Sonntag, 21. Februar 2010

Ein Nobelpreis, zwei Anwärter

Es geschah vor mehr als einem halben Jahrhundert, genauer gesagt, im Jahr 1957. Ich werkelte zu jener Zeit gerade als Student der Physik an der Technischen Hochschule (TH) München an meiner Dissertation, als sich unter den Kollegen im Labor das Gerücht verbreitete, dass "einer der Unsrigen" bei seiner Doktorarbeit etwas ganz Besonderes ausgeknobelt habe. Der Doktorand hiess Rudolf Mößbauer und seine Arbeit handelte von der Emission und der Absorption der Gammastrahlen. Eigentlich nichts Aussergewöhnliches im Institut von Professor Heinz Maier-Leibnitz - von uns auch ML genannt - , wo die überwiegende Anzahl der Diplomanden und Doktoranden auf dem Gebiet der Kernphysik forschte.


Rudolf Mößbauer (geb. 1929) --- Heinz Maier-Leibnitz (geb.1911)

Aber es war doch etwas Besonderes, ja sogar etwas Einzigartiges. Mößbauer hatte im Verlauf seiner Doktorarbeit die sogenannte "rückstossfreie Kernresonanzabsorption durch Gammastrahlen" gefunden. Im Rahmen eines Blogs kann dieses Phänomen kaum allgemein verständlich dargestellt werden, deshalb möge ein Beispiel aus dem täglichen Leben den Effekt veranschaulichen: Will ein Junge von einem kleinen Boot aus an Land springen, so landet er im Wasser, weil das Boot durch den Rückstoss beim Absprung nach hinten wegfährt. Liegt das Boot aber in einem gefrorenem See, so kann es nicht weggleiten und der Junge landet sicher am Ufer. Mößbauer nahm anstelle des Boots Iridium-191-Atome, welche Gammastrahlen aussenden. Wie der Junge überträgt das davon eilende hochenergetische Gammateilchen einen gewaltigen Stoss auf das Iridiumatom und verliert dabei an Energie. Ist das Atom aber fest in einem Kristallgitter eingebaut, dann geht es dem Gammaquant wie dem Jungen auf dem zugefrorenem See: es kann seine ganze Energie mitnehmen. Trifft es nun auf ein exakt gleichartiges (Iridium-)Atom, dann kann es ihm diese Energie auch übertragen (Absorption).

Mößbauers Versuchsanordnung

Mößbauer begann seine Messungen bei Zimmertemperatur mit einer Anordnung, die oben schematisch dargestellt ist. Als er Quelle und Absorber abkühlte, erhöhte sich die Zählrate am Detektor. Grund: der Rückstossimpuls wird nicht mehr an ein einzelnes Atom, sondern an das ganze Kristallgitter übertragen (festgefrorenes Boot). Ausgerechnet bei Iridium-191 sind aber die zu messenden Effekte extrem klein. Es war Mößbauers wissenschaftlicher Akribie zu verdanken, dass er die beobachteten Abweichungen nicht einem Messfehler zuschob und an dieser Stelle aufhörte. An Eisen-57 wäre dieser Effekt viel deutlicher aufgetreten und hätte leichter gemessen werden können.

Durch das Prinzip der rückstossfreien Emission von Gammaquanten erhält man ein Strahlungssignal von ausserordentlich hoher Frequenzschärfe. Mößbauer fand heraus, dass man - wie beim Radio - Sender und Empfänger aufeinander abstimmen kann. Bei seiner Versuchsanordnung bewegte er die Quelle auf die Probe zu oder von ihr weg und konnte ermitteln, bei welcher Geschwindigkeit eine Absorption eintritt. Die grosse Bedeutung des Mößbauereffekts besteht also darin, dass man winzige Frequenzänderungen (in der Grössenordnung von einem Milliardstel) feststellen und vermessen kann. Der Effekt wurde bald zur Grundlage eines unerhört genauen Messverfahrens, der Mößbauer-Spektroskopie. Es gelang es nachzuweisen, dass Lichtquanten (Photonen) vom Schwerefeld der Erde angezogen werden, womit man die Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie erstmals im Labor bestätigen konnte.

