Sonntag, 19. Februar 2012

Auch Bundesrichter wollen befördert werden

Am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gibt es Zoff. Einige Richter streiten sich mit ihrem Ober-Chef und das schon seit fast einem Jahr. Jetzt ist es öffentlich geworden und in den Zeitungen steht zu lesen, was Monate vorher nur unter Kundigen gemurmelt worden ist. Dabei haben - von aussen betrachtet - die Richter am BGH keinen üblen Job. Der Bundesgerichtshof ist nämlich im wesentlichen ein Revisionsgericht. Das bedeutet, dass er selbst keine Beweisaufnahmen machen muss. "Tatsache" ist, was von den unteren Gerichten, also den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten bereits an "Beweisen" eruiert worden ist.

Der BGH beschränkt sich im wesentlichen darauf, die juristische Beurteilung eines Falles nachzuprüfen. Wenn er feststellt, dass die Vorinstanz einen rechtlichen Fehler gemacht haben sollte, dann verweist er den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Ein praktisches Beispiel aus meiner simplen Sicht als Physiker, als juristischem Laien: Nehmen wir an, das Amtsgericht Karlsruhe verurteilt einen Ladendieb zum Tode durch Erhängen, dann wird dieses Urteil vom BGH aus zumindest zwei Gründen kassiert. Erstens, weil es doch etwas zu harsch ist und zweitens, weil die Sanktionierung Tod durch den Strang in Deutschland bereits seit einiger Zeit abgeschafft worden ist.



Der Bundesgerichtshof in winterlichen Ambiente

Bei dem oben genannten Streit geht es aber nicht um juristische Finessen, sondern um die organisatorische Einordnung einzelner Richter, genauer gesagt um ihre Beförderung beziehungsweise Abstufung. Im wesentlichen ist der BGH wie folgt organisiert: er besteht aus 12 Zivilsenaten und 5 Senaten für strafrechtliche Dinge. Jeder Senat hat vier Richter und einen Vorsitzenden (Zwei weitere Richter stehen "in Reserve"). Über den Senaten schwebt der Präsident. Seit dem Jahr 2008 ist es Professor Dr. Klaus Tolksdorf, der 8. Präsident in der 62-jährigen ruhmreichen Geschichte des BGH.

Präsident Tolksdorf scheint ein scharfes Regiment zu führen. Wer ihm nicht passt, den befördert auch nicht. Das ist im Prinzip sein gutes Recht und und so hat er - als die Neubesetzung des Vorsitzes im 2. Strafsenat anstand - Thomas Fischer, den kommissarischen Vorsitzenden dieses Senats und Bewerber für den Vorsitz, erst einmal auf die Seite gerückt und abgelehnt. Tolksdorf scheint Fischer für eine Art Querulanten zu halten und will ihn nicht befördern. Fischer wiederum, der ein juristisches Ass zu sein scheint und einen wichtigen Kommentar zum Strafrecht verfasst hat, lässt sich das nicht gefallen. Er ging wegen des schlechten Zeugnisses zum Verwaltungsgericht und bekam dort recht.

 Zwischenzeitlich geriet Tolksdorf in Nöte, weil der 2. Strafsenat keinen Vorsitzenden hatte, was nach Gesetz und Ordnung nicht sein darf. Schlitzohrig ernannte Tolksdorf daraufhin den Vorsitzenden des 4. Senats in Personalunion auch zum Chef des (verwaisten) 2. Senats. Jetzt brach das Theater aber erst richtig los und der vorher interne Streit wurde öffentlich. Bundesjustizministerium und Verwaltungsgerichte prüfen derzeit, ob so eine Doppelbesetzung überhaupt rechtens ist. Wenn nicht, dann könnten die zwischenzeitlich ergangenen Urteile der Strafsenate auch noch vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden. Die Verteidiger - als Elite der deutschen Rechtsanwälte - positionieren sich schon in diese Richtung.

Und wer bleibt bei diesem Streit auf der Strecke? Hoffentlich nicht die armen Angeklagten, die im Gefängnis auf ein baldiges Urteil warten.

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