Mediale Kritik an Präsidenten und Geschäftsführer.
Insbesondere der frühere Präsident und starke Mann des KIT, Professor Horst Hippler, wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für das Scheitern der Exzellenzanträge verantwortlich gemacht. Das KIT habe es sträflich versäumt, deren Neuartigkeit und Andersartigkeit gegenüber den bisherigen Hochschulen zu definieren, so die FAZ. Die Leitung des KIT habe sich "beratungsresistent" und "grosskotzig" gezeigt, sodass das negative Urteil bei der Exzellenzinitiative alles andere als eine Überraschung war. Hippler, der sich vor knapp einem Jahr vorzeitig vom Acker machte und in die warme Bürokratenposition der Hochschulrektorenkonferenz flüchtete, bekam es bei seiner (lange aufgeschobenen) kürzlichen Verabschiedung zu spüren: die grüne baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer liess sich bei diesem kargen Event entschuldigen und schickte stattdessen einen ihrer Mitarbeiter. Der ehemalige Co-Präsident und nunmehr alleinige Präses, Eberhard Umbach, seufzt in den Medien: früher habe es in den Ministerien "Zuneigungsgeber" gegeben, derzeit sehe er nur noch "Zuwendungsgeber". Ach Gott, wie traurig!
Der historische Eingang des KIT
Anfang November 2012 soll es bei der Aufsichtsratssitzung heftig gebrodelt haben, wie in den Stuttgarter Nachrichten zu lesen war. Viele Lehrende in den Fakultäten seien enttäuscht gewesen, dass die erhoffte Ablösung des KIT- Präsidenten nicht erfolgt sei. Immerhin hat Umbach nun versprochen, sein Präsidentenamt im Herbst 2013 aufzugeben. Sei einigen Wochen sucht man per Zeitungsannonce einen Nachfolger. Vielleicht wird es eine Frau. Im KIT befürchtet man nun Stillstand bis zum Oktober, dem Zeitpunkt, zu dem das neu gewählte Präsidium zusammentritt und vermutlich bei Null anfängt.
Vor einigen Monaten griff die FAZ sogar nocheinmal das Thema Dampfbrüter auf, ein Projekt, welches im Kernforschungszentrum bereits 1969 eingestellt worden ist. Das erinnert an die journalistische Breitseite, mit der diese renommierte Zeitung den ehemaligen Geschäftsführer Popp begrüsste, als er sein Amt in Leopoldshafen antrat. "Wie er (Popp) in dieses Amt gekommen ist, darüber bedürfte die Öffentlichkeit noch der Aufklärung. Denn welche Voraussetzungen Popp für die Leitung einer so grossen Forschungsorganisation qualifiziert, ist aus seinem Werdegang nicht zu ersehen". Das war im April 1992. Im Sommer 2006 hob Popp zusammen mit Hippler das Konstrukt KIT aus der Taufe, das sich nun mehr und mehr zu einem bürokratischen Monster entwickelt.
Manager und Ehrensenatoren im Visier
Vor etwa vier Wochen machte die regionale Zeitung "Badische Neueste Nachrichten" (BNN) mit einem halbseitigen Artikel auf unter der Überschrift "Die NS-Zeit holt nun auch das KIT ein". Dort sind einige ehemalige Geschäftsführer aufgelistet, die schon in den 50er Jahren im Forschungszentrum (jetzt: KIT Campus Nord) tätig waren und die alle bereits seit Jahrzehnten verstorben sind. Von einem früheren Mitarbeiter des Zentrums wurden sie posthum beschuldigt in Machenschaften des sog. Dritten Reichs verstrickt gewesen zu sein.
Einer von ihnen ist Gerhard Ritter, der von 1956 bis 1960 als technischer Geschäftsführer im Zentrum tätig war. Er wird beschuldigt in der Hitlerzeit an der Entwicklung des chemischen Kampfstoffes "Sarin" beteiligt gewesen zu sein. Dieses Gift kam im 2. Weltkrieg glücklicherweise nicht zum Einsatz, wurde aber in Chile unter der Pinochet-Diktatur und im Irak von Saddam Hussein gegen die Kurden verwendet. Die BNN behauptet nun, die Buchstaben des Kunstwortes Sarin stünden für ihre Entdecker, nämlich Schrader, Ambros und eben: Ritter. Dies ist aber sicherlich falsch, denn in Chemiebüchern (und bei Wikipedia) kann man nachlesen, dass der Name Sarin von den Entdeckern Schrader, Ambros, Rüdiger und Linde abgeleitet wird.
Josef Brandl war in den 50er Jahren Geschäftsführer der "Sondergeschäftsführung MZFR". In dieser Funktion war er Bauherr des damals grössten deutschen Kernkraftwerks MZFR mit einer Leistung von 50 Megawatt. Mit dessen Druckgefäss und den nichtangereicherten Brennelementen wurde technisches Neuland betreten. Brandls Verdienst war es, dass der MZFR 25 Jahre lang mit einer ausgezeichneten Verfügbarkeit und ohne jeden Dampferzeugerschaden betrieben und an ihm erstmals die Kraft-Wärme-Kopplung demonstriert werden konnte. Die BNN behauptet (ohne nähere Beweise), dass Brandl in der NS-Zeit die rigorose Judenpolitik in Ostgalizien "zumindest hautnah miterlebt" habe. Man wird sehen, was die Recherchen ergeben.
