"Soldaten!
Vierzig Jahrhunderte blicken auf Euch herab."
So motivierte Napoleon I. im Jahre 1798 seine Soldaten vor Gizeh, im Anblick der Pyramiden und der säbelbewaffneten Mamelucken. Es war das Ende dieser Reitertruppe im Kampf gegen die flintentragenden französischen Karrees. Aber es war auch der Beginn der modernen Ägyptologie, denn Napoleon führte in seinem Heer 160 Gelehrte mit, die man heute wohl als "embedded scientists" bezeichnen würde. Sie brachten reiche wissenschaftliche Ausbeute nach Hause, aber auch ganz konkrete Beute, wie den Dreisprachenstein von Rossette, der ihnen jedoch bald von den Engländern abgejagt wurde und welcher seitdem im britischen Nationalmuseum zu bewundern ist.
Von den knapp hundert Pyramiden, welche heute noch in Ägypten zu sehen sind, ist die nach dem Pharao Cheops benannte die Grösste. Sie ist knapp 150 Meter hoch, die Seitenlängen an der Basis betragen 230 Meter. Es ist das grösste je von Menschen errichtete massive Bauwerk. (Die chinesische Mauer, da langgestreckt, bildet eine Sonderkategorie.) Der Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass sie in 20 Jahren erbaut worden ist.
Und damit beginnt das Problem. Die Grosse Pyramide besteht aus zweieinhalb Millionen Steinblöcken, von denen jeder ziemlich genau ein Volumen von einem Kubikmeter besitzt und dementsprechend etwa zweieinhalb Tonnen schwer ist. Umgerechnet auf die erwähnten 20 Jahre und die jährlich zur Verfügung stehende Arbeitszeit - meistens wurde während der Flutperioden des Nils gearbeitet - waren pro Tag (!) 500 dieser schweren Blöcke zu hauen, zu transportieren und auf der Pyramide in ihre Endstellung zu bringen. Wie die alten Ägypter mit ihren begrenzten technischen Mittels dies geschafft haben, ist heute noch unter den Forschern umstritten und letztlich nicht bekannt.
Die Steinbrüche lagen im nahen Gizeh-Gebirge und im 15 Kilometer entfernten Mokkatam, jenseits des Nils. Zum Abbauen, Bearbeiten und Feinglätten besass man im archaischen Ägypten lediglich Kupferwerkzeuge. Da dieses Metall relativ weich ist, mussten die Meissel etc. nach jeweils hundert Schlägen mühsam nachgehärtet werden. Die bis zu 70 Tonnen schweren Granitblöcke für die Grabkammer wurden in den Steinbrüchen bei Assuan gewonnen und mussten, zur Flutzeit des Nils, auf Booten 600 Kilometer stromabwärts gesteuert werden. Wie das Problem des Einladens und Ausladens gelöst wurde, ist mangels historischer Quellen, weitgehend unbekannt.
Das allergrösste Problem war sicherlich der Transport der Steine vom linken Nilufer zur jeweiligen Position auf der, in die Höhe wachsenden, Pyramide. Geht man davon aus, dass technische Geräte, wie der Flaschenzug (ja, selbst das Rad !) den alten Ägyptern unbekannt waren, dann bleibt als Lösung nur die Rampe übrig. Vermutlich hat man die Steinblöcke auf hölzerne Schlitten gesetzt und mit Seilen aus Palmfasern und entsprechend vielen Menschen zur gewünschten Pyramidenposition hochgezogen.
Damit eine solche Rampe angemessen funktioniert, muss ihre Steigung innerhalb des sogenannten "Reibungswinkels" bleiben, sodass die Ladung, falls etwas schief läuft, nicht rückwärts hinunter gleitet. Dabei versteht man unter dem Reibungswinkel jenen Neigungswinkel der Rampe, bei dem ein Körper anfängt, von selbst abwärts zu rutschen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Steigung, bei einer geschmierten glatten Oberfläche, 5 Prozent nicht übersteigen darf.
Und hier eröffnet sich ein weiteres Problem: die Rampe hätte gewaltige Ausmasse haben müssen, um richtig funktionieren zu können. Bei der erwähnten maximalen Steigung von 5 Prozent wäre sie drei Kilometer lang gewesen. Das Volumen einer solchen Rampe würde auf 20 Millionen Kubikmeter hinauslaufen, fast das zehnfache des Bauvolumens der Pyramide selbst. Aufbau und Abbau einer solch gigantischen Baurampe hätte die eigentliche Errichtungsarbeit der Pyramide damit glatt in den Schatten gestellt.
Deswegen suchen die Ägyptologen nach architektonischen Auswegen, um so lange Rampen zu vermeiden. Vorgeschlagen wurden "umhüllende Rampen", die sich aussen rechtwinkelig an die Pyramide anschmiegen und mit ihr hochwachsen. In ähnlicher Weise kann man sich eine "innere Rampe" vorstellen, die im Inneren des Bauwerks verläuft. Die für den Rampenbau benötigen Geröllmengen sind dann zwar geringer, aber immer noch beträchtlich.
Egal, wie die Steinblöcke zur Pyramide kamen, es blieb die Aufgabe jeden Tag rd. 500 dieser Quader exakt an ihren Platz zu positionieren. Umgerechnet ist dies etwa ein Stein pro Minute (!), der endbehauen und geometrisch exakt platziert werden musste. Insbesondere die 115.000 Blöcke der äusseren Verkleidung waren schwierig zu ihrer Einbaustelle emporzuschleifen und einzubetten. Trotzdem sind die Steinfugen so dicht, dass es kaum gelingt, eine Rasierklinge hindurch zu schieben. Die ägyptischen Steinmetze und Maurer müssen wahre Künstler gewesen sein.
Um all diese Arbeitsvorgänge zu planen und zeitlich zu koordinieren, bedurfte es der Organisationsgabe eines Genies. Die Männer in den Steinbrüchen, auf den Booten, an den Rampen sowie die Steinmetze und Schmiede mussten ständig mit Arbeit versorgt werden - und zwar ohne Zuhilfenahme von Computern und Handys. Kurz, es war Generalstabsarbeit grössten Stils - aber mit primitivsten Mitteln - zu leisten. Da waren Superprojektleiter am Werk!
Leider besitzen wir, von wenigen Steinabbildungen abgesehen, keine überlieferten Informationen, wie die alten Ägypter dieses gigantische Werk vollbracht haben. Die Forscher tappen im Dunkeln und sind auf Vermutungen und Hypothesen angewiesen.
Ignoramus, ignorabimus?
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