Sonntag, 28. Oktober 2012

Die vergeigte Energiewende

"Das war`s" soll die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag, dem 14. März 2011, zu ihren Vertrauten bei der wöchentlichen Lagebesprechung in Berlin gesagt haben. Seit Freitag, dem 11. März ("three-eleven") waren im japanischen Fukushima spektakulär einige Atomkraftwerke "explodiert", wovon die Bilder über alle Fernsehkanäle gingen. Umgehend zog die Bundesregierung die eben beschlossene Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Kernkraftwerke (KKW) zurück. Stattdessen sollten 8 KKW sofort, die restlichen 9  stufenweise zwischen den Jahren 2015 und 2022 abgeschaltet werden.

Die mit kompetenten Technikern besetzte Reaktorsicherheitskommission (RSK) sah zwar keinen Grund für diese rigide Massnahme, aber eine flugs einberufene Ethikkommission, bestückt mit hohen Geistlichen, drängte auf die Ausserbetriebnahme dieser Kraftwerke - aus ethischen Gründen. Im Sommer 2011 votierten Bundestag und Bundesrat für die Vorschläge der Regierung. Ohne Absprache mit den europäischen Nachbarländern wurde die sog. "Energiewende" verkündet. Der elektrische Strom sollte vorzugsweise durch Sonne, Wind und Biogas erzeugt werden; über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung stimmte laut Umfragen diesem Unterfangen zu. Nicht wenige wollten sogar alle deutsche Atomkraftwerke sofort stillegen.

Die Rechnung wird präsentiert

Nunmehr sind eineinhalb Jahre vergangen und von der früheren Hochstimmung ist wenig übrig geblieben. Allenthalben knirscht es bei der Umsetzung dieses Projekts, schon werden die "Schuldigen" gesucht und einer - der frühere Umweltminister Norbert Röttgen - wurde sogar bereits gefunden und in Unehren entlassen.

EEG-Umlage und Beiträge zur Stromrechnung

Heftig diskutiert wird in den Medien das starke Ansteigen der Strompreise. Dabei hatten die Öko-Experten eigentlich das Gegenteil vorausgesagt, denn "Wind und Sonne schreiben keine Rechnung". Deutschland hat mit 25,3 Cent pro Kilowattstunde die zweithöchsten Strompreise in Europa, unmittelbar hinter Dänemark (29,8). Dahinter liegen u.a. Italien (20,8 ct/kWh), Grossbritannien (15,8), Frankreich (14,2), Griechenland (12,4) und Bulgarien (8,7). Und da der Strom aus den Solardächern und Windmühlen subventioniert werden muss, entfällt auf jeden Haushalt eine Öko-Zulage gemäss dem Gesetz über Erneuerbare Energien (EEG).

Die Umlage zur Förderung von Ökostrom nach dem EEG steigt in diesem Jahr von 3,6 Cent auf 5,3 Cent je Kilowattstunde. Das sind satte 47 Prozent. Inclusive Mehrwertsteuer erhöht sich die Belastung der Stromkunden auf 6,3 Cent je kWh. Pro Haushalt werden dies ca. 60 bis 80 Euro sein.  Im kommenden Jahr wird der Ökostrom mit etwa 20 Milliarden subventioniert, was den Hartz-IV-Ausgaben für sechs Monate entspricht.

Etwa 700 Betriebe mit hohem Stromverbrauch sind von der Ökozulage aus genommen. Es handelt sich zumeist um Betriebe aus der Chemie, der Aluminiumherstellung und der Eisenhüttenbranche, die in starker Konkurrenz zu ausländischen Wettbewerbern stehen. (Die französischen Autofirmen Peugeot und Renault erhalten den Strom vom nationalen Erzeuger EdF beispielsweise für 1 bis 2 Cent pro Kilowattstunde!) Von den Grünen wird gern das Gerücht gestreut, dass diese Ausnahmeregelung die hohe Ökozulage bewirken würde. Das ist nachweisbar falsch. Selbst wenn man all diesen Betrieben den vollen Preis anrechnen würde, fiele die Ökozulage nur von 5,3 auf 4,3 pro kWh - also um 1 Cent.

