Sonntag, 25. März 2012

Sinnsprüche (2)

Enttäuscht werden wir nur von unseren Freunden,
nie von unseren Feinden.

*

Nun bist du mit dem Kopf durch die Wand -
und was willst du in der Nachbarzelle tun?

*

Der grösste Luxus ist eine eigene Meinung;
nur wenige leisten sich ihn.
(Peter Bamm)

*

Der Umgang mit Menschen ist die Kunst,
zu gehen ohne zu treten.

*

Der Vorteil der Klugheit besteht darin,
dass man sich dumm stellen kann.
Das Gegenteil ist schon schwieriger.
(Kurt Tucholski)

*

Allen is das Denken erlaubt,
vielen bleibt es erspart.
(Curt Goetz)

*

Nur wer seine Rechnungen nicht begleicht,
kann hoffen,
im Gedächtnis der Geschäftswelt haften zu bleiben.
(Oscar Wilde)

*

Beim Griff in die eigene Tasche
stellt man immer wieder fest,
dass das Finanzamt schon vorher drin war.

*

Nirgendwo hat sich die Sonnenenergie
bisher so überzeugend durchgesetzt,
wie beim Schneeräumen.
(Henry Kissinger)

*

The entire essence of America
is the hope to first make money.
Then make money with money,
then make lots of money
with lots of money.
(Paul Erdmann)

*

The income tax
has made liars out of more Americans
than golf.
(Will Rogers)

*

Money is a terrible master,
but an excellent servant.
(P. T. Barnum)

*

Karriere macht man mit Bonmots,
die man verschluckt.

*

Die Fetten leben kürzer,
aber sie essen länger.

*

Um an die Quelle zu kommen,
muss man gegen den Strom schwimmen.

*

Alter ist nicht das Ende,
Alter ist die Ernte.

*

You scream,
I scream,
all scream
for icecream.
(Amerikanischer Kinderreim)

*

Wer Kaviar essen will,
muss Heringe verkaufen.

*

Lebt man nur lange genug,
so erlebt man alles -
und auch das Gegenteil.
(Ernst Jünger)

*

In England
everything is legal,
except that which is illegal.

In Germany
everything is illegal,
except that which is legal.

In Russia
everything is illegal,
including that which is legal.

In Italy
everything is legal,
especially that which is illegal.

*

Die Menschen schreiben,
aber die Zeit radiert.

*

Wann wir man alt?
Wenn man beim Anziehen der Schuhe fragt:
"Wenn ich schon mal hier unten bin,
kann ich da gleich noch etwas miterlerledigen"?

Samstag, 17. März 2012

art Karlsruhe - alle Neune

Im Jahr 2003 wurde in den Messehallen Karlsruhe die Kunstaustellung "art Karlsruhe" zum ersten Mal veranstaltet. Die sogenannten Experten gaben diesem Event keine Zukunftschance - und hatten sich prächtig verkalkuliert. Seitdem, von 2003 bis 2012, gab es alljährlich und ohne Unterbrechung diese Ausstellung und sie wurde immer grösser. "Alle Neune" würde man in der Keglersprache diesen Erfolg bezeichnen. Mittlerweile ist die art Karlsruhe neben der Art Cologne und der Art Basel die einzige Kunstmesse von Rang; die Art Frankfurt, die Art Düsseldorf  und das Art Forum Berlin sind inzwischen eingegangen.

Dieses Jahr beschickten nicht weniger als 222 Galerien die art Karlsruhe. Sie präsentierten 1.500 Künstler mit 30.000 Werken aus 12 Ländern und auf 35.000 Quadratmetern. 150 Galerien musste der Kurator Ewald Karl Schrade abweisen. Schrade ist ohne Zweifel der spiritus rector dieser Ausstellung; ohne ihn würde es die art Karlsruhe nicht geben. Anfangs belächelt, hat er an sein Konzept geglaubt und es seither durchgehalten. "Badisch seriös" könnte man es nennen. Dabei sind ihm die vier grossen säulenfreien und lichtdurchfluteten Messehallen in Rheinstetten freilich entgegen gekommen. Wo gibt es Ähnliches? Sicherlich nicht bei der Art Basel, wo die Kojen fast auf Schuhkartongrösse geschrumpft sind, die aber vom Niveau her - daran ist nicht zu rütteln - immer noch die Nummer 1 in Europa ist. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bei der art Karlsruhe sind ihre 20 ausladenden Skulpturenplätze, Ruhepunkte und Aufreger gleichermassen. Sie verbinden die Galeriengassen und werden von oben mit Tageslicht beschienen.

