Sonntag, 30. März 2014

Zielsetzung und Risiken der nächsten drei Fusionsprojekte (2)

ITER, für sich genommen, ist bereits ein gigantisches Projekt. Aber seine Grösse relativiert sich, wenn man es im Verbund sieht zu den beiden nachfolgenden Fusionsreaktorprojekten, die nötig sind, um der Kernfusion zum technischen und wirtschaftlichen Durchbruch zu verhelfen. Die "Roadmap" hierfür wurde erarbeitet von Alexander M. Bradshaw, einem britischen Physiker, der viele Jahre Direktor des Max-Planck-Instituts in München-Garching war. Bradshaw (und seine Mitarbeiter, selbstredend) identifizierte die technischen Schritte, welche nötig sind, damit die Fusionsreaktoren - ähnlich wie Kohle- oder Atomkraftwerke - von den europäischen Energieversorgungsunternehmen zur Stromversorgung akzeptiert werden. Nach Bradshaw sind dafür drei Schritte erforderlich: ITER, DEMO I und DEMO II. Letztere sind die Abkürzung für zwei Demonstrations-Fusionskraftwerke, die sich zeitlich an den ITER anschliessen. Im Folgenden sollen die wesentlichen Zielsetzungen und Risiken dieser drei Grossprojekte kurz beschrieben werden.


ITER

Das Projekt ITER sollte nach der ursprünglichen Zielsetzung wesentlich mehr leisten, als das jetzt der Fall ist. Und weniger kosten! Nach der technischen Spezifikation zum Ende der achziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sollte der ITER von einem kompletten Blankett zum Erbrüten des Tritiums umgeben sein. Die Kosten für das Gesamtprojekts wurden auf 7 Milliarden Euro abgeschätzt. Der Europäischen Kommission in Brüssel war dieser Preis zu hoch und man setzte eine Arbeitsgruppe ein, die nach "Einsparungmöglichkeiten"  suchen sollte. Dies hatte zur Folge, dass einige wichtige Komponenten aussen vor gelassen wurden, z. B. das Brutblankett. Es ist im ITER nur noch rudimentär vertreten. Immerhin war die Brüsseler Kommission zufrieden, als damit die Kosten auf 3,5 Milliarden Euro abgespeckt werden konnten. Leider war dies ein Pyrrhussieg, denn in der Folge stieg der Preis für diese Magerversion schnell auf 5 Milliarden und schliesslich waren es wieder die ursprünglichen 7 Milliarden. Derzeit ist man - allein für den Bau, der Betrieb folgt noch - bei 16 Milliarden angelangt. Dass es bis zum avisierten Bauende 20 Milliarden Euro werden, darauf darf gewettet werden. Das traurige Fazit dieser Reduktionsmassnahmen ist, dass der ITER, in seiner jetzigen Spezifikation, mehr ein Gerät für Physiker ist, an dem aber wichtige technische Komponententests nicht ausgeführt werden können.

Betrachten wir nun die zeitliche Abfolge des ITER. Bis zum Jahr 2020 soll der Bau abgeschlossen sein, was schwierig genug sein wird, wie im vorausgehenden Blog dargestellt wurde. Für den nachfolgenden Betrieb wird der Tokamak mit Wasserstoff bzw. Helium gefüllt, um die Stabilität des Plasmas und die Funktionstüchtigkeit der Divertoren zu erproben. Der Betrieb mit Deuterium und Tritium, dem eigentlichen Gas zur Erzeugung der Fusionsreaktion (siehe Skizze unten), ist erst ab 2027 geplant. Hierfür kann man 10 bis 15 Jahre ansetzen, womit wir im Jahr 2040 sind.