Die unverstandene Grundlast

Die meisten Stromkunden hatten sich die Energiewende einfacher (und billiger) vorgestellt. Für sie war es der simple Austausch von Atomstrom gegen Sonnen- und Windstrom. Aber so einfach funktioniert dieser Systemwechsel nicht. Die Kernkraftwerke haben die Fähigkeit fast das ganze Jahr hindurch gleichmässig Strom zu liefern; die Solarmodule auf dem Dach aber benötigen dafür Sonnenschein; die Windräder drehen sich nur, wenn der Wind bläst. Im Schnitt produzieren die Sonnenkollektoren jährlich lediglich 800 Stunden Strom, die Windräder etwa 1.600 Stunden - aber das Jahr hat 8.760 Stunden! Für die stromlosen Zeiten muss also ein Gas- oder Kohlekraftwerk bereit stehen, um den benötigten Strom zu erzeugen. Diese Reservekraftwerke (auch Backup- bzw. Schattenkraftwerke genannt) werden entsprechend den Wind- und Sonnenverhältnissen in Betrieb genommen bzw. abgeschaltet. Dieser unregelmässige Betrieb verursacht hohe Kosten und beansprucht im starken Masse die Komponenten der Kraftwerke. (Vergleichbar mit einem Auto, bei dem ständig mit dem Gaspedal gespielt wird.)

Aber das ist noch nicht alles. Gemäss dem EEG muss der Sonnen- und Windstrom prioritär in das Stromnetz eingespeist werden. Die fossilen Kraftwerke sind also abzuschalten, wenn unerwarteterweise die Sonne scheint oder der Wind weht. Gelingt die Einspeisung des Ökostroms nicht, etwa weil das Netz überlastet würde, so sind die Windmühlen abzuschalten, wobei deren - fiktive - Stromerzeugung aber trotzdem den Kunden in Rechnung gestellt wird.

Die sog. Grundlast, welche ständig - Tag und Nacht - zur Verfügung stehen muss, macht etwa 50 Prozent des gesamten Stromaufkommens aus. Sie wurde bisher i. w.  von den konstant laufenden Kernkraftwerken mühelos (und sehr preiswert) bereitgestellt. Aus dem oben Gesagten wird deutlich, dass Wind und Sonne dies nicht leisten können, da sie in ihrem Stromangebot unvorhersehbar fluktuieren und prioritär eingespeist werden müssen. Zudem ist dieser Ökostrom wegen der  unbedingt notwendigen fossilen Backup-Kraftwerke sehr teuer.

Es ist Mode geworden, die grossen Energieversorger RWE, Eon, EnBW und Vattenfall in der Öffentlichkeit ständig zu kritisieren. Sie mögen in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht haben, aber sie haben das Stromnetz in Deutschland stabiler gehalten als alle Konkurrenten im Ausland. Die Energiewende wird nur gelingen, wenn man den Sachverstand dieser Firmen nutzt. Strom ist ein ganz besonderer Saft und, dass aus jeder der vielen hundert Millionen Steckdosen in Deutschland immer genügend Strom herauskommt, ist keineswegs trivial. Begriffe, wie Blindstrom, Cosinus phi, Netzstabilität etc. spielen dabei eine grosse Rolle, die allerdings dem Laien kaum erklärt werden können. Die Energiewende - richtiger sollte man von der "Stromwende" sprechen - ist eine hochkomplizierte Operation am Herzen der deutschen Volkswirtschaft.


Die fehlenden Stromnetze

Wegen der grosszügigen Subventionierung werden - unkoordiniert - viele Häuser und sogar ausgedehnte Wiesenflächen mit Solarmodulen belegt. Im windreichen Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wurden ca. 20.000 Windräder unterschiedlicher Leistung aufgestellt. Darüberhinaus rammte man in Nord - und Ostsee hunderte von sog. offshore-Windgeneratoren in den Seeboden. Sie sollen nach nach den Vorstellungen des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums dereinst ein Sechstel der in Deutschland benötigten Strommenge liefern.

