Donnerstag, 1. November 2012

Bei KIT knirscht es

Der 15. Juni 2012 bleibt allen Studenten und Mitarbeitern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in böser Erinnerung. An diesem Tag verlor das KIT beim bundesweiten Wettbewerb der Exzellenzinitiative seinen schönen Titel "Elite-Universität", worauf es bisher mit Recht sehr stolz war. Die Forschungsprogramme in der Nanotechnik und in der Informatik erschienen den Gutachtern zu leichtgewichtig und sie liessen das KIT durchfallen. Die Studentenvertreter sprachen vom "Todesstoss für das KIT" was wohl leicht übertrieben war; aber ein grosser Verlust an Image und Renommee ist mit diesem Abstieg in die niederen akademischen Ebenen sicherlich verbunden.


Grosse Finanzprobleme

Die "Iden des Juni", um eine altrömische Metapher leicht zu variieren, haben starke negative Auswirkungen auf die Finanzen des KIT, insbesondere im Bereich der früheren Universität. Ein prekäre Lage ist dort im wesentlichen aus drei Gründen entstanden: weil fest eingeplante Gelder aus der Exzellenzinitiative ausbleiben, weil wegen des Doppelabiturs G8/G9 ein Studentenberg an die Hochschule anrollt und weil das Land Baden-Württemberg als Hauptfinanzier des universitären Bereichs derzeit finanziell sehr klamm ist.

Durch die Niederlage im Exzellenz-Wettbewerb entgehen dem KIT, verteilt auf fünf Jahre, mindestens 60 bis 80 Millionen Euro. Der unmittelbare Schlag wird etwas gemildert durch eine Auslauffinanzierung, welche bis 2014 anhält. Das nun entstandene Geldproblem hat viel zu tun mit dem Schuldenberg des Landes Baden-Württemberg, welches seit Jahren bei allen Hochschulen die Finanzmittel eingefroren hat. Das Land gewährt (ausser beim durchfinanziertem Stellenpersonal)  dem KIT keinen Zuwachs bei den Finanzmitteln mehr - trotz steigender Kosten.

Der Finanzchef Ulrich Breuer hat dem KIT deshalb einen rigiden Sparplan verschrieben. Organisatorische Doppelstrukturen am Forschungszentrum und an der Uni sollen zusammengelegt werden. Dies betrifft u. a. die Einkäuferteams und die Alarmzentralen. Frei werdende Arbeitsplätze sollen nicht mehr, oder nur noch in Ausnahmefällen, wiederbesetzt werden. Die "personelle Verschlankung" soll in einem Personalzielplan festgelegt werden. Im Uni-Bereich wird die sog. Budgetierung eingeführt. Die Professoren müssen also in Zukunft ihre Aufwendungen für Rechner, Strom, Maschinen etc. besser im Blick behalten und aus dem eigenen Institutsbudget bezahlen. Auch das Grossinstitut für Nanotechnik wird sich auf Mittelkürzungen einzustellen haben, was nach der Fehlleistung beim Exzellenzwettbewerb durchaus verständlich ist.

Die Landesregierung sendet in letzter Zeit vermehrt Hilferufe an den Bund. Bildungsministerin Annette Schavan soll einen Beitrag leisten bei der Finanzierung der Landesuniversitäten. Aber dies ist seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 geradezu ausgeschlossen. Ein dediziertes Kooperationsverbot in der Verfassung gestattet keine Co-Finanzierungen des Bundes. Möglicherweise wäre Berlin (nach einer entsprechenden Verfassungsänderung) bereit, einige Universitäten - wie das KIT - als Bundesuniversitäten unter ihre Obhut zu nehmen. Aber hier zögern die Länder noch. Sie möchten auch ihre Kindergärten und Gesamtschulen finanziert haben, wozu der Bund aber nicht bereit ist. So wird die Finanzmisere der Länder sicherlich noch bis nach der nächsten Bundestagswahl anhalten.


Arme Hiwi

Objektiv betrachtet, erscheint das KIT gar nicht so arm zu sein. Es verfügte im abgelaufenen Jahr 2011 über einen Jahresetat von knapp 800 Millionen Euro, etwa gleich verteilt auf die Bereiche Universität (397 Mio Euro) und Forschungszentrum (392). Darin sind die von aussen eingeworbenen Drittmittel eingerechnet, deren Gemeinkostensatz von 20 Prozent allerdings kaum kostendeckend ist.

Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass Hiwi, welche an der Universität jobben, monatelang kein Geld für ihre Arbeit bekommen, bzw. nur abschlagsweise. Über "griechische Verhältnisse" lästern die Studentenvertreter und die Lokalzeitung BNN fragt: "Geht dem KIT das Geld aus?" Nun, an der Liquidität soll es beim KIT nicht mangeln, vordergründig sollen es Probleme mit den neuen Computerprogrammen sein, welche den rund 1000 Studenten ihren Lohn vorenthalten. Und dieser ist bescheiden genug: 320 Euro verdient ein Bachelor-Student, wenn er 40 Stunden monatlich als Hilfswissenschaftler an der Uni werkelt. Da aber der Durchschnittsstudent nur 750 Euro im Monat zur Verfügung hat, ist der Hiwi-Verdienst  wiederum auch nicht marginal. Der Personalrat des KIT mutmasst, dass es zu wenige Sachbearbeiter gibt für die Bearbeitung der Hiwi-Verträge; offensichtlich ist die Verwaltung des KIT bereits jetzt zu "schlank". Die zuständige Vizepräsidentin Elke Luise Barnstedt rechnet mit einer Normalisierung der Auszahlungen erst zum Jahresende!

Dass beim KIT allenthalben gespart werden muss, merkt man auch bei den Veranstaltungen "Junge Talente". Die beliebten Treffen mit Vortrags- und Musikdarbietungen sind neuerdings kostenpflichtig und die Bretzeln samt Getränk zum Schluss sind auch gestrichen. Die Managerin, Frau Tatubaeva, wird sich künftig auf weniger Publikum einstellen müssen.


KIT als Dienstherr

Ab 1. Januar 2013 bricht bei KIT eine neue Ära an: das KIT wird Dienstherr und Arbeitgeber. Im sog. Zweiten KIT-Gesetz soll dies geregelt werden. Die wichtigste Konsequenz aus der Dienstherrenfähigkeit ist der damit einhergehende Wechsel vom Arbeitgeber Land zum Arbeitgeber KIT. Das Präsidium informiert alle Beschäftigte persönlich per Einschreiben. Gegen diese "Überleitung" können die Beschäftigten innerhalb von drei Monaten Einspruch einlegen; sie verbleiben dann im bisherigen Dienstverhältnis. Die richtige Entscheidung zu treffen ist nicht trivial, jedenfalls sah sich der Personalrat bei einer kürzlichen Versammlung nicht in der Lage Empfehlungen für die Beschäftigten des ehemaligen Forschungszentrums abzugeben.

In der Hauszeitschrift KIT-Dialog klingt Skepsis durch, wenn man  dort liest: "Die Beschlüsse zur Harmonisierung hinterlassen eher gemischte Gefühle. Als Vergütungsgrundlage für den Universitäts- und den Forschungsbereich soll nämlich nicht der - auch vom KIT-Präsidium favorisierte - bundesbezogene Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) gelten, sondern der weniger vorteilhafte länderbezogene TV-L. Begründet wird diese, wenn man so will, Anpassung nach unten, mit dem aktuell angespannten Budget des KIT - ein haushälterisch nachvollziehbares, für die Motivationslage eines KIT-Beschäftigten freilich ziemlich knöchernes Argument."

Mancher (jüngere) KIT-MItarbeiter macht sich so seine Gedanken darüber, was wohl bei einem "organisatorischen GAU" passieren würde, etwa wenn das KIT stark verkleinert oder gar bankrott gehen würde. Dazu hat das Wissenschaftsministerium des Landes (Zitat Barnstedt) folgendes mitgeteilt: "Es geht bei der Frage der Haftung nicht um Insolvenz, sondern, wenn überhaupt, um unvorhergesehene Probleme. Das Land wird das KIT im Falle grösserer Schwierigkeiten nicht alleine lassen. Das ergibt sich schon daraus, dass das künftige KIT ein Teil der sogenannten "mittelbaren Landesverwaltung" ist". -  Irgendwie pflaumenweich.

Aktive und emeritierte Professoren sowie Beamte werden ab dem 1. Januar 2013 zum Dienstherrn KIT übergehen. Bereits pensionierte Professoren und Beamte bleiben solche des Landes Baden-Württemberg. Mit dem Übergang zum KIT ist zum Teil ein Wechsel im Namenszusatz verbunden. Beamte heissen dann nicht mehr "Regierungsbeamte" sondern "Verwaltungsbeamte". Die Änderung ergibt sich daraus, weil diese Beamten nicht mehr der Landesregierung unmittelbar zugeordnet sind, sondern nur noch der sogenannten mittelbaren Landesverwaltung. - Beamte 2. Klasse?