Die Deuterium-Tritium-Fusionsreaktion

DEMO I

Unterstellen wir, optimistischerweise, dass die Experimente am ITER erfolgreich verlaufen, dann kann man sich an die Planung des DEMO I heran wagen. Das soll ein Fusionsreaktor der Leistung von 1.000 Megawatt sein, also einem Kernkraftwerk bzw. einem grossem Kohlekraftwerk entsprechen. Dieses Projekt wird von dem bisherigen 7er-Staatenbund nicht mehr zu stemmen sein - aus finanziellen und politischen Gründen. Spätestens hier benötigt man die Partizipation der europäischen Energieversorgungsunternehmen (EVU). Ein organisatorisches Vorbild könnte der European Fast Reactor (EFR) der neunziger Jahre sein, wo eine Reihe deutscher, französischer und britischer EVU kooperierten und die Planungskosten trugen. Das begleitende Forschungs- und Entwicklungsprogramm (F+E) wurde von den Forschungsorganisationen der genannten Staaten geschultert.

Der DEMO I muss bereits mit allen Komponenten, die ein solches Kraftwerk benötigt, im Masstab 1:1 ausgestattet sein. Also auch mit einen kompletten Blankett sowie der dafür erforderlichen Infrastruktur zur Abtrennung und Wiederaufarbeitung des Tritiums. Das Hauptziel des DEMO I wird sein, die technische "feasibility" dieses Reaktors sicherzustellen. Zum derzeitigen Moment ist noch nicht seriöserweise der Terminablaufplan dieses Riesenprojekts abzuschätzen. Man wird aber nicht völlig falsch liegen, wenn man - mindestens! - je zehn Jahr für Planung, Bau und Betrieb des DEMO I ansetzt. Nach diesen 30 Jahren befinden wird uns im Jahr 2070.


DEMO II

Mit dem DEMO II soll bewiesen werden, dass dieser Fusionsreaktor wirtschaftlich arbeiten kann, und Strom rentabel liefern wird. Die EVU werden vor allem darauf achten, dass diese Maschine im Betrieb mit hoher Verfügbarkeit funktioniert und keine zu grossen Wartungskosten entstehen. Hier gibt es jedoch allerhand technische Risiken. Wie man immer wieder hört, ist die Strahlenschädigung des Torus wegen der schnellen 14-MeV-Neutronen so erheblich, dass dieser Stahlmantel alle 2 - 3 Jahre ausgewechselt werden muss. Dafür werden, nach derzeitigen Vorstellungen, Montagezeiten von 6 - 8 Monate angesetzt. Nach den Erfahrungen mit dem Rückbau von Kernkraftwerken ist dies völlig illusorisch, da die Vor-Ort-Radioaktivität in einem Fusionsreaktor viel höhen sein wird, als beim Abriss eines konventionellen Kernkraftwerks. Es könnte also durchaus der Fall auftreten, dass diese Auswechselprozedur viel länger dauert, womit die Verfügbarkeit und die Wirtschaftlichkeit des DEMO II infrage stünde. Weitere Probleme könnten in Verbindung mit dem Tritium entstehen, wenn man die derzeitigen Strahlenschutzvorschriften zugrunde legt. Unabhängig davon, werden Planung Bau und Probebetrieb des DEMO II wohl auch nicht kürzer als 30 Jahre dauern, womit wir beim Jahr 2100 angelangt sind - wenn alles gut läuft. Natürlich kann man die Terminpläne der drei Fusionsreaktoren auch überlappen und dadurch etwas an Zeit einsparen. Aber wer soll dabei das Risiko tragen?


Aufhören oder weitermachen?

Die genannten Zeitskalen und die einzusetzenden Finanzmittel könnten mutlos machen und zur Aufgabe des Fusionsprojekt animieren. Nicht wenige Politiker denken in diese Richtung. Aber haben wir bei der so überaus wichtigen Energiefrage viele Optionen? Im Grunde gibt es derzeit nur fünf technische Möglichkeiten, um viel Energie über tausende von Jahren bereitzustellen, nämlich: Sonne, Wind, Geothermie, Schneller Brüter - und Kernfusion. Die ersten drei gehören den hochgepriesenen Erneuerbaren Energien an und bereits jetzt, in der Einführungsphase, zeigt sich in Deutschland, dass auch sie ihre Probleme haben. Man sollte also nicht vorschnell auf eine einzige dieser Optionen verzichten, auch nicht auf die Kernfusion.  Es ist nicht auszuschliessen, dass es in den kommenden Jahrzehnten zu technisch-wissenschaftlichen Durchbrüchen auf diesem Gebiet kommt. Wer kann schon in die Zukunft blicken?

