Auf Hollywood ist Verlass. Pünktlich zum 99. "Geburtstag" von Albert Einsteins
Allgemeiner Relativitätstheorie kommt die Traumfabrik mit einem dreistündigen Science-Fiction-Opus heraus, in dem Astrophysik und Erlebniskino in aufwendiger Weise miteinander vereint sind. Im Film "Interstellar" durchfliegt das Raumschiff "Endurance" das Universum in der Suche nach einen bewohnbaren Planeten. Auf der Erde war es wegen des Klimawandels inzwischen höllisch heiß und staubig geworden, sodass der Farmer und ex-Astronaut Cooper ein übrig gebliebenes Raumschiff der NASA griff und mit einer Handvoll Gefährten in den Weltraum düste. Über ein sogenanntes Wurmloch in der Nähe des Saturns gelangen sie zu einer anderen Galaxie außerhalb der Milchstraße, entkommen dabei mit knapper Mühe (durch Lastabwurf!) dem Schwarzen Loch "Gargantua" und finden tatsächlich bewohnbare Planeten. Die Gravitation spielt bei dieser Weltreise eine herausragende Rolle, weshalb immer wieder auf die Allgemeine Relativitätstheorie des bereits lange verstorbenen Wissenschaftlers Einstein verwiesen wird. Nach wenigen Stunden Reisezeit kommt die Besatzung (auf obskure Weise) wieder zurück auf die Erde und stellt fest, dass die Zurückgebliebenen inzwischen um mehrere Jahrzehnte gealtert sind. Die
Spezielle Relativitätstheorie von Albert Einstein lässt grüßen.
Mit Geld hat man bei diesem Spektakel nicht gespart. Jede Minute soll eine Million Dollar verschlungen haben. und die Spezialeffekte - insbesondere beim Anflug auf das Schwarze Loch - sind beeindruckend. Der Drehbuchautor soll sich angeblich, zusammen mit dem US-Physiker und Bestseller-Autor Kip Thorne ("Gekrümmte Zeit und verbogener Raum"), ein volles Jahr in die beiden Relativitätstheorien vertieft haben. Die Freunde von "Enterprise" werden diesen Film, insbesondere in der Multiplexfassung, sicherlich genießen. Den wenigen Physikern im Zuschauerraum bleibt der Griff zur Pocorntüte und zur Colaflasche.
Genial - aber nicht nobelpreiswürdig
In gewisser Beziehung ist dieses Film-Epos von Regisseur Christopher Nolan eine Hommage an Einsteins größte wissenschaftliche Leistung: die Entdeckung der Allgemeinen Relativitätstheorie, abgekürzt ART. Vor fast genau 99 Jahren, am 25. November 1915, hielt er darüber erstmals einen Vortrag in Berlin bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Die ART beschreibt die Wechselwirkung zwischen Materie einerseits sowie Raum und Zeit andererseits. Sie deutet die Schwerkraft (Gravitation) als geometrische Eigenschaft der gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit. (Pardon, einfacher lässt sie sich nicht "erklären"). Die ART erweitert die ebenfalls von Einstein, aber schon zehn Jahre vorher entdeckte Spezielle Relativitätstheorie (SRT), und geht für hinreichend kleine Gebiete der Raumzeit in diese über.
Die wichtigsten Erkenntnisse der SRT sind, dass die Lichtgeschwindigkeit c in jedem Bezugssystem denselben Wert besitzt, also eine Konstante ist. Entfernungen und Zeiten hängen demnach vom Bewegungszustand des Betrachters ab, wodurch Zeitreisen im Universum - zumindest theoretisch - möglich sein sollten. Außerdem entdeckte Einstein, im Zusammenhang mit der SRT, die Äquivalenz von Masse und Energie, also die berühmte Gleichung E=mc
2, worauf u. a. die Energieerzeugung in Kernreaktoren beruht. Materie ist gewissermaßen hochverdichtete Energie.
Einstein wurde zeitlebens zwar nur von wenigen wirklich verstanden, aber von den Menschen fast wie ein Popstar verehrt. Die Medien stürzten sich auf ihn und als er einmal einem Pulk von Pressefotografen mit knapper Mühe im Auto entkam, entstand das berühmte Bild mit der schadenfroh heraushängenden Zuge.
Es ist kaum zu glauben, dass Einstein für keine dieser beiden Relativitätstheorien den Nobelpreis der Physik erhielt. Der Mediziner Alivar Gullstrand, selbst Träger des Nobelpreises für Medizin im Jahr 1911, verhinderte dies erfolgreich. Gullstrand war als Jurymitglied des Nobelpreiskomitees nicht von der Richtigkeit beider Theorien überzeugt, wodurch er die Vergabe des Preises an Einstein verhindern konnte. Erst 1922 sorgte ein jüngeres Jurymitglied mit einem Trick dafür, dass Einstein endlich diese Trophäe erhielt. Der Physiker wurde für die Entdeckung des "photoelektrischen Effekts" ausgezeichnet, eine Entdeckung, die er bereits im Jahr 1905 gemacht hatte, welche aber - obschon nobelpreiswürdig - an den Rang der beiden Relativitätstheorien nicht heran kam.