Die Mößbauer-Spektroskopie hat eine herausragende Bedeutung für viele Forschungsgebiete von der Physik über die Chemie, Geologie, Mineralogie, Archäologie bis hin zur Medizin. Auch die jüngst auf dem Mars gelandeten Roboter "Spirit" und "Opportunity" hatten Mößbauer-Spektrometer an Bord. Damit entdeckten sie auf ihren kilometerlangen Touren Minerale, die nur in Gegenwart von Wasser entstehen konnten. Das war der Nachweis, dass es einst auf dem Mars nicht nur Wasser, sondern auch eine viel sauerstoffreichere Atmosphäre als heute gegeben haben muss.

Niemand war mehr sonderlich verwundert, dass Rudolf Mößbauer im Herbst 1961 den Nobelpreis für Physik (zusammen mit Robert Hofstadter) erhielt, "für seine Forschungen über die Resonanzabsorption der Gammastrahlung und seine Entstehung, die den Namen Mößbauer trägt". Diese Begründung des Nobelkommittees war höchst ehrenvoll, kam doch darin - zum ersten und einzigen Mal - der Name des Laureaten vor.

Trotzdem: in den Kreisen der Münchener Physiker, insbesondere der jüngeren, war man enttäuscht darüber, dass nicht auch Professor Maier-Leibnitz mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden war. Die nominelle Möglichkeit dafür hätte bestanden, denn nach den Regularien des Nobelkommittees können in jedem Jahr bis zu drei Kandidaten nominiert werden. Warum also nicht Mößbauer und Maier-Leibnitz, zusammen mit Hofstadter, der den Preis für ein anderes Forschungsgebiet erhielt?

Der Beitrag von Maier-Leibnitz (ML) bei der Entdeckung der rückstossfreien Kernresonanz und auch bei der nachfolgenden Mößbauer-Spektroskopie war offenkundig. ML hatte den jungen Mößbauer betreut und ihm ein Doktorthema gegeben, bei dem bedeutsame Ergebnisse zu erwarten waren durch vorausgehende Veröffentlichungen der angloamerikanischen Forscher Moon, Metzger und Lamb. Um nochmal ein Beispiel zu bemühen: ML hatte Mößbauer das Waldstück gezeigt, in dem er Pilze vermutete - die Steinpilze hatte Mößbauer allerdings selbst gefunden. Des weiteren schickte ihn ML 1955 als einzigen seiner Doktoranden zum Max-Planck-Institut nach Heidelberg, wo er bessere Arbeitsmöglichkeiten hatte als in dem (noch im Aufbau befindlichen) Münchener Institut.

Und schliesslich: Schon im März 1958, also unmittelbar nach der Entdeckung des Effekts - und volle dreieinhalb Jahre vor der Nobelpreisvergabe - hatte Maier-Leibnitz in nahezu visionärer Weise fast alle Anwendungen des Mößbauer-Effekts aufgeschrieben. Die Auflistung (Ausriss unten) umfasst im Original 15 Punkte; es fehlten eigentlich nur die Gravitationsexperimente.


Anwendungen des Mößbauer-Effekts
(nach Maier-Leibnitz, Mai 1958)

Es bleibt also die Frage, warum ML trotz seiner engen Beteiligung an diesem Thema, nicht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist. Die einzig schlüssige Antwort darauf ist: er wollte nicht. Er wollte Mößbauer offenbar - in einem Überschwang von Altruismus, wie viele von uns meinten - allein diese Ehrung zukommen lassen. Die Entscheidung fiel vermutlich im Sommer 1961, als Professor Waller als Abgesandter des schwedischen Nobelkommittees Maier-Leibnitz am Rande einer Konferenz in Paris aufsuchte. Nach Meinung (nicht anwesender) Beobachter wäre es für ML ein Leichtes gewesen, "sich in Position zu bringen". Er wollte dies nicht und verzichtete zugunsten seines Schülers auf den Nobelpreis.

Umgekehrt war das Bemühen auf seiten Mößbauers. Er war nicht nur intelligent und fleissig, sondern besass auch einen gesunden, ja robusten Ehrgeiz. Dafür gibt es eine aufschlussreiche Episode aus jener Zeit, in der er am Münchener Institut seine Diplomarbeit fertigte. Sie befasste sich mit der besonders genauen Messung der Intensität von Gammastrahlen. (Man registriere die thematische Nähe zur späteren Doktorarbeit!) Dafür erhielt er Zugriff auf einen Oszillografen, der allerdings Gemeinschaftseigentum mehrerer Kollegen war. Um dieses Gerät aber für sich allein nutzen zu können - das ist verbürgt - machte es Mößbauer in seiner Abwesenheit (durch Auslöten einer Komponente?) stets "kaputt" und "reparierte" es wieder, wenn er es brauchte.