Bleiben die Kosten. Auch diese muss man relativieren. Der Bau des ITER wird dem Konsortium um die 20 Milliarden Euro kosten. Das entspricht ziemlich genau der Summe, womit man in Deutschland derzeit Sonnen- und Windenergie subventioniert. In jedem Jahr, wohlgemerkt! Ausserdem, von den Baukosten des ITER entfallen nur etwa 10 Prozent, also etwa 2 Milliarden Euro auf die Bundesrepublik. Das ist die Summe, welche der Bau des Schnellen Brüters SNR 300 Kalkar gekostet hat, der allerdings von den nordrhein-westfälischen Politikern (Rau!) nicht zum Netzbetrieb zugelassen wurde.

Mein Petitum, trotz mancher Bedenken, ist: weitermachen!

Sonntag, 16. März 2014

ITER, ITER, Super-ITER (1)

Man nennt ihn die komplizierteste Maschine der Welt: den ITER im französischen Cadarache. Auf ihn richten die Blicke all derer, die weltweit in das Super-Projekt Kernfusion involviert sind. Um eine Plattform von 60 Fussballfelder zu schaffen, mussten 2,5 Millionen Kubikmeter Erde bewegt werden, was ziemlich genau dem Volumen der Cheopspyramide entspricht. Der sogenannte Tokomak, das Herzstück des ITER wird aus einer Million Einzelteilen bestehen und 23.000 Tonnen wiegen, womit er  das Gewicht des Eiffelturms ums Doppelte übertreffen wird. Zur seismischen Isolierung gegen Erdbeben sind 360.000 Tonnen Beton einzubringen, was dem Gewicht des Empire State Building in New York entspricht.  Jede der 18 D-förmigen Toroidalfeldspulen besitzt ein Gewicht von 360 Tonnen und wiegt damit so viel wie eine vollbesetzte Boeing 747. Die Spulen sind 14 Meter hoch und 9 Meter breit. Sie sind mit supraleitenden Niob-Zinn-Drähten ausgestattet, die in ihrer Länge zwei Mal um den Globus reichen würden.


Schnitt durch den Reaktor des ITER;
rechts unten eine Person

Die Grosskomponenten werden am nächstgelegenen Mittelmeerhafen Marseille angelandet und auf der sogenannten ITER-Strasse zum Standort Cadarache gebracht. Diese 104 Kilometer lange Strasse  wurde eigens für die 200 Schwerlasttransporte des ITER gebaut und besitzt Kurven und Brücken, die für solche Transporte geeignet sind. Die schwerste Komponente wird 900 Tonnen wiegen und vier Stockwerke hoch sein.

Organisation, Termine, Kosten

ITER ist ein Projekt der sechs Länder China, Indien, Japan, Korea, Russland, USA und der Europäischen Union (EU), worin auch Deutschland eingebunden ist. Diese Länder tragen mit Geld, aber vor allem mit Sachmittel zur Finanzierung des Projekts bei. Darin liegt auch eine Schwäche der Organisation, denn die Abstimmung zwischen diesen Ländern kostet viel Zeit. Generaldirektor des Ganzen ist der Japaner Osamu Motojima.

Das Projekt ITER wurde im Jahr 2006 mit grossem Aplomb gestartet und schon drei Jahre danach waren die Vertragskosten von 5 auf 16 Milliarden Euro angestiegen und der Inbetriebnahmetermin hatte sich um satte 10 Jahre nach hinten verschoben. Weitere Kostenerhöhungen und Terminverschiebungen verursachten das Erdbeben und er nachfolgende Tsunami in Fukushima, weil dabei das japanische Forschungszentrum in benachbarten Naka stark beschädigt wurde. Dort werden die wichtigen supraleitenden Magnetspulen für den ITER gefertigt.

