Für den Forschungsminister in Baden-Württemberg, Professor Peter Frankenberg, war 2009 ein besonders ergiebiges Jahr. Nicht weniger als neun Hochschulen durfte er gründen. Im März etablierte er, auf einen Schlag, acht "Duale Hochschulen Baden-Württemberg", die sich auch stolz "Baden -Wuerttemberg Cooperative State Universities" nennen dürfen. Alle verfügen über Rektorat und Fakultäten. An ihnen lehren Professoren, deren Vergütung allerdings meist unter der von Gymnasiallehrern liegt. Denn es handelt sich um die altbekannten Berufsakademien, die man in der Titelatur hochgehoben hat.
Am 1. Oktober ds. J. kam eine neunte Hochschule hinzu, die sich KIT nennnt, das "Karlsruhe Institut für Technologie" und deren Name leicht ins Englische zu übertragen ist: "Karlsruhe Institute of Technology". Bei KIT ist das Preisschild grösser, denn an ihm wird geforscht und die Professoren beziehen höhere Gehälter. Insgesamt 700 Millionen Euro müssen Jahr für Jahr bereit gestellt werden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Angesichts einer solchen Riesenfirma hätte der Steuerzahler nach dem Gründungsakt eigentlich mehr Informationen im Internet erwarten dürfen. Auf alle Fälle wird ein Organigramm vermisst, aus dem die verschiedenen Einheiten und ihre wesentlichen Aufgaben ersichtlich werden. Leider Fehlanzeige. So ist man auf mündliche Informationen angewiesen, eben die altbekannte "Buschtrommel".
Mit wem man auch spricht, es wird klar: die beiden Fusionspartner sind noch lange nicht zusammen gewachsen. Immer mehr zeigt sich, dass beide Dickschiffe bezüglich Struktur - und besonders bezüglich Kultur - noch Welten trennen. Die Grossprojekte der FZK korrespondieren nicht mit den vielen kleinen Institutsprojekten und Doktorarbeiten an der Uni. Beim FZK - einer Nachkriegsgründung - ist Ton und Umgang vergleichsweise locker; bei der Uni glaubt man gelegentlich noch Humboldt oder gar Wilhelm II hervorlugen zu sehen.
Von Gleichberechtigung ist bei der Zusammenführung ähnlicher Organisationseinheiten bislang wenig zu merken. Bei der Infrastruktur und den Bibliotheken hatte die Uni klar das Sagen; beim Rechenzentrum der FZK kann man sogar von einer "feindlichen Übernahme" durch die Uni reden. Etwas kompensiert wird dies durch die präsidiale Vorhand des FZK im administrativen Bereich, sprich Personal, Einkauf und Finanzen. Wenn im Unibereich die kaufmännische Buchführung oder gar die Budgetierung eingeführt werden sollte, dann sage ich Heulen und Zähneklappern voraus. Aber Hunderte von Millionen Jahresausgaben sollte man heute, im Computerzeitalter, nicht mehr nach der uralten Kameralistikmethode durch die Institutssekretärin verbuchen lassen. Dass man bei der Uni ein andersartiges SAP-System zugelassen hat, wird sich bald als grosser Fehler herausstellen.
Der KIT-Senat ist zwischenzeitlich aus der Taufe gehoben. Paritätisch mit 2 mal 25 Personen besetzt, ist es ein grosses Gremium geworden. ( Hinzu kommen noch die Präsidenten und die Gleichstellungsbeauftragten!) Leider hat der Senat kaum etwas zu sagen. Das war beim Wissenschaftlich-Technischen Rat (WTR) am FZK anders. Er war kleiner, mit mehr wissenschaftlichen Mitgliedern besetzt und hatte als gesellschaftsrechtliches Organ beim F&E-Programm sowie der Verteilung der Finanzmittel ein gehöriges Wort mitzureden. Vor wenigen Wochen wurde er leider aufgelöst.
Die sichtbarste Verbindung zwischen Uni und FZK ist der KIT-Shuttle. Er fährt mehrfach täglich vom urbanen Campus Süd zu dem im Hardtwald gelegenen Campus Nord, der von einigen frotzelnd auch "Campus Gulag" genannt wird.
Zu einem heftigen Streit zwischen Präsidium und Institusleitern ist es vor kurzem bei der geplanten Einführung der sog. Bereichsvorstände gekommen. Er ist noch keineswegs ausgestanden und könnte sich zu einer Bruchstelle in der grossen KIT-Organisation entwickeln. Beim Präsidium möchte man zwischen sich und die Institutsleiter eine zusätzliche Leitungsebene von etwa 10 bis 12 Bereichvorstände legen, um eine gewisse Arbeitsentlastung zu erfahren. (Ein Präside wird sogar mit dem Weggang zur "Areva-School" in Verbindung gebracht.) Die Institutsleiter betrachten dies als "Degradierung" und haben dagegen, zusammen mit den Dekanen, Front bezogen. Wie, und ob überhaupt,ein gangbarer Kompromiss gefunden werden kann, ist derzeit noch unklar. Der Vorschlag der Institutsleiter, die Bereichsvorstände (z. B. bei den Berufungsverhandlungen) mit gleicher Kompetenz wie das Präsidium auszustatten, wurde abgelehnt. Es würde die Präsidenten zu "Frühstücksdirektoren" machen.
Von den anfangs viel beschworenen Synergieeffekten bei der Fusion beider Einrichtungen ist bisher noch wenig zu spüren. Im Gegenteil, überall türmen sich die Aufgaben und die Mitarbeiter - auf allen Ebenen - werden mit bürokratischer Arbeit geradezu zugeschüttet. Wann der Fusionsgewinn sich einstellen wird, ist derzeit überhaupt noch nicht zu erkennen. Ob ein Mathematiker oder ein Wirtschaftswissenschaftler aus KIT je Vorteile ziehen wird, darf bezweifelt werden.
Aber die Uhr tickt. Nächstes Jahr steht die routinemässige Evaluierung von KIT durch die Experten des Wissenschaftsrats an. Dabei werden die 6 Kompetenzbereiche mit ihren 30 Kompetenzfeldern detailliert auf input und output zu untersuchen sein. Vor diesem Hintergrund ist es (zumindest psychologisch) nicht hilfreich, dass die Universität Karlsruhe bei einem kürzlichen weltweiten Hochschulranking besonders schlecht abgeschnitten hat. Gerade mal der 184. Platz wurde erreicht; davor lagen fast alle deutsche Hochschulen von einiger Prominenz. Hoffen wir, dass KIT der Exzellenzstatus erhalten bleibt, ansonsten wäre der Image-Schaden gewaltig.
Im Länd´le gäbbet es nur noch ein KIT´le.
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ALI