Sonntag, 23. Mai 2010

Banken, Banken

Als ich, zu Ende der 50er Jahre, an der Universität München Betriebswirtschaft (BWL) studierte, war "Bankenbetriebslehre" noch ein Nebenfach. Die Studenten konzentrierten sich auf BWL, Volkswirtschaft und Industriebetriebslehre sowie - mit Abstrichen - auf Handelsrecht und Bürgerliches Recht. Die Banken agierten als geachtete (aber wenig beachtete) Dienstleistungsunternehmen für die Privaten, das Gewerbe und die Industrie, indem sie die Spargelder der Privatpersonen vereinnahmten und daraus Kredite formten. Die Leiter dieser Anstalten hiessen damals auch nicht Manager oder Banker, sondern waren angesehene "Bankiers" bzw. Bankbeamte und das zumeist auf Lebenszeit.

Das änderte sich so um die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die Firmen grösser wurden und der internationale Handel zunahm. Die Unternehmen brauchten weitaus mehr Kapital als ihnen die örtlichen Banken zur Verfügung stellen konnten; ausserdem vergrösserten sie sich nicht mehr in erster Linie durch inneres Wachstum ("spare, spare, Häusle bauen") sondern durch Zukäufe ganzer Firmen.

Damit schlug die Stunde der Investmentbanken, welche den Konzernen das nötige Kapital bereitstellten, sie bei Fusionen und Beteiligungen berieten sowie beim Gang an die Börse. Diese Investmentbanken - Goldman Sachs ist das prominenteste Beispiel - hatten ihren Sitz an der Wallstreet in New York bzw. in der Londoner City; später legten sich die deutschen Grossbanken in Frankfurt (Deutsche Bank, Dresdner Bank etc.) ähnliche Abteilungen zu und mutierten zu Universalbanken. Diese Investmentbanken drehen ein grosses Rad: sie sind nicht nur Berater und und Kapitalgeber für die Grossunternehmen, sondern offerieren ihre Dienste auch manchen Regierungen, wie das (in verhängnisvoller Weise) bei Griechenland vor dem Eintritt in die Eurozone geschehen ist. Privatpersonen ist es es allerdings verwehrt, dort ein Konto zu unterhalten.

Mit Beginn der 90er Jahre entdeckten die Investmentbanken ein weiteres Feld: den Handel mit selbstgestrickten Derivaten und Zertifikaten. Während sie sich bislang im Wertpapierhandel i.w. auf Aktien und Anleihen konzentriert hatten, denen ein realwirtschaftlicher Wert zugrunde lag, kreierten sie nun börsenfähige Kunstprodukte, welche - eine Zeitlang - den Charme hoher Rendite, aber den Nachteil geringer Durchschaubarkeit besassen. Etwas ironisch gesprochen, boten sie beispielsweise Produkte an, die halb Aktie, halb Anleihe waren und bei denen der Anleger einen 7- prozentigen Gewinnzuschlag erwarten durfte, sofern es am Himmelfahrtstag in Karlsruhe regnete. Diese sog. Derivate gingen einher mit Ausfallversicherungen undTriple A-Bewertungen der schon sattsam bekannten (angloamerikanischen) Rating-Agenturen. Die Käufer standen Schlange. Zum Schluss waren es aber nur noch die unbedarften deutschen Institute IKB, Real Estate sowie die Landesbanken, welche diese "Wertpapiere" kauften, deren heutiger Wert nahe bei Null liegt.

Aber den Investmentbanken wäre dieser Coup nicht gelungen, wenn nicht die ranghöchste Bank, nämlich die amerikanische (und britische) Notenbank mitgespielt hätte. Hinter der US-Notenbank, der berühmten "Fed" (=Federal Reserve System) vermuten die meisten Menschen eine unabhängige Einrichtung des Staates. Doch weit gefehlt: die Fed setzt sich aus 12 regionalen amerikanischen Privatbanken zusammen, wovon die Federal Reserve Bank of New York das grösste Gewicht hat. Diese Fed, aufgepasst!, ist zuständig für den Kauf und Verkauf der amerikanischen Bundesanleihen und der Steuerung des Dollarkurses. Das bedeutet nichts weniger als, dass die grossen amerikanischen Bankhäuser de facto ihr eigenes Geld drucken und über die staatlichen Zinssätze entscheiden.

Als BWL-Student lernte ich noch, dass sich der Zins aus Angebot und Nachfrage ergibt, also eine Art Preis für das Geldkapital darstellt. Diesen Lehrsatz haben die Fed und ihr langjähriger Chef Alan Greenspan souverän ausgehebelt, indem sie zum Beispiel den amerikanischen Immobilienmarkt mit billigem Geld fluteten, wodurch sich jedermann, auch der Ärmste, zum Kauf von Häusern veranlasst fühlte. Die Investmentbanken bündelten gute und (zumeist) schlechte Hypotheken zu undurchschaubaren Derivaten, "verbrieften" sie zu Wertpapieren und betrieben damit profitreich internationalen Handel mit Finanzmüll. Die Bankmanager steckten jedes Jahr Milliarden an Boni ein. Ergebnis siehe oben.