Leider gibt es aber in diesen nördlichen Bereichen kaum Industriebetriebe, welche den erzeugten Strom abnehmen können. Im hochindustrialisierten Bayern und Baden-Württemberg kommt diese Windelektrizität aber nicht an, weil dorthin die Stromnetze nicht ausgebaut sind. Dies soll durch das Grossprojekt "Netzausbau" in Zukunft nachgeholt werden. Es sieht den Bau neuer Stromleitungen von Nord nach Süd vor. Dieses grösste  Infrastrukturprojekt seit der Wiedervereinigung wird mit 40 Milliarden Euro beziffert und soll in zehn Jahren abgeschlossen sein. Der Widerstand der betroffenen Grundstückseigentümer ist sicher.

So lange wollen die stromhungrigen Südländer jedoch nicht warten. Sie werden sich in Kürze unabhängig machen von den Stromlieferungen aus dem Norden. Dafür plant man in Bayern das landeseigene "Bayernwerk". Ähnliche Überlegungen gibt es in Baden-Württemberg. Es kann also sehr wohl die Situation eintreten, dass der Norden erzeugte Windstrom in zehn Jahren - wenn die Trassen stehen sollen - gar nicht mehr gebraucht wird, weil sich die Südländer inzwischen selbst versorgen. Die Ursache für dieses absehbare Fiasko liegt darin, dass es bis jetzt noch keinen gesamtdeutschen Energieplan gibt, sondern deren 16, nämlich für jedes Bundesland einen eigenen.

Die fehlenden Stromspeicher

In der neuen Konfiguration der verschiedenen Stromerzeuger sind die fehlenden Stromspeicher ein grosses Problem. Früher betrieben die Energieversorgungsunternehmen ihre Pumpspeicherkraftwerke mit billigem Nachtstrom; zur Mittagszeit liessen sie das Wasser ab und die Turbinen erzeugten Elektrizität, die teuer verkauft werden konnte. Dieses Geschäftsmodell funktioniert jetzt nicht mehr, insbesondere deswegen, weil die Sonnenkollektoren im Sommer tagsüber genügend Strom ins Netz speisen. Praktisch alle Pumpspeicherkraftwerke sind dadurch unrentabel geworden. Neue Speichersysteme, welche die volatile Sonnen- und Windenergie speichern könnten, sind jedoch nicht bekannt bzw. unwirtschaftlich.

Einen interessanten Versuch in dieser Richtung machte vor einigen Jahren das Forschungszentrum Jülich. Der Strom einer Solaranlage wurde durch Elektrolyse in Wasserstoffgas umgewandelt, das man in Druckflaschen zwischenspeicherte. In Brennstoffzellen der üblichen Bauart wurde daraus wieder Strom gemacht und ins Netz abgegeben. Der Wirkungsgrad für dieses System lag bei enttäuschenden 1 Prozent. Es macht also keinen Sinn, diesen Prozess im grossen Stil zu etablieren. Strom aus Fotozellen sollte man direkt ins Netz abgeben - sofern dieses nicht bereits überlastet ist.

Auch die Speicherung von Solar- und Windstrom in Lithium-Ionen-Akkus kann man vergessen. Um den zweitägigen Strombedarf auch nur einer Grosstadt wie München in einer solchen Batterie zu speichern, bräuchte man einen würfelförmigen Akku von 50 Metern Kantenlänge. Bei einem Bleisäure-Akku, wie er in Autos verwendet wird, würden der Würfel auf 100 Meter Kantenlänge anwachsen!


Fazit

Bei der Einführung der sog. Energiewende wurden eine Menge Fehler gemacht. Die wichtigsten und nachhaltigsten seien kurz rekapituliert.

