Sonntag, 9. Februar 2014

Kyoto im Visier (2)

Als Trinity - die Versuchsexplosion der Plutoniumbombe - "geglückt" war, gab der amerikanische Präsident die Anweisung, diese Waffe gegen Japan einzusetzen. Im Forschungszentrum Los Alamos (New Mexico) lagerten damals nur zwei Atombomben: eine Bombe auf der Basis von Uran, die wegen ihrer schlanken Form Little Boy genannt wurde und eine auf der Basis von Plutonium, welche wesentlich umfänglicher war und deshalb den Namen Fat Man erhalten hatte. Dies war das Ergebnis der knapp vierjährigen Entwicklungsarbeiten am Projekt Manhattan . Weitere Bomben waren zwar in der Produktion, ihre Fertigstellung war aber erst Ende des Jahres 1945 zu erwarten.


Robert Oppenheimer und Leslie Groves begutachten die Überreste des Trinity-Testes.

Aufstand der Wissenschaftler

Im Frühjahr 1945 kam es zu einer Revolte einiger Wissenschaftler, welche den Einsatz dieser schrecklichen Bombe für überflüssig hielten, weil Deutschland unmittelbar vor der Kapitulation stand und der Krieg gegen Japan auch praktisch schon gewonnen war. An der Spitze dieser Bewegung stand der deutsch-ungarische Physiker Leo Szilard, der sich mit Albert Einstein zusammenschloss, um beim Präsidenten Franklin  D. Roosevelt gegen den Abwurf der Bomben zu intervenieren. Sein Vorstoss hätte die Weltgeschichte verändern können - aber kurz bevor er einen Termin bei Roosevelt erhielt, war dieser am 12. April 1945 verstorben. Sein Nachfolger Harry S. Truman wischte Szilards Bedenken beiseite und befahl den Einsatz beider Bomben. Immerhin hielt Japan damals noch weite Teile Asiens und Chinas (Nanking) besetzt und nach den verlustreichen Kämpfen um die Insel Okinawa befürchtete Truman zumindest ähnlich harten Widerstand beim Kampf gegen das japanische Mutterland. Der Kongress hätte in diesem Fall wohl gefragt, warum man wirkungsvolle Bomben für zwei Milliarden entwickelt habe, ohne sie einzusetzen.

Es bleibt allerdings fraglich, ob des dem Gespann Szilard/Einstein gelungen wäre, Roosevelt von ihren guten Absichten zu überzeugen. Einstein galt nämlich bei den amerikanischen Militärs als "politisch unzuverlässig", obwohl sein Brief an den Präsidenten Roosevelt im Jahr 1939 - worin er befürchtete, dass die Deutschen an der Atombombe arbeiten würden - das Projekt Manhattan in den USA ausgelöst hatte. Einstein galt bei den Hardlinern als Pazifist und Zionist und wurde deshalb,  einige kleinere Berechnungen für die Marine ausgenommen, von allen atomaren Forschungsarbeiten ferngehalten.

Die Auswahl der Bombenziele

Eine Zielkommission (Target Committee) mit Robert Oppenheimer und General Leslie Groves sollte die technischen Abwurfbedingungen identifizieren und Vorschläge für die Bombenziele ausarbeiten. Bei einer Bombe, die zu hoch zündet, würde ihre Sprengkraft in den oberen Luftschichten verpuffen; detoniert sie jedoch zu tief, dann würde sie einen tiefen Krater in den Boden reissen und damit viel von ihrer Wirkung verlieren. Die Empfehlung lautete schliesslich: der Zünder sollte auf 500 Meter über dem Boden eingestellt werden, das Trägerflugzeug sollte die Bombe in 9.550 Metern Höhe auslösen und anschliessend in einen Steilflug übergehen, um der Druckwelle und dem radioaktiven Fallout zu entkommen.

Ein grosses Problem waren die zu erwartenden Wetterbedingungen. Japan ist während der Sommermonate zumeist von Wolken bedeckt, sodass die Städte aus 10 Kilometer Höhe visuell kaum auszumachen sind. Die Radartechnik konnte dabei zwar unterstützen, sie war aber zu jener Zeit erst unzulänglich entwickelt. Einen Heimflug mit der nicht abgeworfenen (aber schon scharf gemachten) Bombe und die Landung auf einer kleinen Pazifikinsel hielten die Militärs aber für sehr risikoreich. Den Piloten sollten deshalb mehrere Ziele mitgegeben werden, sodass sie - je nach Wetterlage - selbst und ad hoc über den Abwurf entscheiden konnten. Leo Szilard und seine grummelnde Wissenschaftlergruppe wurde dadurch zufriedengestellt, dass die Politiker zusicherten, der japanischen Regierung vor dem ersten Abwurf eine "Warnung" zukommen zu lassen.

Bleibt noch die Auswahl der Bombenziele. Das war nicht leicht, denn die meisten grossen japanischen Städte waren - ähnlich wie in Deutschland - durch vorangehende Abwürfe von "konventionellen Bomben" bereits in Schutt und Asche gelegt worden. Dies traf besonders auf Tokyo zu, wo - ausserhalb des Kaiserpalastes - praktisch alles zerstört war. Die Militärs diskutierten zwar auch dessen Auslöschung, aber die Politiker intervenierten mit dem Hinweis, dass man den Kaiser Tenno noch für die Friedensverhandlungen brauche. Schliesslich einigte sich die Zielkommission auf folgende Long List der in Frage kommenden Bombenziele: Kyoto, Yokohama, Hiroshima, Nagoya, Osaka, Yawata und Kokura. Diese wurde dem Kriegsminister Henry L. Stimson vorgelegt.

Zur Überraschung seiner Generäle strich Stimson aber die als Nummer 1 gesetzte Stadt Kyoto. Er hatte vor dem Krieg einmal diese Stadt besucht, war fasziniert von der Vielzahl an herrlichen Tempeln und wusste so um die Bedeutung Kyotos als kulturelles Zentrum Japans. Statt Kyoto kam nunmehr Nagasaki auf die Liste. Nach vielen weiteren Diskussionen entstand eine Short List für die Ziele der beiden Atombomben: die Uranbombe sollte über Hiroshima abgeworfen werden, die Plutoniumbombe über Kokura beziehungsweise alternativ über Nagasaki.




Flugrouten zu den drei Atombombenzielen

1 Kommentar:

  1. Ich habe In einer dokumentation der BBC gehört, dass nichts die Atombombenabwürfe der eigentliche Grund für die Kapitulation Japans waren. Sondern eher das vorrücken der sowjetischen Truppen. Die Sowjetunion wollte nämlich den Kaiser stürzen. Und damit den Japanern ihre Identität nehmen. Da hat man doch eher in dem Kriegsrat beschlossen, den Amerikanern Kapitulation zu unterbreiten, als unter der Sowjetunion den Kaiser zu verlieren. Die Dokumentation kam zum Schluss, dass mindestens ein Atombombenabwurf vollkommen umsonst gewesen sein sollte.

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