wann der Bund ein neues Endlager bereitstellen kann, hat sich E.on zu einem drastischen Schritt entschlossen. Der Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen kündigte Mitte 2014 an, dass er (ab 2016) den Konzern in zwei Teile aufspalten wolle: die fossilen Kraftwerke, sowie die Kernkraftwerke, sollten in die neue Firma Uniper ausgegliedert werden; das Geschäft mit dem Ökostrom, der Netzbetrieb und die Kundenbeziehungen sollten in der bisherigen Firma E.on SE verbleiben. Die Atomrückstellungen sowie die daraus erwachsenden Verpflichtungen sollten an die Firma Uniper gehen.
2. Dieser Schritt brachte Minister Gabriel in Wallung. Er bezichtigte E.on, sich ihrer Verpflichtungen entledigen zu wollen, durch die Gründung einer Bad Bank. Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Er wies seine Referenden an, ein sogenanntes Nachhaftungsgesetz auszuarbeiten. Dieses sollte bewirken, dass die Ursprungsgesellschaft E.on - nicht wie bisher lediglich 5 Jahre lang - sondern künftig unbeschränkt für die Atomverpflichtungen einzustehen habe. Eltern haften für ihre Kinder, tönte er populistisch - obwohl auch im Bereich der Familie die Haftung terminiert ist. Das Ende vom Lied: E.on-Chef Teyssen machte die Ausgliederung der Kernkraftwerke rückgängig. Sie gehören jetzt wieder zum E.on-Konzern, allerdings unter dem (altehrwürdigen) Namen PreußenElektra.
3. Einmal in Fahrt, legte Gabriel sogleich nach: eine Expertenkommission soll im Oktober die Kernkraftwerke einem finanziellen Stresstest unterziehen. Die Kommission soll nicht nur feststellen wie sicher die derzeitigen Atomrückstellungen wert sind, sondern auch in ferner Zukunft, etwa 2050 oder 2080, falls dann Endläger existieren. Als Basis dient ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton aus Düsseldorf. Wie leicht vorstellbar, hängt dieser Zukunftswert insbesondere von den angenommenen Zins und Zinseszinsen ab. Diese schwanken erfahrungsgemäß innerhalb von zehn Jahren oft zwischen 1 und 7 Prozent. E.on hat 4,7 Prozent zugrunde gelegt. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase haben sogar die erfahrenen deutsche Versicherer die Reißleine gezogen, indem sie keine Lebensversicherungen mit Zinszusagen und Überschussbeteiligung mehr anbieten. Es ist fraglich, ob Gabriel in seiner Kommission Propheten aufzubieten hat. Diese gibt es bekanntlich nur in der Bibel und sind dort bereits vollständig gelistet.
4. Als Fazit bleibt der betrübliche Eindruck, dass Merkel und Gabriel, als Vertreter der beiden Volksparteien, drauf und dran sind die verdienstvollen großen deutschen Energiekonzerne in den Abgrund zu zwingen. Am 15. September 2015 verlor E.on an der Börse innerhalb eines Tages zeitweise 2,3 Milliarden Euro. Das ist der Wert eines Atomkraftwerks.
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