Ein Vorzug der art Karlsruhe ist auch ihre zentrale Lage. Kunstfreunde aus der Schweiz und Frankreich sowie aus Süd- und Westdeutschland können sie im Rahmen eines 2-Tage-Trips bequem bereisen. Da es bekanntermassen viele Sammler in diesem Umkreis gibt, sind die Galeristen fast durchweg mit ihren Umsätzen sehr zufrieden. Hinzu kommt, dass der Akzent in Karlsruhe seit jeher auf der Präsentation von Werken der sog. Klassischen Moderne liegt. Bilder von Kirchner, Kandinski, Miro, Schumacher, Nay, Richter etc. waren zu bestaunen. Die Preise bewegten sich im allgemeinen zwischen 50.000 bis 500.000 Euro; die Galerie Ketterer & Ketterer präsentierte mit der "Nächtlichen Phantasielandschaft" von Kirchner für drei Millionen Euro das teuerste Werk der Messe.


Emil Schumacher, G-9 ohne Titel, 1989, Gouache, 50*69 cm

Apropos Sammler: es scheinen immer mehr zu werden. Kunstobjekte zu erwerben ist in. Und Kunstsammeln  hat auch einen höheren Statuswert als beispielsweise der Erwerb einer Yacht - obwohl beides in vielen Fällen wohl Hand in Hand geht. Der Kunstmarkt boomt und anders als auf dem Aktienmarkt wird man für Insidergeschäfte nicht bestraft. Und die Herkunft des Geldes (Schwarzgeld) ist auch nicht immer gesichert, wird wohl nur in seltenen Fällen hinterfragt. Gemälde sind zu Ikonen des Kapitalismus geworden. Der Preis eines Werks wird immer mehr zum Indiz seines Werts. Der Preis ruft die Erhabenheit hervor, die frühere Deutungshoheit der Experten und Kunstgeschichtler gerät dabei in den Hintergrund. Wer will schon ein Bild von Jackson Pollock ernsthaft kritisieren, das mit 140 Millionen Dollar ausgezeichnet ist oder ein anderes von Gerhard Richter für 100 Millionen. Aber Vorsicht bei den Preisangaben: handeln ist allemal geboten, auch bei der art Karlsruhe und selbst wenn es sich um Drucke von nur 100 Euro handelt. Es gibt keinen Fixpreis!



A. R. Penck, "Transformer" , 1987, Filz-Objekt,  105*110*100 cm

Kritisch beäugt wird immer wieder die Qualität mancher Gegenwartskunst bei der art Karlsruhe. Hier ist man zu wenig experimentierfreudig, man vermisst die zukunftsweisenden Trends. Manche Objekte wirken leicht muffig, so zum Beispiel die Dekorationskunst vieler Asiaten. Oder was soll man von den 520 chinesischen Glückskatzen halten, die in Reih und Glied auf einer Tribüne angeordnet sind und - elektronisch gesteuert - mit ihren Goldpfötchen winke, winke machen?

Bestaunt wurden auch zwei Sonderschauen. Marli Hoppe-Ritter zeigte Werke aus ihrem kürzlich in Waldenbuch eröffneten Museum. Es war eine einzige "Hommage an das Quadrat", womit bewiesen wäre, dass die bei Schülern beliebte Schokoladentafel "Ritter-Sport" offensichtlich im Laufe der Zeit erkleckliche Gewinne abgeworfen hat. (Obwohl sie -früher- zum Preis von nur einer Mark verkauft worden ist). Und Gunter Sachs, apostrophiert als "Gentleman"-Playboy war mit Teilen   seiner sehenswerten Pop-Art-Sammlung vertreten. Neben Warholdrucken von ihm und Brigit Bardot interessierten sich die Besucher hauptsächlich für die halbnackten Frauen auf Knien, die der Künstler Allen Jones zu Tisch und Stuhl degradierte - ein Einblick in die laszive Geisteswelt des Schwerenöters Sachs.