Das System wurde noch dadurch gefördert, dass häufig die Chefs von Goldman Sachs zu US-Finanzministern ernannt wurden, nach dem Motto: "what´s good for G&S, is good for the country". Damit schloss sich der Kreis in verhängnisvoller Weise. Der amerikanische Präsident Barack Obama ist derzeit dabei, die Kompetenzen der Fed zu beschneiden. Ein Untersuchungsausschuss befasst sich mit den dubiosen Entscheidungen der Fed in der Vergangenheit und der US-Senat hat bereits angekündigt, dass er Obamas Gesetzentwürfe zur Finanzmarktreform unterstützen wird.

Bis vor kurzem galt die Europäische Zentralbank (EZB), verglichen mit den amerikanischen und britischen Notenbanken, als Hort der Unabhängigkeit gegenüber den Geschäftsbanken und den Regierungen. Dieser Ruf ist lädiert seit die EZB in der Nacht des 9. Mai 2010 eine folgenreiche Entscheidung getroffen hat. Präsident Jean-Claude Trichet sah sich veranlasst am 720 Milliarden Rettungsprogramm der Euroländer mitzuwirken, um Angriffe der Spekulanten gegen die Euro-Währung zu stoppen. Er tat dies, indem er grosse Mengen von Ramschanleihen vom Markt nahm und dafür den Gläubigerbanken gute Euros aushändigte. Das heisst konkret: wo früher die Banken für ihre leichtsinnige Kreditvergabe hafteten, ist dieses Risiko nun auf die europäischen Steuerzahler übergegangen.

Natürlich war diese Crash-Aktion von allerlei guten Sprüchen begleitet. So heisst es, dass das zusätzliche Zentralbankgeld nicht zu einer inflatorischen Aufblähung führen würde, weil man das "Entweichen in die reale Wirtschaft" verhindern werde. Originalton Trichet: "Wir schöpfen die zusätzliche Liquidität rechtzeitig wieder ab, jeden einzelnen Euro". Naja, man wird sehen. Jedenfalls bleibt diese Intervention ein Tabubruch der EZB, den man sich noch vor Wochen nicht hätte vorstellen können.

Ein Bruch der Geschäftsordnung war auch die Vergabe der 123 Milliarden Stützungsgelder an Griechenland, die unsäglich lange (bis zur, dennoch verlorenen, Wahl in Nordrhein-Westfalen) diskutiert worden ist. Hier hat sich die deutsche Regierung - wir haben´s ja - sehr grosszügig gezeigt, wie aus den folgenden zwei Abbildungen hervor geht. Im oberen Bild ist ist zu sehen, dass die französischen Banken mit 78,8 Milliarden Euro grösster Gläubiger der Griechen sind. Die deutschen Banken folgen mit 45,0 Mrd. beträchtlich weit dahinter. Trotzdem hat Deutschland - unteres Bild - mit 22,336 Mrd. den bedrängten Griechen die meiste Finanzhilfe zugestanden; die Franzosen gaben mit 16,776 Mrd. deutlich weniger.


Griechische Schulden (oben) und Finanzhilfe für Griechenland (unten)


Die schwächelnden Länder der Euro-Zone werden unter dem etwas anrüchigen Namen PIIGS zusammen gefasst. Man versteht darunter Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien. Die deutschen Banken und Privatanleger haben PIIGS-Anleihen im Wer von 533 Milliarden Euro in ihren Portefeuilles. Wenn diese Kredite platzen, dann gute Nacht.

Zwischenzeitlich bezweifeln Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank und andere zwar, dass die Griechen das geliehene Geld je zurückzahlen werden - aber die Neue Züricher Zeitung sieht in ihrer Ausgabe vom 9. Mai 2010 trotzdem Möglichkeiten, die reichen griechischen Steuersünde zu identifizieren und zur Kasse zu bitten.

Denn: Athen weist die zweithöchste Dichte an Porsche Cayenne auf - nach Moskau!

1 Kommentar:

  1. Hut ab, hervorragende Übersicht!
    Ein kleiner Zusatz: die 26 Tausend Investmentbanker von Manhattan haben 2009 unter sich 53 Milliarden Dollar Boni verteilt, nachdem deutsche Steuerzahler ihre wertlosen Papiere bei den deutschen Banken gerettet haben. Im Durchschnitt wurde jeder dieser Banker um zwei Millionen Dollar reicher. Welcher Nationalität diese Banker sind, möchte ich hier lieber nicht besprechen.
    Gruß Drazen

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