Sonntag, 20. September 2009

Eisige Zeiten

Seit Jahrzehnten deutet sich auf unserer Erde eine Klimaveränderung an. Die jährlichen Durchschnittstemperaturen steigen, die Winter werden immer wärmer und in den Schiorten fehlt es an Schnee. Nicht wenige Menschen fürchten den "Wärmetod". Der Rückgang der Gletscher und die Erhöhung des Meeresspiegels sind gruselige Vorzeichen.


Aber es könnte auch ganz anders kommen. Erdgeschichtlich betrachtet, sind wir am Ende einer Warmzeit, die nun schon 10.000 Jahre anhält, aber bereits morgen in eine Kaltzeit - sprich Eiszeit - abkippen könnte. Die Temperaturen würden in wenigen Jahren um 5, vielleicht sogar um 10°C absinken und über Deutschland sowie weite Teile Europas würde sich ein kilometerhoher Eispanzer legen. Was das für eine Panik in unserer dicht bevölkerten Region auslösen würde, kann man sich kaum vorstellen.

Denn Eiszeiten sind, erdgeschichtlich betrachtet, nichts Aussergewöhnliches, sondern geradezu die Regel. Seit unser Vorfahre, der homo erectus, vor 2,5 Millionen Jahre anfing, die afrikanische Savanne zu durchstreifen, hat Europa Dutzende von Eiszeiten erlebt. Sie dauerten etwa 50.000 bis 100.000 Jahre und waren durch Zwischeneiszeiten (bzw. Warmzeiten) unterbrochen, die wesentlich kürzer waren und sich über nur 5.000 bis 10.000 Jahre erstreckten. Möglicherweise ist alles, was man zur menschlichen Kultur und Zivilisation rechnen kann - die Entwicklung der Landwirtschaft, die Entstehung der Städte und der Aufstieg von Wissenschaft und Technik - in den wenigen, sehr untypischen, Schönwetterperioden enstanden.

Einige Super-Eiszeiten gab es noch weit früher, vermutlich vor 2 Milliarden Jahren. Die Temperaturen sanken damals um 45°C und wahrscheinlich war die gesamte Erdoberfläche eingefroren. Selbst die Ozeane waren mit einer 700 Meter dicken Eisschicht bedeckt, welche auch in den Tropen noch einige Meter mächtig war. Die Geologen bezeichnen diese Phase als "Cryogenium" bzw., sehr anschaulich, als "Schneeball Erde". Erstaunlich ist, dass sich die Erde von ihrem Eispanzer wieder befreien konnte. Ein vereister Planet sollte eigentlich soviel Wärme reflektieren, dass er für alle Zeiten eisig bleibt. Aber vermutlich kam die Rettung aus dem Erdinnern und den Vulkanen, welche den Schneeball Erde wieder auftauten.


Lassen Sie mich hier eine Parenthese einfügen. Der Salzstock in Gorleben, welcher für die Endlagerung der Nuklearabfälle vorgesehen ist, wird im Wahlkampfgetümmel wieder heftig kritisiert und in seiner Tauglichkeit bestritten. Ich glaube, dass Zweifel daran unangebracht sind und zwar aus folgenden Gründen: dieser Salzstock (wie auch andere in der norddeutschen Tiefebene) ist vor mehr als 200 Millionen Jahre durch die Verdunstung eines Meeres entstanden. Seitdem sind viele Eiszeiten und Warmzeiten über ihn hinweg gegangen. In den Eiszeiten schob sich, wie ein gigantischer Hobel, jedes Mal ein schwerer Eispanzer über ihn hinweg. Zu den Warmzeiten lag er lange Zeit unter einem grossen See. Keines dieser gewaltigen Naturphänomene hat seine Existenz beeinträchtigt. Warum sollte er nicht noch einige weitere tausend oder hunderttausend Jahre Bestand haben, während der die Abfälle abklingen würden?


Erstaunlich und bedrohlich gleichermassen ist die Tatsache, dass es keine plausible Erklärung für die Auslösung der Eiszeiten gibt. Vorhersagen sind bis heute unmöglich, obwohl man sich seit fast zwei Jahrhunderten darum bemüht. Lange Zeit glaubte man an astronomische Ursachen. Während die Erde durch den Weltraum wandert, führt sie eine Reihe von Kipp- und Wackelbewgungen aus, welche die Astronomen als Präzession und Exzentrizität bezeichnen. Dadurch kommt es zu unterschiedlicher Sonnenbestrahlung und damit zu unterschiedlichen Temperaturen auf der Erdoberfläche. Aber diese sog. Milenkovic-Zyklen - benannt nach einem serbischen Wissenschaftler, der sie in mühevoller Weise über Jahrzehnte hinweg mit Bleistift und Rechenschieber ausgerechnet hat - reichen zur Erklärung nicht aus.

Wahrscheinlich kommen noch irdische Ursachen hinzu, die mit der Plattentektonik, also der von Paul Wegener gefundenen Kontinentalverschiebung, zusammenhängt. So öffneten sich beim Wegdriften von Australien breite Meeresstrassen für Strömungen, während bei der Entstehung der Landbrücke von Panama das globale Strömungssystem blockiert und total umgelenkt wurde. In ähnlicher Weise beeinflusste das Auftürmen des Himalayagebirges oder der Alpen die Windströmungen. Hinzu kamen noch die Vulkanausbrüche, bei denen jeweils eine grosse Menge des Klimagases Kohlendioxid freigesetzt wurde.

Aber diese Vermutungen erklären nicht die erstaunlichen Befunde der Eisbohrkerne aus Grönland. Diese zeigen, dass sich dort die Temperatur in nur 10 Jahren um bis zu 8°C ändern konnte. Offensichtlich muss es, regelungstechnisch gesprochen, gigantische Rückkopplungsschleifen geben, welche so grosse Veränderungen in so kurzer Zeit bewerkstelligen können, dass uns angst und bange werden muss.

Stellen wir uns vor, wie es in der jüngeren Erdgeschichte bereits mehrfach der Fall war, dass sich ein drei Kilometer hoher Eisgletscher aus Skandinavien nach Deutschland zuwälzt. An seiner Vorderkante ist diese Eismauer immer noch 800 Meter hoch. Und sie bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Tag nach Süden - die Menschen von Hamburg bis München vor sich hertreibend...

Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Es kann ein Zeitalter tötlicher Kälte, aber auch glühender Hitze sein. Nur eines ist sicher:

Wir leben auf des Messers Schneide!

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