Donnerstag, 26. April 2012

Fragen an den Vorstand

Bei der Hauptversammlung der EnBW am 26. April habe ich als (Klein-) Aktionär im Anschluss an den Jahresbericht des Vorstandsvorsitzenden Hans-Peter Villis einige Kommentare abgegeben und zehn Fragen gestellt, die im Folgenden wiedergegeben werden.


"Sehr geehrter Herr Villis, meine Damen und Herren.

Vor gut einem Jahr wurden die beiden Kernkraftwerke (KKW) Philippsburg 1 und Neckarwestheim 1 stillgelegt. Abgeschaltete KKW erbringen keinen Gewinn, verursachen aber trotzdem erhebliche Kosten. Praktisch die ganze Betriebsmannschaft muss vorgehalten werden, solange sich der Uranbrennstoff im Reaktortank befindet und keine atomrechtliche Genehmigung zur Reduktion des Betriebspersonals vorliegt.
Frage 1:  Wie ist der Personalstand bei KPP 1 und GKN 1 und welche Kosten entstehen dadurch?


Es ist stehende Praxis in Deutschland, dass stillgelegte Reaktoren und KKW bis zur Grünen Wiese zurückgebaut werden.
Frage 2:  Wie sieht die terminliche Rückbauplanung der genannten 2 KKW aus und welche Kosten sind dafür veranschlagt?


Da die Bundesabfallläger Gorleben und Konrad noch auf längere Zeit nicht zur Verfügung stehen, ist der Bau von Zwischenlägern beim Rückbau wohl unumgänglich.
Frage 3:  Wie sieht die Kapazitätssituation bei der Lagerung des Brennstoffs und der hochradioaktiven Materialien aus? Gedenkt EnBW ein Zwischenlager für mittel-und schwachradioaktive Abfälle zu bauen, evtl. im Zusammenwirken mit der WAK in Linkenheim-Hochstetten?

Da das Unternehmen EnBW bei den beiden stillgelegten KKW keinen Ertrag mehr erwirtschaftet, ist es vermutlich auch nicht mehr gewerbesteuerpflichtig.
Frage 4:  Wie hoch ist die derzeitige Zuführung an Gewerbesteuern an die Gemeinden Philippsburg und Neckarwestheim im Vergleich zu den Jahren 2010 und früher?

Die Stilllegung der beiden KKW wurde politisch erzwungen und war technisch nicht geboten. Ich verweise auf das Gutachten der Deutschen Reaktorsicherheitskommission RSK. Der wirtschaftliche Schaden für die EnBW dürfte in die Milliarden Euro gehen.
Frage 5:  Wird der Vorstand vom Aufsichtsratsmitglied und Minister Dr. Nils Schmid autorisiert werden, Schadensersatzklagen gegen den Bund (und evtl. auch gegen das Land Baden-Württemberg) einzureichen, wie das bereits die beiden konkurrierenden Konzerne Eon und RWE getan haben?

Nach dem Atomausstieg möchte die EnBW verstärkt in die Erneuerbaren Energien einsteigen. Hier deuten sich hohe finanzielle Risiken an, die renommierte Firmen bereits zu Fall gebracht haben. Ich verweise auf die deutsche Solarindustrie, die praktisch in toto pleite ist. Aber auch Weltfirmen, wie Siemens und Bosch, haben kürzlich hunderte von Millionen Verluste auf den Gebieten Solar und Wind gemeldet.
Frage 6:  Wie sieht der Vorstand die Risiken für EnBW und wie will er bei reduzierter Erztragslage die Refinanzierung der geplanten Investitionen in die Erneuerbaren Energien sicherstellen?

Die Windenergie schwankte in Deutschland im vergangenen Jahr 2011 zwischen 26 uns 0,4 Gigawatt. Das ist eine enorme Spannweite von 50:1 und verlangt zur Abdämpfung nach Stromspeichern aller Art.
Frage 7:  Sind über die zwei bereits existierenden Speicherkraftwerke Forbach und Atdorf hinaus weitere geplant, evtl. Pumpspeicherkraftwerke im Schwarzwald? Wenn ja, welche Standorte sind ins Auge gefasst?

Immer wieder werden Gaskraftwerke zur Verstetigung der Stromdarbietung diskutiert. Angeblich ist dies aber mit hohen Kosten verbunden.
Frage 8:  Welche Stromkosten (in Euro pro Megawattstunde) würden bei einem durchschnittlichen Gaskraftwerk entstehen im Vergleich zu den Kostennotierungen an der Leipziger Strombörse? Denkt man bei EnBW auch an den Bau selten betriebener Gaskraftwerke (sog. Kapazitätskraftwerke) und würde man dafür auch staatliche Subventionen erwarten? Oder verfolgt man bei EnBW die Strategie, entsprechende Stromkontingente im benachbarten Ausland zuzukaufen?