1. Die Bundeskanzlerin Merkel hat wenige Tage nach den Ereignissen in Fukushima, in überhasteter Form und ohne Beratung, die weitreichende Entscheidung zum Atomausstieg praktisch allein getroffen. Richtiger wäre es gewesen, den im Herbst 2010 ausgearbeiteten Beschluss zur (geringfügigen) Laufzeitverlängerung beizubehalten, evtl. modifiziert durch die Abschaltung einiger älterer Kernkraftwerke mittlerer Leistung.

2. Die Förderung der Sonnenenergie ist aus dem Ruder gelaufen. Für mehr als 100 Milliarden wird - auf Kosten der Stromkunden -  eine Technologie subventioniert, die nur mit drei Prozent zum Stromaufkommen beiträgt. Diese hohe Förderung der Solartechnik hat ausländische (vorallem chinesische) Billigkonkurrenten nach Deutschland gelockt mit der Folge, dass praktisch alle heimischen Solarfirmen bankrott gegangen sind. Kürzlich hat sogar die Weltfirma Siemens beschlossen, aus der Solartechnik auszusteigen; die Firma Bosch steht möglicherweise kurz davor.

3. Im Norden Deutschlands wurden (onshore und offshore) eine Unzahl von Windräder aufgestellt, die keine Netzanbindung an die stromhungrigen Südländer Bayern und Baden-Württemberg besitzen. Gemäss dem Gesetz für Eneuerbare Energien müssen diese Windräder aber selbst bei Stillstand subventioniert werden.

4. Die Probleme des Netzausbaus für die Stromleitung von Nord nach Süd wurden drastisch unterschätzt. Es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis die 4.000 Kilometer Trassen gelegt sind und es wird um die 40 Milliarden Euro kosten.

5. Völlig ungelöst ist das Problem zur Speicherung des fluktuierenden Wind- und Solarstroms. Es ist durchaus möglich, dass es dafür überhaupt keine Lösung gibt.

6. Die prioritäre Einspeisung von Wind- und Solarstroms erfordert eine Unzahl fossiler Reservekraftwerke. Wegen ihres unsteten Betriebs sind diese Kraftwerke teuer und tragen massgeblich zu den hohen Stromkosten für die Kunden bei.

7. Zur Winterzeit, insbesondere an kalten und windstillen Tagen und wenn der Himmel bedeckt ist, wird in Zukunft in Deutschland eine erhöhte Gefahr für Stromausfall bestehen. Das Risiko für Blackouts und Brownouts wird sich noch weiter steigern, wenn ab dem Jahr 2015 die grossen Kernkraftwerke abgeschaltet werden und ein drastischer Mangel an Grundlast aufkommen wird.

8. Selbst jetzt - eineinhalb Jahre nach dem Atomausstieg - gibt es noch keine nationale Strategie zur Beherrschung der damit verbundenen Probleme. Als Folge davon werden die Verantwortlichen in den Bundesländern nervös und jeder der 16 Ministerpräsidenten bastelt bereits an einem Energieplan für sein eigenes Land. Diese fehlende Gesamtkoordination wird den Strom zusätzlich teuerer machen und die Versorgungssicherheit gefährden.

9. Von klimagerechter Stromerzeugung ohne CO2 redet niemand mehr. Fossile Kraftwerke, auch auf Braunkohlenbasis, sind auch im rot-grünen Nordrhein-Westfalen wieder in - weil ohne sie die Stromwirtschaft zusammenbrechen würde.


Sonntag, 21. Oktober 2012

Tropenholz für Möbel? Warum nicht!

In den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war die Verwendung von Tropenholz zur Herstellung von Möbeln durchaus üblich. Teak, Palisander, Mahagoni und viele andere Holzarten schmückten die Wohnzimmer und die Terrassen. Die tropischen Hölzer zeichnen sich vor allem durch hohe Festigkeit und durch eine angenehme Maserung aus, weshalb man gerne von Edelholz spricht. Die Struktur der Tropenhölzer ist aufgrund des konstanteren Klimas in den Tropen gleichmässiger als die von Jahresringen geprägte Maserung der Hölzer aus den gemässigten Zonen.

