Sonntag, 25. Oktober 2009

Als leaf-peeper in Bretton Woods

Wer im Oktober in den Neuenglandstaaten der USA unterwegs ist, erlebt unendlich ausgedehnte Laubwälder, die geradezu in Flammen stehen. Der "Indian Summer" versetzt die Wälder in einen grandiosen Farbenrausch, an der die herbstliche Laubfärbung unseres europäischen Altweibersommers nicht im entferntesten heran reicht. Besonderen Eindruck machen die tiefrot glänzenden Zuckerahornbäume. Die "fall foliage" insbes. in Vermont und New Hampshire lockt Besucher aus ganz Amerika, besonders aber aus den an Laubbäumen armen Kalifornien, die schon von weitem als "leaf-peeper" (Blättergucker) zu erkennen sind.

Die exakten Termine der kräftigsten Herbstlaubfärbung lassen sich langfristig nicht prognoszieren. Die Grenzlinie bewegt sich kontinuierlich von Kanada nach Süden und kann den Zeitungen entnommen werden. Sogar eine hotline für die fall foliage gibt es. Es ist empfehlenswert (mit einem Leihwagen) der intensivsten Laubfärbung einfach nachzufahren. Meine Frau Brigitte und ich machten genau das und so gelangten wir, fast unversehens, zu den landschaftlich wunderschön gelegenen "White Mountains" in New Hampshire und von dort zu der kleinen Siedlung Bretton Woods.

Im Grunde besteht dieser Ort nur aus einem gewaltigen weiss und rot angestrichenen Hotel - dem Mount Washington Hotel - das sich wahrhaft königlich vor der Bergkulisse der White Mountains präsentiert. Zimmerpreise ab 600 Dollar pro Nacht sorgen für ein "ausgewähltes" Publikum, aber ein Lunch mit anschliessender englischer Teestunde auf der Veranda ist finanziell noch zu packen.

Denn das Mount Washington Hotel ist berühmt und atmet Geschichte. Dort fand 1944, auf Veranlassung des US-Präsidenten Roosevelt, eine Konferenz von Finanzexperten statt. Dabei wurde, angesichts des sich abzeichnenden Ende des 2. Weltkriegs, das internationale Währungssystem für die Nachkriegszeit aus der Taufe gehoben. Bei dem bekannten Abkommen von Bretton Woods wurden zum Beispiel die noch heute existierenden Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfond (IWF) geschaffen und ausserdem wurde der künftige Wert des Dollar als Leitwährung festgelegt. Der Wert des Dollars änderte sich aber im Laufe seiner mehr als zweihunderjährigen Geschichte oftmals, wie man aus der einschlägigen Literatur im book shop des Hotels nachlesen kann.

Geht man in der Historie bis zur Gründung der Vereinigten Staaten im Jahr 1787 zurück, so erfährt man, dass damals der Silberdollar als Währungseinheit eingeführt wurde. Er war das offizielle Geld und besass einen Silbergehalt von 24 Gramm. Sobald eine Münze durch Abrieb ein Prozent ihres Gewichts verloren hatte, wurde sie aus dem Verkehr gezogen und eingeschmolzen. Wer an den Silberdollars herumfeilte oder gar falsche in Umlauf brachte , wurde gehängt. Ähnliche Gold- und Silberwährungen gab es im Deutschen Reich ("Goldmark") und im Britischen Empire ("Pfund Sterling"). Das 18. Jahrhundert war eine Zeit der stabilen Verhältnisse, des Wohlstands und des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Da es ziemlich unhandlich war, Säcke mit Gold- und Silbermünzen umher zu schleppen, wurde parallel dazu das Papiergeld eingeführt. Aber: jeder Banknotenbesitzer konnte jederzeit diese Zahlungsmittel bei seiner Bank in Edelmetall rücktauschen. Nun machte das aber nicht jeder und die schlauen Notenbanker merkten dies natürlich. Sie druckten (sicherlich im Einverständnis mit den Politikern) mehr Papiergeld als an Edelmetall hinterlegt war. Besonders krass wurde dieses Missverhältnis im 1. Weltkrieg, der bei strenger Einhaltung der Gold- und Silberwährung gar nicht hätte geführt werden können. Die Folgen sind bekannt. Während der deutschen Hyperinflation 1923 wurde das Geld im Schubkarren zum Lieferanten gefahren. (Wobei man vorallem auf die Schubkarre zu achten hatte, denn sie war am folgenden Tag schon mehr wert als das transportierte Papiergeld.)

Der 1. Weltkrieg ruinierte die Währungen aller kriegführenden Länder. Auch die USA wurden klamm, insbes. nach der Wirtschaftskrise 1928. Im Jahr 1933 wusste sich der damalige Präsident Roosevelt nicht mehr anders zu helfen, als den privaten Goldbesitz unter Strafe zu stellen. Münzen, Barren, ja sogar Goldschmuck mussten abgeliefert werden; die privaten Haushalte und die Banktresore wurden auf Anordnung der Regierung durchsucht und alles Gold konfisziert!