Viel Windstrom, den EnBW kontrahiert hat, wird im Norden Deutschlands erzeugt; gelegentlich sogar off-shore, wie bei den Baltic Windparks. Dazwischen liegt - wie ein Sperriegel - das Netzgebiet der neuen Betreiber von Höchstspannungsleitungen, nämlich 50hertz, Tennet und Amprion. Alle, aber insbesondere Tennet, klagen über ihre geringe Kapitalausstattung, worunter die Investitionen in den Bau neuer Trassen leiden.
Frage 9:  Wie ist EnBW von dieser Situation betroffen, insbesondere bei den Baltic Windparks? Bestünde die Möglichkeit den Strom über Polen und die Tschechei nach B-W zu leiten? Wie ist es EnBW - als einzigen der vier Konzerne - eigentlich gelungen, ihr Stromtransportnetz in Firmenbesitz zu halten, trotz der Brüsseler Interventionen?

Ministerpräsident Kretschmann hat des öfteren ausgesprochen, dass auch die Gipfel des Schwarzwaldes zukünftig als Standorte für Windmühlen zur Verfügung stehen müssen.
Frage 10:  Gibt es für diese Standorte einen öffentlich einsehbaren Lageplan?


Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Wechsel des Vorstandsvorsitzenden. Hans-Peter Villis hat sich in den viereinhalb Jahre seines Hierseins um die EnBW verdient gemacht. Weit mehr als sein schillernder Vorgänger Utz Claaßen, welcher derzeit versucht aus einer insolventen Solarfirma 260 Millionen Euro an Abfindung heraus zu pressen. Herr Villis wird auf seinem Feld mit Leichtigkeit wieder einen guten Job finden; er wird nicht Hartz IV beantragen müssen.

Seinem deklarierten Nachfolger Frank Mastiaux sehen wir mit unsicherer Neugierde entgegen. Getippt hätte auf ihn wohl niemand und nach Medienberichten hat es bei der Kandidatensuche gleich reihenweise Absagen gegeben. Herr Mastiaux ist Chemiker; er wird bei EnBW schnell merken, dass zwischen diesem Gebiet und der Stromwirtschaft eine erhebliche Distanz liegt.

Nun, freuen wir uns trotzdem darüber, dass der Kelch an der charmanten Gunda Röstel vorüber gegangen ist und hoffen wir, dass unser neuer Aufsichtsrat Nils Schmid bei der Bestellung von Mastiaux ein glücklicheres Händchen hatte, als zuweilen in seinem eigenen Ministerium.

*

PS.:   Die Antworten (in Kurzfassung)

Antwort 1:  Der Personalstand hat sich seit der Abschaltung nicht wesentlich geändert; die jährlichen Personalkosten liegen bei 175 Mio Euro.

Antwort 2:  Derzeit werden mehrere Optionen für den Rückbau untersucht, auch der gesicherte Einschluss. Die Entscheidung ist noch nicht getroffen. Die Rückstellungen reichen für alle Varianten aus.

Antwort 3: Die Lagerkapazität für die abgebrannten Brennelemente reicht aus. An den Bau eines Lagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist nicht gedacht, wäre auch bei gesicherten Einschluss nicht notwendig. Keine Kooperation mit WAK.

Antwort 4:  Die Zuführungen an Gewerbesteuern für Philippsburg und Neckarwestheim sind :
Jahr 2008:17 Millionen Euro - 2009:6,9 Mio - 2010:24,8 Mio - 2011:0 Mio - 2012:6,9 Mio (geschätzt).

Antwort 5:  Verfassungsbeschwerde noch nicht eingereicht. Aktionärsstruktur bei EnBW anders als bei Eon und RWE. Endgültige Entscheidung vor Fristablauf 5. August 2012.

Antwort 6:  EnBW verfolgt risikoarme Strategie. Wegen Kapitalerhöhung, zweier Anleihen, Verkauf von Beteiligungen und Effizienzprogramm stehen zwei Milliarden Euro zur Investition in Erneuerbare Energien zur Verfügung.

Antwort 7:  Es sind keine weitere Pumpspeicherkraftwerke im Schwarzwald geplant.

Antwort 8:  Bei Gaskraftwerken können Kosten um 55 Euro pro Megawattstunde entstehen. Subventionierte Kapazitätsgaskraftwerke empfiehlt EnBW nicht, allerdings ist an eine strategische Reserve gedacht. Stromkäufe im Ausland sind nicht geplant.

Antwort 9:  Keine Transporte über Polen und die Tschechei. Die Ostsee Windparks sind erfolgreich angeschlossen. Probleme bereiten die Parks in der Nordsee. Derzeit Gespräche mit den anderen drei Netzbetreibern. EnBW konnte eigene Netze behalten aufgrund bestimmter Regeln im europäischen Recht.

Anwort 10:  Die Standorte für Windmühlen in B-W werden in einem Landesplanungsgesetz niedergelegt, das an 1. 1. 2013 erlassen werden soll.




1 Kommentar:

  1. Echt toller Bolg mach weiter so. Rente ist ein wichtiges Thema.

    Grüße Coco

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