Um 1970, mit dem Aufkommen des Umweltbewusstseins, kam die Verwendung von Tropenholz für Schreinerzwecke in Verruf. Umweltschutzorganisationen, wie Greenpeace oder Rettet den Regenwald wiesen auf die hohe Entwaldungsrate, vor allem in Indonesien, hin und forderten den vollständigen Verzicht auf Tropenholz. Das liess sich aber nicht so schnell bewerkstelligen. Auch im Zeitraum 2000 bis 2005 betrug der jährliche Nettoverlust an Wald in Indonesien nach Angaben der UN noch 1,8 Millionen Hektar, also mehr als 2 Millionen Fussballfelder! Trotzdem: studiert man die Reklamebroschüren der Möbelfirmen, so werden heute Wohnzimmer- und Terassenmöbel zumeist aus heimischer Eiche und Nussbaum hergestellt. Inbezug auf Festigkeit reichen sie an die Tropenhölzer heran, allerdings stören nicht selten die rustikale Maserung und die Astnüsse.


Tropenbäume aus den Untiefen

Inzwischen gibt es eine Methode Tropenholz waggonweise zu fällen, ohne dass man der Natur schadet und ohne, dass Umweltschutzorganisationen etwas dagegen haben. Unglaublich aber wahr: man holt die Tropenbäume aus der Tiefe von Seen.  Taucher fällen Wälder, die vor Jahrzehnten überflutet wurden. Allein beim Bau des Panama-Kanals verschwand Tropenholz für umgerechnet mehrere hundert Millionen Dollar in den Fluten des Gatunsees. Auf dreihundert Millionen Bäume weltweit schätzen Experten den versunkenen Vorrat in rund 45.000 künstlich geschaffenen Seen, Talsperren und Kanälen. Und die Ernte eilt nicht, denn unter Wasser überdauert Holz viele Generationen.

Doch die Bergung dieser versunkenen Bäume ist ein Knochenjob. Taucher schrauben Plastiktonnen an den Bäumen fest und füllen sie mit Pressluft. Danach kappen sie die Hölzer und der Auftrieb schwemmt die Stämme nach oben. Inzwischen gibt es schwimmende Sägebagger, die das Holz noch in 35 Metern Tiefe "ernten" können. Und bei Tiefen bis zu 300 Metern kommt ein ferngelenktes Säge-U-Boot zur Anwendung, das mit Unterwasserkameras und Sonargeräten ausgestattet ist. Der Steuermann an der Oberfläche setzt einen Roboter ein, der das Holz packt, einen Luftsack anschraubt und den Baum auf handliche Längen absägt. Bis zu hundert Stämme pro Tag schafft ein solches Spezialboot. Der Unterwasser-Kahlschlag rechnet sich, denn viel mehr als ein Harvester an Land kostet dieser Roboter auch nicht - und man spart sich das Aufforsten.

Das aus der Tiefe geholte Holz kann teuer verkauft werden. Es ist seit Jahrzehnten abgeschirmt von Hitze, Borkenkäfern und Pilzen. Durch das Liegen im Wasser haben sich alle Spannungen abgebaut, Gerbsäure und Harze sind ausgewaschen. Nach der Bergung lässt man die Bäume zwei Monate an der Luft trocknen, bis sie zersägt und zur Möbelherstellung verwendet werden. Diese Form der Abholzung wird bislang nicht kritisiert, denn für jeden Baum, der aus der Versenkung geholt wird, muss einer weniger an Land fallen. Kein Kohlendioxidspeicher verschwindet, kein Waldbewohner verliert seinen Lebensraum. Diese Ernte nützt sogar dem Klima, denn lägen die Holzstämme sehr lange im Seewasser, dann würden sie doch irgendwann verrotten.

Und das entstehende Methan wäre Gift für die Atmosphäre!

