Vor wenigen Monaten ist die Biografie "J. Robert Oppenheimer" im Propyläen-Verlag erschienen, jenes Physikers, den die Welt inbesondere unter der makaberen Bezeichnung "Vater der Atombombe" kennt. Die 672 Seiten der Autoren Kai Bird und Martin J. Sherman bieten ausreichend Lesestoff für eine Woche und sind ein erwägenswertes Geschenk an Naturwissenschaftler sowie politisch und historisch Interessiert (30 Euro).
Robert Oppenheimer kam im April des Jahres 1904 als Sohn eines aus dem hessischen Hanau eingewanderten jüdischen Tuchhändlers zur Welt; die Mutter, Kunsterzieherin mit einer Malerausbildung in Paris, hatte ihre Wurzeln in Bayern. Der junge Robert, dessen vielseitige Begabung die Eltern von Anbeginn erkannten, wurde an einem privaten Gymnasium erzogen und studierte anschliessend an der Harvard-Universität Chemie, klassische Philologie und Orientalistik.
Trotz Bestnoten fühlte sich Robert nicht glücklich, weshalb er für das Master-Studium nach England an das Cavendish Laboratory der Universität Cambridge wechselte und dort von Ernest Rutherford mit experimentellen Arbeiten im Bereich der Physik beauftragt wurde. Für Versuche hatte der mehr theoretisch ausgerichtete Oppenheimer aber weder Neigung noch Begabung. Er entwickelte eine nervliche Krise, die eine längere psychiatrische Heilbehandlung erforderlich machte. Danach verlegte er sich ganz auf die theoretische Physik. Max Born in Göttingen wurde auf den jungen Studenten aufmerksam wurde und bot ihm eine Doktorarbeit an.
Die Universität Göttingen war in den zwanziger Jahren das Mekka der Physik. Werner Heisenberg hatte (zusammen mit Nils Bohr und Max Planck) die Quantenmechanik "erfunden" und in seiner Umgebung bewegten sich so berühmte Physiker wie Pascual Jordan, Wolfgang Pauli, Enrico Fermi, Paul Dirac und Edward Teller. In Göttingen erlebte Robert Oppenheimer eine glückliche Zeit, wie er später oftmals bekannte. Seine Nervenkrise verschwand und das Leben in der überschaubaren Kleinstadt tat ihm gut. Wenn man zum "Schwarzen Bären", einem Wirtshaus aus dem 15. Jahrhundert, zum Biertrinken ging, war es häufig Robert, der die Rechnung beglich. Materieller Besitz war ihm gleichgültig, nicht aber die Bewunderung seiner Freunde. Nach nur zwei Jahren promovierte er in Göttingen "mit Auszeichnung" mit einer Arbeit über die Atomspektren. Dem damaligen Brauch entsprechend musste der frischgebackene Doktor in den Brunnen vor dem Rathaus steigen und die "Gänseliesel", eine Bronzefigur, küssen.
In seiner Heimat Amerika wurde man auf den jungen Wissenschaftler Robert Oppenheimer aufmerksam und eine Reihe von Universitäten boten ihm Professuren an. Er entschied sich schliesslich für Kalifornien, wo er abwechselnd in Pasadena und Berkeley Vorlesungen abhielt. Bezeichnend für den damaligen Stand der Phyik in den USA war die Tatsache, dass es - vor Oppenheimer - an der Universität Berkeley keinen einzigen Lehrstuhl für theoretische Phyik gab! Für "Oppie", wie ihn seine Freunde nannten, waren die dreissiger Jahre eine sehr kreative Zeit. Er veröffentlichte Dutzende wissenschaftlicher Arbeiten, zumeist aus dem Gebiet der Quantenphysik. Darüberhinaus interessierte er sich aber auch für die Astrophysik, welche erst zwanzig Jahre später in das Blickfeld der Physiker und Astronomen gelangte. Seine Veröffentlichungen über Neutronensterne und den gravitativen Kollaps schwerer Sterne zu Schwarzen Löchern (ein Begriff der erst viel später von Hawking geprägt wurde) belegen das.