Dass Mößbauer in den Gespräche mit den Abgesandten des Nobelkommittees seine eigene Leistung nicht unter den Scheffel gestellt hat - eventuell sogar zu Lasten von ML - dafür gibt es keine direkte Beweise, aber zumindest zwei indirekte Indizien, die kurz angeführt seien.

Im Jahr 1986, also volle 25 Jahre nach der Nobelpreisverleihung wurden die Schüler von Maier-Leibnitz aufgefordert, ihren wissenschaftlichen Werdegang kurz zu beschreiben. Diese "Lebensläufe" wurden von Otto Schult in einem schönen Buch zusammengestellt und Professor Maier-Leibnitz zu seinem 75. Geburtstag feierlich übergeben. Natürlich war Mößbauer ML´s renommiertester Schüler und sicherlich wurde sein Beitrag von den allermeisten gelesen. Er war enttäuschend, um das mindeste zu sagen; auf einer knappen dreiviertel DIN A4-Seite beschrieb er seine Doktorandentätigkeit unter ML auf eine Weise, die man nur als knochentrocken und anteilslos bezeichnen kann. Da die Handschrift des damals bereits 57-jährigen (unten) etwas schwer zu lesen ist, sei die Passage vom Eintritt in das Institut Maier-Leibnitz, über die Nobelpreisarbeit bis zu seinem Abgang in die USA nochmals in Maschinenschrift wortgetreu wiedergegeben.


Mößbauer beschreibt seine Diplom- und Doktorandentätigkeit
bei Maier-Leibnitz

"...Die Diplomarbeit bei Herrn Professor Maier-Leibnitz, die in einer Atmosphäre grosser Freiheit durchgeführt werden konnte, war von vornherein als Vorläufer einer Dissertation angelegt. Es war ebenfalls Herr Professor Maier-Leibnitz, der mir nach Abschluss meiner Diplomarbeit im Jahre 1955 die Möglichkeit verschaffte, an das Institut für Physik am MPI für medizinische Forschung in Heidelberg zu gehen, um dort unter seiner Leitung eine Dissertation durchzuführen. Als mit nur mässigen theoretischen Vorkenntnissen ausgestatteter junger Physiker war die wissenschaftliche Atmosphäre Heidelbergs für die Durchführung meiner Arbeiten, die 1957 zu der Entdeckung und Deutung der "Rückstoßfreien Resonanzabsorption von Gammastrahlung" führten, von entscheidendem Einfluss. Nach Abschluss der Dissertation im Jahre 1958 war ich zwei Jahre lang wissenschaftlicher Assistent bei Herrn Maier-Leibnitz..."

Ich glaube nicht, dass selbst ein aufmerksamer Leser in diesen wenigen Sätzen eine Mitwirkung von ML an seiner Dissertation herauslesen kann. Eine hommage an seinen früheren Lehrer war es sicherlich nicht.

Zu einer gewissen Misstimmung kam es bei der nachfolgenden Feier zu ML´s 75 Geburtstag, die in einem grossen Rahmen statttfand. Als Laudator war Mößbauer bestimmt und alle erwarteten eigentlich, dass er seinem Doktorvater (rhetorisch) Blumen überreichen würde. Das war aber nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Mößbauer rollte nocheinmal die ganze Geschichte der Entdeckung des Effekts auf und liess keinen Zweifel daran, dass die Messungen und ihre Deutung allein auf sein Konto gingen. Für seinen väterlichen Betreuer Maier-Leibnitz fiel wenig bis nichts ab. Ich höre heute noch das ärgerliche Gegrummel im Auditorium; einige verliessen sogar ostentativ vorzeitig die Veranstaltung. Zum 80. Geburtstag, fünf Jahre später, stand Mößbauer nicht mehr auf der Rednerliste eines ähnlichen Festkolloquiums.

Nun, ich möchte mit dieser historischen Darstellung nicht den Stab über Mößbauer brechen; das wäre vermessen, angesichts seiner unbezweifelbaren Leistungen. Gerne hätte ich ihn zu diesen Dingen nochmals selbst befragt. Das ist aber nicht mehr möglich, denn er leidet seit Jahren an einer schweren, altersbedingten Krankheit.