Sonntag, 14. Oktober 2012

Neue Formen der "Heimarbeit"

Oberflächlich betrachtet, werden unsere Wirtschaftsgüter immer komplexer, sodass sie für den Einzelnen kaum mehr durchschaubar sind. Ihre Herstellung geschieht über viele Unterlieferanten an allen Stellen der Erde, insbesondere in lohnniedrigen asiatischen Ländern. Seit einiger Zeit deutet sich in dieser Hinsicht jedoch eine Rückbewegung an: die Globalisierung der Produktfertigung weicht einer Regionalisierung und die Computerwelt wird "demokratischer". Die Stichworte für diese Entwicklung sind Open Source Software und 3D-Drucker. Sie sollen nachstehend kurz beschrieben werden.

Open Source Software

Open Source bzw. quelloffen nennt man eine Computer-Software, welche zwar unter einer Lizenz steht, deren Quelltext aber öffentlich zugänglich ist. Die Open-Source-Software (OSS) darf frei  kopiert, verändert und weiterverbreitet werden. Die erste OSS stellte die Browserfirma Netscape ins Netz, als sie gegen die Dominanz von Microsoft nicht mehr ankam. Daraus entwickelte sich später das Mozilla-Projekt. Auch das Betriebssystem Linux ist eine freie Software, an deren Vervollkommnung tausende von privaten Programmierer mitgeholfen haben. Zu nennen wäre noch Wikipedia, dem es gelungen ist, das Lexikon Brockhaus aus dem Markt zu schlagen. (Allerdings sollte man hier besser von Open Content sprechen.)
Logo der Open Source Initiative

Die Entwicklung und Verwendung von OSS wird sowohl von Firmen als auch von Privatpersonen betrieben. So werden die Entwicklungskosten geteilt und jeder kann von der Arbeit der anderen profitieren. Für eine Firma kann es finanziell lohnend sein , sich an einem Open-Source-Projekt zu beteiligen, anstatt eine Eigenentwicklung - etwa im indischen Bangalore - zu starten oder fertige Software einzukaufen. Ein Vorteil der OSS besteht auch darin, dass man nicht von einer bestimmten Herstellerfirma (wie Microsoft oder Google) abhängig ist. Will der Nutzer das Computerprogramm erweitern, oder gar einen Fehler beheben, so steht es ihm frei, diese Änderung vorzunehmen. Die Software darf von einer beliebigen Anzahl von Benutzern für einen beliebigen Zweck eingesetzt werden. Trotzdem ergeben sich bei der Verwendung sogenannter freier Software auch Risiken für Herstellerfirmen. Diese müssen für ihr Produkt, zum Beispiel ein Motorrad, natürlich weiterhin haften und gewährleisten, egal woher sie die (möglicherweise fehlerhafte) Software bezogen haben.



3D-Drucker

Auch Computer-Aided-Design (CAD)-Programme, welche vor einigen Jahren noch viel Geld kosteten, gibt es mittlerweile schon gratis im Internet. Darauf beruht die neuartige Herstellungstechnik des dreidimensionalen Druckens von Bauteilen. Man benötigt für einen Maschinenteil, nicht mehr wie früher, ein teures Arsenal an Bohr-, Fräs- und Schleifmaschinen, sondern nur noch einen 3D-Drucker etwa von der Grösse eines Kleiderschranks. In dessen Inneren schmilzt ein Laserstrahl das Metallpulver an zuvor genau festgelegten Stellen an. Schicht um Schicht entsteht die gewünschte dreidimensionale Struktur entsprechend dem eingegebenen Rechenprogramm. Dabei finden im Laserbereich physikalische und chemische Schmelz- und Härtungsprozesse statt, wobei zumeist Kunststoffe, Harze und Metalle in pulverförmiger Form zur Anwendung kommen.

