Die Versuchsanlage Asse II, südlich von Braunschweig gelegen, wird seit Jahren in den Medien heftig diskutiert. Im Jahr 1965 wurde dieses stillgelegte Salzbergwerk von der Bundesregierung erworben, um dort probeweise radioaktiven Abfall aus deutschen Kernkraftwerken und Krankenhäusern zu lagern. Zwischen 1908 und 1963 war in dem Bergwerk Kalisalz (Carnallit) für die Düngerherstellung, sowie Steinsalz gefördert worden. Bei der Gewinnung wurden über 100 Abbaukammern in 500 bis 800 Metern Tiefe ausgebaggert. Jede dieser Kammern ist ca. 60 m lang, 40 m breit und 15 m hoch., entsprechend dem Volumen eines grossen Wohnblocks. Darüber liegt ein mächtiges Deckgebirge aus Bundsandstein und Muschelkalk. Der Salzstock selbst entstand vor etwa 200 Millionen Jahren und hat mehrere Eiszeiten und Zwischeneiszeiten unversehrt überstanden - ebenso wie die Erdbewegungen 100 Millionen Jahre später, als sich die Alpen auftürmten.
Längsschnitt durch das Grubengebäude Asse II
Von 1965 bis in die 90er Jahre wurden auf 750 Metern Tiefe ca. 126.000 Fässer eingelagert. Zuerst waren es schwachradioaktive Stoffe, wie Verdampferkonzentrate und Fällschlämme, später kamen mittelradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) hinzu. In der Frühzeit wurden diese 200-Liter-Fässer noch nebeneinander und übereinander gestapelt, später entwickelte man die Methode des "Einpökelns". Dabei wurden aus einem Schaufelbagger die Fässer über eine Salzböschung gekippt und anschliessend mit losem Salz zugeschüttet.
Querschnitt durch den Salzdom Asse II
Seit einigen Jahren dringt über das Deckgebirge Wasser in die Grube ein. Im Schnitt sind es 12 Kubikmeter pro Tag, die in einem Speicherbecken aufgefangen und in ein naheliegendes Salzbergwerk gebracht werden. Dieser Vorfall gibt Anlass zu heftigen politischen Diskussionen; insbesondere Parteigänger der Grünen und der SPD fordern die Rückholung der 126.000 eingelagerten Fässer. Diese Massnahme würde etwa zehn Jahre dauern und 3 bis 4 Milliarden an Kosten verursachen. Viele Experten halten die Forderung der gänzlichen Rückholung jedoch für überzogen, ja sogar für kontraproduktiv, wie im Folgenden kurz dargestellt wird.
Die Argumente
1. Das Bergwerk Asse ist durch die Einbringung des Atommülls nicht radioaktiver geworden, als es im Urzustand einmal war. Durch den früheren Kaliabbau hat man nämlich mehr an Radioaktivität - in Form des strahlenden Isotops Kalium 40 - herausgeschafft, als später durch die Atomfässer eingebracht wurde. Unvergleichlich viel grösser ist die im Berg immer noch vorhandene natürliche Radioaktivität des Kalium 40 im sog. Urgestein.
2. Nicht allgemein bekannt ist, dass die radiologische Halbwertszeit des Kalium 40 mit mehr als einer Milliarde Jahren etwa 40.000 mal länger als die Halbwertszeit von Plutonium ist.
3. Die Wasserlöslichkeit und damit die Bioverfügbarkeit ist bei Kalium 40 viel grösser als bei den chemischen Elementen in den Fässern. Sogar Uran und Plutonium - welche sich nur in geringen Mengen in Asse befinden - oxidieren rasch zu UO2 bzw. PuO2 und werden an Ort und Stelle fixiert. Damit können sie weder in die Biosphäre entweichen noch ins Grundwasser gelangen. Cäsium 137 wurde nicht eingelagert, sondern ist in der Verglasungsanlage an der WAK in Kokillen verfestigt worden.
4. Bei der Rückholung der Fässer würden die Arbeiter unkalkulierbaren bergmännischen Risiken ausgesetzt werden. Ausserdem wären Kontaminationen und Bestrahlungen zu erwarten, falls geborstene Fässer manipuliert werden müssten.
5. Dabei ist die Gesamtstrahlung der 126.000 Fässer durchaus nicht beeindruckend. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat festgestellt, dass der Inhalt eines einzigen Castorbehälters 200 mal stätrker strahlt, als alle in Asse eingelagerten Fässer zusammen.
6. Das täglich zulaufende Sickerwasser von 12 Kubikmetern ist im Bergwerk mit geringem Pumpaufwand beherrschbar; eine typische Heimwerkerpumpe genügt dafür. Zum Vergleich: im Ruhrgebiet werden jedes Jahr mit riesigen Pumpanlagen zig Millionen Kubikmeter an Grundwasser abgepumpt, um die ehemaligen Kohlekraftwerke vor dem "Absaufen" zu bewahren. Dafür entstehen jährliche Kosten von 100 Millionen Euro! Ewigkeitskosten da wie dort - allerdings in verschiedener Höhe.
Der frühere Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat das Bergwerk Asse II kurzerhand zu einer Atomanlage erklärt, womit dort anstelle des bisherigen Bergrechts das viel rigidere Atomrecht gültig ist. Damit sind alle Arbeiten massiv erschwert. An den Eingängen der alten Schachtanlage wird nun kontrolliert, als würde man den Hochsicherheitstrakt eines amerikanischen Gefängnisses betreten. Vor kurzem wollte ein alter erfahrener Mitarbeiter von Asse eine Tüte Salz aus dem Bergwerk als Souvenir mit nach Hause nehmen. Er wurde gefeuert.
Wegen Diebstahls von radioaktivem Material nach §328 Strafgesetzbuch!