Im politischen Spektrum der Vereinigten Staaten, das bislang nur die Demokraten und Republikaner kannte, war mittlerweile eine dritte Partei hinzu gekommen: die Kommunistische Partei der USA (KPUSA). Die Weltwirtschaftskrise und der "New Deal" des Präsidenten Franklin D. Roosevelt hatte viele Verlierer hinterlassen, insbesondere im Mittelstand. Studenten und Professoren waren zudem angewidert von den rechtsnationalen Bewegungen in Deutschland und in Spanien. "Gleichheit und Solidarität" war ein beliebtes Schlagwort, wobei man die Freiheitsbeschränkung in der Sowjetunion schlichtweg ausblendete. Auch Robert Oppenheimer war in seinem Freundeskreis umgeben von Anhängern der KPUSA. Er selbst war zwar nicht Mitglied dieser Partei, liebäugelte aber offensichtlich mit ihren Zielen und brüstete sich, auf einer Zugreise nach Washington D.C., sämtliche drei Bände des "Kapital" von Karl Marx gelesen - und verstanden! - zu haben.
Im privaten Bereich war der junge Professor Oppenheimer kein Kind von Traurigkeit. Und die Damen, ledig und verheiratet, umschwärmten den gut aussehenden Junggesellen, der seine schlanke Figur (1,77 Meter bei 57 Kilo) vorteilhaft in Massanzügen aus feinem Tuch zur Geltung brachte. Geradezu ein Markenzeichen war die Zigarette - später die Pfeife - im Mundwinkel und der knautschige Hut, den die Amerikaner "pork-pie" nannten. Nach einer Vielzahl von Affären (auch mit Ehefrauen von Kollegen) brachte ihn schliesslich Katherine Puening Harrison, genannt "Kitty" zur Strecke. Er heiratete die bereits zwei Mal Geschiedene 1940, worauf im Hause Oppenheimer der Alkohol nie mehr ausging. Robert mischte seine berühmten Martini-Cocktails auf unnachahmliche Weise: ein Tropfen Wermouth und den Rest des Glasses mit Gin auffüllend. Ehefrau Kitty war Oppies beständigste Abnehmerin! Schon ein Jahr nach der Eheschliessung wurde der Sohn Peter geboren, zu dem Kitty zeitlebens keine Bindung fand. Drei Jahre später kam das Mädchen Toni hinzu, dem Kitty in wahrer Affenliebe anhing.
Die Entdeckung der Uranatomspaltung durch die deutschen Wissenschaftler Otto Hahn und Fritz Strassmann wurde in den USA mit grösster Sorge registriert. Die von Hitler vertriebenen Physiker waren sich "sicher", dass in Deutschland an einer Atombombe geforscht würde. Einstein wandte sich deshalb in einem Brief an den Präsidenten Roosevelt mit der Aufforderung, dass die USA ebenfalls eine Bombe bauen sollten. Tatsächlich wurde ein "Urankomitee" ins Leben gerufen, das ein Stab des Weissen Hauses koordinierte. In Oak Ridge und Hanford sollten die bombenfähigen Isotope produziert werden.
Zur Entwicklung und zum Bau der eigentlichen Atomwaffen benötigte man ein gesondertes Forschungszentrum, das unter dem Namen Los Alamos im Hochland von New Mexico, etwa 50 Kilometer nördlich von Santa Fe gegründet wurde. Zum wissenschaftlichen Direktor benannte man den inzwischen charismatischen Wissenschaftler J. Robert Oppenheimer, der formell dem Armeegeneral Leslie R. Groves unterstellt wurde. Oppenheimer gelang es (bis auf wenige Ausnahmen) alle Top-Wissenschaftler der USA für sein Unternehmen zu gewinnen, das unter der Code-Bezeichnung "Manhattan-Projekt" lief und von der Inlandsspionageabwehr FBI als "top secret" eingestuft wurde. Los Alamos wurde 1943 in wenigen Monaten praktisch aus dem Boden gestampft; zwei Jahre später arbeiteten dort mehr als 3.000 Ingenieure und Wissenschaftler. Auch Oppenheimers acht Jahre jüngerer Bruder Frank, ein ausserordentlich begabter Experimentalphysiker, war dort in leitender Funktion tätig.
Die Wissenschaftler in Los Alamos, welche gewohnt waren, mit begrenzten Mitteln und praktisch ohne Termine zu arbeiten, mussten nun lernen, mit unbegrenzten Mitteln und strengen Terminvorgaben zurecht zu kommen. Schon bald hatten die Theoretiker herausgefunden, wieviel Spaltstoff für eine Atombombe mit der Explosionswirkung von 20.000 TNT notwendig war: bei der Uranbombe benötigte man einen Urankern von der Grösse einer Melone, bei der Plutoniumbombe wäre der Kern nicht grösser als eine Orange gewesen. Übrigens verbot Oppenheimer seinen Forschern die Benutzung des Wortes "Bombe"; stattdessen sollte von "Gadget" gesprochen werden, was mit Apparat bzw. Gerät übersetzt werden könnte.
