Das Kooperationsverbot
Es war die hannoveraner Anglistik-Studienrätin Edelgard Bulmahn, welche als Bundesforschungsministerin in den rot-grünen Kabinetten Gerhard Schröder erstmals die Idee von Universitäten unter der Trägerschaft des Bundes politisch artikulierte. Sie störte sich daran, dass die Universitäten im Lande Humboldts bei den jährlichen internationalen Rankings so meilenweit zurück lagen. Gerade mal die Heidelberger und die Münchener Technische Universität schafften es auf Plätze um die 50; die übrigen deutschen Unis waren meist nur auf den Plätzen zwischen 100 bis 200 anzutreffen. Bulmahn erkannte, dass ein Hauptgrund für deren schwaches Abschneiden ihr geringes Finanzpolster war und sie wollte mit Bundesgeld "einige Leuchttürme deutscher Wissenschaft" etablieren.
Aber sie hatte die Rechnung ohne die Ministerpräsidenten der Länder gemacht (welche Adenauer bei einer ähnlichen Situation mal als "Zaunkönige" bezeichnet hatte). Diese betrachteten das Bildungswesen, von den Grundschulen über die Gymnasien bis zu den Universitäten, als ihre ureigene Domäne, deren Kompetenzen sie nicht mit dem Bund teilen wollten. Um diese Aufteilung für alle Zukunft zu zementieren, setzten sie im Jahr 2006 in der sog. Föderalismusreform II sogar noch durch, dass dieses Kooperationsverbot zusätzlich auch verfassungsrechtlich im Grundgesetz verankert wurde. Noch heute gilt der Artikel 91b, wonach die Universitäten allein im Zuständigkeitsbereich der Länder liegen. Zum Glück - für die Länder, wie sich bald herausstellte - gelang es dem Bund im Artikel 91b noch einen Absatz 2 unterzubringen, der dem Bund wenigsten erlaubte bei befristeten Projekten an den Universitäten mitzuwirken.
Die Exzellenzinitiative
Nachdem Ministerin Bulmahn mit ihrer Idee der Gründung von Bundesuniversitäten wegen des verfassungsrechtlichen Kooperationsverbot gescheitert war, versuchte sie zu retten, was noch zu retten war. Unter Berufung auf den erwähnten Absatz 2 im Artikel 91 b stellte sie ein zeitlich befristetes Programm unter der Bezeichnung Exzellenzinitiative vor. Es war ein in 2005/06 erstmals ausgelobtes Förderprogramm des Bundes und der Länder für die deutschen Hochschulen. Als die Regierung Schröder in 2005 abgewählt wurde und Annette Schavan in der schwarz-gelben Bundesregierung von Angela Merkel Forschungsministerin wurde, übernahm diese die Grundstruktur der Exzellenzinitiative. Das Geld kam im wesentlichen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen für die Telekommunikationsindustrie.
Die Exzellenzinitiative ist aufgeteilt auf drei Förderlinien. Die erste betrifft Zukunftskonzepte, womit die Entwicklung der Gesamtuniversität gemeint ist. Bei der zweiten, dem Exzellenzcluster, wird ein Themenkomplex, z. B. die Nanoentwicklung gefördert. Und die dritte, unter dem Stichwort Graduiertenschule, beschäftigt sich i. w. mit der Unterstützung der Doktoranden. Bisher wurden in zwei Förderrunden insgesamt 9 Zukunftskonzepte, 37 Exzellenzcluster und 39 Graduiertenschulen gefördert. Für jede Graduiertenschulen stehen fünf Jahre lang jährlich ca. eine Million zur Verfügung, bei den Exzellenzclustern ist die jährliche Quote 6,5 Millionen und bei den Zukunftskonzepten 21 Millionen pro Jahr. Die neun für ihr Zukunftskonzept ausgezeichneten Hochschulen werden allgemein als "Eliteuniversitäten" bezeichnet.
In der ersten Runde der Exzellenzinitiative (2005/06) wurden drei Hochschulen für ihre Zukunftskonzepte ausgezeichnet: Universität Karlsruhe, Universität München und die Technische Universität München. In der zweiten Runde (2006/07) durften sich sechs weitere Hochschulen mit dem (inoffiziellen) Titel Eliteuniversität schmücken: TH Aachen, Freie Universität Berlin, Universität Freiburg, Universität Göttingen, Universität Heidelberg und die Universität Konstanz. Die dritte Runde der Exzellenzinitiative ist derzeit im Gange; die Preisträger werden vermutlich im Sommer d. J. bekannt gemacht. Die Finanzmittel werden fünf Jahre lang bis 2017 bereitgestellt; sie stammen zu 75% vom Bund und zu 25 % von den Ländern. Nach 2017 ist die Exzellenzinitiative zu Ende.