Albert Einstein (1879 - 1955)
Auf der Suche nach der Weltformel
Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde von den Astronomen immer wieder experimentell bestätigt. Das erste Mal geschah dies 1919, als man bei einer Sonnenfinsternis die Ablenkung (Aberration) des Sternenlichts durch die Schwerkraft der Sonne messen konnte. Zusammen mit der Quantentheorie stellt die ART die Krönung der theoretischen Physik dar. Viel Aufwand wurde seither damit betrieben, die "Weltformel" zu finden, den "heiligen Gral" der klassischen Physik. In dieser Weltformel sollten alle Kräfte der Physik vereint sein, also die Gravitation, die starke und schwache Kernkraft sowie die elektromagnetische Kraft. Trotz ungeheurer Anstrengungen ist es bis dato nicht gelungen, diese Weltformel zu entdecken.
Stattdessen zeigten sich immer mehr die Grenzen der Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie. Ihre Anwendung versagt, wenn Raum und Zeit gegen Null und die Energiedichte sowie die Temperatur gegen Unendlich gehen. Diese sogenannten Singularitäten verhindern beispielsweise die Beschreibung des Urknalls sowie der Schwarzen Löcher. In das Standardmodell der Kosmologie mussten mindestens drei unbekannte Größen eingeführt werden, um irritierende astronomische Daten zu erklären. Dies sind die Dunkle Materie, welche die Dynamik der Galaxien erklärt, sowie die noch mysteriösere Dunkle Energie, welche die beschleunigte Ausdehnung des Weltalls antreibt. Schließlich benötigt man noch ein hypothetisches Feld, das Inflaton genannt wird und das unser Weltall Sekundenbruchteile nach dem Urknall überhaupt erst so groß gemacht hat, wie es jetzt ist. Ohne das Inflaton hätte das Weltall nur die Größe eines Fußballs.
Ganze Heerscharen der besten Physiker versuchen seit fast zwei Generationen diese Phänomene zu erklären und in eine schlüssige mathematische Theorie zu pressen. Die Stringtheorie ist dafür ein Beispiel. Leider ist die einheitliche Beschreibung der Kräfte und Felder bis dato nicht gelungen. Im Gegenteil: die Struktur des Mikrokosmos und des Makrokosmos wird immer verwirrender. Elf Raumzeitdimensionen benötigt die Stringtheorie, von Anschaulichkeit keine Spur. Inzwischen deutet manches darauf hin, dass die Raumzeit nicht fundamentaler Natur ist, sondern sich aus winzigen Mikrostrukturen aufbaut - ähnlich wie ein Foto, das sich bei näherer Beobachtung in einzelne Bildpunkte auflöst. Auch die Schwerkraft könnte nach Meinung mancher Physiker möglicherweise keine grundlegende Eigenschaft des Raumes sein, sondern lediglich eine abgeleitete Größe, ähnlich wie die Temperatur. All diese Spekulationen hätten zur Folge, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zwar weiterhin gültig ist, aber nicht mehr in der allgemeinen Form, sondern eher als Sonderfall einer allumfassenden neuen Theorie, ähnlich wie Newtons klassische Mechanik ein Einzelfall im Rahmen der ART und SRT ist.
Einstein war zeitlebens von der Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie überzeugt, arbeitete aber dessen ungeachtet an ihrer "Revision", indem er immer wieder die Gültigkeitsgrenzen der ART auslotete. Er drückte es so aus: "Für eine physikalische Theorie kann es kein schöneres Schicksal geben, als dass sie in einer umfassenderen Theorie als Grenzfall weiter lebt". Bei dieser lebenslangen Suche war Einstein auf sich allein gestellt. Obschon vielfacher Professor, bildete er nicht einen einzigen Doktoranden aus. In seiner Wissenschaft wollte er Einzelgänger bleiben.
Einsteins Tod
Einstein starb am 18. April 1955 im Alter von 76 Jahren in Princeton, USA, an inneren Blutungen, die durch die Ruptur eines Aneurysmas im Bereich der Aorta verursacht wurde. Die Nachtschwester berichtete, dass er kurz vor seinem Tod etwas auf Deutsch gemurmelt habe. Er wurde noch an seinem Todestag verbrannt; seine Asche wurde, seinem Wunsch entsprechend, an einem unbekannten Ort verstreut. Gegen den Willen Einsteins erfolgte jedoch vorher eine Obduktion. Bei dieser Operation entwendete der Pathologe Thomas Harvey das Gehirn des toten Einsteins. Er wollte es - ob seiner möglicherweise einzigartigen Struktur - für weitere Untersuchungen der Nachwelt erhalten. Harvey verlor daraufhin die ärztliche Approbation und musste sich jahrelang als Fabrikarbeiter durchschlagen. Eine besonders auffällige Struktur der Gehirnwindungen konnte bei den medizinischen Untersuchungen allerdings nicht gefunden werden. 1997 übergab Harvey Einsteins Gehirn in zwei Einweckgläsern an dessen Enkelin in Kalifornien.