Sonntag, 7. Februar 2010

Oettinger can speak English

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Hermann Oettinger, - als "Landesvater" (wie Edwin Teufel) wurde er bei seinen Untertanen nie geführt - hat das gleiche Schicksal ereilt, wie derzeit viele Mitfünfziger: er muss seinen geliebten Job aufgeben. Aber im Gegensatz zum gewöhnlichen Volk wird er nicht in den Vorruhestand abgeschoben oder gar in die Arbeitslosigkeit mit nachfolgendem Hartz 4 entlassen, sondern er wird demnächst bei der Europäischen Union (EU) in Brüssel als hochrangiger Kommissar einchecken. Dort wird er mit 20.000 Euro pro Monat noch besser entlohnt werden als jetzt schon. Und seine bereits erreichte Politikerpension von 5.000 Euro/M darf er natürlich auch mitnehmen. Wir, das einfache Staatsvolk, brauchen uns also um Günther keine sonderlichen Sorgen zu machen.
Auch die neue Aufgabe als Energiekommissar wird den Juristen und ehemaligen Steuerberater nicht übermässig fordern, denn in der EU ist die Energie seit eh und je eine Angelegenheit der Mitgliedsstaaten, worin die Kommission wenig zu sagen hat. Die Franzosen werden weiterhin ihr 59 Kernkraftwerke betreiben und weitere dazu bauen, die Österreicher werden sich weiterhin ökologisch gebärden (und insgeheim Atomstrom importieren) und wir Deutsche werden - wie seit zehn Jahren beschlossen - unsere 17 Kernkraftwerke stillegen. Oder auch nicht.

Trotzdem, etwas Bammel hat unser Günther doch - und das nicht ohne Grund. Die EU ist bekanntermassen eine Vielvölkerorganisation mit nicht weniger als 23 offiziellen Sprachen. Freilich kann sebst der Herr Präsident Barroso nicht verlangen, dass alle seine Beamten polyglott sind, aber in den Hauptsprachen Deutsch, Französisch und vorallem Englisch sollten sie schon parlieren können. Da hapert es bei Oettinger ganz offenkundig. Seine Stakkato-Sprechweise mit schwäbischer Einfärbung ist selbst im Landesteil Baden kaum verständlich. Über seine Französischkenntnisse ist nichts bekannt, aber Englisch - das behauptet er - kennt er seit seiner Gymnasialzeit in Ditzingen und Korntal. Diese liegt allerdings schon fast vierzig Jahre zurück.

Die allseitigen Zweifel an seinen Sprachkenntnissen wollte der noch-Ministerpräsident offensichtlich bei einer kürzlichen Konferenz der Columbia University in Berlin vom Tisch wischen, indem er (zurÜberraschung aller) eine Rede auf Englisch hielt. Sie geriet zur linguistischen Katastrophe. Denn Oetttinger nuschelte bis zur Unverständlichkeit und es gelang ihm nicht, Worte wie "capable", oder "liberalization", ja sogar "energy", richtig zu prononcieren. Wörter mit mehr als drei Silben, wie "stabilization" oder "infrastructure" überforderten ihn ganz offensichtlich. Zum Abschluss verblüffte er noch mit der Sentenz: "In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting in one boat", was beim Auditorium auf ziemliches Gedränge schliessen liess.

Inzwischen tauchte diese Rede im Internetportal "YouTube" auf, und entwickelte sich dort zum Publikumsrenner. Die Kommentare reichen von "Oettinger is stammling English" bis zu "worse than Westerwave", wobei auf einen Politikerkollegen verwiesen wird, der im Englischen ähnlich sprachgewaltig ist.


Video über Oettingers Rede

Dennoch, aus sprachlichen Gründer wird Oettinger in Brüssel nicht scheitern. Dafür sorgen schon die 1.750 Übersetzer und die über tausend Dolmetscher, welche dort in je einer Generaldirektion (!) geführt werden. Die Dolmetscher siedeln sich im Ranking gerne oberhalb der Übersetzer an, ja sie betrachten ihre Tätigkeit als "das zweitälteste Gewerbe der Welt". Zur Begründung können sie auf Historiker verweisen, die berichtet haben, dass Alexander der Grosse, Julius Caesar und Napoleon bei ihren Feldzügen stets von Dolmetschern begleitet waren. Auch in der deutschen Wehrmacht gab es während des 2. Weltkriegs umfangreiche Dolmetscherkompanien. Dem grossen Publikum wurde das Dolmetschen insbesondere durche die Wochenschauen über die Nürnberger Prozesse bekannt.