Nach der art ist vor der art. Nächstes Jahr wird es mit der zehnten "art Karlsruhe" ein kleines Jubiläum geben. Mal sehen, was der agile Ewald Karl Schrade uns da bieten wird. Bis dahin sei an einen Ausspruch des Musikers Frank Zappa erinnert, der die bildende Kunst folgendermassen charakterisierte: "Kunst ist, aus nichts etwas zu machen und es zu verkaufen."

Samstag, 10. März 2012

Soll die WAK dicht machen?

Im Hardtwald, zwischen den Gemeinden Linkenheim-Hochstetten und Eggenstein-Leopoldshafen, ist eine vertrackte Situation entstanden. Das Institut Transurane (ITU), eine Forschungseinrichtung der Europäischen Kommission in Brüssel, will einen Lagerbunker für radioaktive Materialien auf dem Gebiet der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten errichten lassen. Dessen Bürgermeister Günther Johs, ein strammer Kernenergiegegner, hatte das Projekt über viele Monate hinweg vehement abgelehnt. Als die grün-rote Landesregierung im Frühjahr 2011 (im Gefolge von Fukushima) an die Regierung kam, musste er jedoch zurück rudern. Der Grüne Umweltminister Franz Untersteller hatte sehr bald erkannt, dass die Genehmigungsanträge des ITU auf soliden vertraglichen Fundamenten basierten und nicht so einfach abgelehnt werden konnten. Er liess eine sog. "Mediation" veranstalten, worauf der Bürgermeister Johs seine Einwände gegen den Bunker weitgehend fallen liess. ( Mehr aus Gesichtswahrungsgründen veranlasste man das ITU auf einige Kilo Spaltmaterial zu verzichten, die sie vermutlich ohnehin nicht benötigt hätten.)

Beschlüsse zu Lasten Dritter

Nun konnte man von der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten erwarten, dass sie ihren Bebauungsplan so abändern würde, damit der Neubau des ITU-Bunkers auf der Linkenheimer Gemarkung möglich sein wird. Aber Gemeindvorsteher Johs genügte das nicht. Er wollte - so ganz nebenbei - auch noch sicherstellen, dass kein anderes Unternehmen auf seinen Gemeindegrundstücken eine neue kerntechnische Anlage errichtet. Aber ein solches Unternehmen gibt es längst, es ist die WAK GmbH, die ehemalige Fabrik für die Wiederaufarbeitung von Brennelementen. Sie war ca. 20 Jahre ganz erfolgreich in Betrieb und wird seit 1994 zurück gebaut; um das Jahre 2025 herum soll anstelle der vielen Gebäude eine grüne Wiese spriessen. Bürgermeister Johs will darauf (angeblich) ein Kongress- und Wellnesshotel bauen lassen, wobei man ihm nur wünschen kann, dass in diese idyllisch abgelegene Gegend auch Gäste kommen. Die WAK war bei der genannten Mediation kein offizieller Partner; die dortigen Beschlüsse, insbesondere zur künftigen Nichtbebauung, gingen also zu ihren Lasten.

Wie es bei einem Rückbau kerntechnischer Anlagen eben so ist: es entsteht radioaktiver Schrott, zumeist Beton und Stahl. Eigentlich sollte dieser nur schwach strahlende Atommüll im Endlager Konrad bei der niedersächsischen Stadt Salzgitter deponiert werden, aber deren Lagergenehmigung wird seit Jahren aus politischen Gründen blockiert. Frühestens 2019 ist mit der Inbetriebnahme von Schacht Konrad zu rechnen. Frühestens! Vielleicht auch erst 2031 oder 2041, wenn man das Tempo deutscher Genehmigungsverfahren zugrunde legt.



Schacht Konrad mit Fördergerüst

Von Anbeginn an haben die fleissigen WAK-Demonteure ihren Schrott im Zwischenlager des ehemaligen Kernforschungszentrums abgelagert, das nun den schönen Namen KIT -Campus Nord führt. Mehr als 4000 Forscher arbeiten in unmittelbarer Nähe, sind aber - nach behördlicher Feststellung - nicht in ihrer Gesundheit gefährdet. Nun, das Zwischenlager des KIT ist zwar riesig, aber trotzdem schon fast voll; etwa 60.000 Kubikmeter an radioaktiven Stoffen sollen dort lagern.