KIT - ein misslungenes Konstrukt
Eine schlitzohrige Idee zur Vermehrung der Finanzmittel wurde 2006 in Karlsruhe geboren. Beim 50-jährigen Jubiläum des Forschungszentrums FZK stellten sich der Geschäftsführer Popp und der Rektor Hippler von der nahen Universität Karlsruhe auf die Bühne und verkündeten: "Wir wollen heiraten". Die Überraschung war gross, als bekannt wurde, dass beide Chefs die Fusion ihrer Forschungsunternehmen bereits beschlossen und in die Anträge zur Exzellenzinitiative eingebracht hatten. Soweit das FZK angeht: unter weitgehender Umgehung der Gremien und ohne Befragung der Mitarbeiter! Die Universität gewann den Elitestatus; das Forschungszentrum verlor seine Selbstständigkeit und wurde zum Anhängsel.
Die Idee hinter dem Coup war die Zusammenführung der Budgetmittel von je ca. 300 Millionen Euro in einen einzigen Topf. Folgerichtig wurde alles daran gesetzt, die Ministerialen in Stuttgart und Berlin von der Grossartigkeit einer Fusion zu überzeugen. KIT sollte das neue Unternehmen heissen, mit Langnamen Karlsruhe Institut für Technologie. Die semantische Ähnlichkeit zur berühmten US-Universität MIT war gewollt. In absehbarer Zeit wollte man ihr Niveau erreicht haben. Ein hohes Ziel, wenn man bedenkt, dass das MIT 62 Nobelpreisträger hervorgebracht hat, wovon derzeit noch sieben an ihr forschen und ihr Jahresbudget 1.600 Millionen Euro beträgt.
Die Rechnung mit der Zusammenlegung der beiderseitigen Mitgift ging nicht auf. Der Bundesrechnungshof wacht darüber, dass die Mittel des Bundes nicht mit jenen des Landes vermischt werden. Bei den Finanzen ist beim Doppelunternehmen kein Mehrwert entstanden, stattdessen stöhnen die Mitarbeiter über die ausufernde Bürokratie. Zwei Finanzabteilungen kontrollieren nun; Geheimrat Goethe pflegte zu sagen: "Getretener Quark wird breit, nicht stark" . KIT ist nicht das Modell einer Bundesuniversität. Die Idee hat auch keinen Nachfolger: in Jülich, dem anderen grossen ehemaligen Kernforschungszentrum, hat man nicht mit der nahen TH Aachen fusioniert, sondern man kooperiert lediglich. Über den losen Verbund Jülich Aachen Research Alliance (JARA) beschafft man Grossgeräte, wie Elektronenmikroskope, und nutzt sie gemeinsam.
In Bezug auf das Ambiente sind die beiden Standorte des KIT so disparat wie nur irgend möglich. Die Universität (nunmehr als Campus Süd bezeichnet) liegt legt nahe am Karlsruher Schloss und ist umgeben von weitläufigen Parkanlagen. Das Stadtzentrum ist leicht zu Fuss erreichbar. Das 15 Kilometer entfernte Forschungszentrum (Campus Nord) ist umgeben von einem hohen Zaun und darf nur mit einem persönlichen Pass betreten werden. Das ist auch logisch, denn es beherbergt in seiner Mitte das grösste deutsche atomare Abfalllager für mittelradioaktiven Müll. In der Nähe liegt auch das Spaltstofflager des Transuraninstituts, in dem man etwa hundert Kilogramm Plutonium vermutet. Schliesslich werden innerhalb des Campus Nord noch für längere Zeit zwei Kernkraftwerke und eine Wiederaufarbeitungsanlage zurückgebaut. Die Unterschiedlichkeit der Standorte hat auch Auswirkungen auf das Studentenleben. Im Campus der Universität tummeln sich die Studenten; Das Forschungszentrum wirkt (ausserhalb der Mittagszeit) demgegenüber fast wie ausgestorben.
KIT Campus Nord heute: ein atomares Zwischenlager im Zentrum (heller Pfeil);
zwei Kernkraftwerke, ein Forschungsreaktor und eine Wiederaufarbeitungsanlage
im Rückbau (grüne Pfeile)
Bundesuniversitäten nach 2017?
Die prekäre Lage manch deutscher Landesuniversität blitzt immer wieder auf, wenn der Bund "Spontanpleiten" in Schnellaktionen abwenden muss. Dies geschah kürzlich bei der Universität Lübeck. Das Land Schleswig-Holstein war offensichtlich so klamm, dass es seine Universität in Lübeck schliessen wollte. Die Forschungsministerin Schavon konnte diese blamable Situation retten, indem es das bei der Kieler Universität angesiedelte Forschungsinstitut Geomar in ein bundesfinanziertes Helmholtz-Zentrum eingliederte. Dadurch erhielt das Land Schleswig-Holstein den nötigen finanziellen Spielraum um die Universität Lübeck weiter betreiben zu können. Eine ähnliche Notsituation entstand auch an der Berliner Universitätsklinik Charité. Sie soll mit dem ausserunuversitären Max-Delbrück-Forschungszentrum zum Berlin Institute of medical health verbunden werden.