Es gibt mehrere Arten der sprachlichen Übertragung; die wichtigste ist sicherlich das Simultandolmetschen. Dort wird der Ausgangstext des Redners (fast) gleichzeitig - simultan - durch Dolmetscher in mehrere andere Sprachen übersetzt. Nachsehen im Wörterbuch ist dabei unmöglich; der Dolmetscher muss seinen"Wörtersack" stets mit sich tragen und gut vorbereitet sein. Während meiner aktiven Berufszeit habe ich viele Konferenzen bei der EU in Brüssel miterlebt und dabei festgestellt, dass dies nicht allen Dolmetschern gleich gut gelingt. Insbesondere bei Aufzählungen (wie technischen Stücklisten) kam der eine oder andere gelegentlich schon ins Schleudern. Um nicht aufzufallen bedienen sie sich verschiedener Tricks: sie versuchen die unbekannte Vokabel, so gut es in der Eile geht, zu umschreiben - oder sie lassen diese einfach weg. "In doubt, leave out" ist ein bekannter Kalauer der Simultandolmetscher und das Publikum merkt es in den seltensten Fällen.

Problematisch bei der Übertragung vom Deutschen ins Englische ist der Umstand, das die deutsche Sprache das Verb an den Schluss stellt. Beginnt ein Deutscher seine Rede mit ich habe und fährt dann mit einem langen Zwischenteil fort, so kann er diesen Satz mit zugelassen oder auch nicht zugelassen beenden. Der Dolmetscher muss warten bis das Verb endlich gesprochen wird und rattert dann in erhöhtem Tempo den Satz herunter. Wenn man also seinem Dolmetscher gewogen ist, dann sollte man sinnwichtige Verben möglichst frühzeitig bringen, indem man beispielsweise formuliert: ich habe zugelassen, dass...

Simultandolmetscher sitzen fast immer in schallisolierten Kabinen, die längs der Wände des Konferenzraums aufgereiht sind. Sie hören den Redner über Kopfhörer und sprechen in ein Mikrofon, dessen Signal wiederum zu den Kopfhörern der Konferenzteilnehmer geleitet wird. Üblicherweise wechseln sie sich nach einer halben oder ganzen Stunde ab, denn ihre Arbeit erfordert eine hohe Konzentration und auch die stimmliche Belastung ist nicht zu unterschätzen. Von dem TV-Moderator Roger Willemsen stammt der Spruch: "Dolmetscher sind Höhlenmenschen", womit er nicht unrecht hat, verbringen diese doch die meiste Zeit im Dunkel ihrer Kabuffs.

Dolmetscherkabinen

Wenn Kommissar Oettinger eine hochrangige Delegation aus Japan zu betreuen hat, dann wird er wohl die Dienste eines Konsekutivdolmetschers in Anspruch nehmen. Bei Anlässen dieser Art werden üblicherweise zu Beginn sehr formelle (und wenig informative) Eingangsreden gehalten. Der - meist betagte - japanische Daddy liest seine Rede ab und nach 5 oder auch 10 Minuten legt er eine Pause ein, während der der Dolmetscher konsekutiv (abschnittsweise) übersetzt. Diese Dolmetscher sind wahre Gedächtniskünstler; zur Unterstützung bedienen sie sich einer persönlichen Kurzschrift (kein Steno!) für die Hauptgedanken der Rede.

Schliesslich gibt es noch den Flüsterdolmetscher; dabei handelt es sich um eine Spielart des Simultandolmetschers - aber ohne Einsatz von Technik. Geht Oettinger mit seinem Gast zum Essen, so wird er sich womöglich eines Dolmetschers bedienen, der auf einem Stühlchen hinter ihm und seinen Gast platziert ist und der den üblichen small talk zwischen beiden mit leiser Stimme übersetzt. Ins Ohr flüstern ist sehr anstrengend, obwohl man sich das kaum vorstellen kann; deshalb ist diese Spielart des Übersetzens bei Dolmetschern auch gar nicht beliebt.


Flüsterdolmetschen bei Tisch

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass in Brüssel für alle translatorische Probleme bestens gesorgt ist. Im Falle Oettinger könnte jedoch noch ein kleines landsmannschaftliches Problem auftauchen, da der echte Schwabe bekanntlich alles kann - ausser Hochdeutsch. Aber auch dafür hat die Bürokratie der EU etwas erfunden, nämlich das Relais-System: Oettingers Stakkato-Schwäbisch wird einfach ins Hochdeutsche übertragen und von dort aus (deshalb Relais!) weiter in andere europäische Hochsprachen.

Fazit: Günther Oettinger kann kommen.