Hi  Zwischenlager,  hi  Pufferlager

Inzwischen haben die WAK-Ingenieure eine Abfallerhebung gemacht und zu ihren Schrecken festgestellt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach der noch freie Platz im oben genannten Zwischenlager nicht ausreicht, um die restlichen Gebäude der WAK zu entsorgen. Die erste Idee war: ein zweites Zwischenlager - oder zumindest ein Pufferlager - muss her. Praktischererweise, um Transporte zu sparen, sollte das Pufferlager auf dem Gelände der WAK platziert werden. Als Bürgermeister Johs dies erfuhr, wurde er abwechselnd blass und rot vor Zorn und stoppte die Baugenehmigung für das arme ITU. Auch bei der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde im fernen Stuttgart war man schockiert; der schön eingefädelte Plan mit der Mediation etc. war schiefgelaufen.

Der Chef selbst, Minister Untersteller, war nun gefordert. Als echter Politiker gab er erst mal eine Presseerklärung heraus,  der er als Kernsatz voranstellte: "Es gibt keine konkreten Pläne für den Bau eines Zwischenlagers". Dann nahm er das Tempo aus dem Geschehen, indem er die Ingenieure aufforderte, noch einmal gaaanz gründlich den zukünftigen Lagerbedarf zu berechnen. Das tun sie, nach 5 Wochen, auch heute immer noch. Und dann - ein besonderer Gag - philosophierte er im Internet ausführlich und maximal undeutlich über die "Pufferlagerung" auf dem Gelände der WAK. Dabei würde es sich, so sagte er, " nicht um eine neue kerntechnische Aktivität handeln, welche nach dem Mediationsverfahren ohnehin ausgeschlossen war".

Aha, Zwischenlager nein, Pufferlager vielleicht. Dabei muss man wissen, dass beide Lagerarten im Grunde den gleichen Vorgang umschreiben, nämlich die Aufbewahrung von radioaktiven Abfällen über einen nicht definierten Zeitraum. Bei beiden Lagerformen müssen die Lagerräume und -flächen Mindestanforderungen entsprechen. In der Praxis des allgemeinen Sprachgebrauchs wird der Begriff Pufferlager allerdings meist dann verwendet, wenn eine vergleichsweise kurze Lagerzeit vorgesehen ist.

Die WAK hält im Moment die Option für eine Pufferlagerung ihrer Abfälle offen, da sie nicht sicher ist, ob die Überführung ihrer Abfälle in das Zwischenlager mit dem Rückbau der WAK Schritt halten kann. Die Alternative wäre, den Rückbau der Anlage auf Jahre hinaus auszusetzen und die 500 Mitarbeiter zu entlassen. Diese Zäsur würde den Abriss der WAK mindestens um zehn Jahre verlängern mit entsprechenden Mehrkosten. Will das der Bürgermeister?  Und was hätte er mit seiner Intransigenz gewonnen? Den Hotelbau könnte er sich auf alle Fälle abschminken

Meine Prognose: die Ministerialen werden Schulze Johs weichklopfen.

Sonntag, 4. März 2012

Wir sind nochmal davongekommen

Der Winter scheint sich dem Ende zuzuneigen. Zeit für eine Rückschau in der Stromversorgung, nachdem Frau Merkel unmittelbar nach Fukushima in einer Holterdiepolterentscheidung acht deutsche Kernkraftwerke vom Netz geholt hat. Dass sie ein Risiko einging, war ihr wohl schon im März 2011 bewusst, sonst hätte sie nicht darauf gedrängt, einige Kraftwerke als sog. Kaltreserve in Bereitschaft zu halten. Anfangs dachte sie sogar an Kernkraftwerke wie Philippsburg und Biblis, aber die Betreiber mochten ihr den Gefallen nicht tun als Notnagel zu agieren. Deshalb resortierte sie zu einer Reihe von uralten Kohlekraftwerken - die dann auch wirklich benötigt worden sind.


Auf Kante genäht

Es kam, wie es kommem musste. Vom März bis zum Dezember wurde Deutschland von einem Stromexportland zu einem Importland. Die (sicherheitstechnisch) nicht besseren Kernkraftwerke in Frankreich und Tschechien haben das deutsche Stromdefizit ausgeglichen. Und - á las - für einige Tage um die Jahreswende haben wir sogar die Franzosen aus einer Bredouille geholfen und ihnen Strom für ihre privaten Heizanlagen geliefert, eine Steinzeittechnik die in Deutschland gar nicht mehr gestattet ist.