Dennoch geriet das Projekt bald in eine Krise; die kurz bemessene Zeit eilte davon und noch immer glaubte man sich mit den "Nazi-Forschern" in Deutschland im Wettbewerb. Als man erfuhr, dass Werner Heisenberg, in welchem man den "deutschen Oppenheimer" vermutete, in der Schweiz einen Vortrag halten wollte, schickte der US-Geheimdienst sogar einen Agenten dorthin, um Heisenberg zu entführen oder gar zu töten. Der ehemalige Baseballspieler Moe Berg konnte sich jedoch weder zum Einen noch zum Anderen entschliessen.
Ein grosses Problem war die geringe verfügbare Menge an spaltbarem Uran. Es wurde durch fraktionierte Diffusion und und elektromagnetische Trennung gewonnen. Im Sommer 1944 ordnete Oppenheimer deshalb den Aufbau einer weiteren Anlage zur Thermodiffusion in Oak Ridge an, was sich als voller Erfolg herausstellte. In wenigen Monaten war der Nachschub an Uran gesichert. Zur Zündung des Uran-235 setzte man auf den sogenannten "Gun-Design". Dabei wurde eine solche Menge spaltbaren Materials in ein anderes, ebenfalls spaltbares Material geschossen, sodass der kritische Zustand erreicht wurde und es zu einer unkontrollierten Kettenreaktion, sprich Kernexplosion, kam.
Schon bald zeigte sich, dass bei der Plutoniumbombe die Methode der Kompaktifizierung nicht funktionierte, weil es dort (wegen der Neutronen) zu einer Frühzündung gekommen wäre, was die Brisanz der Bombe drastisch vermindert hätte. Die neue Idee war, Linsen aus Sprengstoff um die pampelmusengrosse, lose gepackte Plutoniumkugel herum zu lagern; die nach innen zielende symmetrische Sprengstoffexplosion sollte das Plutonium spontan zu einer Kugel von Golfballgrösse verdichten, worauf die nukleare Explosion in Gang gekommen wäre. Aber die Forscher waren sich ihrer theoretischen Analysen nicht vollkommen sicher, worauf Oppenheimer - nur für die Plutoniumbombe - eine Testexplosion anordnete. Sie fand im Juli 1945 auf dem "Trinity"-Gelände in New Mexico statt und war ein "voller Erfolg". Zum ersten Mal erhob sich eine pilzförmige Wolke über Ground Zero kilometerhoch in den Himmel.
Ein neues Zeitalter hatte begonnen.
Mittlerweile war den Bombenbauern aber ihr "Lieblingsfeind" abhanden gekommen. Deutschland hatte am 8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert - gerade noch rechtzeitig bevor die amerikanischen Kernwaffen zur Verfügung standen. (Einige Monate später stellte sich, u. a. bei den sogenannten Farmhall-Gesprächen heraus, dass die deutschen Wissenschaftler nie an dieser Massenvernichtungswaffe gearbeitet hatten und dass sie auch von den deutschen Politikern nie in Erwägung gezogen worden war.) Viele in Los Alamos waren enttäuscht, dass sie zu spät gekommen waren. So richteten sie ihre Blicke auf Japan, ein Land, mit dem man sich noch im Krieg befand, der aber sichtbar dem Ende zuging. Ausserdem war unstrittig, dass die japanischen Wissenschaftler kein Atomprojekt verfolgten. Trotzdem unterzeichnete Oppenheimer im Juni 1945 ein Memorandum, in dem er "den sofortigen Einsatz von Atomwaffen auf Japan" empfahl.
Am 6. und 9. August 1945 warfen amerikanische Flugzeuge zwei Atombomben (mit den banalen Namen "Little Boy" und "Fat Man") über die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki ab. Die Folgen sind bekannt: mehr als 200.000 Menschen starben sofort oder in unmittelbarer Folge. Viel später, 1960, reiste Oppenheimer zum ersten Mal nach Japan und auf dem Flughafen Tokio bestürmten ihn die Journalisten mit Fragen. "Ich bedauere es nicht", sagte er leise, "dass ich mit dem technischen Erfolg der Bombe zu tun hatte. Ich will nicht sagen, dass ich mich nicht schlecht fühle; aber ich fühle mich heute Abend nicht schlechter als gestern Abend". Die Übersetzung dieser vieldeutigen Gedanken ins Japanische wird nicht einfach gewesen sein.