Viele Diskussionen gibt es um den 1984 verstorbenen Manager Rudolf Greifeld. Er wurde 1956 vom damaligen SPD-Wirtschaftsminister Hermann Veit als administrativer Geschäftsführer für das neugegründete Forschungszentrum bestellt und hatte diesen Posten bis 1974 inne. Zu diesem Zeitpunkt löste ein fünfköpfiger Vorstand die bis dato zweiköpfige Geschäftsführung ab und Greifeld wurde mit allen Ehren vom damaligen Staatssekretär und Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Hilger Haunschild unter Verleihung des Bundesverdienstkreuzes verabschiedet. Greifeld hat mehr als jeder seiner Kollegen den Aufbau des Zentrums vorangetrieben. Insbesondere kümmerte er sich um gute Kooperation zur damaligen Technischen Hochschule Karlsruhe. Für diese Leistung wurde er 1969 mit der Auszeichnung zum Ehrensenator belohnt. Seit neuerem wird er von einigen ehemaligen Mitarbeitern des Forschungszentrums beschuldigt, während der NS-Besatzungszeit in der Kommandatur von Paris gearbeitet zu haben. Das KIT-Präsidium wurde aufgefordert, Rudolf Greifeld post mortem die Ehrensenatorwürde zu entziehen.
Präsident Umbach hat inzwischen mit der Aufstellung einer Ethikkommission reagiert. Wegen der bereits 70 Jahre zurückliegenden Anschuldigungen hat diese Kommission die Einbeziehung eines Sachverständigen (Historikers) gefordert. Auf die Ethikkommission könnten bald weitere Fälle zukommen, so zum Beispiel die Causa Carl Wurster, dem 1958 die Ehrensenatorwürde der TH verliehen wurde. Inzwischen ist bekannt, dass Wurster in der Nazizeit "Wehrwirtschaftführer" war und ausserdem Verwaltungsrat der Firma Degesch, welche das berüchtigte Gift Zyklon B herstellte, mit dem in Auschwitz Millionen Juden vergast worden sind!
Berühmte historische Grenzgänger
Geht man in der Geschichte zurück, so stösst man immer wieder auf bekannte Persönlichkeiten, deren Tun zwischen gut und böse angesiedelt war. Ich möchte Wernher von Braun und den Karlsruher Professor F. H. herausgreifen, von dem ich vorerst nur seine Initialen verrate.
Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun war, zusammen mit Hermann Oberth, der Begründer der Raketentechnik und der Raumfahrt. In der NS-Zeit entwickelte er die erste leistungsstarke Flüssigkeitsrakete V2 ("Vergeltung 2") , von denen 3.000 auf England abgeschossen wurden, wovon ca. 1.000 in London einschlugen. Hitler war von dieser Waffe so begeistert, dass er Braun persönlich den Professortitel verlieh und ihm das Ritterkreuz umhing. Im Mai 1940 trat der Parteigenosse Braun auch noch der SS bei, wo er es immerhin bis zum Sturmbannführer brachte. Seine Raketen wurden von KZ-Häftlingen in Peenemünde und später in einem Aussenlager des KZ Buchenwald zusammengeschraubt. Es ist unwahrscheinlich, dass der Professor bei seinen vielen Kontrollgängen nicht das Leid dieser halberverhungerten Gefangenen mitbekam. Unmittelbar nach Kriegsende wurde Braun mit hundert seiner Experten von den Amerikanern in die USA verschafft, wo sie ihr Wissen in der Raketentechnik weitergaben. In Huntsville, Alabama, trug Braun mit der NASA massgeblich zum Erfolg der Saturnrakete bei der Mondlandung 1969 bei. Braun wurde hoch geehrt, ging (noch unter Kennedy) im Weissen Haus ein und aus und durfte sich u.a. an 25 Ehrendoktoraten bekannter Unuversitäten erfreuen. Als er 1977 starb, liess er aus dem Psalm 19.1 auf seinem Grabstein folgenden Spruch einmeisseln: "Die Himmel erzählen von der Herrlichkeit Gottes und das Firmament verkündet seiner Hände Werk".
Der Chemiker F. H. entstammte einer jüdischen Familie. Nach kurzer Industrietätigkeit erhielt er 1894 eine Assistentenstelle im Fach Physikalische Chemie an der Technischen Hochschule Karlsruhe. 1898 stieg er zum ausserordentlichen Professor für Technische Chemie und 1906 zum Leiter des Instituts für Physikalische und Elektrochemie auf. Auf diesem Weg erwarb F. H. das wichtige Patent "Zur synthetischen Darstellung von Ammoniak aus den Elementen". Dieses Verfahren, an dem später auch ein Mitarbeiter der BASF beteiligt war, besass grosse wirtschaftliche und militärische für die Herstellung von Düngemitteln und Sprengstoff. Nach Beginn des 1. Weltkriegs beschäftigte sich F. H. - inzwischen als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin - mit der Herstellung von Phosgen und Chlorgas für den Kriegseinsatz. Dafür erhielt F. H. in kurzer Folge den Dienstgrad eines Vizewachtmeisters und eines Hauptmanns, worauf er so stolz war, dass man ihn nicht selten im Labor in der entsprechenden Uniform werkeln sah. In der Flandernschlacht bei Ypern wurde im April 1915 von der deutschen Heeresführung zum ersten Mal dieses Giftgas eingesetzt. F. H. liess sich fortan als "Vater der Giftgaswaffe" preisen. Seine Frau war darüber so entsetzt, dass sie Selbstmord beging - mit der Dienstwaffe ihres Mannes. Nach Kriegsende wurde F. H. von den Alliierten als Kriegsverbrecher gesucht und musste in die Schweiz fliehen. Im gleichen Jahr 1919 erhielt er den Nobelpreis für Chemie "für seine Verdienste um den Wohlstand der Menschheit".
Heute erinnert noch ein Weg entlang der KIT-Chemieinstitute an diesen berühmten Professor.
Es ist der Fritz-Haber-Weg.