Aber zwischen dem 6. und 9.  Februar 2012 kam es dann doch zu dramatischen Situationen. Der Strombedarf stieg und stieg mit der Folge, dass in aller Eile die ältesten und (ökologisch) dreckigsten fossilen Kraftwerke hochgefahren werden mussten, um das Netz nicht zusammenkrachen zu lassen. In Mannheim wurde ganz schnell der Block 3 des dortigen Grosskraftwerks in Betrieb gesetzt, der zwar schon im Jahr 1966 gebaut worden ist, der aber immerhin noch 100 Megawatt liefern konnte. Und in Österreich, bei Graz, wurde ein betagtes Ölkraftwerk hochgefahren, um den händeringenden Bitten der deutschen "Piefkes" entgegen zu kommen. Für gutes Geld, selbstredend.

Was war geschehen? Nun, in dieser frostigen Zeit des Februars 2012  stiegen die Anforderungen der Stromverbraucher. Man muss wissen, dass nicht jeder kleine Stromnutzer seine Kilowattstunden bei den Kraftwerken bestellen kann, sondern das tun - wie bei vielen anderen Produkten auch - die Grosshändler. Und das sind in der Regel Schlitzohren, sonst wären sie nicht "gross". Wegen der tiefen Temperaturen stiegen an der Leipziger Strombörse die Preise für die Ware Strom kontinuierlich. Von 50 Euro pro Megawattstunde - was ziemlich normal ist - auf bald 100 Euro, 200 Euro, 300 Euro, ja bis auf 380 Euro pro Megawattstunde. So eine Preissteigerung gab es bis dato noch nie. Und hier setzte die Strategie der Grosshändler ein: sie orderten einfach weniger Strom bei den Kraftwerken, worauf die Preise (Angebot und Nachfrage!) wieder fielen. Natürlich war das reine Augenwischerei, denn der wirkliche Strombedarf der deutschen Privat- und Industriekunden hatte sich nicht im mindesten geändert: er blieb auf Rekordhöhe.

Nun war die Deutsche Netzagentur gefordert, eine Behörde, der es obliegt Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen. Sie brachte wirklich das Kunststück fertig in diesen kritischen Tagen das Netz einigermassen stabil zu halten. Dafür fuhr sie nicht nur alle "alten Mühlen" hoch, wie oben beschrieben, sondern sie musste sogar die Pumpspeicherkraftwerke nutzen, deren Strom eigentlich nur als Regelleistung für die Notfälle gedacht ist. Aber der Preis für diesen  Strom ist auf "nur" 100 Euro pro Megawattstunde fixiert - und darauf hatten es die schlauen Stromhändler abgesehen. Statt 380 Euro zahlten sie nur 100 Euro - natürlich bei Inkaufnahme des Risikos für einen totalen Netzzusammenbruch. Ich hoffe, dass diese Gauner nachträglich für ihre "Lastprognosefehler" entsprechend sanktioniert werden.


Im Südwesten fehlt die Grundlast

Wegen der Abschaltung der beiden Atomkraftwerke KPP 1 und GKN I war die Stromsituation inbesondere in Baden-Württemberg sehr prekär. In diesem hochindustrialisierten Bundesland fehlt es einfach an Grundlastkraftwerken, welche die Industrie 24 Stunden am Tag sicher mit Strom versorgen können. Die zwei im Bau befindlichen grossen Kohlekraftwerke in Karlsruhe und Mannheim werden als Kompensation nicht ausreichen. Aber zusätzliche Blöcke werden dauern. Es muss daran erinnert werden, dass auch ein fossiles Kraftwerk eine Bauzeit (von der Planung bis zur Inbetriebnahme) von mindestens sechs bis sieben Jahre benötigt. Und dann darf im Genehmigungsverfahren nichts schief laufen. Hierfür gibt es leider genügend negative Beispiele, wie etwa das Kohlekraftwerk Datteln in Nordrhein-Westfalen. Auch Materialprobleme  -  etwa bei den Dampferzeugern -  tragen immer wieder zu mehrjährigen Bauzeitverlängerungen bei, wenn man den Wirkungsgrad zu ehrgeizig nach oben treiben will.