Nach dem 2. Weltkrieg waren die kriegführenden Staaten wiederum pleite - diesmal allerdings mit Ausnahme der USA. Die Amerikaner hatten ja zuvor schon riesige Geldmengen eingezogen und waren so schlau, sich die Waffenlieferungen während des Kriegs in Gold bezahlen zu lassen. Im Abkommen von Bretton Woods konnten die USA deshalb durchdrücken, dass künftig eine Unze Gold (ca. 28 Gramm) exakt 35 US-Dollar wert waren. Der Dollar war also goldgedeckt. Alle anderen Länder mussten sich anpassen. Das englische Pfund verlor damals einen Grossteil seines ursprünglichen Werts; unsere Reichsmark erlitt bei der Währungsreform 1948 einen Totalverlust.

Aber die Kriege hörten nicht auf. Der anschliessende Koreakrieg und ganz besonders der langandauernde Krieg gegen Vietnam kosteten viel Geld. Zwangsläufig schmissen die Amerikaner wieder die Druckerpresse an, was natürlich nicht verborgen blieb. Im Jahr 1969 legte (der Intimfeind) Frankreich all seine Papierdollars bei der US-Notenbank zum Eintausch gegen Gold vor - aber die Amerikaner konnten nicht liefern. In der Folge kündigte Präsident Nixon, in echter Grossmachtmanier, die Golddeckung des Dollar einfach auf. Auf der Dollarnote steht seitdem der Spruch "In God we trust". Sarkasmus pur!

Und die Kriege gingen weiter. Der 2-Wochen-Krieg gegen Kuweit war noch verhältnismässig billig, jener gegen den Irak umso teuerer. Der noch anhaltende Krieg in Afganistan ist in seiner Dauer noch gar nicht abschätzbar und am Horizont dräuen schon weitere Auseinandersetzungen (Iran, Nordkorea). Hinzu kommen die ständigen Hilfslieferungen für Isreal. Der Dollar, einst unbestrittene Leitwährung, hat an Wert erheblich verloren. Andere Währungen, wie der Euro, der japanische Yen und der chinesische Yuan sind als Konkurrenten hinzu gekommen. Bei solcher Bedrängnis stellt sich die Frage: warum nimmt überhaupt noch jemand den Dollar an?

Die genaue Antwort dafür weiss niemand, aber es scheint so zu sein, dass dahinter der grösste Coup der Finanzgeschichte steckt. Den Amerikanern ist es wohl gelungen, eine stetige Nachfrage für ihre marode Dollarwährung zu erzeugen. Und das scheint - ohne, dass es offiziell zugegeben wird - so zu funktionieren: die USA haben offensichtlich mit den Saudis, den grössten Öllieferanten der Welt, ein Abkommen dergestalt getroffen, dass diese ihr Öl nur gegen US-Dollars verkaufen, während die USA (als Gegenleistung) das saudische Königshaus gegen alle inneren und äusseren Feinde schützt. Wer Öl braucht muss in Dollars bezahlen, was die amerikanische Währung an der Börse stützt.

Inzwischen wird an diesem Deal gerüttelt. Als erster versuchte es Saddam Hussein, der im Jahr 2000 erklärte, sein Öl nur noch gegen Euro zu verkaufen. Die Folgen sind bekannt. Vielleicht waren die "Massenvernichtungswaffen" nur vorgeschoben. Als Nordkorea 2002 seine Dollarbestände in Euros umtauschte, landete es postwendend auf der "Achse des Bösen". Und Hugo Chavez, jener aufmüpfige Präsident von Venezuela sollte sich auch vorsehen, bevor er seine Drohung, Öl nur noch gegen Euro und Yen zu verkaufen, wahr macht.

Der Poker um den Dollar ist noch nicht zu Ende. Vielleicht bekommen wir bald eine (künstliche) Leitwährung, bestehend aus den wichtigsten Währungen dieser Erde. Eine Art "Währungskorb", also. Zur Zeit sitzen die Chinesen auf einen Gebirge aus amerikanischen Schatzbriefen, womit die USA ihre Importe aus China bezahlen. Wenn die Chinesen diese auf den Markt werfen würden, wären die Amerikaner mit Sicherheit zahlungsunfähig.

Die schlauen Chinesen machen das aber nicht. Sie nutzen diese relativ wertlosen Papiere und kaufen damit in aller Welt - auch in Deutschland - Hochtechnologiefirmen zusammen und stärken damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Und was macht der arme Michel, um sein bisschen Bargeld auf dem Postsparbuch vor der sich am Horizont abzeichnenden Inflation zu schützen?

Er kauft Gold, die Unze für 1.050 Euro.

2 Kommentare:

  1. Zur foliage in New England (völlig unwichtig aber trotzdem interessant): 500 verschiedene Baumarten gibt es in Nordamerika im Vergleich dazu 50 in Europa. Daher die um so vieles buntere Färbung der Wälder - aber unsere sind auch schon schön.
    ALI

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  2. Zum Mount Washington Resort - Halbpension ist nicht mehr obligatorisch und wir waren letzte Woche da und haben ca. 250 USD fuer ein Zimmer mit dem gesuchten Bergblick bezahlt. Das Publikum ist auch nicht fuenfstern sondern normale Touristen, die sich einen Ausflug in ein lebendes Museum goennen. Auf alle Faelle einen Besuch und eine Uebernachtung wert!

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