Die Nagelprobe für die deutschen Landesuniversitäten wird sich um das Jahr 2017 stellen. Zu diesem Zeitpunkt läuft die dritte Runde der Exzellenzinitiative aus, wobei nochmals 2,7 Milliarden Euro an Bundesgeld für die Forschungsbesten ausgeschüttet werden. Danach ist Schluss mit der Subventionierung durch den Bund. In den ostdeutschen Ländern läuft zudem zwei Jahre später auch der Solidaritätsbeitrag aus! Noch vor Ende dieses Jahrzehnts müssten also die Länder die Ausgaben ihrer Universitäten zu 100 Prozent selbst schultern. An diese Möglichkeit ist nicht zu glauben, insbesondere, weil dann auch noch die von Schäuble auferlegte Schuldenbremse den Finanzspielraum verringern würde. Die Länder werden einknicken, dem Wegfall der Kooperationsverbots im Grundgesetz zustimmen und damit den Weg zu den Bundesuniversitäten frei machen.
Der Bund kann wählerisch sein. Er wird sich die besten (und teuersten) Universitäten herauspicken. Das könnten die während der Exzellenzinitiativen gekürten sogenannten Eliteuniversitäten sein. Nicht alle, aber beispielsweise das KIT, die Uni Heidelberg, die Technische Universität München, die RWTH Aachen und die Freie Universität Berlin. So sechs bis zehn Bundesunis könnten im Laufe einiger Jahre schon zusammen kommen. Die Länderfürsten werden mit den Zähnen knirschen, aber wer arm ist hat eben schlechte Karten. Aber bald werden sie sich an den Zustand gewöhnen; immerhin bleiben die Universitäten ja an ihren traditionellen Standorten. Und bald wird man sich an den ersparten Geldern erfreuen. Für Baden-Württemberg wären das im Falle von Karlsruhe und Heidelberg jährlich mindestens 500 Millionen Euro. Der Bund würde seine hinzugewonnenen Universitäten hoffentlich finanziell besser ausstatten, damit sie im internationalen (Ranking-) Wettbewerb einige Plätze nach vorne rücken.
Und nach dem Jahr 2020 würde der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin von Frau Annette Schavon sich um die Ordnung des Schulwesens und der Kultur kümmern, die verfassungsgemäss (leider) auch im ausschliesslichen Zugriff der Länder liegen.
1. Dies ist eine hervorragende Analyse der Gesamtsituation zum Thema Bundesuniversitäten (Ausnahme die hypothetische bessere Finanzierung durch den Bund)!
AntwortenLöschenEs gibt seit drei Jahrzehnten bereits zwei "Bundesuniversitäten" (die zwei Ressort-Universitäten der Bundeswehr: UniBw-Hamburg und UniBw-München), die finanziell (nach einer guten fünfjährigen Aufbauphase) auch nicht nennenswert besser ausgestattet sind als die Landesuniversitäten. Nur das Betreuungsverhältnis ist - wegen der minimalen Anzahl der für ihr Studium bezahlten Offizierstudenten - sehr viel besser als an öffentlichen Universitäten.
2. Auch der Analyse des KIT stimme ich zu, insbesondere der Kritik an der intransparenten und überbordenden Bürokratie, die nicht landestypisch, sondern als Erbe des ehemaligen FZK eindeutig bundestypisch ist. Widersprechen muss ich der Wertung des ehemaligen FZK als "Anhängsel". Wenn man die heutige unpersönliche Organisationsstruktur (das ist eindeutig grossforschungslike, niemals universitär), die Finanzstruktur und die Aufblähung der Verwaltung betrachtet, hat das ehemalige FZK eindeutig die Überhand bekommen. Das stets persönlichkeitsbestimmte Universitätsklima ist (ausser in den Resten von einigen "alten" Uni-instituten) leider verloren gegangen. Man kann die Möglichkeit zu persönlichkeitsgeprägten Einflussnahmen in der alten Universitätsstruktur als negativ anführen. Zum einen war sie jedoch sehr oft auch sinnvoll und förderlich, zum anderen ist die heute vorherrschende unpersönliche und intransparente Bürokratie bestimmt keine gute Alternative.
3. Trotz allem sehe ich für das KIT, wenn es sich - nach den sicherlich sehr schwierigen Jahren (oder Jahrzehnten) des Aufbaus und der Selbstfindung im Laufe der Zeit wieder mehr zu einer persönlichkeitsbestimmten Struktur verändern sollte, eine gute Zukunft. Die Chancen müssen zum Besten von Forschung und Lehre nur erkannt und durchgesetzt werden.