Bei den Energiewerken Baden-Württemberg (EnBW) hat man grosse Hoffnungen auf auf den Windpark Baltic 1 in der Ostsee gesetzt. Bereits im September 2010 wurde er von der Bundeskanzlerin mit grossem Trara in Betrieb genommen. Leider konnte er erst ein halbes Jahr später ans Netz angeschlossen werden; angeblich hatte der Netzbetreiber "50 Hertz" technische Probleme mit dem Anschluss. Generell scheint man das Potential der Windparks in der Nord- und Ostsee zu überschätzen. Dort liegen 2600 Schiffswracks und die Techniker müssen höllisch genau darauf achten, wo sie Stromtrassen verlegen können. Ausserdem sind in der Nordsee die ozeanografischen Bedingungen wegen des Wellengangs und starker Strömungen sehr schwierig. So haben sich an den Gründungen der Anlage "Alpha Ventus" überraschend schnell Vertiefungen (Kolke) gebildet, welche die Standfestigkeit der Windräder gefährden können.

Die Abschaltung der zwei genannten Kernkraftwerke hat die Bilanzsituation der EnBW einschneidend verändert. Während früher durchweg ein Konzerngewinn von zwei Milliarden Euro anfiel, hatte man im Jahr 2011 erstmals einen Verlust von 500 Millionen zu beklagen. Das Unternehmen geriet in finanzielle Schwierigkeiten und musste durch staatliche Sonderfinanzierungen gerettet werden. Dem derzeitigen Vorstandsvorsitzenden Hans-Peter Villis kostete dies den Kopf; sein Vertrag wurde nicht verlängert, er muss im Herbst wohl gehen. Nachfolger werden bereits gesucht, aber sie scheinen nicht Schlange zu stehen; immerhin müssen sie mit einer grün-roten Landesregierung zurandekommen. Immer wieder im Gespräch für die Villis-Nachfolge ist die ehemalige Sprecherin der Grünen, Frau Gunda Röstel - von Beruf Sonderschulpädagogin!


Kretschmann verändert den Schwarzwald

Bei den Windmühlen vollzieht sich derzeit im Ländle ein Wechsel der Politik. Unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel waren sie verpönt, insbesondere in der Nähe des Schwarzwaldes. Der jetzige Regierungschef Winfried Kretschmann verfolgt eine andere Philosophie, wenn er sagt: "Eine Änderung der Industriegesellschaft verändert die Landschaft; das ist der Preis, den wir für den Fortschritt zahlen müssen". Er möchte den grossflächigen Ausbau der Windenergie und will auch nicht die Kämme des Schwarzwalds von der Bebauung ausnehmen. Die rigiden Genehmigungsvorschriften seiner CDU-Vorgänger werden bereits gelockert und allseits bilden sich  (unheilige) Allianzen zwischen Gemeinden, Bauern und Investoren. Für die Landwirte ist es allemal einträglicher jährlich ein- bis zweitausend Euro pro Windradbauplatz zu kassieren, als in bergiger Landschaft mühevoll Milchwirtschaft zu betreiben.

Auch die Förster sind mit im Boot. Holzpellets sind bereits zum guten Geschäft geworden, aber so richtig lukrativ sind die Windräder. Sie versprechen Pachtverträge von 10.000 Euro pro Jahr, insbesondere, wenn sie auf den Kämmen des Schwarzwalds aufgestellt werden. Derzeit diskutiert man das Münstertal südlich des (grünen) Freiburgs mit den Hausbergen Schauinsland (1284 m) und dem Belchen(1414 m) - mitten im touristischen Gebiet. Die Hotelbesitzer und Naturschutzverbände wehren sich zwar noch, aber das Spiel ist bereits verloren. In wenigen Jahren wird der Schwarzwald mit rotierenden Kaventsmännern von 200 Metern Höhe bestückt sein, welche das grösste europäische Kirchengebäude, das Ulmer Münster (161 m), locker überragen werden.

Kretschmann ficht das nicht an; er hat offensichtlich seine eigene Ästethik, wenn er sagt: "Letztlich muss man doch sagen, dass Windräder schöne Maschinen sind - eben ein Zeichen der neuen Zeit".

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de