Die Zweifel der Amerikaner

Erschüttert wurde das ITER-Projekt vor einigen Monaten - aber nicht durch Naturgewalten sondern durch einige Blatt Papier, welche das Management vergeblich unter der Decke halten wollte. Es war das "Management Assessment" der USA, ein Gutachten, das im Auftrag des Kongress erstellt wurde.
Alle zwei Jahre wird eine solche Begutachtung durchgeführt, jeweils von einem anderen Land. Die amerikanischen Experten nahmen sich kein Blatt vor dem Mund und bescheinigten dem Management im südfranzösischen Cadarache schwere Fehler, die nach Ansicht der Autoren sogar zum Scheitern des gesamten Projekts führen könnten. Die Kritik war so deutlich, dass der ITER-Aufsichtsrat im vergangenen Februar zu einer Sondersitzung einberufen wurde, um einen vertraulichen Aktionsplan zu beschliessen.

Das amerikanische Energieministerium schätzt, das die anteiligen US-ITER-Kosten von 2,9 auf 4,8 Milliarden steigen könnten. Rechnet man diese Zahl auf die Gesamtkosten des ITER um, so könnten sich diese von 16 auf 40 Milliarden Euro erhöhen. Da die Fusionsforschung zu den Verlierern des amerikanischen Energiebudgets gehört, könnte dies sogar den Abbruch des Projekts bedeuten. Die Ersteller des Assessments fordern einen neuen, realistischen Terminplan sowie die beschleunigte Suche nach einen neuen Generaldirektor! Man wirft Motojima vor, die Erstellung realistischer Termin- und Kostenpläne systematisch zu verhindern und in seinem (japan-typischen) Harmoniestreben zu weit zu gehen. Auch seien zu viele Manager und zu wenige Ingenieure am Projekt beschäftigt. Bis zum nächsten ordentlichen Treffen des Rats im Juni soll die Hauptverwaltung eine neue Organisationsstruktur erarbeiten.

Ein Grundproblem in der ITER-Struktur ist die Tatsache, das die verschiedenen Länder zumeist nur Sachmittel (z. B. Komponenten) nach Cadarache liefern, aber kaum Geld. Das führt zu allerhand Schnittstellenproblemen, wenn die Hardware nicht zusammenpasst. Insbesondere, wenn ein Land technische Änderungen will, die bei einem anderen Land zu Mehrkosten führen, ist die Fähigkeit der Zentrale zur Koordination und Entscheidung verlangt. Meist wird das Problem unter den Tisch gekehrt - oder auf die Zeit nach 2020 (offizieller Inbetriebnahmetermin) verschoben. Die Erstellung realistischer Zeitpläne wird vom oberen Management offenbar systematisch unterbunden und führt zur Demotivation der Mitarbeiter.

"Das Projekt ist in einer Malaise und könnte ausser Kontrolle geraten", heisst es in einem vom The New Yorker veröffentlichten Report. Das ist deutlich.

Sonntag, 2. März 2014

Nagasaki und die Kapitulation (4)

Zwischen den beiden Atombombenabwürfen auf Hiroshima (6. August 1945)  und Nagasaki (9. August) lagen nur drei Tage, aber es war eine ereignisreiche Zeit. Am 7. August warf die amerikanische Luftwaffe Millionen von Flugblättern über die 47 grössten Städte Japans ab und forderte die japanische Führung zur Kapitulation auf unter dezidiertem Hinweis auf die "Superbombe". Vom Kreuzer USS Augusta drohte Präsident Truman: Wenn Sie unsere Bedingungen nicht akzeptieren, dann mögen Sie einen Regen der Zerstörung aus der Luft erwarten, wie er noch nie auf der Erde gesehen worden ist.