Zurück ins Jahr 1945. Oppenheimer, den vorher - ausserhalb der Sphäre der Wissenschaft - praktisch niemand kannte, wurde als "Vater der Atombombe" schnell zu einer Berühmtheit, ja zu einer amerikanischen Ikone. Die Zeitungen bestürmten ihn wegen Interviews, überallhin wurde er zu Vorträgen eingeladen. Auch Präsident Harry S. Truman, der dem im April 1945 verstorbenen Franklin D. Roosevelt nachgefolgt war, wollte den berühmten Physiker kennenlernen und lud ihn ins Weisse Haus ein. Bei dieser Unterredung verärgerte Oppenheimer den Präsidenten, weil er die Bemerkung fallen liess, dass er "Blut an den Händen" habe. Truman, ein Politiker simplen Zuschnitts, bezeichnete ihn daraufhin als "cry-baby" (Heulsuse) und entliess ihn schon nach einer halben Stunde ziemlich abrupt aus dem Oval Office.
Der Popularität (und der weiteren Karriere) Oppenheimers tat dies jedoch keinen Abbruch. Oppie wurde nach wie vor zu unzähligen Veranstaltungen eingeladen und betätigte sich als Berater bei höchsten Regierungsstellen, z. B. beim Aussenministerium, beim Kriegsministerium und bei der Amerikanischen Energie Commission (AEC), welche den weiteren Bau der Atombomben zu koordinieren hatte. Zunehmend jedoch verärgerte er den Vorsitzenden der AEC Lewis Strauss dadurch, dass er öffentlich die Rüstungskontrolle forderte und vorschlug, das "Atomgeheimnis" mit dem ehemaligen Verbündeten, der Sowjetunion, zu teilen. Die offizielle US-Politik dachte aber nicht im Traum daran. Bereits fünf Jahre nach dem Krieg hatte man 300 Kernwaffen im Depot und mit der Atombombe wähnte man sich auf dem Weg zur absoluten Weltmacht.
Einen politischen Einschnitt brachte die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe am 2. August 1949. Amerika und insbesondere der Präsident Truman konnten nicht glauben, das es dem technisch rückständigen und vom Krieg noch darnieder liegenden Russland gelungen war, das Manhattan-Projekt nachzumachen. Da konnte nur Verrat im Spiel sein. Der Senator Joseph McCarthy und der FBI-Chef Edgar Hoover suchten fortan nach diesen kommunistischen Spionen und wurden fündig. Das jüdische Ehepaar Ethel und Julius Rosenberg wurde der Atomspionage für die Sowjetunion bezichtigt, 1961 zum Tode verurteilt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.
Nun wurde auch die Luft für Oppenheimer dünner, dessen Neigung zum Kommunismus in den dreissiger Jahren dem FBI natürlich bekannt war. Besonders belastet hat ihn der Fall des deutsch-britischen Atomspions Klaus Fuchs, der 1944 eine Zeitlang in Los Alamos gearbeitet hatte und dabei streng geheime Unterlagen zur Atom - und sogar zur Wasserstoffbombe an die Sowjets weiter leitete. Der AEC-Vorsitzende Lewis Strauss verlangte von Oppenheimer, dass er seine Beratertätigkeit einstelle und als sich dieser weigerte, kam es zur Bildung eines Untersuchungsausschusses. Oppenheimer wurden u. a. seine Versäumnisse im Fall Fuchs vorgeworfen und Edward Teller beschuldigte ihn darüberhinaus, dass er die Entwicklung der Wasserstoffatombombe bewusst verzögert habe. Mit 2 : 1 Richterstimmen wurde Oppenheimer für schuldig befunden - aber er verlor nicht sein Leben, sass noch nicht einmal einen einzigen Tag im Gefängnis, sondern es wurde ihm lediglich die "security clearance", also die Unbedenklichkeitsbescheinigung, entzogen. Ab sofort hatte er keinen Zugang mehr zu geheimen Papieren, was seine Beratertätigkeit bei den verschiedenen Regierungskommissionen beendete.
Über den etwa zwei Monate andauernden Prozess schrieb der deutsche Theaterautor und Psychiater Heinar Kipphardt 1964 sein Stück "In der Sache J. Robert Oppenheimer", das die Theaterbesucher in ganz Europa elektrisierte. Nur Oppenheimer selbst gefiel es nicht, er wollte sogar den Autor verklagen. Insbesondere mit dem Schlussmonolog war er gar nicht einverstanden, weil Kipphardt ihm Schuldgefühle wegen des Baus der Atombombe in den Mund gelegt hatte!
