Andererseits war der selbstgekrönte Kaiser Napoleon besessen vom Kriegführen. Wo er war, war Krieg. Clausewitz nannte ihn einen "Kriegsgott". Aber in Jahr 1812 wendete sich sein Kriegsglück. Beim gescheiterten Feldzug gegen Russland starben von den 600.000 Soldaten seiner Grande Armée - wovon nur die Hälfte Franzosen waren - etwa 400.000, weitere 100.000 gerieten in Gefangenschaft. Der Kaiser liess seine Truppen in Stich und floh zurück nach Paris. Jetzt war die Chance der deutschen und benachbarten Staaten gekommen, das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln.
Der Aufmarsch vor Leipzig
Den Anstoss dazu gab der preussische General Ludwig von York, der ein 20.000 Mann starkes Korps geführt hatte, mit dem sich Preussen am Russlandfeldzug beteiligen musste. Nach Napoleons schmählicher Flucht schloss er mit dem russischen General Johann Karl von Diebitsch in der berühmten Konvention von Tauroggen einen Separatfrieden mit Russland. Ausserdem drängte er seinen ewig unentschlosenen König Friedrich Wilhelm III am 16. März 1813 dazu, Frankreich den Krieg zu erklären. Das war möglicherweise etwas voreilig, denn Napoleon gelang es in Paris ein neues Heer aus dem Boden zu stampfen womit er im Mai die Restbestände der verbündeten preussischen und russischen Armeen bei Grossgörschen und Bautzen besiegen konnte. Allerdings unter grossen eigenen Verlusten, denn die Mehrzahl der französischen Soldaten war erst 18 oder 19 Jahre alt und dementsprechend nur flüchtig ausgebildet.
Aber der Funke der Freiheit war auf die deutschen und europäischen Staaten übergesprungen. Befeuert von Literaten wie Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn ("Turnvater") schlossen sich weitere Länder der preussisch-russischen Koalition an, insbesondere die Österreicher und Schweden sowie Verbände aus Württemberg und Bayern. Bei den Verbündeten stand die Hauptarmee (225.000 Österreicher, Russen und Preussen) im nördlichen Böhmen, die Schlesische Armee (105.000 Russen und Preussen) bei Breslau und die Nordarmee (125.000 Preussen, Russen und Schweden) bei Berlin. Napoleons Hauptkräfte befanden sich im besetzten Sachsen. Schon bald zeichnete sich ab, dass die Entscheidungsschlacht im Umkreis von Leipzig stattfinden würde.
Militärische Strategien
Napoleon führte seine Armeen immer höchstpersönlich. Er war ein genialer, aber auch despotisch-brutaler Feldherr. Die Gegner konnten den schnellen Bewegungen seiner Armeen kaum folgen, weil der Franzosenkaiser mit einer alten Kriegsregel gebrochen hatte: er verzichtete darauf, Tross und Marketenderwagen mitzuführen, was die Beweglichkeit seiner Truppen stark eingeschränkt hätte. Stattdessen organisierte er die Verpflegung seiner Truppen dadurch, dass er die benötigten Güter und Lebensmittel in den Gebieten requirieren liess, die er durchschritt. Zwar erhielt die ansässige Bevölkerung dafür Papiergeld und Schuldscheine, aber wegen der raschen Inflation waren diese praktisch wertlos. Das französische Armeeversorgungssysten war also eine kaschierte Plünderung.
Gemäss dem Verpflegungsregulativ der französischen Armee durften Unteroffiziere und normale Soldaten folgendes erwarten: zum Frühstück Suppe, zum Mittagessen ein Dreiviertelpfund Fleisch mit Gemüse und abends nochmals Gemüse - neben einer täglichen Grundversorgung von eineinhalb Liter Bier und zwei Gläschen Branntwein. Dazu kamen täglich zwei Pfund Brot. Die persönlichen Gardetruppen (immerhin 30.000 Mann) erhielten die doppelte Ration. Kein Wunder, dass selbst in der damaligen "Grosstadt" Leipzig nach wenigen Tagen die Lebensmittel knapp wurden.
Die Waffengänge bei den Schlachten kann man sich kaum grausam genug vorstellen. Bei drohenden Angriffen der gegnerischen Kavallerie schlossen sich die Infanteristen zur klassischen Form des "Karrees" zusammen, einem meist aus drei hintereinander aufgestellten Reihen gebildeten Quaders, der mit aufgepflanzten Bajonetten verteidigt wurde. Um dieses Karree aufzubrechen mussten sich einzelne Kavalleristen opfern, indem sie ihre Pferde mitten in die waffenstarrende Masse der Infanteristen trieben. Erst danach konnten die nachfolgenden Kavalleristen ihre Hieb- und Stichwaffen einsetzen.
