Die Atomkraft hat in Deutschland viele Gegner, aber kaum einer ist so bekannt wie der Maschinenbauer Dr. Klaus Traube. Vom Ende der siebziger Jahre bis weit in die neunziger hinein, war er in den Medien nahezu omnipräsent. Wie ein wiederauferstandener moderner Savonarola geisselte er die "Technokraten" der Atomindustrie und der Kernforschungszentren. In seinem 1977 geschriebenen Buch "Müssen wir abschalten?" untermauerte er seine Thesen u. a. damit, dass er auf seine ca. eineinhalb Jahrzehnte währende Tätigkeit beim Bau von Kernkraftwerken verwies. Indes, seine Selbstauskünfte zu diesem Kapitel seines beruflichen Lebens sind seltsam blass und wenig detailliert. Sie muten eher an wie Dr. Murkes gesammeltes Schweigen. Es ist die Absicht dieses Blogs, die Leistungen des Herrn Dr. Traube als Kernkraftingenieur und -manager etwas stärker in den Einzelheiten zu beleuchten.
Chefplaner Klaus Traube weist den Weg aus der Kernenergie
(Ca. 50jährig - aus Buch:"Müssen wir umschalten")
Beginnen wir mit dem Heissdampfreaktor (HDR) in Kahl, einem Kernkraftwerk das zwischen 1965 und 71 von der Firma AEG-Telefunken gebaut wurde. Dr. Traube war bei diesem Unternehmen damals "Leiter des Fachgebiets Leistungsreaktoren" und damit sehr ranghoch angesiedelt. Der HDR war im wesentlichen ein Siedewasserreaktor, aber im Unterschied zu diesem sollte der Dampf ein zweites Mal durch den Reaktorkern geschickt werden. Durch diese Überhitzung erhoffte man sich einen höheren Wirkungsgrad und damit geringere Stromkosten. Aber die Inbetriebnahme des HDR im Frühjahr 1971 geriet zum Fiasko. Die Betriebsmannschaft detektierte radioaktives Spaltgas im Reaktorraum und mit Entsetzen stellte man fest, dass alle Heissdampfbrennelemente falsch ausgelegt waren: die Wandstärke der Spaltgasrohre war zu gering bemessen und hielt deshalb dem Betriebsdruck des Reaktors nicht stand. Für die Auslegung aber waren Dr. Traube und seine Mannschaft verantwortlich. Nach dieser Havarie verzichtete der Betreiber des HDR auf die Neuplanung des Reaktorkerns und legte die Anlage still. 200 Millionen Mark (einschliesslich vorlaufender Versuche) waren à fond perdu abzuschreiben. Einige Komponenten des HDR wurden in der Folge für ein - nichtnukleares - Versuchsprogramm genutzt und die Reaktorhülle nach ihrer Entkernung 1998 effektvoll in die Luft gesprengt.
Der Heissdampfreaktor HDR wird (nach Entkernung) gesprengt
Nach dem HDR-Desaster verliess Traube die AEG - manche sprachen von "Abschiebung" - und wechselte zum Siemenskonzern, wobei er eine Vakanz in der Tochterfirma Interatom nutzte. Dort wurde er federführender Geschäftsführer für den Schnellen Brutreaktor SNR 300, der in Kalkar gebaut werden sollte. In dieser Funktion war er "Chefplaner" des Brüters , wie auch in seinem o. g. Buch vermerkt ist. Doch hier erlebte Traube ein wahres Cannae. In den ersten drei Jahren der Bauzeit akkumulierte das von ihm geführte Projekt nicht weniger als 20 Monate Terminverzug und sage und schreibe 750 Millionen Mehrkosten. Wesentliche Komponenten, wie der Notkühlkreislauf, die Dampferzeuger, die Zwischenwärmetauscher und der Reaktortankträger wurden von der Genehmigungsbehörde als unsicher abgelehnt und waren neu zu planen. Aus dieser Zeit - der Phase des Planungschefs Traube - resultierten viele spätere Probleme des Kalkarbrüters, die schliesslich 1991 zu seinem Ende führten.
Die Schwierigkeiten mit dem SNR 300 hinderten Traube aber nicht - praktisch parallel - einen vier Mal so grossen Brüter, den SNR 2 voran zu treiben, dessen Reaktorkern über 5.000 (!) Kilogramm Plutonium beinhalten sollte. Etwa 100 Millionen Mark wurden bis 1976 in dieses Projekt gesteckt. Ebenfalls vergeblich, denn spätere Grossbrüter, wie der European Fast Breeeder (EFR) griffen Traubes Konzept nicht auf.
Die Aufstellung von Traubes Projektleichen wäre unvollständig, würde man nicht noch die beiden Siedewasserreaktoren KRB Gundremmingen und KWL Lingen erwähnen. Wegen vieler Störfälle, inbes. bei KWL, kamen sie nie richtig in Schwung, sodass die Eigentümer schon nach 10 Jahren endgültig abschalteten. Traube war bei beiden Kernkraftwerken in einer Art Gruppenleiter- bzw. Abteilungsleiterposition (z. T. von USA aus) tätig.
