Der freundliche Professor Klaus Töpfer
Wer würde vermuten, dass der studierte Volkswirtschaftler und Leutnant der Reserve früher einmal ein knochenharter Verfechter der Kernenergie war. Doch, doch es stimmt! Während seiner Zeit als Bundesminister für Umwelt und Reaktorsicherheit (1987 - 94) im Kabinett Helmut Kohl ging Töpfer keinem Streit gegen die Roten und die Grünen in Sachen Kernenergie aus dem Weg - zum Beispiel beim Schnellen Brüter SNR 300 in Kalkar am Niederrhein. Dieses Kraftwerk war für viele Atomgegner ein Symbol des Widerstands, insbesondere weil es Plutonium als Brennstoff nutzte und mit flüssigem Natrium gekühlt wurde, das vielen als besonders gefährlich galt.
Als Töpfer im Mai 1987 in Bonn sein Amt als Reaktorminister antrat, war der Schnelle Brüter gerade fertig geworden und harrte der atomrechtlichen Genehmigung zum Beladen mit Plutoniumbrennelementen und zur Inbetriebnahme. Unglücklicherweise war kurz vorher der schwere Reaktorunfall in Tschernobyl passiert. Der für die Genehmigung zuständige Landesminister Reimut Jochimsen - Töpfers Pendant - weigerte sich deshalb die Genehmigung zu unterschreiben und wollte ganz offensichtlich auf Zeit spielen.
Töpfer liess sich von Jochimsen aber nicht lange hinhalten, sondern erteilte ihm am 24. April 1988 eine sogenannte ministerielle Weisung. Das war nichts anderes als der knallharte Befehl auf die Position des Bundes einzuschwenken und zwar innerhalb der Frist von einem halben Jahr. Der technische Teil dieses Schriftstücks stammte weitgehend aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK), wo ganze Heerscharen von Forschern an dem sogenannten Bethe-Tait-Störfall arbeiteten, einer besonders widerlichen Art des Kernschmelzenunfalls. (Der damals verantwortliche Projektleiter im KfK - den ich persönlich gut kenne - berichtete mir, dass aus dem Ministerium Töpfer zu jener Zeit praktisch täglich technische Anfragen zur Lösung von Brüterproblemen kamen.)
Minister Jochimsen schien sich der Weisung des ranghöheren Bundesminister zu beugen, aber buchstäblich einen Tag vor Ablauf der Halbjahresfrist reichte das Land Nordrhein-Westfalen Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Begründung: der Bund habe mit seiner Weisung die Eigenstaatlichkeit des Landes verletzt und stütze sich zu sehr auf die Expertise der am Projekt beteiligten Techniker. Besonders zum Bethe-Tait-Störfall wolle man ein eigenes Gutachten in Auftrag geben.
Am 22. Mai 1988 erging das Urteil des Bundesverfassungsgericht (2. Senat unter Mahrenholz) . Die Klage des Landes wurde in allen Punkten zurückgewiesen, der Bund hatte seine Weisungskompetenz rechtmässig in Anspruch genommen. Töpfer hatte gesiegt und die Arbeiten am SNR 300 konnten weitergehen. Allerdings nicht mehr lange, denn schon ein halbes Jahr später kam die Wiedervereinigung mit der DDR und der Brüter wurde aus finanziellen Gründen auf Eis gelegt.
Die Karriere von Klaus Töpfer hatte eine kleine Delle erlitten, denn die grossen Projekte mit denen er jeden Tag in der Zeitung stand (Kalkar, Wackersdorf) waren vorzeitig beendet worden und mit der Angliederung der Ostgebiete standen ganz andere Themen auf der politischen Tagesordnung. Aber Töpfer liess nicht locker. Als Landesvorsitzender der CDU im Saarland versuchte er nun Ministerpräsident dieses Bundeslands zu werden. Gleich zwei Mal trat er gegen Oskar Lafontaine an und beide Male verlor er krachend. Seine stramme Ausrichtung pro Kernenergie verfing beim Wahlvolk nicht. Nach der zweiten Niederlage befreite ihn Helmut Kohl von der Last des Ministeriums für Reaktorsicherheit und ernannte ihn zum Bundesbauminister. Nach Beendigung der Ära Kohl fand Töpfer Unterschlupf bei der UN in Nairobi als Umweltdirektor.
Selbstredend, dass eine Persönlichkeit wie Professor Töpfer in seinem Leben viele Orden und Auszeichnungen erhielt. Zu erwähnen ist der Eselorden der Stadt Wesel, das Goldene Lot, eine Ehrung der deutschen Vermessungsingenieure und der Fahrradpreis "best of bike" als fahradfreundlichster Promi. Ach ja, und 1990 verlieh ihm Bundeskanzler Kohl auch noch das Grosse Bundesverdienstkreuz - nicht zuletzt für seine Bemühungen um den Schnellen Brüter.
Helmut vergisst keinen.
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