Von 1947 bis zu seinem Tode war Oppenheimer Leiter des berühmten "Institute of Advanced Study" (IAS) in Princeton, das seinem Ruf vorallem der Tatsache schuldete, dass es Wohnort und intellektuelle Zuflucht von Albert Einstein war. Die durch private Sponsoren gut dotierte Stelle erlaubten Oppie einen grosszügigen Lebenswandel. Vortagsreisen durfte er weiterhin unternehmen und 1962 erhielt er mit dem Fermi-Preis (durch Kennedy) sogar eine Art regierungsamtliche Wiedergutmachung. Ab 1954 verbrachte die Familie Oppenheimer jedes Jahr einige Monate auf der kleinen Karibikinsel St. John die zu den (amerikanischen) Virgin Islands gehören. An der Hawksnest Bay erwarben sie ein Grundstück und liessen dort durch einen renommierten Architekten ein Ferienhaus bauen. Palmen säumten den weissen Strand dieses Schlupfwinkels, Papageienfische tummelten sich im türkisblauen Wasser und gelegentlich zog ein Schwarm Barrakudas vorbei. Eine wahre Idylle!
Ab 1966 entwickelte sich bei Oppenheimer ein bösartiger Kehlkopfkrebs, der wahrscheinlich mit seinen Rauchergewohnheiten zusammen hing. Trotz mehrfacher Bestrahlungen liess sich der Tumor nicht zurück drängen. Am 18. Februar 1967, gerade 62 Jahre alt, starb J. Robert Oppenheimer ziemlich qualvoll. Sein Leichnam wurde eingeäschert und die Urne wunschgemäss in St. John, unweit von seinem Haus im Meer versenkt. Lewis Strauss sandte Kitty Oppenheimer umgehend ein Telegramm: Die Nachricht von Roberts Tod habe ihn "betrübt".
EpilogKitty Oppenheimer zog nach dem Tod von Robert mit Bob Serber, einem Schüler und engen Mitarbeiter ihres Mannes, zusammen. 1972 kauften sie sich das Segelboot "Moonraker" und beschlossen damit die Welt zu umsegeln. Sie kamen nicht weit; vor der Küste Kolumbiens wurde Kitty so krank, dass Serber wenden und den Hafen von Panama ansteuern musste. Dort starb Kitty; ihre Asche wurde auf St. John, nahe bei der von Robert, verstreut.
Frank Oppenheimer, Roberts brillanter und liebenswürdiger Bruder, wurde 1949 während der McCarthy-Ära, aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei der USA aus allen Universitätsämtern entlassen. Volle zehn Jahre schlug er sich in den Bergen Colorados als Viehrancher durch. Robert kam fast jeden Sommer auf die Ranch und es schmerzte ihn tief, dass sein Bruder so ein ärmliches Leben führen musste. Erst im August 1969 war es Frank möglich - gefördert durch verschiedene Stiftungen - in San Francisco ein kleines technisches Museum aufzubauen und als Familienprojekt zu betreiben.
Peter Oppenheimer, Kittys wenig geliebter Sohn, betrieb eine Zeitlang eine Ranch in den Bergen von New Mexico. Er hatte drei Kinder, wurde zweimal geschieden und liess sich schliesslich in Santa Fe als Bauunternehmer und Zimmermann nieder. Gelegentlich ging er als Umweltaktivist von Haustür zu Haustür und agitierte gegen die Risiken des Atommülls in seiner Gegend.
Toni Oppenheimer, die Tochter, fand nach dem Tod ihres Vaters keinen Halt mehr. Die willensstarke Mutter hatte sie noch in ein Masterstudium gedrängt, doch nach einer kurzen Weile steckte sie auf. Zweimal verheiratet und zweimal geschieden erlebte sie nur ein flüchtiges Glück. Sie kehrte schliesslich nach St. John zurück und versuchte mit Hilfe eines Psychiaters ihre Depressionen zu überwinden. Vergebens. Im Januar 1977 erhängte sie sich in dem Haus, welches ihr Vater an der Hawksnest Bay hatte bauen lassen.
Während der letzten dreissig Jahre bin ich einige Male urlaubshalber auf St. John gewesen. Die Bucht und der Sandstrand von Hawksnest sind mir wohl vertraut. Das Haus der Oppenheimer aber konnte ich dort nicht entdecken. Auf Befragen teilte mir ein einheimischer Karibe mit, dass es durch einen Hurrikan hinweg gefegt worden sei...