Der Drucker fertigt - zu geringen Kosten - Einzelstücke, die sonst im Rahmen einer Massenfertigung nur unter riesigem Aufwand herstellbar wären. Die Anwendungsmöglichkeiten für die 3D-Drucktechnik sind nahezu unbegrenzt. Zahnärzte und Dentallabore müssen ihre Aufträge für Kronen und Brücken nicht mehr (aus Kostengründen) nach Polen oder gar nach China schicken, sondern können diese im lohnintensiven Deutschland praktisch über Nacht herstellen. Kein asiatischer Zahntechniker kann mit einer modernen Druckmaschine kostenmässig mehr mithalten.

Besonders interessiert an der 3D-Technik ist die Luftfahrtindustrie, zum Beispiel EADS-Airbus. Dort gibt es eine Vielzahl von Beschlägen, welche zwei Bauteile in einer Tragfläche zusammen halten. Bislang hat EADS diese Beschläge aus einem einzigen Block Titan gefräst, wobei 90 Prozent Verschnitt anfiel. Nun liess der Chefentwickler Claudio Dalle Donne solche Beschläge mit einem 3D-Drucker fertigen - bei Verschnitt null! Hinzu kommt, dass ein Beschlag aus herkömmlicher Fertigung massiv und symmetrisch ist, während er aus einem 3D-Drucker hohl und asymmetrisch herauskommt. Damit ist er genau so fest, aber viel leichter. Da in einem Flugzeug tausende an  Beschlägen stecken, kann die neue Technik das Gewicht eines Flugzeugs deutlich reduzieren und damit auch den Verbrauch an teuerem Kerosin.

Die Auswirkungen der 3D-Drucktechnik haben das Potential die Globalisierung zurück zu drängen. Viele Unternehmen haben bislang ihre Produktion ins Ausland verlagert. Diese Zulieferer verliessen sich wiederum auf weitere Zulieferer in anderen Ländern. Der Nachteil ist evident: reisst die Lieferkette auch nur an einer einzigen Stelle, dann kann vorübergehend die gesamte Produktion still stehen. Nach dem Erdbeben in Japan vergangenen Jahres musste der Autobauer General Motors eine ganze Fabrik in den USA schliessen, weil ein Bauteil eines japanischen Zulieferers fehlte: im Wert von gerade mal zwei Dollar! Bei Verfügbarkeit von 3D-Druckern wäre das nicht passiert. Es ist gut möglich, dass westliche Firmen in Zukunft ihre Lieferketten verkürzen werden und Zulieferer in der Nähe suchen. 3D-Drucker in Deutschland könnten ferne Giessereien in China ersetzen.

Die "Heimarbeit" ist wieder in!

Freitag, 5. Oktober 2012

Hippler poltert

Horst Hippler, seines Zeichens Professor für Physikalische Chemie, war noch nie ein Team-Player, stattdessen überraschte er seine Umgebung häufig mit spontanen Alleingängen. Das war auch so im August 2006, als er (noch als Rektor der TU Karlsruhe) den Geschäfsführer Popp vom Forschungszentrum FZK in Leopoldshafen an die Hand nahm und grosspurig verkündete: "Wir wollen heiraten". Von Stund an betrieb er die Fusion von TU und FZK zum "Karlsruher Institut für Technologie" (KIT), ohne sich gross um die Mitwirkung der Gremien in beiden Organisationen zu scheren. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: es dauerte drei quälende Jahre, bis das KIT statutengerecht gegründet war. Mit dem KIT-Coup gewann man zwar einmal im Exzellenzwettbewerb, allerdings verlor KIT den schönen Titel Elite-Universität schon wieder im Juni 2012. Die Wunden, welcher dieser unerwartete Verlust geschlagen hat, werden noch immer geleckt.

Eine knappe Wahl

Den Verlust des Elitestatus für KIT beklagte Hippler in mehreren Zeitungsinterviews als "völlig überraschend". Das wird in Karlsruhe inzwischen bezweifelt. Stattdessen hält sich standhaft das Gerücht, dass Hippler schon ein Vierteljahr vorher über die Abstufunf des KIT unterrichtet war. Zum "Beweis" wird immer wieder angeführt, dass sich Hippler sonst nicht schon im April 2012 um die Wahl zum Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bemüht hätte.