Zur Erhöhung der Durchschlagskraft der Heere in der Schlacht hatte sich die "Kolonnentaktik" durchgesetzt. In schmalen, aber tiefgestellten Verbänden boten die Angreifer ein weniger leicht zu treffendes Ziel für die gegnerischen Schützen. Fielen die vorderen Soldaten, so rückten sofort die hinteren nach. Dies war das probate Mittel der Infanterie, um feindliche Linien zu durchbrechen. Im Nahkampf wurden dann vor allem die Bajonette eingesetzt, weil das Nachladen der Gewehre viel zu lange gedauert hätte.
Die Schlacht um Leipzig
Am Morgen des 16. Oktober 1813 war die Stunde der Entscheidung gekommen. Die Verbündeten traten bei Leipzig mit 206.000 Soldaten auf, Napoleon verfügte im Schlachtengebiet über 191.000. Zu seiner Armee zählten noch 20.000 Soldaten aus dem Rheinland und sowie 11.000 Polen. Zur Überraschung Napoleons griffen die Alliierten schon bei Morgengrauen an und eroberten auch einige Dörfer, bis der Franzosenkaiser in einem heftigen Gegenstoss alles wieder in seinem Besitz nahm. Voreilig liess er in Leipzig schon die Siegesglocken läuten.
Zu früh, denn jetzt griffen die österreichischen Divisionen an und um 16 Uhr war Napoleon klar zurückgeschlagen. Besonders verdient machte sich dabei der russische General Eugen von Württemberg, der vor Wachau im mörderischen Feuer ausharrte. Eigentlich war damit für die Franzosen der Kampf bereits verloren. Es gelang ihnen nicht mehr im Süden die Linie der alliierten Hauptarmeen zu durchbrechen und im Norden wurde ihr bestes Korps zerschlagen. Insgesamt sind dabei 61.000 Soldaten gefallen bzw. wurden verwundet, davon 38.000 auf Seiten der Verbündeten und 23.00 auf Seiten der Franzosen.
In den folgenden zwei tagen wurde weiter gekämpft, aber Napoleon konnte sich nicht mehr auf seine Truppen verlassen. Starke Verbände der Rheinbundstaaten liefen zu den Verbündeten über, dazu ein ganzes Bataillon an Sachsen. Einen grossen Effekt erzielten die Raketenbatterie der Briten, die nur 200 Mann umfasste. Das Geheul und die Feuerschweife der anfliegenden Feuerwerkskörper versetzten die französischen Truppen in Panik, sodass sie zurückfluteten. Wer von einer solchen Rakete getroffen wurde, verbrannte bei lebendigem Leibe.
Am 19. Oktober, dem vierten Tag der Völkerschlacht, verliess der französische Kaiser die Stadt Leipzig und trat mit der Hauptmacht den Rückzug nach Westen an. 30.000 Soldaten liess er zurück, sie sollten die Absetzbewegungen seiner Armee sichern. Dabei passierte ein Fehler. Französische Pioniere sprengten voreilig die Elsterbrücke, womit tausenden von napoleonischen Soldaten der Rückzug abgeschnitten war, was den sicheren Tod bedeutete. Gegen 13 Uhr zogen die verbündeten Monarchen aus Preussen, Österreich und Russland in die Stadt Leipzig ein; die Kämpfe waren beendet. Der Blutzoll der Völkerschlacht war enorm: die Verluste der Verbündeten beliefen sich auf 54.000 Tote und Verwundete, Napoleon verlor 37.000 Tote bzw. Verwundete. Hinzu kam eine Vielzahl von Gefangenen, Überläufern und Versprengten.
Völkerschlachtdenkmal in Leipzig
Nach der Schlacht ist vor der Schlacht
Zum Jahresende überschritten die Armeen der Alliierten den Rhein und am 31. März 1814 zogen sie in Paris ein. Napoleon wurde auf die Insel Elba verbannt. Die Bourbonen errichteten den Königsthron neu, der Bruder des 1793 guillotinierten Ludwig XVI. stand als Nachfolger bereit. Doch schon 1815 kehrte Napoleon von Elba im Triumph zurück und riss wieder die Macht in Frankreich an sich. Es kam zur Schlacht bei Waterloo, worüber ich in zwei Jahren bloggen werde.
Versprochen!
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