Betrachtet man nur die erstgenannten Projekte HDR, SNR 300 und SNR 2, so hatte Traube drei Kernkraftwerke, die unter seiner Ägide standen, mehr oder minder an die Wand gefahren und unrentierliche Kosten von mehr als einer Milliarde Mark verursacht. Ich kenne keinen zweiten deutschen Ingenieur auf dem Kernkraftwerksgebiet, dem das auch nur annähernd "gelungen" ist. In seinem Buch Müssen wir umschalten beschreibt er diese tristen Erfahrungen summarisch folgendermassen: "Ich meine, cum grano salis, entziehen sich grosstechnische Entwicklungen rationaler Steuerung; die Grosstechnik entwickelt sich zumeist anarchisch, unvorhersehbar und irrational.".
Aber das ist beweisbar falsch. Die Nachfolger Traubes , welche bei der Kraftwerk Union die 18 deutschen Kraftwerke (beginnend mit Biblis A) bauten, haben eine perfekte Arbeit geleistet; denn seit mehr als 20 Jahren sind diese Anlagen - was die Stromproduktion anlangt - in der Spitze der Weltliga, die immerhin 435 Kernkraftwerke umfasst.
Es ist bekannt, dass Traube mitte 1976 wegen Verwicklungen in die RAF-Terrorismusszene von seinem Arbeitgeber Siemens entlassen worden ist. Seinen Lebensabend verbringt der nunmehr 82-Jährige in einem alten Haus in Oberursel bei Frankfurt. Gelegentlich gibt er Interviews, so im November 2004 der Frankfurter Rundschau. Dabei geriert er sich behäbig bis bräsig, fast in der Manier eines Buddha. So behauptet er jetzt, schon 1972 Zweifel an der Industriegesellschaft gehabt zu haben. Dann erstaunt allerdings - um ein Bild zu gebrauchen - dass Traube trotzdem noch bis 1976 seine Ingenieursbataillone in die Schlacht geführt hat. Allerdings war er ein Feldherr ohne Fortüne!
Traube blickt zurück
(Ca. 76jährig - Photo: FR Nov. 2004)
In der RAF-Affäre fühlt sich Traube "grundlos angegriffen". Nun, vielleicht hätte er besser keinen Umgang mit Terroristen vom Schlage eines Hans-Joachim Klein pflegen sollen. Als Chefmanager des high-Tech-Brüters SNR 300 Kalkar hatte er intime Anlagenkenntnisse und (administrativen) Zugriff auf die Plutoniumbestände. Spaltmaterial in den Händen von Terroristen war damals (wie heute) ein Albtraum. Dass Traube die Risiken seines Doppellebens auch jetzt noch nicht erkennen will, attestiert ihm ein reichliches Mass an Chuzpe.
Es steht nicht zu erwarten, dass Klaus Traube diesen Blog am eigenen Computer wird lesen können, denn in dem schon mehrfach zitierten Buch reitet er auch geharnischte Attacken gegen die Computertechnik:
"Nichts ist vordringlicher als die Mikroelektronik aufzuhalten; ihre schleichenden sozialen Auswirkungen sind weit gefährlicher als die der Atomkraftwerke."
Erstaunlich wie lange Siemens gebraucht hat, diesen Terroristen und Saboteur zu entlassen.
AntwortenLöschenGruß Drazen
Zur Klarstellung:
AntwortenLöschenIn meinen obigen Post habe ich Dr. Traube weder als Saboteur noch als Terrorist bezeichnet.
Dr. Willy Marth
Sie haben ihn aber in den Zusammenhang mit der Terroristenszene gebracht - ein Umstand der lange widerlegt ist.
AntwortenLöschenDas sagt alles über die Ecke, aus der dieser Kommentar kommt. Und da Herr Traube nach Ansicht des Verfassers ja kein Internet benutzt bzw. diese Verleumdung nicht liest, kann man sich ja auch sicher sein, rechtlich nicht belangt zu werden. Ach, wie liebe ich feige Heckenschützen, die falsche Gerüchte streuen.
Es ist schon eine eigentümliche Sammlung von Gerüchten und übler Nachrede, die hier über einen aufrechten Mann wie Klaus Traube ausgeschüttet wird. Zum HDR weiss jeder Insider, dass damals in einer Art Sabotage die Konstruktionszeichnungen manipuliert (radiert) worden sind, was zu Fehlkonstruktion und das Ende dieses Reaktors bedeutete. Wenn jemand die Schuld zugeschoben werden kann, dann höchstens der Qualitätskontrolle und nicht Traube.
AntwortenLöschenDer Atomausstieg jedenfalls ist auch Traubes Erfolg im Kampf gegen die AKW-Stümperei .......