Sonntag, 9. November 2014

ITER: Steigen die Amerikaner aus?

Der Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor, abgekürzt ITER, welcher derzeit im südfranzösischen Cadarache errichtet wird,  befindet sich in einer gefährlichen Projektphase. Seine Baukosten werden nunmehr auf ca. 50 Milliarden Dollar abgeschätzt, d. h. die Kosten haben sich im Vergleich zur ursprünglichen Planung fast um den Faktor 10 erhöht. Der Terminplan für den Betrieb dieser komplexen Fusionsmaschine hat sich vom Jahr 2020 auf mittlerweile bis 2033 verzögert. Kein Wunder, dass insbesondere in den USA überall Firmen auftreten, welche den Anspruch erheben, die Kernfusion billiger und schneller bewerkstelligen zu können.

Dubiose Alternativen

Die Suche nach Alternativen für das ITER-Prinzip begann bereits 1989, als die beiden US-Physikochemiker Stanley Pons und Martin Fleischmann ein Experiment unter der Bezeichnung "kalte Fusion" vorstellten. Sie behaupteten eine  Fusion bei Zimmertemperatur auf elektrochemischen Weg an einer Palladium-Elektrode durchgeführt zu haben. Die Labor-Ergebnisse von Pons und Fleischmann ließen sich jedoch nicht durch unabhängige Dritte bestätigen. Eine vom Energieministerium der USA eingesetzte Kommission kam zu dem Ergebnis, dass es sich um "pathologische Wissenschaft" handle.

Vor kurzem ist der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin  mit dem Anspruch an die Öffentlichkeit getreten, nach nur vierjähriger Arbeit einen Fusionsreaktor mit einer Leistung von 100 Megawatt entwickelt zu haben. Das Kraftwerk soll die bescheidene Größe von nur 7 mal 13 Metern besitzen und könnte damit auf einem mittleren Lastwagen transportiert werden. Die Testversion des sogenannten Compact Fusion Reactor (CFR)  soll in einem Jahr betriebsbereit sein, in zehn Jahren möchte man sogar ein marktreifes Kraftwerk vorstellen. Hinter dem Projekt steht die Forschungsabteilung "Skunk Works", die immerhin den Tarnkappenbomber F-117 entwickelt hat. Statt einen Torus zu verwenden, wollen die Skunk-Works-Ingenieure mehrere Spulen hintereinander im Innern der Reaktorkammer platzieren, um ein Magnetfeld von anderer Geometrie zu erzeugen. Die Arbeiten sind, bis auf einige Patentanträge, noch sehr geheim, sodass sie nicht im Detail bewertet werden können.

Auswirkungen auf den US-Kongress

Im US-Kongress, also dem Senat und Repräsentantenhaus hat der ITER wenige Freunde. Insbesondere die Republikaner sind strikt gegen dieses Projekt eingestellt. Da nach der kürzlichen Wahl diese Partei in beiden Kammern jedoch die Mehrheit erringen konnte, wird die jährliche Mittelbewilligung für ITER sehr erschwert werden. Hinzu kommt die Kontroverse zwischen dem Energieministerium DOE und dem Government Accountability Office GAO, dem amerikanischen Bundesrechnungshof. Das DOE schätzt den erforderlichen Beitrag der USA zum ITER auf 3,9 Milliarden Dollar, der weitaus kritischere GAO hingegen auf satte 6,5 Milliarden. Der Senat hat für das Jahr 2015 bereits angekündigt, dass er nur noch 75 Millionen Dollar bewilligen werde; benötigt werden für die Projektabwicklung aber mindestens 225 Millionen, also drei mal so viel.

Vor diesem Hintergrund - und weil es vielleicht "billigere Wege" zur Kernfusion gibt - wird in den amerikanischen Regierungskreisen ganz offen über den Ausstieg aus dem ITER-Projekt geredet. Republikaner und Demokraten sind sich weitgehend einig darüber, dass die enormen Kostensteigerungen für den Steuerzahler nicht mehr tragbar sind. Vertraglich ist ein Ausstieg vor dem Jahr 2017 allerdings nicht möglich - außer man akzeptiert die festgelegten Strafzahlungen.

Die Kernfusion, so lästern manche Physiker gern, ist die meistversprechende Technologie der Zukunft - und wird es auch immer bleiben!

1 Kommentar:

  1. 1967 hörte ich einen Vortrag eines hohen Beamten der Australischen Atombehörde mit der Prognose "1984 wird der erste Fusionsreaktor betriebsfähig sein". 1984 kam, 1984 ging - nun haben wir bereits 2014 und der Horizont verschiebt sich immer weiter ...
    Jürgen Tepel, Karlsruhe

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