Denn die Ratingagenturen sind keineswegs staatliche Organisationen oder neutrale Stiftungen sondern Privatfirmen, die auf Gewinn ausgerichtet und dem Profit ihrer Aktionäre verpflichtet sind-wobei sie für ihre Empfehlungen noch nicht mal haften! Darüberhinaus beherschen die drei Grossen praktisch monopolartig den ganzen Weltmarkt. Ihre Namen: Standard & Poors (USA), Moody´s (USA) und Fitch (GB). Standard & Poor´s (S&P) gehört dem Medienkonzern McGraw-Hill, der weltweit verbreiteten Wirtschaftszeitung BusinessWeek und dem US-TV-Sender ABC. Moody´s Hauptaktionär ist - man glaubt es kaum - der Amerikaner Warren Buffett, der reichste Milliardär der Welt. Fitch sitzt in New York und London und gehört derzeit der französischen Fimalac-Gruppe.
Angeblich nehmen die Mutterkonzerne und Hauptaktionäre keinen Einfluss auf das tägliche Bewertungsgeschäft ihrer nachgelagerten Ratingagenturen - aber wer´s glaubt, wird selig. Will Herr Buffett, beispielsweise, sein Geld in einem Unternehmen investieren, dann bedürfte es schon heroischer Zurückhaltung, nicht vorher "bei seinen Jungs bei S&P" anzuklingeln um sich nach dem Finanzstatus dieser Firma zu erkundigen.
Die Bewertung der Schuldner geschieht nach einer Art Schulnotensystem; allerdings werden anstelle der Noten 1 bis 6 Buchstabenkombinationen verwendet. Die Buchstaben reichen (über 18 Stufen) von AAA ("Triple A") bis D. Bei Länder (oder Firmen) im A-Bereich - Beispiel Deutschland - ist das Ausfallrisiko gering; der Investor wird sein Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit samt Zinsen zurückerhalten. Im B-Bereich, beginnend mit BB+ - Beispiel Griechenland - wird die Anlage als spekulativ eingestuft und im Bereich C und D - Beispiel Ecuador - wird es duster. Der Gläubiger muss mit Zahlungsverzug bzw. totalem Zahlungsausfall rechnen. Konkret heisst dies, dass viele Länder in Süd-und Mittelamerika, in Afrika und in Osteuropa, welche dieses Rating besitzen, praktisch vom Kapitalmarkt ausgeschossen sind oder extrem hohe Zinsen für ihre Anleihen zahlen müssen, um deren Ausfallrisiko abzudecken. Simpel gesprochen: die Reichen haben niedrige Zinskosten, die Armen sehr hohe.
Die Rating-Agenturen und ihre (leicht unterschiedlichen) Bewertungen
Die Macht und den Einfluss derRatingfirmen kann man kaum überschätzen. Mit ihren Bewertungen entscheiden sie über das Wohl und Wehe jedes grösseren Unternehmens und nicht zuletzt über Aufstieg und Untergang ganzer Regionen und Staaten. Der Kolumnist Thomas Friedman schrieb vor zehn Jahren in der "New York Times" folgendes: Es gibt heute zwei Supermächte: die Vereinigten Staaten von Amerika und die Ratingagenturen. Und glauben Sie mir, es ist keinesfalls sicher, wer die Mächtigere von beiden ist. Sollte Deutschland im Verlaufe der gegenwärtigen Griechenlandkrise seine AAA-Bewertung verlieren, so hätte es viele Milliarden Euro an zusätzlichen Zinszahlungen zu leisten; die Haushaltsprobleme wären kaum noch zu beherrschen.
Aber die internationale Kritik an den Ratingagenturen wächst. Insbesondere, weil sie sich von den Anleiheemittenten bezahlen lassen, also den Unternehmen, welche die Anleihen in Umlauf bringen. Kungeln ist da nicht ausgeschlossen. Warum sollte sich ein Anleihegeber, sprich Schuldner, nicht die "netteste" Ratingfirma aussuchen? In den USA laufen derzeit Prozesse gegen Moody´s und S & P, worin diese verdächtigt werden, allzu positive Ratings gegen gute Bezahlung verliehen zu haben.
Unbestreitbar ist das Versagen der Ratingagenturen bei der sogenannten Subprime-Krise vor drei Jahren. Damals bündelten die Investmentbanken der Wallstreet Ramschhypotheken insolventer Schuldner zu einem undurchschaubaren Knäuel von Zertifikaten und Derivaten. Die Ratingunternehmen versahen sie mit ihrem Super-Gütestempel AAA, wodurch die Papiere "wertvoll" wurden und in den internationalen Kreislauf gebracht werden konnten. Einen Grossteil dieser Papiere erwarben die unbedarften deutschen Landesbanken und kurze Zeit danach stuften die gleichen Ratingfirmen diese Zertifikate auf "junk" (=Müll) ab, womit die Anleihen praktisch wertlos geworden sind.
Auch im Falle von Griechenland trieben die Rater ein ein dubioses Spiel. Die Verschuldung dieses Landes war seit langen bekannt; trotzdem lag sein "Investment Grade" bei A, wobei Griechenland sogar noch vor China (A-) rangierte. Als in der EU die Finanzhilfen für Griechenland bereits anliefen, gossen die Agenturen noch Öl ins Feuer, indem sie das Kreditniveau dieses Landes auf BB+ (Ramsch) herabstuften. Dieses merkwürdige Timing sandte Schockwellen in die Finanzwelt, welche noch lange spürbar sein werden.
Bei so viel anzuzweifelnder Kompetenz und gleichzeitigem Machtanspruch fragt man sich, warum es die Ratingfirmen überhaupt noch gibt. Nun, sie sind in erster Linie eine US-amerikanische Veranstaltung. Dort sind sie schon seit hundert Jahren aktiv und in den Satzungen der allmächtigen Pensionsfonds steht sogar geschrieben, dass sie nur Anleihen kaufen dürfen, die von Moody´s und Co. gut bewertet sind. Darüberhinaus kommt es der amerikanischen Finanzwelt wohl auch gelegen, wenn sie die "Buchhaltung" der europäischen Firmen und Wettbewerber durchstöbern dürfen. Auch der Karlsruher Stromversorger liess sich von allen drei Agenturen bewerten und verkündete bei der kürzlichen Hauptversammlung stolz sein Rating A-.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: warum gibt es keine europäische Ratingagentur, etwa unter der Aufsicht der EU oder der Europäischen Zentralbank? Nun, es gibt diese Idee schon seit mehr als zehn Jahren, ohne, dass bisher etwas geschehen wäre. Europas Uhren ticken langsam, zu langsam; unsere Politiker sind eben Schlaffis.
Inzwischen zahlen wir Steuerbürger die Rechnung!
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