Doch das Kriegskabinett in Tokio vermochte sich nicht auf eine bedingungslose Kapitulation zu einigen. Stattdessen bemühte sich Aussenminister Togo bei dem sowjetischen Kollegen Molotow um Vermittlung für bessere Bedingungen. Damit hatte er sich - tragischerweise - an den Falschen gewandt, denn die Sowjetunion, welche bislang mit Japan im Frieden war, nutzte plötzlich die Gunst der Stunde und griff Japan mit riesigen Streitkräften an. Am 8. August besetzte die UdSSR die Mandschurei und wenige Tage darauf die Inselgruppe der Kurilen - welche sie noch bis heute in Besitz hält. Als von der japanischen Regierung keine Reaktion kam, befahl Truman den Abwurf der nächsten Atombombe auf die Stadt Kokura am 11. August.


Die Montage der Plutoniumbombe

Die Plutoniumbombe ist, was ihren Zündmechanismus angeht, sehr viel komplizierter als die Uranbombe. Sie erfolgt über 32 Brennstofflinsen, die um die etwa 6 Kilogramm schwere Hohlkugel aus Plutonium angeordnet sind. Bei der Zündung erzeugen die Linsen eine konzentrische Schockwelle nach innen, pressen das Plutonium zusammen und bringen es dadurch zu einer überkritischen Explosion. Das Problem ist die zeitgleiche Erzeugung der Schockwelle, was lange nicht funktionierte. Wegen der konzentrischen Brennstofflinsen ist die Pu-Bombe dicker im Umfang und wurde deshalb "Fat Man" genannt.



Fat Man wird endmontiert

Die Endmontage der Plutoniumbombe erfolgte auf der Pazifikinsel Tinian und war zeitlich eng bemessen. Als der Abwurftermin - aus Wettergründen - um einen Tag vorverlegt wurde, wuchs der Druck auf das Montageteam ins Unerträgliche. Das potenzierte sich noch, als (aus gleichen Gründen) der Fertigstellungstermin nochmals um einen Tag (auf den 9. August) geschoben wurde. Auf eine Reihe wichtiger Endkontrollen musste von da an verzichtet werden.

Es kam, wie es kommen musste. Am letzten Tag, gegen Mitternacht, entdeckte ein junger Armeetechniker, dass das Zündkabel nicht funktionierte. Irgendjemand hatte in der Eile die Buchsen an beiden Enden seitenverkehrt angelötet. Um das Kabel herauszunehmen und umzudrehen hätte man die Implosionskugel zum Teil wieder auseinander nehmen müssen, was einen ganzen Tag gedauert hätte. Damit wäre man in die prognoszierte fünftägige Schlechtwetterperiode gekommen. Der Techniker beschloss, die Steckverbinder einfacherweise von beiden Enden des Kabels abzulöten, auszutauschen und wieder anzulöten. Damit verstiess er ganz klar gegen eine Vorschrift, wonach im Montageraum keine Hitze erzeugt werden durfte. Aber Vorschriften hin, Vorschriften her, er tat es einfach. Am Schluss prüfte er noch ein halbes Dutzend mal das Kabel auf Durchgang, womit die Atombombe schliesslich fertig war.


Der Abwurf

Zum Transport der Bombe hatte man den 25-jährigen Bomberpiloten Charles W. Sweeney bestimmt. Er sollte die B-29 seines Kameraden Frederick Bock fliegen. Um dessen Enttäuschung etwas zu mildern, liess er auf die Maschine den Schriftzug Bock´s Car pinseln. Als Ziel hatte man ihm und seinen zwei Begleitflugzeugen die japanische Stadt Kokura mitgegeben, in der sehr viele Rüstungsbetriebe versammelt waren. Bock´Car startete am 9. August früh um 3 Uhr 47 von der Insel Tinian aus; das Ziel war etwa 2.500 km entfernt.

Laut Wettervorhersage sollten Sweeney und seine Leute auf dem ganzen Weg von den Marianen zum Kaiserreich Gewitterstürme begleiten. Das war auch der Fall: auf den vier Propellern glühten permanent Elmsfeuer. Bald musste der Pilot feststellen, dass er ohne Treibstoffreserve würde auskommen müssen; der Benzinhebel, mit dem er die Motoren auf Treibstoffzufuhr aus einem 2.300 Liter fassenden Zusatztank im hinteren Bombenschacht umstellen konnte, funktionierte nicht. Als er um 10 Uhr 44 in Kokura eintraf lag die Stadt unter einem dichten Bodennebel. Auch nach drei weiteren Anflügen gelang es ihm nicht per Auge ein Ziel auszumachen.