Professor Horst Hippler

Tatsächlich gewann Hippler die Wahl zum HRK-Präsidenten nur nach einer langen Wackelpartie. Er brauchte zwei Wahlgänge um sich durchzusetzen, wie aus HRK-Kreisen zu erfahren war. Am Ende bekam er 224 von 423 Stimmen, 212 waren für die Wahl zum Präsidenten nötig. Im ersten Wahlgang erhielt Hippler lediglich 188 Stimmen. Sein Gegenkandidat Lothar Zechlin, Rektor der Uni Duisburg Essen konnte sogar die Mehrheit der Rektoren auf seine Seite ziehen, da jedoch die Stimmen entsprechend der Studentenzahl der Hochschulen gewichtet sind, gab das Votum der grossen Unis den Ausschlag. Praktisch alle Fachhochschulen in der HRK-Mitgliederversammlung wollten Hipplers Wahl um jeden Preis verhindern, während die Präsidenten der studentenstarken Exzellenzuniversitäten "ihren Mann" nach vorne pushten. Hippler ist Nachfolger von Margret Wintermantel; seine Präsidentschaft begann am 1. Mai 2012 und wird bis zum 31. August 2015 dauern.

Kein Versöhner

Es dauerte nur wenige Wochen nach seiner Wahl, bis sich Hippler als neuer KRK-Präsident in den Medien zu Wort meldete. Er übte harsche Kritik an den Bologna-Reformen, wobei er die mangelnde Mobilität der Studenten beklagte und dass sie nicht zu "Persönlichkeiten" ausgebildet würden. Innerhalb der HRK sorgten diese Äusserungen für beträchtliche Unruhe; insbesondere die Fachhochschulen fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Ungerührt legte Hippler nach. Eine Hochschule muss mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht. Mit dieser Aussage provozierte er sogar die Bundesbildungsministerin Frau Annette Schavan. Sie konterte scharf und stellte damit Hipplers Autorität als HRK-Präsidenten infrage: Ich bin im übrigen nicht der Meinung, dass die Ansicht von Herrn Hippler die der Hochschulrektoren ist. Peng!

Tatsächlich gibt es Kritik an Hippler von vielen Seiten. Ein Grossteil der Fachhochschulen ist der Überzeugung die Bologna-Reformen in ihren Lehrplänen ganz gut umgesetzt zu haben. Nach zehn Jahren intensivsten Benühens jetzt wieder Grundsatzdebatten darüber zu führen, halten sie für inopportun. Aber auch nicht weinge Universitäten mucken gegen Hippler auf und werfen ihn Alleingänge vor. Der Präsident der Uni Giessen stellte ganz pointiert fest: Die HRK-Spitze kann ja ihre Position neu bestimmen, aber das müsste man vorher mal auf einer Mitgliederversammlung diskutieren. Die nächste Vollversammlung der HRK ist für November 2012 anberaumt; Hippler wird dabei der Wind ins Gesicht blasen. Hinter vorgehaltener Hand äussern sich bereits jetzt viele Hochschulchefs sehr negativ über ihren frischgewählten Präsidenten. Nicht wenige bereuen es schon. ihm überhaupt ihre Stimme gegeben zu haben. Der Bologna-Prozess, sagen sie, sei viel zu wichtig, um auf Kosten der Studienreform ein paar billige Aufmerksamkeitspunkte smmeln zu wollen.

In Karlsruhe, beim KIT, wundern sich die Mitarbeiter derweil über andere Dinge. Nachdem viel spekuliert wurde, wer die vom scheidenden Präsidenten Hippler entstandene Lücke schliessen würde, gab es vor wenigen Wochen einen Anschlag am Schwarzen Brett. Zur Überrsachung aller konnte man darauf lesen, dass der hinterlassene Professor Eberhard Umbach die Geschäfte des KIT allein weiterführen werde.

Da fragt sich doch mancher: gab es etwa gar keine Lücke?