Sonntag, 8. April 2012

Der Jammer mit den deutschen Höchstspannungsleitungen

Früher war alles so einfach. Die Frage, wem die Höchstspannungsleitungen mit ihren riesigen Masten gehören, konnte jedes Kind beantworten. Die Eigentümer waren die Energieversorgungsunternehmen  RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, welche den bei ihnen erzeugten Strom über diese Leitungen transportierten und grossflächig verteilten.

Neue Eigentümer
Seit einiger Zeit ist das alles anders geworden. Die ca. 35.000 Kilometer langen Überlandleitungen , in denen Strom mit den Spannungen von 220 bis 380 Kilovolt fliesst, haben vor ein bis zwei Jahren die Besitzer gewechselt. Das geschah auf Druck der Europäischen Union in Brüssel, welche damit die Monopole der Stromproduzenten aufbrechen und für mehr Wettbewerb sorgen wollten. Als Folge sollten sich die Strompreise für die Verbraucher verringern. Alles fromme Wünsche, wie wir weiter unten sehen werden.

Die neuen Eigentümer der Übertragungsnetze haben fremd klingende Namen, wie: Amprion, Tennet und 50hertz. Nur die baden-württembergische EnBW durfte ihr Netz behalten.



Die neuen Eigentümer der deutschen Höchstspannungsnetze

Noch skurriler wird der Sachverhalt, wenn man sich die Gesellschafter der neuen Eigentümer ansieht. Aus der folgenden Tabelle ist ersichtlich, dass die Stromverteilung in Deutschland seit zwei Jahren  u.a. abhängig ist vom niederländischen Staat, von der ERGO Versicherungsgruppe, von der Commerzbank und von einem hierzulande kaum bekannten australischen Infrastrukturfonds.

Amprion:
gehört der Commerzbank, den Versicherungsgesellschaften MEAG (Münchner Rück-ERGO), Swiss Life und Talanx (HDI Versicherungen) sowie dem ärztlichen Versorgungswerk.
21 Prozent gehören weiterhin RWE.
Die heutigen Gesellschaften übernahmen 2011 das Netz von RWE.

Tennet:
gehört zu 100 Prozent dem niederländischen Staat und betreibt dort das Höchstspannungsnetz.
Tennet übernahm 2010 das Stromnetz von Eon.

50hertz:
gehört zu 60 Prozent dem belgischen Netzbetreiber Elia und zu 40 Prozent dem australischen Infrastrukturfonds IFM.
Beide Gesellschaften übernahmen 2010 das Stromnetz von Vattenfall.

EnBW Transportnetze AG:
gehört weiterhin der EnBW, die sich de facto im Besitz des Landes Baden-Württemberg befindet.


Es wird nicht investiert

Die neuen Netzbetreiber sind (wie die früheren EVU) Monopolisten in ihren Verbreitungsgebiet. Dafür haben sie die Verpflichtung übernommen, für die Stromsicherheit in ihrer Region zu sorgen. Dazu gehören u. a. die Anbindung der Offshore Windparks, der Ausbau des Netzes für die Stromdurchleitung vom Norden zum Süden der Republik und die Sanierung der alten Strommasten. Für ihren Kapitaleinsatz billigt das Energiewirtschaftsgesetz den neuen Eigentümern eine Eigenkapitalrendite von 9,05 Prozent zu. Das ist eine stattliche Marge. Trotzdem macht der Netzausbau keine Fortschritte, wie man jeden Tag in den Zeitungen nachlesen kann. Nicht selten müssen sogar polnische und tschechische Netze in Anspruch genommen werden, um Strom von den Ostsee Windparks in den Süden zu leiten. Das ist umso erstaunlicher, als es durch Merkels Hauruckabschaltung  der küstennahen Kernkraftwerke Brunsbüttel, Unterweser und Krümmel im vergangenen Jahr eine starke Entlastung gab. Plötzlich standen 3.600 Megawatt an Übertragungsleistung zur Verfügung, ohne neue Trassen zu legen.

Die derzeitigen Netzbetreiber - insbesondere Tennet - begründen ihr Nichtstun damit, dass sie nicht die erforderlichen Investitionsmittel hätten. Auf 15 Milliarden veranschlagt Tennet die Stromanbindung von der Nordsee zum Süden der Bundesrepublik. Ausserdem sei ihr das Haftungsrisiko zu hoch, wenn, etwa aus technischen Gründen, etwas schief gehen sollte. Tennet wird dabei unterstützt von der niederländischen Regierung, welche nicht für den Kapitalbedarf zur deutschen Energiewende bürgen möchte. Eine äusserst unerfreuliche Situation, die bei Vertragsabschluss offensichtlich nicht vorhergesehen wurde. Meinungsverchiedenheiten gibt es auch zwischen Tennet und dem Land Niedersachsen. Das Bundesland möchte, dass Höchstspannungsleitungen, die in weniger als 400 Metern Abstand zu Siedlungen verlaufen, unterirdisch verlegt werden. Der Netzbetreiber sträubt sich dagegen aus Kostengründen.


Der Staat solls richten

Damit die Kuh endlich vom Eis kommt, haben sich vor einigen Tagen Umweltminister Röttgen und Wirtschaftminister Rösler eingeschaltet. Zur Finanzierung der Netzprojekte soll offensichtlich die bundeseigene Bank KfW einspringen. Man spricht von staatlichen Bürgschaften, schliesst aber auch nicht aus, dass sich die KfW sogar unternehmerisch beteiligt. Das würde zu einer neuen einheitlichen Netzgesellschaft unter der aktiven Moderation des Bundes führen. Auch das offensichtlich zu geringe Eigenkapital von Tennet und den übrigen Betreibern will man aus Geldern des Bundes aufstocken. Damit aber noch nicht genug: selbst das Haftungsrisiko möchte Berlin übernehmen. Vor diesem Hintergrund fragt man sich, weshalb 2010/11 der Wechsel bei den Netzbetreibern überhaupt vollzogen wurde? Wäre es nicht besser gewesen bei RWE, Eon und Vattenfall zu bleiben, die aus jahrelanger Erfahrung eine intime Kenntnis der Transportproblematik hatten?

Aber nun ist die staatliche Subventionsmaschine offensichtlich angelaufen; die Energiewende wird eine Veranstaltung zu Lasten Dritter - nämlich der Steuerzahler. Experten haben ausgerechnet, dass dadurch die Durchschnittsfamilie im Jahr mit 200 Euro zusätzlich belastet wird. Geringverdiener muss zukünftig wohl mit staatlichen Zuschüssen geholfen werden, mit einer Unterstützung "Hartz IV elektrisch". Derzeit werden die Hersteller von erneuerbarer Stromenergie (Biomasse, Wind, Sonne) pro Jahr mit 18 Milliarden Euro subventioniert, obwohl der Marktwert ihrer Stromproduktion unter 5 Milliarden Euro liegt. Rechnet man noch zukünftige (sozialisierte) Kosten bei den Betreibern der Gaskraftwerke hinzu, dann hat Frau Merkel eine gigantische Subventionsmaschine in Gang gesetzt.

Die gute alte DDR lässt grüssen.














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