Der Energiemarkt hat sich in den vergangenen vier Jahren total umgekrempelt. Als im Jahr 2008 die Ölpreise in die Höhe schossen, schien die Welt in einem Energiehunger zu versinken. Die Vorräte an Erdgas - so schätzten die Experten - würden in 30 bis 40 Jahren zu Ende gehen. Die USA sah sich auf ewige Zeiten als Energieimportland an. Inzwischen haben sich Angebot, Nachfrage und Preise der Ressource Gas auf dem Weltmarkt drastisch verändert: das Angebot ist deutlich gestiegen und die Preise beginnen zu fallen.
Die USA sind Selbstversorger
Die Ursache für das verbesserte Angebot an Gas in den Vereinigten Staaten ist die Förderung des Schiefergases, das allenthalben im Land gefunden wird. Es war bis vor wenigen Jahren noch unerreichbar, da es in tiefen Gesteinsschichten in nur verdünnter Form eingelagert ist. Durch die Entwicklung der "Fracking-Methode" hat sich dies grundlegend verändert. Tiefbohrungen und das Einpressen eines Gemisches aus Wasser, Sand und Chemikalien befreien dieses unkonventionelle Gas aus dem Gestein. Die Folge ist, dass die USA beim Erdgas inzwischen zum Selbstversorger auf dem Gasmarkt aufsteigen konnten, also nicht mehr auf Importe angewiesen sind. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Amerikaner demnächst Fracking-Gas exportieren werden. Das überschüssige Gas aus Saudi-Arabien und Afrika drängt jetzt bereits als Flüssiggas auf die Spotmärkte in Europa. Zuweilen kostet es dort nur noch die Hälfte des konkurrierenden russischen Gases aus Pipelines.
Die Unternehmensberater bei A. T. Kearney sagen in einer kürzlichen Studie einen Rückgang des Gaspreises um 60 Prozent für das Jahr 2015 voraus. Dann wird der Handelspreis auf dem Spotmarkt endgültig wichtiger sein, als der "Pipeline-Preis" der traditionellen Anbieter.
Limitierend für die Förderung des Schiefergases in den USA ist derzeit die Bereitstellung von Sand, genauer gesagt von "Fracksand". Dies ist jener Sand, welcher, wie oben beschrieben, in die Bohrlöcher gepresst wird. Die dafür benötigten Sandkörner sind runder als jene von den Sandstränden und kommen vorallem aus dem Mittleren Westen der USA. Mit Lastwagen und Güterzügen werden sie zu den Gasfeldern transportiert. Die Nachfrage nach Fracksand ist seit dem Jahr 2009 um 300 Prozent gestiegen. Kein Wunder, dass die Lieferfirmen mit der Produktion kaum nachkommen.
Gazprom, ein schwächelnder Riese
Das verstärkte Angebot an Schiefergas (und Flüssiggas) hat den russischen Riesenkonzern Gazprom kalt erwischt. Man kann es am Börsenwert ablesen. Vor wenigen Jahren hatte diese Firma noch einen Wert von 300 Milliarden Dollar und war auf dem Weg, diesen auf eine Billion zu steigern. Inzwischen ist der Aktienwert auf 120 Milliarden Dollar abgesunken und die Internationale Energieagentur sagt sogar voraus, dass Gazprom seine Stellung als Marktführer im kommenden Jahrzehnt verlieren könnte.
Aber noch ist Gazprom ein veritabler Konzern. Im Vorjahr machte er satte 34 Milliarden Euro Gewinn, was Ministerpräsident Putin ermöglichte, damit grosse Teile seiner Staatsausgaben zu finanzieren. Ansonsten sponsern die Manager von Gazprom mit ihren Einnahmen bekannte westliche Fussballvereine wie FC Chelsea London, Schalke 04 - und Solarien für edle Rennpferde. Aber durch das auf den Markt drängende Frackinggas gerät die Firmenpolitik doch ins Schwanken. Bisher war es eiserne Strategie im Konzern, die gesamte Verwertungskette, vom Bohrloch bis zum Endverbraucher, zu kontrollieren. (Manche Ostländer sind bis zu 100 Prozent von Gazprom abhängig). Diese Monopolstellung wird in Zukunft nicht mehr zu halten sein.
Schon heute stemmen sich westeuropäische Gaseinkäufer gegen die Preispolitik des russischen Giganten. Das deutsche Energieversorgungsunternehmen Eon hat bereits kurzfristige Lieferverträge ausgehandelt und die Abkopplung der Gaspreise vom Ölpreis durchgesetzt. Damit einher gehen sehr viel niedrigere Tarife, welche hoffentlich von den deutschen Stadtwerken an ihre Privatkunden weiter gegeben werden. Auch die EU-Kommission in Brüssel attackiert Gasprom, indem sie kürzlich eine offizielle Untersuchung wegen "Missbrauchs der Marktmacht" eingeleitet hat. Das Ziel ist, dem russischen Konzern die Transportwege (Pipelines) zu entwinden, wie es bereits auf dem deutschen Strommarkt mit den nationalen Hochspannungsnetzen der EVU geschehen ist. Noch wehrt sich der Riese, aber er musste zwischen Januar und März Preisnachlässe von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugestehen. Und das ist nur der Anfang.
Zur Kompensation will Gazprom verstärkt Gas nach Asien, insbesondere nach China und Südkorea liefern. Aber die Chinesen sind zähe Verhandler und bevorzugen bislang das Gas aus Turkmenistan, welches zudem um 40 Prozent billiger ist. Für die Zukunft liebäugelt die chinesische Führung mit der Ausbeutung ihrer eigenen Vorräte an Schiefergas. Nach geologischen Schätzungen gehören sie zu den grössten der Welt; sie sollen mächtiger sein als die in den USA!
Chancen für Deutschland
Das in der Zukunft zu erwartende höhere und billigere Angebot von Erdgas wird auch den Bau von Gaskraftwerken in Deutschland beflügeln. Viele Projekte sind in der Planung (auch in Karlsruhe), aber nur drei, eher kleinere, Gasblöcke sind derzeit wirklich in Bau. Dem stehen neun, deutlich umweltschädlichere Kohle- und Braunkohlekraftwerke gegenüber. Die Kosten für die Kohleverstromung liegen bei 50 Euro pro Megawattstunde, bei Gas schlagen sie noch mit 54 Euro zu Buche.
Das wird sich ändern, wenn die oben beschriebene Gasschwemme auch permanent in Mitteleuropa angekommen sein wird. Zur Zeit fehlt es bei Flüssiggas noch an geeigneten Häfen. In den USA ist der Bau von Exporthäfen für das verflüssigte Schiefergas bereits im Gange, in Katar sind die grossen Umschlaghäfen für die Tanker erst in der Planung. Mit niedrigeren Einstandspreisen für Erdgas werden die Gaskraftwerke rentabel werden und eine wichtige Position bei der sogenannten Energiewende einnehmen. Es ist zu vermuten, dass sie die Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen sukzessive aus den Markt drängen werden, insbesondere, wenn der Malus für die Verschmutzungsrechte, wie politisch gewollt, wieder ansteigen wird.
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