Die organisatorische Struktur wird gesucht

Derzeit wird unter Hochdruck eine neue organisatorische Struktur für das KIT gesucht. Den Ministerien in Stuttgart und Berlin ist die bisherige Struktur einerseits zu komplex, andererseits zu wenig integriert. So gibt es Programme nur im Forschungszentrum, Fakultäten nur an der Universität. Der Austausch des wissenschaftlichen Know-how zwischen Nord und Süd  ist noch ungenügend. In die Lehre an der Uni sind die Nord-Wissenschaftler zu wenig integriert. Ein neues, überzeugendes Organigramm soll also her, u. zw. bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung am 5. November 2012.

Damit beauftragt ist der Senat mit seinen 58 Mitgliedern. Er nennt sich gerne das "Parlament des KIT", hat aber den organisatorischen Schönheitsfehler, dass er vom Präsidium geleitet wird, also nicht eigenständig (wie der frühere wissenschaftliche Rat am Kernforschungszentrum) agieren kann. Immerhin hat er eine Reihe von Vorschlägen zur Neustrukturierung des KIT gemacht, von denen hier einige vorgestellt werden sollen. Der Entscheidungsprozess ist noch im Gange.

Die neue Struktur des KIT orientiert sich an der seit Jahrzehnten bewährten Matrixstruktur im Forschungszentrum. Es soll fünf bis sechs (senkrechte) Bereiche geben, die beim FZK den sog. Projekten entsprachen. In der Matrixdarstellung waagrecht dazu verlaufen die Forschungs- und Lehreinheiten. Jedem Institut ist ein Bereich zugeordnet. Heftig diskutiert wird, ob die Bereiche eher nach Disziplinen (wie Mathematik, Physik, Chemie...) oder nach Forschungsthemen (wie Energie, Klima, Mobilität...) benannt werden sollen. Die Bereiche werden geleitet von Chief Science Officers, abgekürzt CSO, entsprechend den früheren Projektleitern. In der Diskussion ist noch, ob die CSO gegenüber den Institutsleitern Vorgesetztenfunktion haben sollen. Für die Koordination der Lehre gibt es einen Chief Higher Education Officer (CHEO); kommissarisch ist, nach Hipplers Weggang, dafür der Maschinenbauprofessor Alexander Wanner benannt.

Die Fakultäten, welche sich bislang sowohl um die Lehre als auch um die Forschung kümmerten, sollen künftig ausschliesslich für die Lehre zuständig sein, allerdings unter neuer Namensbezeichnung. Statt Fakultäten soll es in Zukunft nur noch Fachbereiche geben. Aus dem Fakultätsrat wird der Fachbereichsrat und - aufgemerkt! - die traditionsumrankten Dekane sollen entfallen. Sie werden zukünftig zu Fachbereichssprechern. Klingt ein bisschen nach Kaufhaus und Supermarkt, weswegen über diesen Vorschlag auch noch heftig gestritten wird.

Angesichts der doppelten Abiturjahrgänge, welche jetzt auf das KIT zukommen, will man die Wissenschaftler von Campus Nord stärker in die Lehre einspannen. Gedacht ist vorallem an promovierte Gruppenleiter, die - nach externer Begutachtung -  als KIT Associate Fellows an die Lehre herangeführt werden sollen und beispielsweise bei Promotionsverfahren als Referenten mitwirken können.


Ein Brief an den Präsidenten

Vor einigen Wochen erreichte Professor Eberhard Umbach ein Brief, den der Präsident des KIT vermutlich nur mit spitzen Fingern angefasst hat. Der frühere Betriebsratsvorsitzende des Forschungszentrums monierte, dass der ehemalige Geschäftsführer des Kernforschungszentrums, Dr. Rudolf Greifeld, immer noch in der Liste der 182 Ehrensenatoren des KIT bzw. der früheren Universität geführt wird. Angeblich war Greifeld als SS-Kriegsverwaltungsrat während des 2. Weltkriegs auch Kommandant von Gross-Paris. Bei seinem Ausscheiden 1976 wurde er wegen seiner grossen Verdienste um den Aufbau des Forschungszentrum mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Inzwischen findet sich Greifelds Name nicht mehr in der KIT-Liste der Ehrensenatoren - sehr wohl aber noch in der entsprechenden Wikipedia-Liste.





 

 

















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