Nun wurde es brenzlig. Der Treibstoff reichte nur noch zu einem einzigen weiteren Zielanflug, sodass Sweeney die Entscheidung traf, nach Nagasaki abzubiegen, wo damals wichtige Werften für Kriegsschiffe sein sollten. Als er in Nagasaki ankam, stellte er fest, dass auch diese Stadt unter einem dichten Nebel lag. Nun blieb dem Piloten nur noch die Wahl, entweder nach Radar (ungenau) zu bombardieren oder die mehrere hundert Millionen teure Bombe ins Meer zu werfen. Für die Rückkehr zum nächsten Ziel Okinawa reichte der Sprit nicht mehr.

In letzter Minute riss die Wolkendecke gerade so lange auf, dass der Bombenschütze für 20 Sekunden freie Sicht auf ein Gelände bekam, das einige Kilometer flussabwärts vom eigentlichen Zielpunkt lag. Er klinkte die Bombe aus und Fat Man detonierte in 500 Metern Höhe über den steilen Hängen der Stadt mit einer Sprengkraft, die man später auf 22.000 Tonnen TNT abschätzte. Die Hänge begrenzten die Explosion in ihrer Wirkung; sie richtete weniger Zerstörungen an und forderte weniger Opfer als Little Boy in Hiroshima. Dennoch starben 22.000 Menschen sofort und weitere 39.000 innerhalb der nächsten drei Monate. Die Zahl der Verletzten betrug 75.000.

Die Kapitulation

Die Nachricht von der Zerstörung Nagasakis löste bei der japanischen Regierung Panik aus. Man befürchtete, die USA würde die nächste Atombombe auf Tokio abwerfen. (Auf Tinian trafen tatsächlich neue Bombenteile ein, die einen weiteren Abwurf am 17. August möglich gemacht hätten). Das japanische Kriegskabinett tagte ununterbrochen 12 Stunden lang, konnte sich aber zu keiner Entscheidung durchringen. Die Positionen der Militärs und des Aussenministers standen sich unversöhnlich gegenüber. Der für die Kamikazeangriffe zuständige General hatte vor 20 Millionen Japaner für Selbstmordangriffe zu opfern.  Schliesslich griff der Premierminister Suzuki in die Debatte ein und bat den Kaiser Hirohito um ein Machtwort.

Hirohito versammelte die Minister und Ratsherren im kaiserlichen Luftschutzbunker um sich und erklärte: Ich kann den Gedanken nicht ertragen, mein Volk noch länger leiden zu lassen. Die ganze Nation wird in Schutt und Asche untergehen. Er bat den Premier den Entwurf eines kaiserlichen Edikts auszuarbeiten, das er per Rundfunk seinem Volk vortragen könne. So geschah es. In letzter Minute gab es allerdings einige Versuche militärischer Rebellion in Tokio: einige Offiziere wollten die Schallplatte des kaiserlichen Edikts stehlen und die kaiserlichen Garden überwältigen. Vergeblich.

Am 15. August strahlte der japanische Rundfunk die Rede des Tenno aus. Viele Japaner haben bei diesem Anlass zum ersten Mal die Stimme ihres Kaisers vernommen, als er sagte: Ich habe angeordnet, die Bedingungen der Alliierten Mächte zu akzeptieren. Lasst uns das Unerträgliche ertragen und das Untragbare erdulden. Lasst die ganze Nation wie eine Familie von Generation zu Generation weiterleben. Der Kommandeur der Truppen in Tokio und einige seiner jüngeren Offiziere begingen daraufhin rituellen Selbstmord durch Harakiri.

Die offizielle Kapitulationsurkunde wurde am 2. September 1945 unterzeichnet.


 General Mac Arthur und der Kaiser